DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi
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- sachgerecht zu differenzieren nach räumlichen und zeitlichen Reichweiten der notwendigen Generationenpolitik (häufiger Adressat der Norm die ganze Menschheit); - die Fähigkeit des politischen Entscheidungssystems zu stärken zur Bewältigung langfristiger Vorsorgeprobleme, Generationengerechtigkeit gleichermaßen zu sehen als Wert und Instrument politischer Steuerung. Es darf auf alle Fälle nicht ausschließlich bei Topoi bleiben wie „Verantwortung für zukünftige Generationen“ oder „die Welt ist nur von unseren Kindern geborgt“, sondern aus dem Generationendiskurs müssen Handlungskonsequenzen erfolgen. Die Voraussetzungen, in der Pflicht zur Generationenverantwortung zu planen und zu handeln, sind heute in vielen Bereichen recht günstig. Die Belastungen durch eine ungünstige Bevölkerungsstruktur werden in den nächsten Jahren kaum wirksam. Wir haben relativ geringe Ausgaben für Kinder, auch eine relativ kleine „Altenlast“, die Einkommen und Vermögen der privaten Haushalte sind beachtlich, die Wissenspotentiale für Selbstvorsorge verbessert. Die Chancen für mehr Eigeninitiative können also als gut bezeichnet werden. In Zukunft ist eher mit einer Verschlechterung zu rechnen. Der Handlungsbedarf für Zukunftsvorsorge wird natürlich nur dann angemessen wahrgenommen, wenn mit den abgeschlossenen sozialen Reformen keine allzu hohen Erwartungen auf dauerhafte Lösungen verbunden werden: Maßnahmen, die keine langfristig tragenden Reformen darstellen, müssen als solche bezeichnet und weiterreichende Neuerungen vorbereitet werden. Es ist fraglich, ob unsere Gesellschaft in der Lage ist, die Herausforderungen zu bestehen und die notwendige Verantwortung gegenüber kommenden Generationen wahrzunehmen. Hohe Ansprüche und weitere Wachstumserwartungen an materiellen Wohlstand, soziale Sicherung, Freizeit und ausgeprägte Bequemlichkeit, Genußmentalität und teilweise sogar Egoismus sind Hindernisse dafür, daß Ansprüche der Zukunft sich gegenüber jenen der Gegenwart behaupten. Die Menschen von heute, denen es im allgemeinen recht gut geht, möchten ja das Wohlergehen künftiger Generationen nicht unbedingt zu einem zentralen Problem werden lassen, weil ansonsten unangenehme Pflichten zur Einschränkung erwachsen würden. Die Führungsgruppen in Politik und Gesellschaft sind gefordert, Generationengerechtigkeit und Langfristperspektive zu befördern, durch Beeinflussung von Bewußtsein, Anreizsysteme, günstige Rahmenbedingungen und nicht zuletzt durch die Schaffung generationengerechter Ordnungen. Dies bedeutet freilich große Risiken für den Machterhalt. Eventuell sind sogar Führungspersonen gefordert, die nicht zuvörderst auf ihre Wiederwahl abstellen, sondern ihre Ämter als zeitlich begrenzte Funktionen verstehen, damit die wichtigen Aufgaben erfüllt werden können. Falls unsere Gesellschaft erst lern- und handlungsfähig wird, wenn die Bedrohungen zu großen Gefahren geworden sind, dann haben sozialverträgliche Lösungen kaum noch Chancen, und die Fundamente unserer demokratischen und sozialen Ordnung stehen zur Disposition. 434
Der Gedanke, die Legitimität von Ideen und Maßnahmen habe sich wesentlich aus ihrem Leistungsbeitrag für die Zukunft zu ergeben, hat an Einfluß verloren. Dies auch deshalb, weil der Glaube an eine bessere Zukunft weitgehend dahin ist und es eigentlich nur darum geht, den zukünftigen Generationen mit unserer Situation einigermaßen vergleichbare Bedingungen zu ermöglichen. Über weite Phasen unserer Geschichte war ein Denken wirksam, das seine Erwartungen in die Zukunft projizierte, wo die Zukunft der Raum der Erfüllung war. Diese Sinnstiftung für einen Verzicht in der Gegenwart ist heute nicht oder kaum mehr möglich, weil die Fortschrittsidee beträchtlich an Kraft verloren hat, im öffentlichen Bereich sowieso, aber auch im privaten. Vordergründige Beobachtungen könnten zur Ansicht führen, unsere Gesellschaft sei geradezu zukunftsbesessen und keineswegs von einer Verweigerungshaltung bezüglich einer Gestaltung für kommende Generationen bestimmt. Der Zukunftsbegriff ist ja in aller Munde. Fast jede zweite Partei-, Gewerkschafts- und Arbeitgeberkonferenz führt ihn im Thema. Das sagt aber noch nicht, daß man ernsthaft über die Zukunft nachdenkt, d.h. die wirklichen Probleme aufgreift, die angemessene Zeitperspektive hat, aus den abstrakten Wertbekundungen die praktischen Konsequenzen zieht, alle wesentlichen Bereiche berücksichtigt, bereit ist, für sich und seine Gruppe Risiken für die Bewältigung der Langfristaufgaben einzugehen und Lasten für große Teile der Bevölkerung zu fordern. Summa summarum wird man, am Maßstab der praktischen Konsequenzen gemessen, sagen müssen, daß Gleichgültigkeit, Verdrängung und Verharmlosung häufig die bestimmenden Einstellungen sind. Solches gilt nicht für die bei uns ja sehr verbreiteten Zukunftspessimismen, Krisenprophezeiungen und zum Teil auch Untergangsbeschwörungen. Hier ist zwar die Zukunft im Visier, aber keinesfalls findet ein rationaler Diskurs