11.07.2015 Aufrufe

Das Zauberpferd - Mainzer Kinder- und Jugendtheater

Das Zauberpferd - Mainzer Kinder- und Jugendtheater

Das Zauberpferd - Mainzer Kinder- und Jugendtheater

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Ein Märchen aus 1001 Nacht<strong>Das</strong> <strong>Zauberpferd</strong>In alten Zeiten herrschte einmal ein unermesslich reicher Sultan. Er hatteeinen stattlichen Sohn <strong>und</strong> eine Tochter so schön <strong>und</strong> rosig wie einGranatapfel. Zu ihrem 16. Geburtstag gab der Sultan in der Hauptstadt eingroßes Fest. Da strömten von überall Menschen herbei. Fürsten aus Arabien,Syrien <strong>und</strong> Ägypten, Kaufleute <strong>und</strong> allerlei Volk. In dieser bunt gemischtenMenge war jedoch einer, der Aufsehen erregte. Es war ein Magier aus Indien.Er führte ein Pferd aus Ebenholz mit sich. Ruhig schritt er durch dieverw<strong>und</strong>erte, gaffende Menge auf den Sultan zu <strong>und</strong> sprach: „GroßerHerrscher von Persien, erlaubt, dass ich zu Ehren eurer Tochter die Künstemeines w<strong>und</strong>erbaren Pferdes vorführe. Dieses Pferd ist nämlich etwas ganzbesonderes. Es bringt jeden, den es trägt, im Fluge überall hin. Über Meer,Gebirge <strong>und</strong> Wüsten, wo immer sein Gebieter es will.“ Dann fügte er nochhinzu: „Ich würde es euch für einen ganz bestimmten Preis verkaufen.“Der Sultan fragte seinen Sohn, Prinz Firus Schah um Rat. Dieser meinte zudem Magier gewandt: „Ich kann es nicht glauben, bevor ich mich nicht miteigenen Augen davon überzeugt habe. Reite deshalb zu dem hohen Bergdort in der Ferne. An seinem Fuße steht eine Palme mit ganz besonderenDatteln. Davon bringt mir, zum Zeichen, dass ihr dort gewesen seid.“Sogleich schwang sich der Magier in den Sattel <strong>und</strong> drehte einen Wirbel amHals des Pferdes. Sofort hob es sich vom Boden auf <strong>und</strong> entschwandpfeilschnell den Blicken der Zuschauer.Nach zwei Minuten tauchte es wieder auf. Der Magier ließ es vor dem Sultanauf die Erde nieder, stieg ab <strong>und</strong> sprach: „Hier sind die Datteln, Majestät.Seid ihr nun überzeugt?“ Der Sultan entgegnete: „Wahrhaftig, ich habe nieetwas so W<strong>und</strong>erbares gesehen. Zum Lohn für das Pferd darfst du dir dieprächtigste Stadt meines Reiches aussuchen. Sie soll dir gehören.“ DerMagier lehnte ab. Er sagte: „Nur unter einer Bedingung könnt ihr das Pferderhalten. Ihr müsst mir eure Tochter zur Frau geben.“Nach diesen Worten herrschte einen Augenblick Totenstille. Der Sultan selbstwar sprachlos vor Zorn <strong>und</strong> Unwillen über das kühne Verlangen des Magiers.Aber im Gr<strong>und</strong>e seines Herzens hatte die Gier, dieses <strong>Zauberpferd</strong> besitzenzu können, schon gesiegt. Deshalb sagte er: „Fremder, bleibt als Gast inmeinem Palast. Ich will euren Vorschlag wohl überdenken.“


