„Senioren in die Schule“, das juristische Gutachten

„Senioren in die Schule“, das juristische Gutachten „Senioren in die Schule“, das juristische Gutachten

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2.05/06„Senioren in die Schule“, das juristische GutachtenDer LVB hat bereits erkennen lassen, dass er die da und dort betriebenen Aktionen aus bildungs-und berufspolitischen Gründen ablehnt. Ein vom LVB in Auftrag gegebenes Gutachtendes renommierten Schulrechtlers Dr. iur. Herbert Plotke bestätigt die zusätzlichen rechtlichenProbleme des Einsatzes von Seniorinnen und Senioren in der Schule bei einem Projekt, das inlvb.inform 6.04/05 bereits kritisch beleuchtet wurde.Der LVB erwartet, dass die Bildungsdirektion solche Unternehmungen abstellt.Grundlage des Gutachtens ist das von der Pro SenectuteBaselland in 2005 herausgegebene Handbuch „Senioren indie Schule“, das sich auf das Projekt Birsfelden stützt.Der nachfolgende Text bietet eine Übersicht über das 10-seitige Gutachten. Dieses kann bezogen werden gegen Fr.20.- bei der Geschäftsstelle des LVB, Adresse s. hintersteSeite dieses Hefts.Kursiv: Zitat Gutachten PlotkeZusammenfassungEinmalige Kurzeinsätze unproblematisch1 Unproblematisch sind die kurzfristigen und einmaligen Einsätzeim Unterricht (z.B. Sachbeiträge).Schwere Vertragsmängel2 Die im Projekt vorgesehene „Vereinbarung“ Lehrperson-Senior(in) ist kein Vertrag: die Inhalte der Vereinbarungsind einseitig und rechtlich nicht verbindlich. Sie könnennicht eingefordert, auf ihrer Einhaltung kann nicht bestandenwerden. Allerdings kann die schulische Seite den Einsatzjederzeit fristlos und ohne Begründung beenden.3 Die folgenden Konditionen müsste eine Vereinbarung mitrechtsgeschäftlichem Charakter erfüllen:▪ Unentgeltlicher Auftrag: Beendigung jederzeit möglich,Verzicht auf Entschädigung. Mängel: Die Unterordnung desSeniors unter die Lehrperson und feste Präsenz-, „Arbeitszeiten“sind typische Merkmale eines Arbeitsvertrags. Dafürfehlt aber die unerlässliche Komponente des Lohnes.▪ Arbeitsvertrag: Dafür fehlt die Möglichkeit einer Entlöhnung.Beide Vereinbarungsformen enthalten von beiden FormenElemente, aber nicht alle, und sind daher rechtlich problematisch.Persönliches Unterrichten durchbrochen4 Die Anforderung der „Höchstpersönlichkeit des Unterrichtens“wird ernsthaft in Frage gestellt, wenn die Lehrerin sichmit einzelnen Problemkindern abgibt und durch den Seniorden Fortgang des übrigen Unterrichts sicherstellen lässt.Diese Funktion in Verbindung mit der regelmässigen Ausübungbeeinträchtigt die gesetzliche Anforderung entscheidend.Unproblematisch sind Reisen, Lager5 Kein Problem machen Einsätze bei Schulausflügen, Schulreisen,Lagern. Dort ist die besondere Situation den Schulbehördenbewusst und der Einsatz von speziell ausgewähltenHilfskräften klar.Kantonale gesetzliche Regelung fehlt6 Der im Rahmen von „Senioren in die Schule“ vorgeseheneEinsatz hat eindeutig Assistenz-Charakter und bedarf derZustimmung der zuständigen Behörde. Assistenten werdenaber entlöhnt. Die kantonale Schulgesetzgebung müsste,wenn schon, diese Frage regeln. Dabei genügt es nicht,dass eine kommunale Anstellungsbehörde mit dem Einsatzdes Seniors, den die Lehrperson vorschlägt, einverstandenist.Rechtsungleichheit7 Rechtsgleiche Behandlung aller Schüler(innen): Diese istnicht gewährleistet, wenn in einigen Klassen solche Einsätzebestehen und in anderen nicht. Auch dazu bräuchte es einekantonale Bestimmung, die Rechtsgleichheit sicherstellt.