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pluralistischen Ve rfassungsstaat notwendig ist, so kann das Defizit anderswo<br />
allenfalls unter Einsatz erheblicher Mühen und teurer Ressourcen aufgefüllt<br />
werden.<br />
Die Leistungen, die Eltern durch die Erziehung ihrer Kinder der Gesellschaft<br />
zukommen lassen, haben unter anderem zwei hervorstechende Merkmale:<br />
Die Produzenten – also hier die Eltern – können kein Mitglied der Gesellschaft<br />
von dem Nutzen aus dem Umstand ausschließen, daß ihre Mitmenschen zu guten<br />
Staatsbürger(inne)n erzogen wurden.<br />
Die Zahl der Nutznießer ist für die Qualität oder Quantität des Vorteils, den<br />
jedes Individuum aus der guten Erziehung seiner Mitmenschen zieht, unerheblich;<br />
es gibt keine „Rivalität im Konsum“.<br />
Das ist anders bei solchen Gütern und Leistungen, die Konsumenten gewöhnlich<br />
am Markt erwerben. Man denke sich als Beispiel ein bestimmtes Nahrungsmittel<br />
oder ein Kleidungsstück. Dabei kann der Produzent sich weigern, einen Nachfrager<br />
zu bedienen; das Ausschlußprinzip gilt. Außerdem bedeutet das Auftreten<br />
eines weiteren Konsumenten die Notwendigkeit, eine höhere Produktion zu<br />
bringen und sich auf die entsprechenden Kosten einzulassen oder aber die Lieferungen<br />
an andere Konsumenten zu mindern; es herrscht also Rivalität im Konsum.<br />
Ausschlußmöglichkeit und Rivalität sind die typischen Kennzeichen der<br />
Individualgüter, bei denen die Steuerung von Produktion und Verteilung optimal<br />
über ein System vollkommener Märkte erfolgt. Fehlen diese Eigenschaften, so<br />
hat man es mit Gütern oder Leistungen zu tun, die von Ökonomen Kollektivgüter<br />
genannt werden. 9 Hier kann der Marktmechanismus im Hinblick auf eine optimale<br />
Bedürfnisbefriedigung nicht funktionieren. Der Grund ist: Die Mitglieder<br />
der Gesellschaft können die Leistung unabhängig von ihrer Zahlungsbereitschaft<br />
konsumieren. Die Produzenten können nämlich keinem Menschen die Belieferung<br />
verweigern. Die Folge ist, daß auch niemand bereit ist, für Nutzen aus Kollektivgütern<br />
(hier: aus dem allgemeinen Wohlverhalten der Menschen) individuell<br />
zu zahlen. Jeder Mensch kann die „Trittbrettfahrerposition“ einnehmen, sich<br />
also vor der Teilhabe an der Finanzierungslast drücken und gleichwohl volle<br />
Teilhabe am Konsum genießen. Daß dabei die betreffende Kollektivgutproduktion<br />
leidet, geht in die individuellen Wirtschaftskalküle nicht ein. Der Staat ist<br />
gefordert, wenn es ein gesellschaftliches Interesse daran gibt, Kollektivgüter auf<br />
einem gesellschaftlich erwünschten Mengen- und Qualitätsniveau herzustellen.<br />
Das gilt auch im Hinblick auf elterliche Erziehungsarbeit.<br />
Der deutsche Verfassungsgeber hat dieses Interesse auch artikuliert. Artikel 6<br />
Absatz (3) GG sagt: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht<br />
der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung<br />
wacht die staatliche Gemeinschaft.“ (Hervorhebung vom Verf.). Daß der Kollektivgutcharakter<br />
der Erziehung bei der Entwicklung und späteren Umsetzung des<br />
Grundgesetzes keine Rolle spielte, ist dem Umstand zuzuschreiben, daß man –<br />
auch der Ökonom – noch nicht in der Lage war, über Kollektivgüter und ihre<br />
Integration in ein System der durchdachten Ressourcenallokation klare Aussagen<br />
zu formulieren. Bis zum Ende der vierziger Jahre und danach standen andere<br />
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