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nalen Politik zu verbannen, könne „auch in Zukunft mit der Pflicht kollidieren,<br />
Menschen vor fremder Willkür und Gewalt wirksam zu schützen. Dies gilt nicht<br />
nur in herkömmlichen zwischenstaatlichen Konflikten, sondern auch bei systematischer<br />
Gewaltanwendung gegen verfolgte Minderheiten innerhalb bestehender<br />
Staaten oder in Fällen terroristischer Geiselnahme und Erpressung“ (150).<br />
Die Anwendung von Gegengewalt komme „überhaupt nur als ultima ratio in<br />
Betracht“. Auch als „geringeres Übel“ bleibe sie ein Übel (151), aber sie ist<br />
keine Aggression, sondern eine Art Notwehr der internationalen Gemeinschaft,<br />
um „den schutzlosen Opfern schwerwiegender und systematischer Verletzung<br />
der Menschenrechte innerhalb eines Staates durch eine gewaltsame Intervention<br />
zu Hilfe zu kommen“ (152).<br />
Der Einsatz der Gewalt müsse „sich auf jenes Maß beschränken, das zur Einlösung<br />
von Solidaritätspflichten unabdingbar ist“. Er müsse die Zivilbevölkerung<br />
„soweit wie nur möglich“ verschonen (155). Es müsse eine hinreichende Wahrscheinlichkeit<br />
bestehen, daß die Gewaltanwendung ihr Ziel tatsächlich erreichen<br />
kann und die Lage nicht etwa noch verschlimmert wird“, das heißt der Einsatz<br />
militärischer Mittel muß den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten (156).<br />
Er muß das ius in bello einhalten (157 und 151), Maßnahmen zur Linderung der<br />
Flüchtlingsnot vorsehen (158) und „mit einer politischen Perspektive verbunden<br />
sein, die grundsätzlich mehr beinhaltet als die Rückkehr zum status quo ante“<br />
(159-161). Die kompetenten Erörterungen des Hirtenbriefes lassen sich auch auf<br />
die aktuelle Problematik militärischer Bekämpfung des globalen Terrorismus<br />
übertragen. Sie bieten einen Maßstab zur sittlichen Bewertung der Intervention<br />
der internationalen Anti-Terror-Koalition in Afghanistan.<br />
Auch auf die Frage nach Bausteinen für einen gerechten Frieden und für eine<br />
Zivilis ation der Liebe bietet der Hirtenbrief eine Fülle von Antworten, die in der<br />
Tradition der Friedensethik der katholischen Soziallehre stehen. Er will kein<br />
politisches Programm anbieten, das die Kompetenzen der Bischöfe überschreiten<br />
würde (57). Die Leitprinzipien eines gerechten Friedens seien Gerechtigkeit und<br />
Solidarität. Ihre Realisierung bedürfe an erster Stelle des Schutzes der Menschenwürde<br />
und der Menschenrechte, die „nicht nur universal, sondern auch<br />
unteilbar (sind). Nicht nur stehen sie jedem Menschen zu, sondern jeder hat<br />
Anspruch auf alle Menschenrechte“ (73). Ihre Sicherung bedürfe in vielen Entwicklungsländern<br />
der Reform der Strukturen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft.<br />
„Menschenrechte und Demokratie, wirtschaftliche und soziale Entwicklung<br />
und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen stehen also in engem<br />
Zusammenhang“ (71).<br />
Zum Minderheitenschutz, zur Stärkung internationaler Organisationen, zur weiteren<br />
Rüstungskontrolle und zur politischen und sozialen Flankierung der ökonomischen<br />
Globalisierung weiß der Hirtenbrief ebenfalls viele bedenkenswerte<br />
und orientierende Überlegungen anzubieten. Schließlich versteht er es in einem<br />
abschließenden Kapitel, die vielen Dienste der Kirche für die Versöhnung, die<br />
Erziehung der Jugend, den Frieden, die Solidarität und die Entwicklungszusammenarbeit,<br />
den ökumenischen Dialog und den Dialog mit anderen Religionen<br />
und nicht zuletzt die Liturgie, die Sakramente und die franziskanische Spirituali-<br />
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