Überwachungspflicht nicht erfüllt8 Die Überwachungspflicht des Schulträgers umfasst dasBereitstellen und Überwachen von geeigneten Mitarbeiternsowie die Haftung für Schäden: Er hat nämlich grundsätzlichfür alle Personen einzustehen, die im Rahmen des Schulbetriebshandeln. Eltern müssen beim Einsatz von Senioren inder Klasse ihres Kindes davon ausgehen, dass diese Personenfür ihre Tätigkeit befugt seien. Damit erstreckt sich dieHaftung des Schulträgers auch auf diese Personengruppe.Der Schulträger kann sich also nicht der Haftung entziehenmit der Begründung, er habe von der Tätigkeit des Seniorskeine Kenntnis gehabt. Auch der Lehrperson kann bei einemSchaden grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. EineHaftung kann auch daraus entstehen, dass der Schulträgerzwar dem Einsatz des Seniors zugestimmt, aber nicht dieBewilligung der kantonalen Instanz eingeholt hat.Haftungsfragen offen9 Während Behörden und Lehrpersonen durch ihre Funktionbzw. Anstellung vor einer persönlichen Haftung geschütztsind, steht die Seniorenperson in keinem solchen vertraglichenoder gesetzlich geschützten Verhältnis. Haftungsansprüchekönnten daher direkt an sie gestellt werden. DerSchulträger kann zudem seine Haftungspflicht auf den Seniorabwälzen und nur zur Zahlung verpflichtet werden,15

2.05/06<strong>„Senioren</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Schule“</strong>, <strong>das</strong> <strong>juristische</strong> <strong>Gutachten</strong>Der LVB hat bereits erkennen lassen, <strong>das</strong>s er <strong>die</strong> da und dort betriebenen Aktionen aus bildungs-und berufspolitischen Gründen ablehnt. E<strong>in</strong> vom LVB <strong>in</strong> Auftrag gegebenes <strong>Gutachten</strong>des renommierten Schulrechtlers Dr. iur. Herbert Plotke bestätigt <strong>die</strong> zusätzlichen rechtlichenProbleme des E<strong>in</strong>satzes von Senior<strong>in</strong>nen und Senioren <strong>in</strong> der Schule bei e<strong>in</strong>em Projekt, <strong>das</strong> <strong>in</strong>lvb.<strong>in</strong>form 6.04/05 bereits kritisch beleuchtet wurde.Der LVB erwartet, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Bildungsdirektion solche Unternehmungen abstellt.Grundlage des <strong>Gutachten</strong>s ist <strong>das</strong> von der Pro SenectuteBaselland <strong>in</strong> 2005 herausgegebene Handbuch <strong>„Senioren</strong> <strong>in</strong><strong>die</strong> <strong>Schule“</strong>, <strong>das</strong> sich auf <strong>das</strong> Projekt Birsfelden stützt.Der nachfolgende Text bietet e<strong>in</strong>e Übersicht über <strong>das</strong> 10-seitige <strong>Gutachten</strong>. Dieses kann bezogen werden gegen Fr.20.- bei der Geschäftsstelle des LVB, Adresse s. h<strong>in</strong>tersteSeite <strong>die</strong>ses Hefts.Kursiv: Zitat <strong>Gutachten</strong> PlotkeZusammenfassungE<strong>in</strong>malige Kurze<strong>in</strong>sätze unproblematisch1 Unproblematisch s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> kurzfristigen und e<strong>in</strong>maligen E<strong>in</strong>sätzeim Unterricht (z.B. Sachbeiträge).Schwere Vertragsmängel2 Die im Projekt vorgesehene „Vere<strong>in</strong>barung“ Lehrperson-Senior(<strong>in</strong>) ist ke<strong>in</strong> Vertrag: <strong>die</strong> Inhalte der Vere<strong>in</strong>barungs<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>seitig und rechtlich nicht verb<strong>in</strong>dlich. Sie könnennicht e<strong>in</strong>gefordert, auf ihrer E<strong>in</strong>haltung kann nicht bestandenwerden. Allerd<strong>in</strong>gs kann <strong>die</strong> schulische Seite den E<strong>in</strong>satzjederzeit fristlos und ohne Begründung beenden.3 Die folgenden Konditionen müsste e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barung mitrechtsgeschäftlichem Charakter erfüllen:▪ Unentgeltlicher Auftrag: Beendigung jederzeit möglich,Verzicht auf Entschädigung. Mängel: Die Unterordnung desSeniors unter <strong>die</strong> Lehrperson und feste Präsenz-, „Arbeitszeiten“s<strong>in</strong>d typische Merkmale e<strong>in</strong>es Arbeitsvertrags. Dafürfehlt aber <strong>die</strong> unerlässliche Komponente des Lohnes.