Der Prinz Firus Schah aber, der mit Empörung zugehört hatte, entgegnete:„Mein Vater verzeiht, aber ich finde eure Rede nicht recht. Ihr wollt doch nichtetwa diesem dreisten, alten Gaukler eure Tochter zur Frau geben, für eineungewisse Zauberei meine Schwester verkaufen? Gebt ihm lieber drei derreichsten Städte unseres Reiches. Aber vorher will ich selbst einen Versuchmit dem Pferd machen. Es könnte ja sein, dass es nur dem Zauberergehorcht.“ Ohne lange zu überlegen, ging der Sultan mit seinem Sohn zumMagier <strong>und</strong> sagte: „Ich will sehen, ob das Pferd uns genauso gehorcht wie dir.Deshalb hilf meinem Sohn in den Sattel.“Der junge Prinz hatte sich jedoch schon auf das Pferd hinauf geschwungen<strong>und</strong> an dem Wirbel am Hals gedreht. Augenblicklich stieg das Pferd hoch indie Lüfte <strong>und</strong> verschwand pfeilschnell in den Wolken. Den Sultan ergriff großeAngst um seinen Sohn. Außerdem sagte der Magier: „Der Prinz kennt dasGeheimnis des zweiten Wirbels nicht, der das Pferd zur Erde zurück lenkt.Meine Schuld ist es nicht, wenn der Prinz bis zum jüngsten Tag durch die Luftdahin sausen muss.“ Sofort ließ der Sultan den Magier in den Kerker werfen<strong>und</strong> sagte: „Ist mein Sohn binnen drei Monaten nicht zurück, so geht es dirans Leben.“Prinz Firus Schah aber flog zu der Zeit durch die Luft <strong>und</strong> stieg immer höher,bis er die Erde nicht mehr sehen konnte. Die Freude über das Pferd wichallmählich großer Furcht. Um auf die Erde zurückzukehren, drehte er nocheinmal den Wirbel am Hals des Pferdes. Sogleich schoss das Pferd mit nochhöherer Geschwindigkeit davon. Voller Verzweiflung versuchte er, all seinenVerstand zusammen zu nehmen. Und schließlich fand er am rechten Ohr desPferdes den zweiten Wirbel. Der Prinz drehte ihn <strong>und</strong> sofort senkte sich dasPferd <strong>und</strong> flog wieder in Richtung Erde.Als er endlich auf der Erde gelandet war, kannte er sich nicht aus, er wusstenicht mehr wo er war. Direkt vor ihm sah er ein w<strong>und</strong>erschönes Schloss. <strong>Das</strong>Tor stand offen <strong>und</strong> Firus Schah ging hinein. Kein Wächter hielt ihn auf, dennalle lagen auf der Erde <strong>und</strong> schliefen. Ängstlich <strong>und</strong> vorsichtig erk<strong>und</strong>ete derPrinz einen Raum nach dem anderen. Sie waren w<strong>und</strong>erschön. GoldeneMöbel standen darin <strong>und</strong> herrliche Stoffe hingen an den Wänden. Schließlich,am Ende eines Ganges, entdeckte er ein warmes Licht. Er ging näher <strong>und</strong>kam in einen Raum, der noch schöner war als die anderen. In der Mitte erhobsich ein Baldachin über einem hohen, purpurnen Lager. Ein Mädchen ruhtedarauf <strong>und</strong> schlief. Vorsichtig näherte sich der Prinz <strong>und</strong> bei ihrem Anblicksank er bebend vor Verw<strong>und</strong>erung auf die Knie. So schön war sie. <strong>Das</strong>Mädchen erwachte <strong>und</strong> der Prinz sagte schnell: „Habt keine Furcht <strong>und</strong>verzeiht, dass ich hier eingedrungen bin. Aber das Schicksal hat mich zueuch geführt. Wer seid ihr <strong>und</strong> wo bin ich?“


