Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
404<br />
Rainer Kreuzhof<br />
Marktwirtschaft und Christentum –<br />
Widerspruch oder Notwendigkeit?<br />
I. Zur Notwendigkeit einer Berufs- und Arbeitsethik<br />
Im Bericht des Club of Rome wurde Anfang der 70er Jahre zum ersten Mal in<br />
vernehmbarer Form auf die sich entwickelnde Wirtschafts-, Umwelt und Gesellschaftskrise<br />
unserer Zeit hingewiesen. 1 In vielen Industrieländern haben wir seither<br />
mit einer dauerhaft hohen Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Parallel dazu kommt<br />
es immer wieder zu Hungerkatastrophen in der Dritten Welt. Auch Fragen permanenter<br />
Umweltzerstörung und immer knapper werdender Ressourcen sind<br />
kennzeichnend für die Zeit, in der wir leben. Und schließlich zeigen sich auch<br />
große Probleme in der Gesellschaft, wie Drogenkonsum, Zerfall der Familie und<br />
vieles andere mehr. Mit diesem Einschnitt hat sich quasi unser gesamtes Weltbild,<br />
von dem bisher optimistischen Fortschrittsglauben zu einem eher pessimistischen<br />
Weltverständnis gewandelt. Wie konnte es dazu kommen? Bis dahin<br />
war doch unser westliches Wirtschaftssystem so außerordentlich erfolgreich.<br />
Wie ist also einerseits der enorme wirtschaftliche Erfolg der Vergangenheit und<br />
andererseits das Marktversagen in der Moderne zu erklären? Bei genauerer Betrachtung<br />
wird deutlich, daß bei aller Veränderung in der Neuzeit und Aufklärung<br />
die christliche Kultur mit ihren moralischen Werten bis in die Nachkriegszeit<br />
fortwirkte. Beispiele dafür sind kaufmännische Verhaltensregeln oder das<br />
Eigentumsrecht des Grundgesetzes. 2 Der Wettbewerbsgedanke konnte demzufolge<br />
seine positiven Konsequenzen voll entfalten, da im Hintergrund die chris tliche<br />
Moral und Moralität für ein faires Verhalten sorgte. Das Eigentumsrecht, so<br />
wie es im Grundgesetz verankert ist, basiert dabei im wesentlichen auf den Vo rstellungen<br />
des Thomas von Aquin. Zwar ist auch hier das Eigennutzdenken Ausgangspunkt<br />
für die Rechtfertigung des Privateigentums, anders aber als bei Adam<br />
Smith sind hier nicht natürliche Wirtschaftsgesetze der Ausgangspunkt, denen<br />
der vernunftbegabte und autonome Mensch (Freiheit) unterworfen ist (Determinismus),<br />
vielmehr wird einem verantwortungslosen Gebrauch die Sozialverpflichtung<br />
des Eigentums gegenübergestellt.<br />
In neuerer Zeit erleben wir eine zunehmende Ökonomisierung aller Lebensbereiche.<br />
Dabei wird ökonomisches Nutzendenken auf immer neue Felder wie Bildung,<br />
Kultur, Gesundheit und sogar Kirche übertragen. Der Lebensvollzug verengt<br />
sich zunehmend auf die ökonomischen Kategorien Arbeit und Konsum. 3<br />
Dementsprechend brechen traditionelle kirchliche Bindungen im Zuge eines<br />
extremen Individualismus bzw. Hedonismus ab und christliche Werte werden<br />
sukzessiv aus der Öffentlichkeit verdrängt. In der Folge pervertiert schließlich<br />
der Wettbewerbsgedanke, und weder staatliche Wirtschaftssteuerung noch neoliberale<br />
Konzepte der Stärkung des Wettbewerbs können die wachsende Krisen-