DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi
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einbarkeit von Beruf und Familie! Das ist der Meeresstern, der Richtungsweiser schlechthin, auf den die Großkopfeten (selbstverständlich beiderlei Geschlechts) der im Bundestag agierenden Parteien sowie der politischen Schickeria rundum vertrauen. Lebhaft wird beklagt, daß der Sozialstaat in Deutschland im Hinblick auf die Lösung des Problems versagt; in anderen Ländern seien Eltern besser aufgehoben. In Deutschland „ist der Sozialstaat eine Luftnummer“, hieß es in der Heute-Sendung des ZDF am 04.04. dieses Jahres. 4 Und die beigezogene Bundes- Familien-Ministerin beklagte, daß sie ja leider wegen mangelnder Bundeskompetenz kaum mehr tun könne, als werbend durch die Lande zu reisen, um die – gemeinsam mit den Kommunen – zuständigen Länder zu einem kinderfreundlichen Politikkonzept zu bringen. 5 Zwei Botschaften sind in diesen Verlautbarungen zu erkennen. Erstens: Kindererziehung in der Familie ist kein Beruf; anders ist das Bedauern über die notleidende Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht erklärbar. Schon dieses zeigt, daß den Leuten, die darüber große Reden schwingen, auch das geringste Ve rständnis für Familie und Familienarbeit abgeht. Zweitens: Familienpolitik ist offenbar Sozialpolitik, also Umverteilungspolitik 6 : Familien mit Kindern sollten mehr Almosen haben – in Form von Realtransfers (das sind zum Beispiel verbilligte Kindergartenplätze, vor allem aus öffentlichen Kassen subventionierte Ganztagsbetreuungen, außerdem Zeitkarten für den öffentlichen Personennahverkehr, öffentlich subventionierte Mitgliedschaften in Vereinen und dergleichen), natürlich sind auch Einkommenstransfers und Steuervergünstigungen gefragt. Ziel dieses Beitrages ist zu zeigen, daß den Eltern zunächst und vor allem ein angemessenes öffentliches Leistungsentgelt für die Erziehung ihrer Kinder gebührt. Und es geht darum, diesen Anspruch aus der Sicht eines Nationalökonomen zu begründen. 7 Was Eltern für die Gesellschaft leisten und was die Gesellschaft ihnen dafür schuldet, ist aus dem Dunstkreis triefender Mildtätigkeit 8 herauszulösen und in den Kontext von Leistungsgerechtigkeit zu bringen. 438 Leistungen der Eltern im Dienste der Gesellschaft Eltern lassen ihre Kinder zu voller Menschenwürde heranreifen und geben ihnen die Hilfen, deren sie dabei bedürfen. Volle Menschenwürde bedeutet im Kontext einer freiheitlichen Gesellschaft ganz gewiß das Bewußtsein des eigenen Wertes; sie heißt indes auch, daß die Würde eines jeden Menschen zu achten ist. In der Familie lernen Kinder, nicht nur Andersartiges und Andersartige zu ertragen, zu „tolerieren“, sondern sich zu freuen an der Vielfalt menschlicher Möglichkeiten. Als Christ fügt der Autor hinzu, diese Freude ist dadurch motiviert, daß das ganze Spektrum von Möglichkeiten, Mensch zu sein, einen Abglanz der Unendlichkeit liefert, über die Gott verfügt. In der Familie eignen die Kinder sich jene Verhaltensweisen an, deren der pluralistische Verfassungsstaat bei seinen Menschen bedarf, die er freilich nicht durch Verfassung und Gesetze erzwingen kann. Wenn Kinder keine Chance haben, in einer Familie aufzuwachsen und dort aufzunehmen, was an Einstellung zu einer pluralistis chen Gesellschaft und dem
pluralistischen Ve rfassungsstaat notwendig ist, so kann das Defizit anderswo allenfalls unter Einsatz erheblicher Mühen und teurer Ressourcen aufgefüllt werden. Die Leistungen, die Eltern durch die Erziehung ihrer Kinder der Gesellschaft zukommen lassen, haben unter anderem zwei hervorstechende Merkmale: Die Produzenten – also hier die Eltern – können kein Mitglied der Gesellschaft von dem Nutzen aus dem Umstand ausschließen, daß ihre Mitmenschen zu guten Staatsbürger(inne)n erzogen wurden. Die Zahl der Nutznießer ist für die Qualität oder Quantität des Vorteils, den jedes Individuum aus der guten Erziehung seiner Mitmenschen zieht, unerheblich; es gibt keine „Rivalität im Konsum“. Das ist anders bei solchen Gütern und Leistungen, die Konsumenten gewöhnlich am Markt erwerben. Man denke sich als Beispiel ein bestimmtes Nahrungsmittel oder ein Kleidungsstück. Dabei kann der Produzent sich weigern, einen Nachfrager zu bedienen; das Ausschlußprinzip gilt. Außerdem bedeutet das Auftreten eines weiteren Konsumenten die Notwendigkeit, eine höhere Produktion zu bringen und sich auf die entsprechenden Kosten einzulassen oder aber die Lieferungen an andere Konsumenten zu mindern; es herrscht also Rivalität im Konsum. Ausschlußmöglichkeit und Rivalität sind die typischen Kennzeichen der Individualgüter, bei denen die Steuerung von Produktion und Verteilung optimal über ein System vollkommener Märkte erfolgt. Fehlen diese Eigenschaften, so hat man es mit Gütern oder Leistungen zu tun, die von Ökonomen Kollektivgüter genannt werden. 