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Manfred Spieker<br />
„Gerechter Friede“<br />
Kritische Anmerkungen zum Hirtenbrief der<br />
deutschen Bischöfe vom 27. September 2000<br />
Zwischen dem großen Hirtenbrief der deutschen Bischöfe „Gerechtigkeit schafft<br />
Frieden“ vom 18. April 1983 und dem zweiten Hirtenbrief zum gleichen Thema<br />
„Gerechter Friede“ vom 27. September 2000 hat sich die Welt gründlich verändert.<br />
Der Kalte Krieg ging zu Ende und mit ihm der bipolare Ost-West-Konflikt.<br />
Aber die Freude und die Hoffnung, die der Zusammenbruch des Kommunismus<br />
und der Fall der Mauer auslösten und die in der Pariser KSZE-Charta für ein<br />
neues Europa vom 21. November 1990 ihren schönsten Niederschlag fanden 1 ,<br />
wichen schnell neuer Angst, Trauer und Ratlosigkeit – Angst vor ethnischen und<br />
religiösen Konflikten, einem Kampf der Kulturen und einem globalen Terrorismus,<br />
Trauer über neue Kriege am Golf und in Afrika, im Kaukasus, auf dem<br />
Balkan und nun in Afghanistan und Ratlosigkeit ob der Ineffizienz diplomatischer<br />
Bemühungen und ökonomischer Sanktionen.<br />
Für einen neuen Hirtenbrief zum Frieden gab es also mannigfaltige Gründe: Die<br />
Frage nach der Vergangenheitsbewältigung in gespaltenen Gesellschaften wie in<br />
den postkommunistischen Staaten oder in Südafrika stellte sich ebenso wie die<br />
nach den legitimen Mitteln zur Verhinderung oder Beendigung der Massaker in<br />
den neuen, meist ethnisch bedingten Bürgerkriegen, nach der Durchsetzung der<br />
Menschenrechte, der Gewaltprävention und dem Kampf um soziale Gerechtigkeit<br />
unter den Bedingungen einer beschleunigten Globalisierung. Keiner dieser<br />
Fragen weicht der neue Hirtenbrief aus. Er beantwortet sie mit plausiblen, klaren<br />
und in der Tradition der Friedensethik der katholischen Soziallehre stehenden<br />
Argumenten.<br />
In einer adäquaten Vergangenheitsbewältigung sehen die Bischöfe mit Recht<br />
einen Schlüssel zur Sicherung des neu gewonnenen Friedens. Einfach einen<br />
Schlußstrich unter das Vergangene ziehen, „beleidigt die Opfer. Es ist daher gut,<br />
nach Erfahrungen massenhafter und systematischer Gewalt sogenannte Wahrheitskommissionen<br />
einzurichten“. 2 Man müsse versuchen, die Opfer zu rehabilitieren<br />
und „das ihnen Angetane wenigstens ein Stück weit wieder gutzumachen“<br />
(119). Dadurch werde Konfliktnachsorge zur Konfliktvorbeugung. 3<br />
Ein Herzstück des neuen Hirtenbriefes ist der Abschnitt „Zur Problematik bewaffneter<br />
Interventionen“. Es geht hier um die Legitimität militärischen Eingreifens<br />
fremder Staaten oder Staatenbündnisse zur Verhinderung oder Beendigung<br />
von Ve rtreibungen und Massakern an der Zivilbevölkerung in ethnisch und/oder<br />
religiös bedingten Bürgerkriegen. Der Hirtenbrief meistert diese Frage mit einer<br />
plausiblen Übertragung der Kriterien der bellum-iustum-Lehre auf die Problematik<br />
humanitärer Interventionen. 4 Das Ziel, Gewaltanwendung aus der internatio-<br />
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