<strong>Das</strong> Mädchen antwortete ruhig <strong>und</strong> ohne Angst: „Ich bin die Prinzessin vonBengalen <strong>und</strong> dies ist mein Schloss.“ Der Prinz stellte sich seinerseits vor<strong>und</strong> erzählte der Prinzessin, wie er hergekommen war. Als er geendet hatte,sagte die Prinzessin: „Was für ein Abenteuer! Hat euch das Schicksal hergeführt, so sollt ihr auch hier verweilen.“ Der Prinz willigte ein, denn diePrinzessin gefiel ihm über alle Maßen gut. So verging die Zeit wie im Fluge.Nach drei Monaten dachte der Prinz: „Mein Vater wird sich Sorgen machen,ich muss nach Hause zurückkehren.“ Der Prinzessin sagte er: „Wollt ihr michnach Hause begleiten als meine Frau <strong>und</strong> Gemahlin?“ Die Prinzessin willigtefreudestrahlend ein.Gleich, als der Morgen dämmerte, bestiegen sie das <strong>Zauberpferd</strong> <strong>und</strong> als dieSonne am nächsten Tag aufging, wies der Prinz auf den Horizont <strong>und</strong> sagte:„Irikisai, Prinzessin, siehst du dort die blau-goldenen Kuppeln? Es sind dieKuppeln unserer Hauptstadt. Die größte erhebt sich über dem königlichenPalast.“ Um der Prinzessin einen würdigen Empfang im Schloss seinesVaters bereiten zu können, setzte er die Prinzessin in einem kleinen, herrlichgelegenen Schloss außerhalb der Stadt ab. Dann ritt er auf einem feurigenAraberhengst zum Palast. <strong>Das</strong> Volk jubelte ihm zu <strong>und</strong> der alte Sultan kamihm entgegen <strong>und</strong> weinte vor Glück <strong>und</strong> Freude. Nun erzählte der Prinz seinganzes Erlebnis. Auch seine Verlobung mit der Prinzessin Irikisai vonBengalen verschwieg er nicht. Sein Vater ließ sofort alles für eine glanzvolleHochzeit vorbereiten.Den alten Magier aber, der immer noch im Gefängnis saß, ließ er vor seinenThron führen. Der Sultan sagte: „Am letzten Tage deiner Frist ist mein Sohnheimgekehrt. Du bist also frei, aber verlasse auf der Stelle mein Reich.“ Mithöhnischem Lachen <strong>und</strong> grimmigem Gesicht verließ der Magier den Palast.Er dachte bei sich: „Ihr werdet noch an mich denken.“ Denn er hatte imGefängnis von der Verlobung gehört <strong>und</strong> auch erfahren, wo sich diePrinzessin aufhielt. Er eilte zum Schlösschen <strong>und</strong> sagte zum Verwalter:„Der Sultan hat mich beauftragt, die Prinzessin in den Palast zu führen.“Der Verwalter ahnte nichts Böses <strong>und</strong> ließ die Prinzessin auf den Schlosshofführen, wo noch das <strong>Zauberpferd</strong> stand. Sogleich sprang der Magier in denSattel, zerrte das Mädchen hinter sich aufs Pferd <strong>und</strong> stieg mit ihr in die Luftempor. Über dem Schloss des Sultans senkte er das Pferd, so dass alleerkennen könnten, dass die Prinzessin mit ihm auf dem Pferd saß. DerSultan <strong>und</strong> Prinz Firus Schah waren verzweifelt. Der Prinz aber liebte diePrinzessin so sehr, dass er sofort seine Sachen packte <strong>und</strong> in die weite Weltging, Prinzessin Irikisai zu suchen. Er wollte erst zurückkommen, wenn er siegef<strong>und</strong>en hatte. Traurig <strong>und</strong> besorgt geleitete der alte Sultan seinen Sohnzum Rande der Stadt <strong>und</strong> wünschte ihm alles Glück dieser Welt.


