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Besprechungen<br />
Grundlagen der Ökonomie<br />
Ein Buch, das zunächst für ausgebildete<br />
Fachleute der Volks- und der<br />
Betriebswirtschaft gedacht ist, sollte<br />
auch die Aufmerksamkeit der Sozialethiker<br />
und Sozialphilosophen finden.<br />
Es diagnostiziert scharfsinnig einen<br />
Grundfehler wirtschaftwissenschaftlichen<br />
Denkens, der auch verantwortlich<br />
zeichnet für wirtschaftethische<br />
und sozialpolitische Fehlurteile:<br />
Karl-Heinz Brodbeck: Die fragwürdigen<br />
Grundlagen der Ökonomie.<br />
Eine philosophische Kritik der<br />
modernen Wirtschaftswissenschaften.<br />
Wissenschaftliche Buchgesellschaft<br />
Darmstadt, 2. Aufl. 2000,<br />
298 S.<br />
Der Verfasser, selbst Professor für<br />
Volkswirtschaftslehre, greift die<br />
modernen Wirtschaftswissenschaften<br />
nicht, wie so manche Zeitgenossen<br />
es heute gerne tun, wegen ihrer<br />
neoliberalen Ausrichtung und deren<br />
vermeintlichen sozialen Folgen an,<br />
sondern setzt viel tiefer an. Er attakkiert<br />
nicht eine spezielle Schule,<br />
sondern eine Voraussetzung, die<br />
verwandten Richtungen gemeinsam<br />
ist. Grenznutzen, Nutzenmaximierung,<br />
Grenzproduktivitätstheorie,<br />
rationale Wahl, Gleichgewichtstheorie<br />
und anderes spielen in den<br />
Facetten der Neoklassik wichtige, ja<br />
entscheidende Rollen, beruhen aber<br />
auf einem Grundirrtum, der ihnen<br />
gemeinsam ist und das Interesse der<br />
Philosophen beansprucht. Dieser<br />
Irrtum ist letztlich anthropologischer<br />
Art und betrifft sowohl das<br />
Individuum als auch die Gesellschaft<br />
mit ihren Institutionen. Der<br />
Autor argumentiert bei aller Detail-<br />
kenntnis der Ökonomie genuin philosophisch<br />
mit profundem Wissen<br />
aus der systematischen und historischen<br />
Philosophie.<br />
Was den naturrechtlich denkenden<br />
Sozialethiker besonders vertraut ist,<br />
zeigt Brodbeck bereits zu Beginn:<br />
„Der antimetaphysische Gestus (...)<br />
im Namen von Logik und Empirie<br />
vergaß, daß die Ablehnung der Metaphysik<br />
selbst eine metaphysische<br />
Aussage ist.“ (S. 9) In den Wirtschaftswissenschaften<br />
wird eine verborgene,<br />
heimliche Metaphysik als<br />
Basis benutzt, nämlich eine klassische<br />
Physik, die soziale Realität mit<br />
der physischen gleichsetzt und somit<br />
durch und durch mathematisierbar<br />
erscheint. „Soziale Physik“ nennt<br />
Brodbeck diese Denkweise, welche<br />
die Resultate der menschlichen Handlungen<br />
als Lösung von Gleichungen<br />
betrachtet (S. 41) Das Individuum<br />
und seine Freiheit – der Autor nennt<br />
sie Kreativität – werden ausgeklammert.<br />
An den Phänomenen Natur,<br />
Zeit und Rationalität wird diese Reduktion<br />
auf das Quantitative in den<br />
Wirtschaftswissenschaften dargestellt<br />
und als unzureichende Beschreibung<br />
der Wirklichkeit kritisiert. Der Autor<br />
kommt zu dem Schluß, daß der neoklassische<br />
Versuch, „die Entwicklung<br />
einer Volkswirtschaft unter der Vo raussetzung<br />
zu beschreiben, daß zwischen<br />
Faktorgruppen und Produkten<br />
eine mechanische Kausalität besteht“<br />
(S. 168), gescheitert ist; denn das<br />
Handeln von Subjekten ist kein einliniger<br />
kausaler Prozeß, schon gar nicht<br />
der Geist und die Ideen des Menschen<br />
ein dem Kausalgesetz unterworfenes<br />
Naturding. „Zum Begriff des Handelns,<br />
der Praxis selbst gehört ein<br />
Bezug auf Theorie, auf die Idee oder<br />
den Begriff“ (S. 199). Brodbeck<br />
beruft sich auf Schumpeter, der mit<br />
seiner Betonung des schöpferischen,<br />
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