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Jahresbericht 2010 - Murg Stiftung

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<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2010</strong> des Externen Psychiatrischen Dienstes10 Psychodynamische AspekteInsbesondere bei chronischen oder sich wiederholendenDepressionen liegt der Fokus der Behandlung in der psychotherapeutischenBearbeitung von Grundkonflikten undPersönlichkeitsfaktoren, welche depressionsauslösend unddepressive Reaktionsweisen aufrecht erhaltend wirken. Alstypischer depressiver Grundkonflikt gilt die Schwierigkeit,Abhängigkeitswünsche mit Autonomiebestrebungen inEinklang zu bringen. Dies oft als Folge von frühkindlichenBindungsstörungen. Auch Verlusterlebnisse und Traumatisierungentragen zur Depressionsentstehung bei. Ebensodie Verinnerlichung von zu streng erlebten Elternfiguren,welche die Grundlage für überhöhte, unerfüllbare innereIdeale und Ansprüche an sich selbst legen. Solche Über-Ich-Konflikte drücken das depressive Selbst nieder und machenErfahrungen von Stolz und Selbstkompetenz immer wiederzunichte. Auch übertriebene Schuldgefühle stehen damit inVerbindung.Während akute, schwere depressive Episoden relativ uniformerscheinen, sozusagen als «gemeinsame Endstreckeeines heterogenen Geschehens», so die Auffassung vielerAutoren, zeichnen sich leichtere und chronische depressiveVerläufe durch ein hohes Ausmass an Dynamik aus. Jenachdem, welche innerpsychischen Konflikte aktiviert sindund welche Abwehrmassnahmen dagegen eingesetzt werden,kann das Befinden stark schwanken, etwa zwischen regressiverAbhängigkeit und forcierter Autonomie, oder – im Beziehungsverhalten– zwischen Idealisierung und enttäuschtemRückzug. Nicht selten scheint es, als ob ein Teil derPersönlichkeit noch depressiv blockiert ist, auch abhängigvom äusseren Kontext wie einer schwierigen Arbeitssituation,während ein anderer Teil bereits wieder frei fühlen, denkenund handeln kann.Diese Vielfalt und Dynamik macht die psychotherapeutischeArbeit mit depressiven Patienten zu einer spannendenund herausfordernden Aufgabe. Jeder Einzelfall ist anders,und oft weiss man zu Beginn nicht, wohin die Reise geht.Einige Patienten benötigen lange Therapien, bis tief verwurzeltedepressionsauslösende Mechanismen verändert werdenkönnen, andere finden überraschend schnell und erfreulichnachhaltig aus der Depression heraus.Toleranz für negative GefühleEinerseits ist es wichtig, Depressionen zu erkennen und zubehandeln, auch im Dienste der Suizidprävention und zurVerhinderung chronischer Verläufe. Andererseits sei vorvorschneller Pathologisierung negativer Gefühle gewarnt.Manchmal schadet es geradezu, wenn diese vermieden odernicht wahrgenommen werden. Beispiele sind Trauergefühle,welche zur Verarbeitung von Veränderungen gehören, ebensoAngstgefühle, die auf Gefahren oder Konflikte aufmerksammachen. Schamgefühle, Schuldgefühle oder Wutgefühlesind wichtige Orientierungshilfen und Instrumente bei derWahrung privater und sozialer Grenzen. Ermüdungserscheinungenzeigen, dass Erholung notwendig ist. Auch einetiefe Hoffnungslosigkeit als vorübergehende Reaktion aufeine schwere Enttäuschung kann im Spektrum «normalen»Erlebens sein. In Abgrenzung dazu spricht man von einerklinisch relevanten depressiven Episode, wenn depressiveSymptome über längere Zeit (laut diagnostischen Leitlinienmehr als zwei Wochen) anhalten und sich durch äussereUmstände wenig beeinflussen lassen. Ist die depressive Episodeabgeklungen, besteht ein Therapieziel gerade darin, dieToleranz für negative Gefühle zu stärken und diese erlebbarzu machen, ohne dass sie einen erneuten depressiven Rückzugauslösen.LiteraturHautzinger (2007): Symptomatik, Diagnostik und Epidemiologie.In: Schauenburg, H.; Hoffmann, B. (Hg.): Psychotherapieder Depression. Krankheitsmodelle und Therapiepraxis– störungsspezifisch und schulenübergreifend.Thieme.Hell, Daniel (1992): Welchen Sinn macht Depression?Rowohlt. ■

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