▪ Arbeitsvertrag: Dafür fehlt <strong>die</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>er Entlöhnung.Beide Vere<strong>in</strong>barungsformen enthalten von beiden FormenElemente, aber nicht alle, und s<strong>in</strong>d daher rechtlich problematisch.Persönliches Unterrichten durchbrochen4 Die Anforderung der „Höchstpersönlichkeit des Unterrichtens“wird ernsthaft <strong>in</strong> Frage gestellt, wenn <strong>die</strong> Lehrer<strong>in</strong> sichmit e<strong>in</strong>zelnen Problemk<strong>in</strong>dern abgibt und durch den Seniorden Fortgang des übrigen Unterrichts sicherstellen lässt.Diese Funktion <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit der regelmässigen Ausübungbee<strong>in</strong>trächtigt <strong>die</strong> gesetzliche Anforderung entscheidend.Unproblematisch s<strong>in</strong>d Reisen, Lager5 Ke<strong>in</strong> Problem machen E<strong>in</strong>sätze bei Schulausflügen, Schulreisen,Lagern. Dort ist <strong>die</strong> besondere Situation den Schulbehördenbewusst und der E<strong>in</strong>satz von speziell ausgewähltenHilfskräften klar.Kantonale gesetzliche Regelung fehlt6 Der im Rahmen von <strong>„Senioren</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Schule“</strong> vorgeseheneE<strong>in</strong>satz hat e<strong>in</strong>deutig Assistenz-Charakter und bedarf derZustimmung der zuständigen Behörde. Assistenten werdenaber entlöhnt. Die kantonale Schulgesetzgebung müsste,wenn schon, <strong>die</strong>se Frage regeln. Dabei genügt es nicht,<strong>das</strong>s e<strong>in</strong>e kommunale Anstellungsbehörde mit dem E<strong>in</strong>satzdes Seniors, den <strong>die</strong> Lehrperson vorschlägt, e<strong>in</strong>verstandenist.Rechtsungleichheit7 Rechtsgleiche Behandlung aller Schüler(<strong>in</strong>nen): Diese istnicht gewährleistet, wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Klassen solche E<strong>in</strong>sätzebestehen und <strong>in</strong> anderen nicht. Auch dazu bräuchte es e<strong>in</strong>ekantonale Bestimmung, <strong>die</strong> Rechtsgleichheit sicherstellt.Überwachungspflicht nicht erfüllt8 Die Überwachungspflicht des Schulträgers umfasst <strong>das</strong>Bereitstellen und Überwachen von geeigneten Mitarbeiternsowie <strong>die</strong> Haftung für Schäden: Er hat nämlich grundsätzlichfür alle Personen e<strong>in</strong>zustehen, <strong>die</strong> im Rahmen des Schulbetriebshandeln. Eltern müssen beim E<strong>in</strong>satz von Senioren <strong>in</strong>der Klasse ihres K<strong>in</strong>des davon ausgehen, <strong>das</strong>s <strong>die</strong>se Personenfür ihre Tätigkeit befugt seien. Damit erstreckt sich <strong>die</strong>Haftung des Schulträgers auch auf <strong>die</strong>se Personengruppe.Der Schulträger kann sich also nicht der Haftung entziehenmit der Begründung, er habe von der Tätigkeit des Seniorske<strong>in</strong>e Kenntnis gehabt. Auch der Lehrperson kann bei e<strong>in</strong>emSchaden grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. E<strong>in</strong>eHaftung kann auch daraus entstehen, <strong>das</strong>s der Schulträgerzwar dem E<strong>in</strong>satz des Seniors zugestimmt, aber nicht <strong>die</strong>Bewilligung der kantonalen Instanz e<strong>in</strong>geholt hat.Haftungsfragen offen9 Während Behörden und Lehrpersonen durch ihre Funktionbzw. Anstellung vor e<strong>in</strong>er persönlichen Haftung geschützts<strong>in</strong>d, steht <strong>die</strong> Seniorenperson <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em solchen vertraglichenoder gesetzlich geschützten Verhältnis. Haftungsansprüchekönnten daher direkt an sie gestellt werden. DerSchulträger kann zudem se<strong>in</strong>e Haftungspflicht auf den Seniorabwälzen und nur zur Zahlung verpflichtet werden,15