Indessen war der Magier mit der Prinzessin schon weit fort geflogen. Als sieam Abend in einem Walde rasteten, begann die Prinzessin laut zu weinen.Da kam plötzlich eine Schar fürchterlich gekleideter Jäger heran. Neugierigumringten sie das verzweifelte Mädchen <strong>und</strong> schauten es an.Der Anführer aber trat zu dem Inder <strong>und</strong> fragte: „Wer ist diese schöne Frau,warum lasst ihr sie so herzzerreißend weinen?“ Der Magier entgegnete nur.„<strong>Das</strong> geht euch nichts an!“ Da stellte sich der Anführer des Trupps vor:„Ich bin der Sultan von Kaschmir <strong>und</strong> ihr befindet euch auf meinem Gr<strong>und</strong><strong>und</strong> Boden. Also geht es mich sehr wohl etwas an.“ Notgedrungen mussteder Magier Auskunft geben. Er sagte: „<strong>Das</strong> ist meine Frau <strong>und</strong> Sklavin.“Jetzt konnte sich die Prinzessin nicht länger zurückhalten. Sie trat zu demSultan <strong>und</strong> sagte: „Dieser Mann lügt. Er hat mich geraubt <strong>und</strong> entführt.Ich bin die Prinzessin von Bengalen. Glaubt mir, edler Herr! Mein Bräutigamist Prinz Firus Schah von Persien.“ Der Sultan glaubte der schönenPrinzessin <strong>und</strong> ließ den alten Magier ergreifen. Die Soldaten brachten ihn inden Kerker, wo er seine Taten mit dem Leben bezahlen musste.Die Prinzessin aber wurde vom Sultan in dessen Palast gebracht. Sie warsehr glücklich über ihre Befreiung, doch die Freude dauerte nicht lange. DerSultan war von ihrer Schönheit so bezaubert, dass er sich gleich amnächsten Tag mit ihr vermählen wollte. Sie aber liebte doch Prinz FirusSchah. In ihrer Not stellte sie sich so, als sei ihr Verstand verwirrt. Sie stießschrille Laute aus <strong>und</strong> tat, als wollte sie dem Sultan die Augen auskratzen.Sogleich ließ er alle Ärzte seines Reiches rufen, damit sie die Prinzessinuntersuchten. Aber keiner konnte ihr helfen.Inzwischen war Prinz Firus durch viele Länder gekommen <strong>und</strong> kam auch indas des Sultans von Kaschmir. So hörte er eines Tages die Geschichte vonder Geisteskrankheit der Prinzessin von Bengalen. Sofort wusste er, dass erseine Braut gef<strong>und</strong>en hatte. Er verkleidete sich als Arzt <strong>und</strong> begab sichunverzüglich zum Hof des Sultans um die Prinzessin zu untersuchen. Erwurde auch gleich zur Prinzessin geführt. Als der Prinz nun das GemachIrikisais betrat, sah sie ihn wild an <strong>und</strong> begann zu schreien. Der Prinz abernahm seine Verkleidung ab <strong>und</strong> die Prinzessin erkannte ihn. Überglücklichsanken sich die zwei in die Arme. Aber noch war die Gefahr nicht vorbei. Wiesollte der Prinz die Prinzessin aus dem Palast herausbekommen?Da fiel ihm eine List ein. Er fragte die Prinzessin nach dem <strong>Zauberpferd</strong>.Diese sagte: „Es steht in der Schatzkammer. Aber wie sollen wir dorthingelangen?“ „Lasst mich nur machen!“ entgegenete der Prinz.


Er legte rasch seine Verkleidung wieder an <strong>und</strong> verabschiedete sich von derPrinzessin. Dann trat er vor den Sultan <strong>und</strong> sprach: „Ich habe die Prinzessinschon fast völlig geheilt. Sie sprach dabei von einem <strong>Zauberpferd</strong>.Wahrscheinlich hat die Prinzessin von diesem Zauber etwas angenommen.Damit ich aber die Prinzessin vollständig heilen kann, muss sie noch einmalauf dem Pferd reiten. Deshalb lasst das Pferd morgen auf den Palastplatzbringen.“Am nächsten Morgen wurde das Pferd auf den Palastplatz gestellt. DiePrinzessin erschien. Es herrschte Totenstille. Der Prinz hob sie aufs Pferd,schwang sich dann selbst hinauf <strong>und</strong> drehte am Wirbel. Augenblicklich erhobsich das Pferd. Noch ehe der Sultan etwas unternehmen konnte, schoss esschon durch die Lüfte davon.Noch am gleichen Tag erreichten sie den Palast des Vaters. Der alte Sultanwar überglücklich <strong>und</strong> es wurde eine Hochzeit gefeiert, wie man sie sostrahlend noch nie gesehen hatte.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!