DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi

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27.11.2012 Aufrufe

Alle wichtigen Dimensionen der Generationengerechtigkeit hat jüngst in einem Vortrag der Bundesverfassungsrichter a. D. Paul Kirchhof angesprochen. Seine Darlegungen können als Resümee dienen: „Gerechtigkeit heißt auch und vor allem Verantwortlichkeit für die nächste Generation. Deshalb muß der Rechtsstaat einen Generationenvertrag schaffen, der sich nicht in der sozialen Sicherung im Alter, bei Arbeitslosigkeit und Krankheit erschöpft, sondern im Umweltschutz der nächsten Generation gute Lebensverhältnisse sichert, im Abbau der Staatsverschuldung einen belastenden Vorgriff auf die Zukunft vermeidet, durch Bildung und Ausbildung die nächste Generation zur Freiheit befähigt, in technischen und wirtschaftlichen Vorkehrungen das kulturelle und technische Lebensniveau der Zukunft sichert. Voraussetzung für eine Gerechtigkeit in der Generationenfolge ist zunächst, daß eine nachfolgende Generation existiert und daß diese dank Erziehung und Bildung zur Freiheit und Demokratie fähig ist. Sodann muß diese Nachfolgegeneration lebenswerte Existenzbedingungen in ähnlicher Weise vorfinden, wie wir sie erleben dürfen. Dieses Postulat betrifft die Umwelt, meint aber auch die Wertordnung und die kulturellen Standards. Wir alle hoffen, unsere Errungenschaften des Rechts, der Wissenschaft, der Kunst und Religion an unsere Kinder weitergeben zu können. Jede Generation kann nicht das Auto neu erfinden, auch nicht das Grundgesetz neu schreiben, sondern baut auf das auf, was die vorausgehenden Generationen erarbeitet, entwickelt und veredelt haben. Gegenwärtig können wir insbesondere eine weltoffene Friedensgemeinschaft und damit eine der wichtigsten Prämissen für Gerechtigkeit an die Zukunft weitergeben. Die nächste Generation darf auch nicht übermäßig durch die vorausgehende belastet und ausgebeutet werden. Deswegen ist die Staatsverschuldung strikt zurückzuführen. Wenn die Gegenwart für den aktuellen Konsum mehr Geld beansprucht als sie erwirtschaftet, so belastet dieser Vorgriff auf die Zukunft unserer Kinder, die das Darlehen mit Zins und Zinseszins zurückzahlen müssen. Das Verbot übermäßiger Belastung gilt gleichermaßen für die Alterssicherung, die wiederum eine Gleichheit der Last in der Generationenfolge zu wahren hat. Wenn nunmehr auf die jetzt ins Erwerbsleben eintretende Generation die Doppelbelastung zukommt, den alten Generationenvertrag bedienen und gleichzeitig zur Eigenvorsorge einen Kapitalstock bilden zu müssen, dann erscheint dies als eine Überforderung der nunmehr Erwerbstätigen, die nur mit schonenden Übergängen eingeleitet werden darf. Eine wichtige Säule des Generationenvertrages ist die natürliche Bindung der Kinder zu ihren Eltern, die in der Anonymität der Sozialversicherung nicht verloren gehen darf. Umgekehrt müssen die Eltern stets die Möglichkeit haben, ihr Wissen, aber auch das Familiengut an die nächste Generation in familiärer Bindung weitergeben zu dürfen.“ Dr. Detlef Grieswelle ist wissenschaftlicher Berater im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung. 436

Hans Heinrich Nachtkamp Für ein Erziehungsentgelt Nun ist es wieder geschehen. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Wie mit Familien in Deutschland umgegangen wird, hält einer verfassungsmäßigen Überprüfung nicht stand. Es ist nicht die erste Strophe dieses Liedes. Die jüngste bezieht sich auf Verhältnisse bei der Pflegeversicherung. Es bleibt die Frage, wann der Vers zur Alterssicherung verfaßt wird. 1 Was ist los? Gibt es ein massives Versagen des Gesetzgebers? Nach weit verbreiteter Meinung ist das wohl nicht der Fall. Der Anteil der Eltern an der deutschen Bevölkerung schwindet – schon seit geraumer Zeit. Ihre Repräsentanz in den Stellwerken der Politik dürfte aus naheliegenden Gründen eher unter ihrem Bevölkerungsanteil liegen. Und heißt nicht Demokratie: „Wer am Steuer sitzt, bestimmt die Richtung?“ 2 Familien im Aufwind der Politik? Falsch wäre freilich die Behauptung, Familien hätten keine oder kaum eine politische Bedeutung in unserem Lande. Zunächst einmal haben sie ein von der Ve rfassung gewährtes Privileg (Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz). Und deutsche Politiker(innen) haben beispielsweise im Schweiße ihres Angesichts (und für gutes Einkommen) darüber gestritten, ob es geboten sei, Rechtsfolgen dieses Privilegs auf gleichgeschlechtliche Paare auszudehnen. 3 Wohlgemerkt: Paare von leiblichen Geschwistern, gleichen oder verschiedenen Geschlechts, die jeweils einen gemeinsamen Haushalt führen, standen nicht zur Debatte, ebenso wenig war von Freundschaftspaaren die Rede, schon gar nicht von Haushaltsgemeinschaften, die aus mehr als zwei Personen bestehen. Nein, die Ausdehnung des Eheprivilegs erstreckt sich ausschließlich auf gleichgeschlechtliche Liebespaare. – Hier sollte freilich nur demonstriert werden, wozu Familien in Deutschland gut sind: Sie verschaffen Politiker(inne)n und solchen, die es werden möchten, Karrieremöglichkeiten und geben ihnen Anhaltspunkte für allerlei Kalkulationen – oft abstruse. Neuerdings sieht es so aus, als würde ein weiteres Feld entdeckt, für dessen Bestellung man Familien – notabene von antiker Façon – benötigt. Manches deutet auf einen Raumgewinn der Erkenntnis hin, das Debakel mit der Altersstruktur der Bevölkerung könnte etwas mit den Nachteilen zu tun haben, die ein Elternhaus sich mit der Erziehung seiner Kinder einhandelt. Und was als Nachteil gesehen wird, besteht in den allermeisten Fällen darin, daß Kindererziehung – gute Kindererziehung zumal – Zeit beansprucht. Diese müssen die Eltern selbst aufbringen, also Erwerbszeitopfer und entsprechende Einkommenseinbußen hinnehmen, oder aber kaufen – zum Nachteil anderer Ausgaben, an denen ihnen liegt. Also – so wird messerscharf geschlossen – ist ein reichhaltiges Angebot bezahlbarer Erziehungsleistungen dringend vonnöten, die den Eltern ermöglichen, weitestgehend so zu leben, wie sie es auch ohne Kinder tun würden. Ve r- 437