lvb.<strong>in</strong>form„wenn beim Senior nichts zu holen ist“. In erster L<strong>in</strong>ie istdamit zu rechnen, <strong>das</strong>s geschädigte Eltern sich an denSchulträger halten. Dieser hat daher allen Grund zu erfahrenund mitzubestimmen, für wen er e<strong>in</strong>stehen muss.Vorbildung nicht erfüllt10 Regelmässige Tätigkeit <strong>in</strong> der Schule setzt <strong>in</strong> allen Landesteilenund auf allen Schulstufen entsprechende fachliche,pädagogische und methodisch-didaktische Vorbereitungvoraus. Die Anforderungen h<strong>in</strong>sichtlich angemessener Ausbildungwurden <strong>in</strong> letzter Zeit sogar deutlich erhöht. Senioren,<strong>die</strong> <strong>in</strong> der Schule tätig s<strong>in</strong>d, beschränken ihre Arbeitnicht auf Handreichungen, <strong>die</strong> mit dem Schüler direkt nichtszu tun haben, wie Wandtafel putzen, Material vorbereiten,usw. Sie treten vielmehr mit den K<strong>in</strong>dern direkt <strong>in</strong> Kontakt,bee<strong>in</strong>flussen sie usw. und s<strong>in</strong>d ausdrücklich e<strong>in</strong>e weitere Bezugsperson.Die Schulbehörden dürfen, Notfälle ausgenommen,im Unterricht nur Personen e<strong>in</strong>setzen, <strong>die</strong> über <strong>die</strong> erforderlichenFähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissse verfügen.Senioren, <strong>die</strong> früher als Lehrer tätig waren, erfüllenim allgeme<strong>in</strong>en <strong>die</strong>se Bed<strong>in</strong>gung. Doch geht es hier nichtum solche Personen, sondern um solche, <strong>die</strong> nicht aus dempädagogischen Umfeld stammen, <strong>die</strong> also ke<strong>in</strong>e systematischeLehrerausbildung absolviert haben. Damit stellt sichfolgende Frage: Verletzen Lehrer oder Schulbehörden ihrePflicht, wenn sie gegen <strong>die</strong> Vorschriften Personen den Zugangzu e<strong>in</strong>er Tätigkeit ermöglichen, <strong>die</strong> weder <strong>die</strong> hierfürnötigen Vorbereitungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em anerkannten Ausbildungsgangerworben haben noch ihre besondere Befähigung aufe<strong>in</strong>em anderen Weg nachweisen können? Sollten Schüler<strong>in</strong>nenoder auch Dritte zu Schaden kommen, weil <strong>die</strong> Senior<strong>in</strong>mangels notwendiger Vorbildung nicht situations- odersachgerecht handelt, so ist sehr wohl möglich, <strong>das</strong>s derSchulträger schon alle<strong>in</strong> wegen der Tatsache haftet, <strong>das</strong>se<strong>in</strong>e nicht ausgebildete Person Fehler macht, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>er aufihren Beruf vorbereiteten Lehrer<strong>in</strong> nicht zustossen odernicht zustossen sollten. Erst recht müssen <strong>die</strong>se Überlegungengelten, wenn sich Senior<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Klassen engagieren,für deren Unterricht nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e pädagogische Grundausbildungwie <strong>die</strong> zum Primarlehrer genügt, wie zum Beispiel<strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>klassen und anderen Formen der Sonderschulung.Vertraulichkeit und Datenschutz nicht gesichert11 Der Senior erfährt durch se<strong>in</strong> Wirken über <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zelnenK<strong>in</strong>der