über die Probleme und insbesondere nicht über deren Bewältigung statt. Zunächst einmal fällt auf, daß neben der Umwelt viele andere lösungsbedürftigen Bereiche weitgehend ausgespart werden. Es fehlt an integrativen Perspektiven für Probleme und Problemdimensionen. Fragen der Umwelt, der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes, der Rente, der Gesundheit etc. sind zusammen und in ihren jeweiligen Interdependenzen zu sehen, und dieser Wechselbezug gilt vor allem für die Perspektive der Zukunftsgestaltung und des Verhältnisses der Generationen zueinander. Vorschläge für einen Sektor sind häufig geradezu kontraproduktiv für die Generationengerechtigkeit in anderen Feldern. Auch wird nur selten aus Wertpostulaten die Konsequenz gezogen: Wertdeklamation und Wertrealisierung fallen weit auseinander. Lasten werden vielfach nur anderen zugemutet, nicht sich selbst und der breiten Bevölkerung. Eine wachsende Staatsverschuldung zu Lasten nachkommender Generationen war in der Regel die einzige Lösungsperspektive. Übertriebene Ängstlichkeit und Katastrophenstimmungen, von den Medien zum Teil regelrecht kultiviert, führen eher zu lähmendem Pessimismus als zu optimistischem Lösungsengagement oder aber drängen zu radikalen Veränderungen gesellschaftlicher Ordnung, die keine Akzeptanz in der Bevölkerung finden, weil sie mit wichtigen gemeinsamen Werten nicht übereinstimmen. 435
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Der Gedanke, die Legitimität von Ideen und Maßnahmen habe sich wesentlich<br />
aus ihrem Leistungsbeitrag für die Zukunft zu ergeben, hat an Einfluß verloren.<br />
Dies auch deshalb, weil der Glaube an eine bessere Zukunft weitgehend dahin ist<br />
und es eigentlich nur darum geht, den zukünftigen Generationen mit unserer<br />
Situation einigermaßen vergleichbare Bedingungen zu ermöglichen. Über weite<br />
Phasen unserer Geschichte war ein Denken wirksam, das seine Erwartungen in<br />
die Zukunft projizierte, wo die Zukunft der Raum der Erfüllung war. Diese Sinnstiftung<br />
für einen Verzicht in der Gegenwart ist heute nicht oder kaum mehr<br />
möglich, weil die Fortschrittsidee beträchtlich an Kraft verloren hat, im öffentlichen<br />
Bereich sowieso, aber auch im privaten.<br />
Vordergründige Beobachtungen könnten zur Ansicht führen, unsere Gesellschaft<br />
sei geradezu zukunftsbesessen und keineswegs von einer Verweigerungshaltung<br />
bezüglich einer Gestaltung für kommende Generationen bestimmt. Der Zukunftsbegriff<br />
ist ja in aller Munde. Fast jede zweite Partei-, Gewerkschafts- und<br />
Arbeitgeberkonferenz führt ihn im Thema. Das sagt aber noch nicht, daß man<br />
ernsthaft über die Zukunft nachdenkt, d.h. die wirklichen Probleme aufgreift, die<br />
angemessene Zeitperspektive hat, aus den abstrakten Wertbekundungen die praktischen<br />
Konsequenzen zieht, alle wesentlichen Bereiche berücksichtigt, bereit ist,<br />
für sich und seine Gruppe Risiken für die Bewältigung der Langfristaufgaben<br />
einzugehen und Lasten für große Teile der Bevölkerung zu fordern. Summa<br />
summarum wird man, am Maßstab der praktischen Konsequenzen gemessen,<br />
sagen müssen, daß Gleichgültigkeit, Verdrängung und Verharmlosung häufig die<br />
bestimmenden Einstellungen sind.<br />
Solches gilt nicht für die bei uns ja sehr verbreiteten Zukunftspessimismen, Krisenprophezeiungen<br />
und zum Teil auch Untergangsbeschwörungen. Hier ist zwar<br />
die Zukunft im Visier, aber keinesfalls findet ein rationaler Diskurs über die<br />
Probleme und insbesondere nicht über deren Bewältigung statt. Zunächst einmal<br />
fällt auf, daß neben der Umwelt viele andere lösungsbedürftigen Bereiche weitgehend<br />
ausgespart werden. Es fehlt an integrativen Perspektiven für Probleme<br />
und Problemdimensionen. Fragen der Umwelt, der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes,<br />
der Rente, der Gesundheit etc. sind zusammen und in ihren jeweiligen Interdependenzen<br />
zu sehen, und dieser Wechselbezug gilt vor allem für die Perspektive<br />
der Zukunftsgestaltung und des Verhältnisses der Generationen zueinander.<br />
Vorschläge für einen Sektor sind häufig geradezu kontraproduktiv für die Generationengerechtigkeit<br />
in anderen Feldern. Auch wird nur selten aus Wertpostulaten<br />
die Konsequenz gezogen: Wertdeklamation und Wertrealisierung fallen weit<br />
auseinander. Lasten werden vielfach nur anderen zugemutet, nicht sich selbst<br />
und der breiten Bevölkerung. Eine wachsende Staatsverschuldung zu Lasten<br />
nachkommender Generationen war in der Regel die einzige Lösungsperspektive.<br />
Übertriebene Ängstlichkeit und Katastrophenstimmungen, von den Medien zum<br />
Teil regelrecht kultiviert, führen eher zu lähmendem Pessimismus als zu optimistischem<br />
Lösungsengagement oder aber drängen zu radikalen Veränderungen<br />
gesellschaftlicher Ordnung, die keine Akzeptanz in der Bevölkerung finden, weil<br />
sie mit wichtigen gemeinsamen Werten nicht übereinstimmen.<br />
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