Hans Heinrich Nachtkamp<br />

Für ein Erziehungsentgelt<br />

Nun ist es wieder geschehen. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden:<br />

Wie mit Familien in Deutschland umgegangen wird, hält einer verfassungsmäßigen<br />

Überprüfung nicht stand. Es ist nicht die erste Strophe dieses Liedes. Die<br />

jüngste bezieht sich auf Verhältnisse bei der Pflegeversicherung. Es bleibt die<br />

Frage, wann der Vers zur Alterssicherung verfaßt wird. 1 Was ist los? Gibt es ein<br />

massives Versagen des Gesetzgebers? Nach weit verbreiteter Meinung ist das<br />

wohl nicht der Fall. Der Anteil der Eltern an der deutschen Bevölkerung schwindet<br />

– schon seit geraumer Zeit. Ihre Repräsentanz in den Stellwerken der Politik<br />

dürfte aus naheliegenden Gründen eher unter ihrem Bevölkerungsanteil liegen.<br />

Und heißt nicht Demokratie: „Wer am Steuer sitzt, bestimmt die Richtung?“ 2<br />

Familien im Aufwind der Politik?<br />

Falsch wäre freilich die Behauptung, Familien hätten keine oder kaum eine politische<br />

Bedeutung in unserem Lande. Zunächst einmal haben sie ein von der Ve rfassung<br />

gewährtes Privileg (Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz). Und deutsche Politiker(innen)<br />

haben beispielsweise im Schweiße ihres Angesichts (und für gutes<br />

Einkommen) darüber gestritten, ob es geboten sei, Rechtsfolgen dieses Privilegs<br />

auf gleichgeschlechtliche Paare auszudehnen. 3 Wohlgemerkt: Paare von leiblichen<br />

Geschwistern, gleichen oder verschiedenen Geschlechts, die jeweils einen<br />

gemeinsamen Haushalt führen, standen nicht zur Debatte, ebenso wenig war von<br />

Freundschaftspaaren die Rede, schon gar nicht von Haushaltsgemeinschaften,<br />

die aus mehr als zwei Personen bestehen. Nein, die Ausdehnung des Eheprivilegs<br />

erstreckt sich ausschließlich auf gleichgeschlechtliche Liebespaare. – Hier<br />

sollte freilich nur demonstriert werden, wozu Familien in Deutschland gut sind:<br />

Sie verschaffen Politiker(inne)n und solchen, die es werden möchten, Karrieremöglichkeiten<br />

und geben ihnen Anhaltspunkte für allerlei Kalkulationen – oft<br />

abstruse.<br />

Neuerdings sieht es so aus, als würde ein weiteres Feld entdeckt, für dessen Bestellung<br />

man Familien – notabene von antiker Façon – benötigt. Manches deutet<br />

auf einen Raumgewinn der Erkenntnis hin, das Debakel mit der Altersstruktur<br />

der Bevölkerung könnte etwas mit den Nachteilen zu tun haben, die ein Elternhaus<br />

sich mit der Erziehung seiner Kinder einhandelt. Und was als Nachteil<br />

gesehen wird, besteht in den allermeisten Fällen darin, daß Kindererziehung –<br />

gute Kindererziehung zumal – Zeit beansprucht. Diese müssen die Eltern selbst<br />

aufbringen, also Erwerbszeitopfer und entsprechende Einkommenseinbußen hinnehmen,<br />

oder aber kaufen – zum Nachteil anderer Ausgaben, an denen ihnen<br />

liegt. Also – so wird messerscharf geschlossen – ist ein reichhaltiges Angebot<br />

bezahlbarer Erziehungsleistungen dringend vonnöten, die den Eltern ermöglichen,<br />

weitestgehend so zu leben, wie sie es auch ohne Kinder tun würden. Ve r-<br />

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