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Lernraum Schule - Bund Deutscher Architekten BDA

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selbst befreien konnten aus dem Sündenpfuhl, diedemütig und hilflos Gnade erflehen mußten.“ 4„Lebensfremd“, „vom Weltgeschehen getrennt“,die Menschen „demütig und hilflos“ – in solchenFormulierungen erscheint das Kloster geradezuals Gegenbild einer erneuerten, kindgerechten<strong>Schule</strong>.2. Die KaserneNeben dem Kloster gibt es jedoch in den Polemikenund Kritiken des 19. Jahrhunderts vor allemeine andere Referenz-Institution, mit der die <strong>Schule</strong>immer wieder in Verbindung gebracht wird:die Kaserne. Das hat seine reale Grundlage darin,dass es tatsächlich seit dem Aufbau der großenstehenden Heere im 18. Jahrhundert eine eigenemilitärische Tradition der Internatserziehung gibt:die Kadetten-Anstalten. Zuständig für die Erziehungder Offiziers- und Beamtensöhne, orientierensich diese militärischen Nachwuchs-Schmiedenzunächst an klösterlichen Vorbildern, entwickelndann aber bald ganz eigene, harte und rigoroseFormen des pädagogischen Umganges und aucheigene, extrem auf Disziplinierung hin ausgelegteRaum-Arrangements. 5Nach der – vom Versailler Vertrag erzwungenen– Auflösung dieser Kadetten-Anstalten werdendie Gebäude und Räume dann anders genutzt,sie bleiben zumeist jedoch schulischen Zweckengewidmet. Sie werden Volksschulen oder Gymnasienzugeteilt, behalten aber natürlich ihre alte,auf Disziplin und Kontrolle hin angelegte Raum-Charakteristik. Gegenüber diesen Kadetten-Anstaltenentwickelt sich im Laufe des 19. Jahrhundertseine zunehmend heftige Kritik. Sie werdenzu idealtypischen Verkörperungen einer verhasstenund verachteten Erziehung, erscheinen in denimmer häufiger und immer lauter werdenden Polemikenals die Prototypen aller „Schulkasernen“.Dabei sind diese Polemiken durchaus umfassendgemeint. Sie zielen letztlich auf die auch pädagogischsich auswirkende universelle Militarisierungder Wilhelminischen Gesellschaft. Je mehr sichdie Armee als „<strong>Schule</strong> der Nation“ versteht, umsounheimlicher wird dieser Anspruch den kritischenGeistern. So wird seit ungefähr 1880 über die„Schulkasernen“ genauso viel geschimpft und gestrittenwie über die „Mietskasernen“. Beide sindzu Stein gewordene Symbole der Behandlung vonMenschenmassen, beide: die Mietskaserne wie dieKasernenschule, taugen als polemisch einsetzbareSchreckensfiguren im Kampf für bessere Lebensbedingungen.Dieser Kampf verschärft sich nach 1918. Im Jahre1921 – um nur ein Beispiel zu nennen – erscheintvon den Hamburger Reformpädagogen AdolfJensen und Wilhelm Lamszus ein kleines Büchlein,das in den reformorientierten Kreisen derdeutschen Intelligenz bald Furore macht: „Schul-Kaserne oder Gemeinschaftsschule“, heißt dasBuch, und es ist eine Kampfschrift für eine neueArt von <strong>Schule</strong> und Lernen. Geschimpft wird aufdie „Lernschule“, die nichts anderes war „als eingroßartig organisierter Zerstörungsprozeß... DieLernschule ist das Potsdam der Erziehung, ist Militarismusder Seele, Schulkaserne.“ 6 Genau undvoller Zorn beschreiben Jensen und Lamszus, wiees in einer solchen <strong>Schule</strong> zugeht – und wie dabeifür die Kinder alle Freude und alle Phantasie verlorengehen. „Fünfzig Schüler sitzen stramm denlinken Unterarm aufgestützt und den rechten Zeigefingerunverrückt auf der Stelle im Buche, wowir augenblicklich sind. Es ist das Märchen vonSchneewittchen, das von der Klasse im Paradeschrittgenommen wird.“Wie auf dem Exerzierplatz geht es in einer solchenKasernenschule zu, wie in Potsdam also: DerLehrer schreitet die „Front“ der brav und genauausgerichteten Schüler ab. „Nun kommandiert er:halt! und befiehlt die Augen auf eine bestimmteStelle zu richten und über diese Stelle zu denkenund zu träumen. Dann geht es weiter, marsch!“ 7So werden Phantasie und Lebendigkeit vernichtet.Die Kaserne, das ist für alle Aufbruchs- und Erneuerungswilligeder Zeit nach dem ersten Weltkriegdas Schreckbild schlechthin. Andererseits jedoch27

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