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Lernraum Schule - Bund Deutscher Architekten BDA

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weiß: „So ein Zimmer wird natürlich gehütet. DerHausmeister hat nie zu kehren brauchen. Wir sorgtenselbst für Ordnung... Der alte Drill war tot!...Ein buntes Nest ist weder in der Kaserne noch im„Der heimatliche Raum zwingt zuanderer Arbeitsart“Kloster denkbar. Der Raum zwingt zu andrer Arbeitsart.“13 Durch das Raum-Arrangement selbstwerden die Kinder und ihr Lehrer in die Richtungdes reformpädagogischen Zieles geführt: hin zuGruppenarbeit und selbstbestimmtem Üben, zuspontanem, direktem und situativem Lernen in derPraxis: Der heimatliche Raum zwingt zu andererArbeitsart. 144. Heimat im ZwangSo wünscht sich Steiger das, und so macht er esauch. Aber man sollte sich noch einmal vor Augenhalten: Die <strong>Schule</strong>, in der er sein Nest veranstaltet,ist eine normale Volks-<strong>Schule</strong> – also eine Zwangs-Anstalt. Viele: Eltern und Kinder sehen eigentlichnicht so recht ein, dass die Kleinen da hinein sollen.Von 1717 an, von der Einführung der Schulpflichtin Preußen also, dauert es eine ganze Zeit,genauer: gut 150 Jahre lang, bis sich diese neuePflicht überall durchsetzt. Viele Eltern ärgern sichzunächst, dass ihnen die Kleinen nicht mehr fürdie Kartoffel-Ernte und andere Arbeiten zur Verfügungstehen und sie tun alles, was sie können,um ihre Kinder – vor allem die Mädchen – vor soviel überflüssigem Lern-Zeug zu bewahren. Aber:Viel kann man da nicht machen. Schon zu ZeitenSteigers, erst recht bei uns heute weiß jedes Kind:jeder muss in die <strong>Schule</strong> – und wer nicht dahingeht,den holt dann eben in letzter Konsequenzdie Polizei. Und so ist es im Laufe der vergangenen200 Jahre dahin gekommen, dass aus einemzunächst eher randständigen System das zentrale,von vielerlei Mythen umgebene Ritual der Industriegesellschaftgeworden ist (Ivan Illich hat dasso genannt). Und die Orte und Räume, in denendieses mythenbildende Ritual stattfindet, sind insofernzunächst einmal Ausdruck eines staatlichüberwachten Zwanges: Dass eben alle in die <strong>Schule</strong>müssen. Diese Zwangs-Anstalt inszeniert Steigernun als Nest, in dem es behaglich undgemütlich ist – und der Widerspruchscheint ihm gar nicht bewusst zu sein.Sein Zwangs-Nest ist schlicht Heimat– die Behaglichkeit dieses Raumes verdecktseinen Zwangs-Charakter.5. Die WerkstattAber: Es gibt neben dem Kloster, der Kaserne unddem Nest noch einen weiteren Referenz-Ort, mitdem die <strong>Schule</strong> ganz traditionell verglichen wird:die Werkstatt (Abb. 3). Schon bei Comenius, im17. Jahrhundert also, wird die <strong>Schule</strong> ganz lapidardefiniert: Die <strong>Schule</strong> ist eine Werkstatt, heißtes da: „Schola est officina“, und das ist zunächstnoch ganz sachlich gemeint. „Die <strong>Schule</strong> ist eineWerkstatt, in welcher die jungen Gemüther zur Tugendgeformet werden.“ Für ihn ist die Werkstattnoch ein ganz selbstverständlicher Ort menschlicherArbeit. Das aber ändert sich mit zunehmenderModernisierung. Mit der Entstehung großer,moderner Manufakturen werden Handarbeit undWerkstatt zu kritisch gemeinten Gegenbildern, dieeiner als degeneriert erlebten Kultur vorgehaltenwerden – zum Beispiel bei Pestalozzi zu Beginndes 19. Jahrhunderts. Der wünscht sich <strong>Schule</strong>n,die wie Werkstätten immer vor Tätigkeit glühensollen, in denen auch immer Späne und Werkzeugeherumliegen – die also Zeugnis ablegen von Arbeitsfreudeund ununterbrochener Aktivität. 15Was da im Laufe des 19. Jahrhunderts entsteht,das ist ein Idealbild, ein Traum von der Werkstatt,die als Ort nicht entfremdeten menschlichen Arbeitensden Qualen der Fabrik entgegengestelltwird. Dieser Traum von der Werkstatt wird seitdem Beginn der Industrialisierung in ganz Europageträumt: die romantischen Nazarener in Romwollen – kurz nach 1800 – die Werkstätten dermittelalterlichen Künstler wiederbeleben; die englischearts-and-crafts-Bewegung nimmt deren Im-31

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