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Kleiner Rückblick zur Bestandsaufnahme: Wer in den 80er Jahren die<br />
Proteste gegen den sauren Regen miterlebt hat und sich an die Ökobewegung<br />
und „Atomkraft? Nein danke“ erinnert, dem stockte vor<br />
ein paar Tagen beim Hören der Nachrichten der Atem: Laut einer aktuellen<br />
Studie steht fest, dass Deutschland zu einem der waldreichsten<br />
Länder in Europa gehört. Wow! Gut, da bemerkt der grundsätzlich<br />
misstrauische Hörer gleich, dass dies nichts über die tatsächliche<br />
Waldfläche aussagt.<br />
Tags darauf wurde dieses Misstrauen von weiteren Pressemeldungen<br />
als unbegründet entlarvt. Darin erfuhr man: Über ein Drittel der<br />
Gesamtfläche Deutschlands ist nach der Studie mit Wald bedeckt.<br />
Über ein Drittel! Das sind knapp 120.000 km2 ; oder anders ausgedrückt<br />
ungefähr 16 Millionen Fußballfelder; oder über 1.200 mal<br />
der Rhein-Kreis-Neuss. Die waldreichsten Bundesländer dabei sind<br />
Rheinland-Pfalz und Hessen, in denen jeweils rund 50 Prozent der<br />
Fläche Waldgebiet ist. Und es gibt noch weitere außerordentliche<br />
Werte: Hinsichtlich des Holzvorrats je Fläche liegt ganz Deutschland<br />
im europäischen Vergleich an dritter Stelle. Nimmt man den<br />
absoluten Holzvorrat als Maßstab, so steht Deutschland in Europa<br />
an der Spitze. Beste Voraussetzungen für die Holzwirtschaft und die<br />
Lebensqualität – zumindest dann, wenn man nicht in Neuss wohnt.<br />
Ja, richtig gelesen. Während man sich woanders fast nicht entscheiden<br />
kann, in welchem bewaldeten Naherholungsgebiet man sich<br />
seine Beine vertreten möchte, ist dies in Neuss eine schwierige Angelegenheit.<br />
Gerade einmal 8,3 Prozent sind hier Forst- und Waldgebiet.<br />
Damit gilt der Rhein-Kreis, wie alle anderen, die weniger als 12<br />
Prozent Wald besitzen, als waldarmes Gebiet. Waldarm. Hört sich<br />
schaurig an. <strong>Der</strong> Grund dafür liegt nicht an Aktionen wie dem Baumschlag<br />
des Grünflächenamts, wie man ihn in den letzten Wochen im<br />
Innenstadtbereich beobachten konnte. Das Amt gab uns übrigens<br />
die Auskunft, dass dies aufgrund von Sturmschäden, Austrocknung,<br />
Baumkrankheiten und Baumaßnahmen durchgeführt wurde. Wenngleich<br />
dies für uns als Laie nicht überprüfbar ist, eine Erklärung für<br />
Lothar Wirtz Wo ist eigentlich der Wald?<br />
die Waldarmut in Neuss ist es lange nicht. <strong>Der</strong> Grund ist nämlich viel<br />
einfacher: Unsere Erde bietet mit ihren Lößböden sehr gute Eigenschaften<br />
für die Landwirtschaft. <strong>Der</strong> Wald stünde da nur im Weg.<br />
Nun wird Holz und damit der Wald als wirtschaftliche Zukunftsperspektive<br />
immer wichtiger. Er ist nicht mehr nur Naherholungsgebiet<br />
und „Grüne Lunge“ sondern effizientes Baumaterial, Energielieferant<br />
und Motor einer Wachstumsbranche. Höchste Zeit, dass sich<br />
diesbezüglich in Neuss etwas tut? Es wird schon etwas getan. Bereits<br />
1988 hat man festgestellt, dass Neuss waldarm ist. Das so genannte<br />
„Waldvermehrungsprogramm“ wurde beschlossen. Gebracht hat<br />
es bisher nicht so viel. 2002 wurde aus dem „Waldvermehrungsprogramm“<br />
das „Waldvermehrungskonzept – Waldagenda 2100“. Hier<br />
wurde das Ziel festgeschrieben, bis zum Jahr 2100 die statistische<br />
<strong>Neusser</strong> Waldarmut zu beenden.<br />
Schönes Ziel. Wenngleich noch mehr unternommen werden muss,<br />
will man der „Waldagenda 2100“ entsprechen. Bislang sind 0,3 Prozent<br />
Wald entstanden. Warum so wenig? Nun, spekulativ betrachtet<br />
geht es mal wieder ums Geld. Freie Flächen müssen für die Aufforstung<br />
erworben werden. Bis sich eine solche Investition rechnet,<br />
dauert es; selbst auf dem zukunftsträchtigen Holzmarkt. Denn, es<br />
gibt einen entscheidenden Nachteil: Holz muss wachsen. Wachsen<br />
kostet Zeit. Zeit ist Geld. <strong>Der</strong> „Return of Invest“, wie der Banker gerne<br />
sagt, wäre erst in vielen Jahren erreicht. Da lassen viele potenzielle<br />
Geldgeber die Hände in den Hosentaschen. Also düstere Aussichten?<br />
Nicht ganz. Aktionen wie „Ein Herz für Bäume“ sammeln Spenden<br />
von Unternehmen und Privatpersonen, mit deren Hilfe brachliegende<br />
Flächen erworben und aufgeforstet werden. Ob das reicht, um<br />
Neuss aus den waldarmen Zahlen heraus zu bekommen? Schwer zu<br />
sagen. Aber aller Zweifel bringt nichts. Etwas dagegen unternehmen<br />
schon. Deshalb: Auf der Homepage www.rhein-kreis-neuss.de und<br />
dem Menüpunkt „Umwelt“ findet man Infos, wie man zum hiesigen<br />
Waldreichtum der Zukunft beitragen kann. Also, liebe Leser, setzen<br />
wir auf Wachstum.