Rezensionenken“. Frauenbewegungen als soziale Bewegungen (IlseLenz) werden hier genauso betrachtet wie z.B. Frauennetzwerke(Stephanie Bock), Frauenprojekte (Yvonne P.Doderer und Beate Kortendiek), die Lesbenbewegung (AgnesSenganata Münst) oder Migrantinnenorganisationen(Helen Schwenken) und (internationale) Frauenrechte undGleichstellungspolitiken (Uta Ruppert, Mechtild Cor<strong>des</strong>).Abschließende BemerkungenAlle Beiträge <strong>des</strong> Handbuchs sind einheitlich gegliedert.„Sie geben eine Übersicht über die jeweiligen zentralenDefinitionen, grundlegenden Studien und Debatten,aktuellen (Forschungs-)Ergebnisse sowie einenAusblick auf Forschungsfragen und Zukunftsvisionen.“(S. 12) Das Schlagwortregister im Anhang enthältüber 450 Lemmata, die es ermöglichen, leicht undschnell entsprechende inhaltliche Ausführungen zu einzelnenStichworten zu finden.Alles in allem ist den beiden Herausgeberinnen, trotzder angemerkten Kritikpunkte, mit diesem Handbucheine beachtenswerte Dokumentation zur Frauen- undGeschlechterforschung gelungen; vor der geleistetenArbeit kann man nur „den Hut ziehen“. Das Buch regtzum Nach-, aber auch zum Weiterlesen an und ist nichtnur für EinsteigerInnen, sondern auch für bereits inder Frauen- und Geschlechterforschung tätige WissenschaftlerInnen,ein interessantes Nachschlagewerk. Sozial-und GesellschaftswissenschaftlerInnen (oder solche,die es werden wollen), innerhalb wie außerhalbder Frauen- und Geschlechterforschung, sei das Handbuchbesonders ans Herz gelegt.Anmerkung1Ich verwende durchgängig die weibliche Form, da Autorendeutlich in der Minderzahl sind, selbstverständlich sind siejedoch durch dieser Schreibweise mitgenannt.Anina Mischau, Interdisziplinäres Zentrum für Frauen- undGeschlechterforschung (<strong>IFF</strong>), Universität Bielefeld,Email: anina.mischau@uni-bielefeld.deChristina von Braun und Inge Stephan (Hgg.):Gender@Wissen. Ein Handbuch der Gender-Theorien, Böhlau 2005, UTB-Verlag, 370 Seiten,22.90 €, ISBN 3-8252-2584-4Der von den Herausgeberinnenausführlicheingeleitete Sammelbandbeschäftigtsich mit der Frage„nach dem Verhältnisvon Wissen/Wissenschaftund Geschlecht“(S. 7). DasBuch steht teilweiseim Zusammenhangmit dem aktuellenGraduiertenkolleg„Geschlecht als Wissenskategorie“an derHumboldt-Universität Berlin; das erklärt den durchausungewöhnlichen Titel, der neugierig macht und sichdeutlich abhebt von den inzwischen unübersichtlich gewordenenVeröffentlichungen mit Gender-Bezug. DerBand vermittelt kritische Standpunkte gegenüber eherpolitisch orientierten Gender-Abhandlungen. In „Themenfeldern“(S. 47-260) und in „Abgrenzungen/Überschneidungen“(S. 261-366) erfolgt eine begrifflich systematisierteBearbeitung; Beispiele: Identität, Körper,Sexualität, Globalisierung, Lebenswissenschaften. DieVerfasserInnen der einzelnen Beiträge kommen aus unterschiedlichenWissenschaftsgebieten: Philosophie, Literatur,Kultur, Medien, Kommunikation, Soziologie,aber auch darüber hinaus spezialisierte Gender-Wissenschaften.Gender-Theorien werden den LeserInnen somitaus ganz unterschiedlichen, und doch historischwahlverwandten, wissenschaftlichen Ansätzen herauspräsentiert. Die Beiträge gehen von der grundlegendenThese aus, dass zwischen historischen Veränderungender Wissensordnung und dem Wandel der Geschlechterordnunginhaltliche Verbindungslinien bestehen.Diese These wird jeweils konkretisiert, wenn nachder „geschlechtlichen Zuordnung der Wissensfelder“(S. 9) gefragt wird. Insofern ist das Buch eine spannendeReise durch die Geschichte der Wissenschaften aufder Suche nach dem Grund, weshalb – nachdem denFrauen der Zugang zur Universität eröffnet wordenwar – die „Ordnung“ einzelner Wissenschaften in bestimmtenhistorischen Phasen geschlechtlich unterschiedlichaufgeteilt wurde. Der Sammelband widmetsich insofern dem gewagten Projekt, einerseits empiri-128
Rezensionensches Material zur Wissen(schaft)s-Ordnung aufzuarbeitenund bereit zu stellen sowie andererseits theoretisieren<strong>des</strong>Genderwissen in dieses Material zu integrieren;das Handbuch konzentriert sich dabei vor allemauf die „kritische Darstellung der Bedeutung, welcheGeschlecht als Analysekategorie in den aktuellen Theoriedebattenspielt, die ihrerseits einen langen historischenVorlauf haben, aber gerade in der Gegenwartdas Selbstverständnis der Wissenschaften in radikalerWeise zu verändern beginnen.