DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi

DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi

web.tuomi.media.de
von web.tuomi.media.de Mehr von diesem Publisher
27.11.2012 Aufrufe

sprüche gegen die Kinder als einen Akt der Solidarität deuten. In Wahrheit ist sie – mindestes auch – ein Akt ökonomischer Klugheit, sogar in dem ach so schrecklichen neoklassischen Sinne. 12 Allerdings gilt dieses nur, solange es zum Lebensplan praktisch jedes Menschen gehört, eigene Kinder zu haben. Sobald Menschen bewußt und willentlich das Risiko herbeiführen, dessen nachteilige Folgen quasi kollektiviert sind, bricht das System zusammen. 13 Wie kann der Zusammenbruch vermieden werden? – Der eine Weg besteht darin, die Ansprüche auf die Früchte der Nachkommenschaft zu entkollektivieren und sie nur den Eltern zu geben. Das würde die „natürlichen“ Anreize, Kinder zu haben, insoweit nicht behindern oder verkümmern lassen. Doch entstünde dabei wiederum das Problem, daß diejenigen, die ungewollt kinderlos bleiben, verlassen sind. Zu berücksichtigen ist auch, daß unter den Bedingungen einer in hohem Grade arbeitsteiligen Volkswirtschaft deren Arbeitspotential auch Kollektivgutzüge trägt. Der Leiter einer geschlossenen Hauswirtschaft im Altertum mußte bei der Erziehung der Nachkommenschaft nicht berücksichtigen, welche Fähigkeiten bei den Menschen des Umfeldes angesiedelt waren. Auch für die Erziehung, die der mittelalterliche Handwerksmeister seinem Sohn und Nachfolger angedeihen ließ, war unerheblich, was andere konnten oder nicht. Heute sind wir angewiesen auf eine gesamtgesellschaftlich abgestimmte Bildung. Das Wissen, das andere Menschen beherrschen, ist maßgeblich für elterliche Empfehlungen, was die Kinder sinnvollerweise lernen sollten. Die Re-Individualisierung der durch die eigene Nachkommenschaft bewirkten Altersversorgung würde also nicht nur die Verteilung der individuellen Reproduktionsmöglichkeiten in unzuträglicher Weise vernachlässigen. Sie würde auch dem Kollektivgutcharakter modernen Humankapitals nicht Rechnung tragen. So braucht man eine andere Maßnahme, die verhindert, daß die Trittbrettfahrerposition bei der Heranbildung des Produktionsfaktors Arbeit ohne nachteilige wirtschaftliche Folgen eingenommen werden kann. Diese Maßnahme ist ein Erziehungsentgelt, mit dem die Gesellschaft den Dienst kompensiert, den Erziehende ihr leisten. Alle, die sich an dem Aufbau des künftigen Arbeitspotentials nicht beteiligen mögen oder können, bekommen nichts; dafür haben sie mehr Zeit und mehr andere Ressourcen, die sie zur Sicherung ihrer Altersversorgung einsetzen können. Wer alternativ Zeit und andere Ressourcen in den Dienst der Zukunftsvorsorge durch Heranbildung von Arbeitspotential stellt, erhält ein einkommensmäßiges Äquivalent von der Gesellschaft, das nach eigener Präferenz verwendet werden kann. 442 Folgen des Erziehungsentgelts Ein solches Erziehungsentgelt wäre Einkommen – mit allen Folgerungen, die sich daraus ergeben. Es wäre der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen. Die soziale Komponente eines auf Kinder bezogenen Familienlastenausgleichs, die von vielen – freilich

an falscher Stelle – gefordert wird, würde sich bei offen progressivem Steuertarif auf natürliche Weise entfalten. Ein Erziehungsentgelt würde allerdings nicht die Kinderfreibeträge der Einkommensteuer ersetzen. Diesen ist aufgegeben, das Existenzminimum der Kinder steuerlich zu schonen. Jenes ist ein Leistungsentgelt. Beide haben unterschiedliche Funktionen. 14 Anders als mit den Kinderfreibeträgen ist es mit einem Freibetrag, der die Kosten der Kinderbetreuung abdecken soll. Er wäre unter dem Regime eines Erziehungsentgelts überflüssig. Letzteres soll den Eltern ja gerade ermöglichen zu entscheiden, ob sie Betreuungsleistungen am Markt einkaufen oder selbst erbringen wollen. Eltern bekämen mehr Freiheit, und die Allokation von Erziehungsleis tungen würde insgesamt effizienter. Auch darum geht es: Das Erziehungsentgelt würde die Eltern in die Lage versetzen, jene Nachfrage nach Betreuung ihrer Kinder von der besonderen Art zu entfalten, die ihren Vorstellungen am besten entspricht, oder alternativ die Erziehung ihrer Kinder vollständig in der eigenen Hand und das Erziehungsentgelt in der eigenen Tasche zu behalten. In Wahrheit würden sie einen Markt aufspannen, durch den die Produktion und Verteilung von Betreuungsleistungen viel besser gesteuert würde, als ein noch so ausgefeiltes System von Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungseinrichtungen es könnte. Das Angebot würde differenzierter, als wir es uns heute ausmalen können, und besser auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten. Das Erziehungsentgelt würde freilich die Bemessungsgrundlage der gesetzlichen Versicherungen unberührt lassen; es gehörte nicht zu den Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit. 15 Weil das Erziehungsentgelt ein Leistungsentgelt ist, verträgt sich mit seiner Konzeption keine Einkommensgrenze. In die Berechnungsgrundlagen für kinderzahlbezogene Einkommenstransferzahlungen würde hingegen das Erziehungsentgelt eingehen müssen. Bei der Wohngeldberechnung beispielsweise wäre es dem Haushaltseinkommen zuzurechnen. Entsprechend müßte bei der Sozialhilfe verfahren werden. Allerdings müßten mit der Einführung des Erziehungsentgelts alle kinder- und erziehungsbedingten öffentlichen Leistungen realer wie monetärer Art, die nicht durch die Taschen der Eltern laufen, sondern Objektförderung darstellen, einer strengen Prüfung unterzogen werden, inwieweit sie zu rechtfertigen sind. Weder soll ihrer allgemeinen Abschaffung a limine das Wort geredet werden, noch kann man sie allesamt beibehalten. Die familienbezogene Subventionierung des öffentlichen Nahverkehrs, von Sportstätten, Museen und außerschulischen Bildungseinrichtungen müßte wohl fallen. Auch die Subventionierung von Kindergärten und Kindertagesstätten gehört zu den Todeskandidaten, wenn nicht der Nachweis gelingt, daß die Erziehung im Kindergarten im Interesse der Gesellschaft liegt. Es reicht nicht zu zeigen, daß es für Kinder in dieser oder jener Situation doch ganz nützlich sei, auch oder ausschließlich Kindergartenerziehung zu erfahren. Was öffentliche Zuschüsse zu 443