9 Hier kann der Marktmechanismus im Hinblick auf eine optimale Bedürfnisbefriedigung nicht funktionieren. Der Grund ist: Die Mitglieder der Gesellschaft können die Leistung unabhängig von ihrer Zahlungsbereitschaft konsumieren. Die Produzenten können nämlich keinem Menschen die Belieferung verweigern. Die Folge ist, daß auch niemand bereit ist, für Nutzen aus Kollektivgütern (hier: aus dem allgemeinen Wohlverhalten der Menschen) individuell zu zahlen. Jeder Mensch kann die „Trittbrettfahrerposition“ einnehmen, sich also vor der Teilhabe an der Finanzierungslast drücken und gleichwohl volle Teilhabe am Konsum genießen. Daß dabei die betreffende Kollektivgutproduktion leidet, geht in die individuellen Wirtschaftskalküle nicht ein. Der Staat ist gefordert, wenn es ein gesellschaftliches Interesse daran gibt, Kollektivgüter auf einem gesellschaftlich erwünschten Mengen- und Qualitätsniveau herzustellen. Das gilt auch im Hinblick auf elterliche Erziehungsarbeit. Der deutsche Verfassungsgeber hat dieses Interesse auch artikuliert. Artikel 6 Absatz (3) GG sagt: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ (Hervorhebung vom Verf.). Daß der Kollektivgutcharakter der Erziehung bei der Entwicklung und späteren Umsetzung des Grundgesetzes keine Rolle spielte, ist dem Umstand zuzuschreiben, daß man – auch der Ökonom – noch nicht in der Lage war, über Kollektivgüter und ihre Integration in ein System der durchdachten Ressourcenallokation klare Aussagen zu formulieren. Bis zum Ende der vierziger Jahre und danach standen andere 439
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Zwei Botschaften sind in diesen Verlautbarungen zu erkennen. Erstens: Kindererziehung<br />
in der Familie ist kein Beruf; anders ist das Bedauern über die notleidende<br />
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daß den Leuten, die darüber große Reden schwingen, auch das geringste Ve rständnis<br />
für Familie und Familienarbeit abgeht. Zweitens: Familienpolitik ist<br />
offenbar Sozialpolitik, also Umverteilungspolitik 6 : Familien mit Kindern sollten<br />
mehr Almosen haben – in Form von Realtransfers (das sind zum Beispiel verbilligte<br />
Kindergartenplätze, vor allem aus öffentlichen Kassen subventionierte<br />
Ganztagsbetreuungen, außerdem Zeitkarten für den öffentlichen Personennahverkehr,<br />
öffentlich subventionierte Mitgliedschaften in Vereinen und dergleichen),<br />
natürlich sind auch Einkommenstransfers und Steuervergünstigungen<br />
gefragt.<br />
Ziel dieses Beitrages ist zu zeigen, daß den Eltern zunächst und vor allem ein<br />
angemessenes öffentliches Leistungsentgelt für die Erziehung ihrer Kinder gebührt.<br />
Und es geht darum, diesen Anspruch aus der Sicht eines Nationalökonomen<br />
zu begründen. 7 Was Eltern für die Gesellschaft leisten und was die Gesellschaft<br />
ihnen dafür schuldet, ist aus dem Dunstkreis triefender Mildtätigkeit 8<br />
herauszulösen und in den Kontext von Leistungsgerechtigkeit zu bringen.<br />
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Leistungen der Eltern im Dienste der Gesellschaft<br />
Eltern lassen ihre Kinder zu voller Menschenwürde heranreifen und geben ihnen<br />
die Hilfen, deren sie dabei bedürfen. Volle Menschenwürde bedeutet im Kontext<br />
einer freiheitlichen Gesellschaft ganz gewiß das Bewußtsein des eigenen Wertes;<br />
sie heißt indes auch, daß die Würde eines jeden Menschen zu achten ist. In der<br />
Familie lernen Kinder, nicht nur Andersartiges und Andersartige zu ertragen, zu<br />
„tolerieren“, sondern sich zu freuen an der Vielfalt menschlicher Möglichkeiten.<br />
Als Christ fügt der Autor hinzu, diese Freude ist dadurch motiviert, daß das ganze<br />
Spektrum von Möglichkeiten, Mensch zu sein, einen Abglanz der Unendlichkeit<br />
liefert, über die Gott verfügt. In der Familie eignen die Kinder sich jene<br />
Verhaltensweisen an, deren der pluralistische Verfassungsstaat bei seinen Menschen<br />
bedarf, die er freilich nicht durch Verfassung und Gesetze erzwingen kann.<br />
Wenn Kinder keine Chance haben, in einer Familie aufzuwachsen und dort aufzunehmen,<br />
was an Einstellung zu einer pluralistis chen Gesellschaft und dem