“ (S. 29). Den AutorInnenist dieses Projekt in besonderer Weise gelungen.Der Beitrag von Claudia Breger beschäftigt sich mitdem komplexen Feld moderner „Identität“ für die neueFrauenbewegung und der aus ihr hervorgegangenenGeschlechterforschung; Ich-Identität und kollektiveIdentität werden kritisch rekonstruiert und von radikalemGleichheits- und Differenzdenken historisch abgegrenzt,wobei die Verfasserin einen eindrucksvollenÜberblick von Beauvoir und Hegel bis Butler und Benhabibvermittelt. Irmela Marei Krüger-Fürhoff stellt in demArtikel „Körper“ die „physische und psychosexuelleKonstruktion <strong>des</strong> Menschen“ (S. 66) vor und verweistauf die wissenschaftspolitische Bedeutung unterschiedlicherhistorischer Körperkonzepte für Gender Studies.In der darauf folgenden Untersuchung über „Reproduktion“fragt Bettina Mathes, ob „Medien ein Geschlecht“(S. 81) haben; sie schildert die Geschichtevon Medien und von der „Reproduktion <strong>des</strong> Geschlechtskörpers“(S. 88 ff.). Der Beitrag von Heike Jensenbeschreibt „Sexualität“ als einen nicht unwesentlichenSchwerpunkt der Geschlechterforschung, diegleichzeitig aber auch als wesentliche Problematik unterschiedlicherwissenschaftlicher und kultureller Reflexionenvorzustellen ist; und diese reflexive Problematikkönnen Gender Studies allein nicht unvermittelt vermitteln:Sexualität und Gender müssen historisch jeweilseigenständigen Entwicklungen zugeordnet werden, umden wechselseitigen Zusammenhang zueinander verstehenzu können. „Gewalt und Macht“ bilden das nächsteThemenfeld, das Christine Künzel behandelt hat; die Autorinweist historisch nach, dass bereits etymologischweder Gewalt noch Macht „geschlechtsneutral“ waren;weitere Ausführungen vertiefen diesen Nachweis anhandhistorischer Wissenschafts-Perspektiven im jeweilskritischen Umgang mit Gewalt und entsprechendenAuswirkungen auf gender-relevante Diskurse, wobeidie Rüge gegenüber der gesamten Strafrechtswissenschaft,insbesondere gegenüber der Kriminologiezwar hart trifft, bislang jedenfalls aber völlig berechtigtist. Der Beitrag „Globalisierung“ von Heike Jensen beschäftigtsich mit dem komplexen Zusammenhang vonSozialsystemen, Gender und wirtschaftlicher Realität;schwierig daran ist vor allem, dass Wissenschaft undNichtwissenschaftlichkeit aufeinander treffen;„Glokalität“ wird begrifflich ebenso eingeführt wie diepolitische Entwicklung zum „Empowerment“ und zurStrategie <strong>des</strong> „Gender Mainstreaming“. Im nachfolgendenArtikel geht es um „Performanz und Repräsentation“von Dagmar von Hoff, also um zwei zentrale Begriffein der Genderforschung; die Autorin beschreibtdie Entwicklung, wie der Term der Performanz denRepräsentationsbegriff zu ersetzen scheint, und kennzeichnetdie dafür wesentlichen Gründe, vor allem dieneueren Denkansätze in den feministischen Theorien(etwa dekonstruktiver Feminismus, Queer-Theory); indemaber darüber hinaus weitere Entwicklungslinienzu anderen Theoriebereichen (Kunst und Kultur) gezogenwerden, gelingt der Verfasserin am Ende ihres Beitragseine Art fordernde Synthese neuer und differenterRepräsentation. Kerstin Palm behandelt in „Lebenswissenschaften“(life sciences) das heterogene Gebietlebender Systeme in den Naturwissenschaften; gesuchtwird der Zusammenhang zum Genderbegriff; Ansatzpunktbilden für die Autorin u.a. insbesondere Biologieund Gesundheitswissenschaften. „Natur und Kultur“werden von Astrid Deuber-Mankowsky vorgestellt;mit einer historischen Auswahl einschlägiger thematischerLiteratur wird die Entwicklung von kulturellerund sexualisierter Natur hin zu Gleichheits- und Differenzierungstheoremendargelegt. Der Beitrag „Spracheund Semiotik“ von Antje Hornscheidt vermittelt diesprachwissenschaftliche Debatte innerhalb der Genderforschung,indem klassische und differenzierte Lehrenvon und über Sprache dargelegt werden, um „Gender“zu präzisieren: Gender als sprachlicher Ausdruck, alssprachliche Herstellung und als Kombination aus beidenAnsätzen jeweils unter epistemologischen Aspekten.Schließlich folgt als letztes Stichwort „Gedächtnis“,das den Kreis <strong>des</strong> Themenfel<strong>des</strong> schließt unterAnknüpfung und Bezugnahme zum ersten Begriff der„Identität“; die Verfasserin Claudia Öhlschläger kann denKreis <strong>des</strong>halb schließen, weil es hier um die Frage <strong>des</strong>„sozialen und kollektiven Gedächtnisses“ im Zusammenhangmit Gender geht.Im Rahmen der „Abgrenzungen/Überschneidungen“werden verschiedene Theorieschulen präsentiert,die für Gender-Diskurse wesentliche Bedeutung haben:„Postmoderne“ (von Dorothea Dornhof), „QueerStudies“ (von Sabine Hark), „Postcolonial Theory“ (vonGaby Dietze), „Media Studies“ (von Katrin Peters) sowie„Cultural Studies“ (von Claudia Benthien und Hans RudolfVelten). Alle fünf Lehren wurden in den vorigen<strong>Info</strong> 22.Jg./Nr.30/2005129