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Jahresbericht 2010 - Murg Stiftung

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Mit Depressionen leben –eine Gratwanderunglic. phil. Katharina Allenspach, Fachpsychologin für Psychotherapie FSPDepressionen gehören zu den häufigstenBeschwerden, mit denen wires in unserer ambulanten Arbeit zutun haben. Dies leuchtet ein. Erkrankendoch bis zu 26 Prozent der Frauenund bis zu 12 Prozent der Männereinmal im Leben an einer Depression(Hautzinger 2007). Die Symptome reichen dabei von vorübergehendenKrisen im Zusammenhang mit schwierigenLebenssituationen bis hin zu chronischen Beschwerden mitzum Teil schweren Einschränkungen über lange Zeit hinweg.Allen Depressionen gemeinsam ist, dass sich die betroffenePerson in ihren Gefühlen und Gedanken mehr oderweniger verändert und oft auch körperlich schlecht fühlt.Alles läuft wie auf Sparflamme. Der Mensch funktioniertnicht wie vorher, kann keine Freude mehr empfinden, fühltsich vielleicht leer und niedergeschlagen, oft auch reizbarund ängstlich. Das Denken fällt schwer, Entscheidungensind kaum mehr möglich, einfache Aufgaben überfordern.Das Selbstvertrauen ist tief, Schuldgefühle stellen sich ein.In körperlicher Hinsicht fehlt die Energie. Man ist müde,kommt aber doch nicht zur Ruhe. Der Schlaf ist gestört, derAppetit vermindert. Suizidgedanken sind häufig und müssenernst genommen werden.Rückzug aus ÜberforderungViele Autoren verstehen depressive Reaktionen als psychischeRückzugs- und Notmassnahmen bei innerer oder äussererÜberforderung. Daniel Hell (1992) spricht von einer Art«Totstellreflex», wenn Gefühle wie Trauer, Angst oder Wutdie eigenen Bewältigungsmöglichkeiten übersteigen. Dieschwer depressive Person nimmt dabei mit vollem Bewusstseinwahr, wie isoliert sie erstens gegen innen ist und keinenZugang zu ihren emotionalen und denkerischen Möglichkeitenhat und zweitens gegen aussen keinen psychischenKontakt zu andern Menschen aufnehmen kann.Druck, den depressiven Zustand zu überwinden, verstärktin dieser Phase nur die ohnehin vorhandene Tendenz, sichselbst anzuklagen und führt zu noch grösserer Verzweiflungüber den eigenen Zustand.Balance zwischen Entlastung und AktivitätIm Besserungsverlauf, wenn sich die depressive Blockadeund der depressive Selbstverlust allmählich lösen, könnendosierte, nicht überfordernde Aktivitäten wie Spaziergängeoder Kontakte mit andern helfen, allmählich wieder einGefühl für die eigenen Fähigkeiten und Kräfte zu erlangen.Subjektiv fühlt sich die betroffene Person vielleicht noch garnicht dazu in der Lage, merkt dann aber, wenn sie sich trotzAntriebsproblemen überwinden kann, dass sie sich wiederbesser spürt, mehr Energie hat, emotional auch positive Gefühleverspüren kann und sich auch ihre Denkfähigkeit verbesserthat. Solche Erfahrungen von Selbstwirksamkeit undpositiven Rückmeldungen durch andere können helfen, denWeg aus der Depression heraus zu finden.Eine angemessene Balance zwischen Entlastung und dosierterAktivität zu finden, ist allerdings oft schwierig. Einerseitsbesteht die Gefahr eines zu forcierten Ankämpfensgegen noch bestehende Einschränkungen – wozu gerade depressionsanfälligeMenschen mit hohen Ansprüchen an sichselbst neigen. Andererseits kann es auch passieren, dass sichPatienten zu lange zu wenig zutrauen – auch das eine Folgedepressionsbedingter negativer Selbsteinschätzung – unddeshalb zu lange in einer Art passiven Krankenrolle verharren,welche ihr Selbstvertrauen weiter unterhöhlt.Der Weg aus der Depression gelingt nicht immer. Währendimmerhin die Hälfte bis zwei Drittel der Betroffeneneine fast vollständige Besserung erfahren, kommen chronischeVerläufe, also depressive Zustände, die während mehrals zwei Jahren anhalten, laut Statistiken in etwa 10 bis 20Prozent der Fälle vor (Hautzinger 2007). Auch subklinische,nicht in eigentliche Krankheitsphasen mündende chronischedepressive Verstimmungen, oft ab Jugendalter, gehörenzum Spektrum depressiver Störungen. So vielfältig Verlaufsformenund Erscheinungsbilder von Depressionen sind, sokomplex sind auch deren Ursachen. Man geht von einemZusammenspiel von biologischen, sozialen und psychischenFaktoren aus.9

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