Kenntnisse, <strong>die</strong>, da vertraulich, klar unter den Datenschutzfallen. Zwar darf er <strong>die</strong> familiäre Situation der K<strong>in</strong>der16nicht erfragen. Doch br<strong>in</strong>gt <strong>die</strong>se Schranke nicht viel; dennoft erzählen <strong>die</strong> Schüler, vor allem <strong>in</strong> den unteren Klassen,von sich aus Details aus dem Familienleben, <strong>die</strong> geschützts<strong>in</strong>d. Der Senior braucht also nicht e<strong>in</strong>mal aktiv zu werden.Im übrigen soll er ja zuhören und sich für <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der Zeitnehmen. Also wird er K<strong>in</strong>der, wenn sie ihm Vertrauliches erzählen,nicht gerade unterbrechen. Lehrern wird durch <strong>die</strong>Personalgesetzgebung und auch durch <strong>das</strong> Strafrecht (StGBArt. 320) verboten, solche persönliche Daten und Kenntnissenichtberechtigten Personen weiterzugeben. Senioren, <strong>die</strong>nicht von der zuständigen Stelle e<strong>in</strong>gesetzt s<strong>in</strong>d, nehmendaher im eigentlichen S<strong>in</strong>ne ke<strong>in</strong> öffentliches Amt wahr, undmit Sicherheit unterstehen sie nicht der Personalgesetzgebung,es sei denn, <strong>die</strong>se enthalte für solche Fälle e<strong>in</strong>e spezielleRegelung. Somit stellt sich <strong>die</strong> Frage, ob sie überhauptverpflichtet s<strong>in</strong>d, Kenntnisse, <strong>die</strong> an sich vertraulich s<strong>in</strong>d, fürsich zu behalten. Es besteht nämlich ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Verpflichtungfür den e<strong>in</strong>zelnen Bürger, vertrauliche Mitteilungenfür sich zu behalten. Immerh<strong>in</strong> verpflichtet sich <strong>die</strong> Senior<strong>in</strong><strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vere<strong>in</strong>barung zur Geheimhaltung. Doch stelltsich <strong>die</strong> Frage, welcher Wert e<strong>in</strong>er solchen Abmachung zukommt,falls <strong>die</strong> Lehrer<strong>in</strong>, wie oben dargelegt, gar nicht befugtist, <strong>die</strong> Vere<strong>in</strong>barung abzuschliessen. Zudem könntesich <strong>die</strong>se dem Vorwurf aussetzen, <strong>das</strong>s sie Daten, <strong>die</strong> K<strong>in</strong>derbetreffen, e<strong>in</strong>er Person zugänglich macht, der sie nichtgeöffnet werden dürfen, unter anderem weil fraglich ist, ob<strong>die</strong>se dem Amtsgeheimnis unterworfen ist. Die Lehrkraftkönnte <strong>die</strong> Verletzung des Amtsgeheimnisses im S<strong>in</strong>n vonStGB Art 320 durch den Beizug des Senioren m<strong>in</strong>destens <strong>in</strong>Kauf genommen (dolus eventualis) und sich dadurch strafbargemacht haben.Unerlaubte Beziehungen zu K<strong>in</strong>dern12 Gemäss Anleitung beschränkt sich der Kontakt des Seniorsmit den K<strong>in</strong>dern auf <strong>die</strong> Schule und auf den öffentlichenRaum. Doch kann niemand kontrollieren und schon garnicht durchsetzen, <strong>das</strong>s <strong>die</strong>se Begrenzung wirklich e<strong>in</strong>gehaltenwird. Gerade e<strong>in</strong>e Person, <strong>die</strong> <strong>das</strong> Vertrauen, ja <strong>die</strong> Zutraulichkeitder K<strong>in</strong>der zu gew<strong>in</strong>nen versteht – und <strong>die</strong>s solle<strong>in</strong>e wichtige Qualität der Senior<strong>in</strong> se<strong>in</strong> -, hat, wenn sie will,leichten Zugang zu K<strong>in</strong>dern auch im privaten Raum. Personenmit pädophilen Neigungen kommen auf <strong>die</strong>se Weiseohne jede Kontrolle verhältnismässig e<strong>in</strong>fach an ihre zukünftigenOpfer heran.