an falscher Stelle – gefordert wird, würde sich bei offen progressivem Steuertarif<br />

auf natürliche Weise entfalten.<br />

Ein Erziehungsentgelt würde allerdings nicht die Kinderfreibeträge der Einkommensteuer<br />

ersetzen. Diesen ist aufgegeben, das Existenzminimum der Kinder<br />

steuerlich zu schonen. Jenes ist ein Leistungsentgelt. Beide haben unterschiedliche<br />

Funktionen. 14<br />

Anders als mit den Kinderfreibeträgen ist es mit einem Freibetrag, der die Kosten<br />

der Kinderbetreuung abdecken soll. Er wäre unter dem Regime eines Erziehungsentgelts<br />

überflüssig. Letzteres soll den Eltern ja gerade ermöglichen zu<br />

entscheiden, ob sie Betreuungsleistungen am Markt einkaufen oder selbst erbringen<br />

wollen. Eltern bekämen mehr Freiheit, und die Allokation von Erziehungsleis<br />

tungen würde insgesamt effizienter. Auch darum geht es: Das Erziehungsentgelt<br />

würde die Eltern in die Lage versetzen, jene Nachfrage nach Betreuung ihrer<br />

Kinder von der besonderen Art zu entfalten, die ihren Vorstellungen am besten<br />

entspricht, oder alternativ die Erziehung ihrer Kinder vollständig in der eigenen<br />

Hand und das Erziehungsentgelt in der eigenen Tasche zu behalten. In Wahrheit<br />

würden sie einen Markt aufspannen, durch den die Produktion und Verteilung<br />

von Betreuungsleistungen viel besser gesteuert würde, als ein noch so ausgefeiltes<br />

System von Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungseinrichtungen es könnte.<br />

Das Angebot würde differenzierter, als wir es uns heute ausmalen können,<br />

und besser auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten.<br />

Das Erziehungsentgelt würde freilich die Bemessungsgrundlage der gesetzlichen<br />

Versicherungen unberührt lassen; es gehörte nicht zu den Einkünften aus unselbständiger<br />

Tätigkeit. 15<br />

Weil das Erziehungsentgelt ein Leistungsentgelt ist, verträgt sich mit seiner<br />

Konzeption keine Einkommensgrenze.<br />

In die Berechnungsgrundlagen für kinderzahlbezogene Einkommenstransferzahlungen<br />

würde hingegen das Erziehungsentgelt eingehen müssen. Bei der Wohngeldberechnung<br />

beispielsweise wäre es dem Haushaltseinkommen zuzurechnen.<br />

Entsprechend müßte bei der Sozialhilfe verfahren werden.<br />

Allerdings müßten mit der Einführung des Erziehungsentgelts alle kinder- und<br />

erziehungsbedingten öffentlichen Leistungen realer wie monetärer Art, die nicht<br />

durch die Taschen der Eltern laufen, sondern Objektförderung darstellen, einer<br />

strengen Prüfung unterzogen werden, inwieweit sie zu rechtfertigen sind. Weder<br />

soll ihrer allgemeinen Abschaffung a limine das Wort geredet werden, noch kann<br />

man sie allesamt beibehalten.<br />

Die familienbezogene Subventionierung des öffentlichen Nahverkehrs, von<br />

Sportstätten, Museen und außerschulischen Bildungseinrichtungen müßte wohl<br />

fallen.<br />

Auch die Subventionierung von Kindergärten und Kindertagesstätten gehört zu<br />

den Todeskandidaten, wenn nicht der Nachweis gelingt, daß die Erziehung im<br />

Kindergarten im Interesse der Gesellschaft liegt. Es reicht nicht zu zeigen, daß es<br />

für Kinder in dieser oder jener Situation doch ganz nützlich sei, auch oder ausschließlich<br />

Kindergartenerziehung zu erfahren. Was öffentliche Zuschüsse zu<br />

443

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!