Was Sie immer wollten. Nur besser. - Heimat.de
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Es gibt keine Musik, die ich lieber woan<strong>de</strong>rs dirigieren wür<strong>de</strong>.<br />
am 30. Dezember 1991 unterzeichnete Daniel Barenboim<br />
seinen Vertrag als Künstlerischer leiter und generalmusikdirektor<br />
<strong>de</strong>r Staatsoper Unter <strong>de</strong>n lin<strong>de</strong>n. mit fünf musikerinnen<br />
und musikern <strong>de</strong>r Staatskapelle Berlin blickt er<br />
auf nunmehr 20 gemeinsame Spielzeiten zurück – und ein<br />
wenig auch auf weitere voraus.<br />
Beginnen wir im Jahr 1991: Wie hat sich <strong>de</strong>r Kontakt zwischen<br />
Ihnen und <strong>de</strong>r Staatskapelle ergeben und wer hat die Initiative<br />
ergriffen?<br />
Daniel BarenBoim (lachend): Das orchester. ein Dirigent ist<br />
total machtlos.<br />
SuSanne Schergaut: Das ging vom damaligen orchestervorstand,<br />
vornehmlich von lothar Friedrich aus, weil absehbar<br />
war, dass gmD otmar Suitner aufhören wür<strong>de</strong>. en<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r 80er Jahre war er ja schon ziemlich krank. Hier gab<br />
es also eine Vakanz – und eine Chance nach <strong>de</strong>r »Wen<strong>de</strong>«.<br />
Davor gab es nämlich die offizielle Doktrin, dass nur ein<br />
Dirigent aus <strong>de</strong>r DDr Chef <strong>de</strong>r Staatsoper wer<strong>de</strong>n darf.<br />
Daniel BarenBoim: Der erste Kontakt zwischen <strong>de</strong>m orchestervorstand<br />
und mir fand am 12. november 1989 statt. an<br />
diesem Tag habe ich mit <strong>de</strong>n Berliner Philharmonikern ein<br />
Konzert für die Bevölkerung von ost-Berlin gegeben. Die<br />
menschen sollten die möglichkeit bekommen, dieses wun<strong>de</strong>rbare<br />
orchester zum ersten mal live und bei freiem eintritt<br />
zu hören. ich wollte, dass keine Karten verkauft wer<strong>de</strong>n,<br />
son<strong>de</strong>rn dass man nur <strong>de</strong>n DDr-ausweis zeigen musste, um<br />
in die Philharmonie zu kommen. Wir spielten ein reines<br />
Beethoven-Programm mit <strong>de</strong>m 1. Klavierkonzert und <strong>de</strong>r<br />
7. Sinfonie, und es herrschte eine unglaubliche atmosphäre:<br />
Tränen und lachen gleichzeitig. ich glaube, es<br />
waren noch nie so viele menschen bei einem Konzert in<br />
<strong>de</strong>r Philharmonie.<br />
Danach kamen viele leute hinter die Bühne, und darunter<br />
waren auch Vertreter <strong>de</strong>r Staatskapelle: lothar Friedrich,<br />
Sebastian Weigle – damals ein ganz junger Solo-Hornist,<br />
heute gmD in Frankfurt – und matthias glan<strong>de</strong>r. <strong>Sie</strong> <strong>wollten</strong><br />
mit mir sprechen und ich kannte sie, weil ich mehr-<br />
ZWEI JAHRZEHNTE GEMEINSAM<br />
MuSIKER DER STAATSKAPELLE BERLIN<br />
IM GESPRäCH MIT IHREM<br />
GENERALMuSIKDIREKTOR DANIEL BARENBOIM<br />
mals in <strong>de</strong>r Staatsoper war, um Vorstellungen zu hören.<br />
Wir verabre<strong>de</strong>ten uns für <strong>de</strong>n nachmittag, und ich glaube,<br />
es war lothar Friedrich, <strong>de</strong>r sagte: »<strong>Sie</strong> sind unser mann!«<br />
Dann hat er mir die ganze geschichte erzählt, aber ich<br />
hatte damals an<strong>de</strong>re Pläne: ich hatte nämlich eine Stelle,<br />
eine wichtige Position als generalmusikdirektor, offiziell<br />
akzeptiert, was mich dann später in eine sehr schwierige<br />
Situation brachte. ich habe gesagt, dass ich nur anfangen<br />
kann, darüber nachzu<strong>de</strong>nken, wenn ich eine gelegenheit<br />
bekomme, dieses orchester zu dirigieren. ich konnte ja<br />
nicht abstrakt sagen, dass es ein tolles orchester ist und<br />
ich mich natürlich geehrt fühle und komme. als Dirigent<br />
muss man sehen, wie alles funktioniert. Dann haben sie<br />
alles getan, um einen Termin zu fin<strong>de</strong>n. in <strong>de</strong>n ersten<br />
monaten <strong>de</strong>s Jahres 1990 war nichts zu machen – wenn<br />
ich konnte, konnte das orchester nicht. Dann kamen die<br />
musiker im Winter 1990 mehrmals wie<strong>de</strong>r zu mir und ich<br />
habe <strong>immer</strong> das gleiche gesagt, dass ich zuerst mit <strong>de</strong>m orchester<br />
arbeiten muss, bevor ich irgen<strong>de</strong>twas entschei<strong>de</strong>.<br />
ich glaube, es war matthias glan<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r dann sagte: »Und<br />
was ist, wenn wir eine Probe machen?« Und daraufhin hat<br />
im Juni tatsächlich eine Probe stattgefun<strong>de</strong>n. Davor wur<strong>de</strong><br />
ich gefragt, was ich probieren will und wie lange die Probe<br />
dauern soll. ich antwortete: »Das Vorspiel zu Parsifal, drei<br />
Stun<strong>de</strong>n.« – »Und was wollen <strong>Sie</strong> noch probieren?« – »Das<br />
Vorspiel zu Parsifal.« – »nur das?« – »Ja, und ich hoffe, dass<br />
wir bis zum en<strong>de</strong> kommen.«<br />
ich kam also in <strong>de</strong>n graben <strong>de</strong>r Staatsoper und habe angefangen<br />
und eine gänsehaut bekommen, weil ich <strong>de</strong>n Klang<br />
hörte, mit <strong>de</strong>m ich aufgewachsen bin. als ich 1952 von<br />
argentinien nach israel kam, war das israel Philharmonic<br />
orchestra musikalisch gesehen ein mitteleuro päisches<br />
orchester. es wur<strong>de</strong> 1936 von Toscanini gegrün<strong>de</strong>t, die<br />
Holzbläser waren alle Deutsche, die Streicher Polen, Ungarn<br />
und an<strong>de</strong>re – mit diesem Klang bin ich aufgewachsen.<br />
Und plötzlich hörte ich diesen Klang hier! Weil die<br />
Staatskapelle keine ausländischen einflüsse hatte, spielte<br />
sie ähnlich, wie sie schon 1932 gespielt hatte. Dann haben<br />
4 GESPRäCH<br />
GESPRäCH<br />
5<br />
foto: thomaS Bartilla