2.05/06E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> Klassen mit Enkeln des Seniors13 Dies ist <strong>in</strong> der Wegleitung ausdrücklich ausgeschlossen.Vom <strong>juristische</strong>n Standpunkt ist <strong>die</strong>s aber nicht notwendig,da dabei e<strong>in</strong>e analoge Situation zur gesetzlich nicht beanstandetenLehrbeziehung zwischen Vater/Mutter als Lehrpersonund K<strong>in</strong>d besteht.Kommentar LVBDie rechtlichen BedenkenDieses <strong>Gutachten</strong> macht deutlich, <strong>das</strong>s bei der gutgeme<strong>in</strong>tenE<strong>in</strong>richtung schöner Verhältnisse, wie sie im Handbuchbeschrieben und <strong>in</strong> Birsfelden offensichtlich praktiziert werden,neben den bildungs- und berufspolitischen auch ernsthafterechtliche Bedenken bestehen:▪ Weder <strong>die</strong> Personal- noch <strong>die</strong> Bildungsgesetzgebung bietetfür e<strong>in</strong>e solche Unternehmung <strong>die</strong> ausreichenden Grundlagen.▪ Lehrpersonen und kommunale Behörden, <strong>die</strong> sich <strong>in</strong> solcheVerhältnisse begeben, riskieren schwerwiegende Vorwürfean ihre Amtsführung sowie Anfechtungen bezüglich Haftungund Strafbarkeit.▪ Die Lehrpersonen verfügen über ke<strong>in</strong>e Möglichkeiten, <strong>die</strong>vere<strong>in</strong>barten Verpflichtungen durchzusetzen.▪ Die Senioren setzen sich ungeschützten Haftungsansprüchenaus.▪ An <strong>die</strong> Vorbildung der zugelassenen Senioren werden ke<strong>in</strong>erleiAnsprüche gestellt. Das verträgt sich rechtlich nichtmit der tatsächlichen Funktion und nicht mit den Anforderungender Bildungsgesetzgebung.▪ Eltern können den ungeprüften und rechtlich nicht geschütztenE<strong>in</strong>satz von Senioren <strong>in</strong> der Klasse ihres K<strong>in</strong>desnicht beruhigt h<strong>in</strong>nehmen: Weder <strong>die</strong> Vertraulichkeit nochder Datenschutz ist rechtlich abgesichert. Deutlich weist <strong>das</strong><strong>Gutachten</strong> auf <strong>die</strong> Gefahr h<strong>in</strong>, <strong>das</strong>s Pädophilen damit e<strong>in</strong>massiv erleichterter Zugang zu K<strong>in</strong>dern e<strong>in</strong>geräumt wird.Die bildungs- und berufspolitischen Bedenken▪ Verfehlte Familiarisierung der SchuleDas Konzept vertieft e<strong>in</strong>e im Grunde verfehlte Schulauffassung:<strong>die</strong> Familiarisierung des Schulbetriebs.Die Folgen der bisherigen Umwandlung der Schule zum familienähnlichenBetrieb s<strong>in</strong>d allenthalben e<strong>in</strong>drücklich zu besichtigen:Wohlfühl und K<strong>in</strong>dergeburtstag weith<strong>in</strong>, und Nullbockund Belastbarkeitsmängel auf der Kehrseite. Lehrpersonen,<strong>die</strong> Ansprüche stellen und auf Formen bestehen, geratenleicht <strong>in</strong> den Ruf, kalte und herzlose Menschen zuse<strong>in</strong>.Dass Schule und Familie unter Wahrung guter Beziehungenaber sauber getrennt gehören, hat der BildungsforscherHermann Giesecke überzeugend nachgewiesen: Schulemuss als Raum des Erlernens öffentlicher Beziehungen unerlässlichetwas ganz anderes als Familie leisten. Genau <strong>das</strong>Gegenteil wird hier zelebriert: Mit dem Seniorenprojekt mutiert<strong>die</strong> Schule def<strong>in</strong>itiv zum Familienersatz. Dass es im E<strong>in</strong>zelfallso schön ist, macht <strong>in</strong> der pädagogischen Anlagenichts besser.Hermann Giesecke, Wozu ist <strong>die</strong> Schule da?Klett-Cotta 1997, speziell S. 187 ff▪ Verstärkung des weitverbreiteten E<strong>in</strong>drucks, Unterrichtenbedürfe ke<strong>in</strong>er speziellen Ausbildung.▪ Verstärkung des weitverbreiteten E<strong>in</strong>drucks, Lehrpersonenbedürften <strong>in</strong> ihrer Berufsausübung der Unterstützung,Betreuung, Entlastung. Von der Industriedazu leben Kohorten von „Unterstützern“, „Betreuern“ und„Entlastern“. Belastungsgeschwafel und exzessives Zelebrierenvon Burnout-Ängsten ru<strong>in</strong>ieren <strong>das</strong> Ansehen der Lehrberufezusätzlich.Loose-loose-EffekteDie Unternehmung <strong>„Senioren</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> Schulen“ produziert <strong>die</strong>klassischen risikoreichen loose-loose-Effekte für <strong>die</strong> Seniorenselbst, für <strong>die</strong> Lehrpersonen, für <strong>die</strong> kommunalen undkantonalen Behörden, für <strong>die</strong> Eltern und auch für <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der.Der LVB erwartet, <strong>das</strong>s <strong>die</strong>se Entwicklungen sofortabgestellt werden.17

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