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DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi

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des 1985 zum Generalsekretär der KPdSU gewählten Gorbatschow und ohne die<br />

Polenreisen Papst Johannes Pauls II. 1979 und in den 80er Jahren wäre der Eiserne<br />

Vorhang nicht gefallen.<br />

Mit der NATO tut sich der Hirtenbrief überaus schwer. Ihre Bedeutung für die<br />

Erhaltung des Friedens von 1949 bis 1989 wird an keiner Stelle in den Blick<br />

gerückt. Als friedenssichernde internationale Organisationen kennt er nur die<br />

UNO und die OSZE (106, 107). Erst mit der Auflösung des Warschauer Paktes<br />

und dem Beitritt der mitteleuropäischen Staaten Polen, Tschechien und Ungarn<br />

1999 sei die NATO zu einem Instrument kooperativer Sicherheit in Europa geworden<br />

(137). Dies war sie aber seit 1949. Papst Paul VI. hat diese Funktion<br />

1972 gewürdigt, als er erklärte, die NATO diene der Verteidigung einer Kultur,<br />

deren Geist „aus echter christlicher Tradition erwuchs“ und „der wir uns alle zu<br />

Recht verbunden fühlen“. 11<br />

Die selektive Erinnerung des Hirtenbriefes an die Geschichte des Kalten Krieges<br />

und die Systeme kollektiver Sicherheit, die in dieser Form heute nicht einmal<br />

mehr von den Grünen geteilt wird, verrät eine politische Weltsicht, die den deutschen<br />

Bischöfen bisher fremd war und die sich auch in einigen Beurteilungen der<br />

Weltlage an der Jahrhundertwende niederschlägt. Der Hirtenbrief zitiert aus der<br />

Sozialenzyklika Centesimus Annus die Ziffer 42, in der Johannes Paul II. von<br />

der Gefahr spricht, daß sich nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in<br />

der Welt eine kapitalistische Ideologie ausbreite, die es ablehnt, Probleme der<br />

sozialen Gerechtigkeit insbesondere in der Dritten Welt auch nur zu erörtern.<br />

An das Zitat schließt der Brief die Behauptung an: „Nach fast zehn Jahren wissen<br />

wir, daß sich diese Prognose leider bewahrheitet hat. Die Folgen sind nicht<br />

zu übersehen: weitreichende Entsolidarisierung im Zeichen wachsender Ungerechtigkeit<br />

in der sich unaufhaltsam globalisierenden Welt. Wir halten es deswegen<br />

für abwegig, auf reine Deregulierung als Allheilmittel zu setzen“ (63). Aus<br />

der päpstlichen Warnung wird hier unter der Hand eine Prognose. Wer die an<br />

vielen Stellen notwendige Deregulierung, die noch an weiteren Stellen des Hirtenbriefes<br />

beklagt wird (95, 99), als „Allheilmittel“ (wofür?) anbot, wird nicht<br />

gesagt. Belege für diesen Kassandra-Ruf werden für überflüssig gehalten. Daß<br />

sich viele internationale Organisationen – UNO-Konferenzen, EU-Gipfel, selbst<br />

der IWF, die WTO und der G8-Gipfel von Köln 1999 – mit Problemen der Dritten<br />

Welt befaßt haben und immer wieder befassen, wird übergangen. Es scheint<br />

nicht in ein wenig differenziertes Weltbild zu passen.<br />

Eine Schlüsselrolle bei der Friedensarbeit mißt der Hirtenbrief mit Recht der<br />

Zivilgesellschaft zu. Ihr widmet er fünf Ziffern (122-126). Doch der Begriff der<br />

Zivilgesellschaft, auf den sich der Hirtenbrief stützt, birgt den sechsten Stolperstein.<br />

Für die Autoren zählen allein jene informellen und formellen Gruppen,<br />

Verbände, Vereinigungen und Initiativen zur Zivilgesellschaft, die „weder dem<br />

Bereich des Staates noch dem der Wirtschaft zugehören“ (122). Die Parteien<br />

kommen in diesem Konzept nicht vor. Mit dieser in der Diskussion über die<br />

Zivilgesellschaft durchaus umstrittenen Ausgrenzung der Parteien folgt der Hirtenbrief<br />

einem Konzept, das eher basisdemokratisch orientiert ist und zum Beispiel<br />

von Andrew Arato und Ulrich Preuß vertreten wird. In diesem Konzept<br />

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