DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi

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27.11.2012 Aufrufe

nen, sondern nur gleiches rechtliches Dürfen. Es geht um gleiche Freiheitsrechte für jeden Bürger, in dem Sinne, daß es - rechtlich gesehen - keine Privilegien und keine Diskriminierungen gibt und dem Gebot der Fairneß auch entsprochen wird durch Verfahrensgerechtigkeit in der Rechtsfindung und im Rechtsvollzug. Umstritten im gesellschaftspolitischen Diskurs war in der Vergangenheit der Begriff der Verteilungsgerechtigkeit, häufig distributive Gerechtigkeit genannt. Bezog sich der Begriff ursprünglich, so bei Aristoteles, auf Tugendbelohnung und Anerkennung von Sittlichkeit und gutem Leben, später, in der Aufklärung, auf die staatliche Sicherung der Privatrechtsordnung, vor allem der Eigentumsordnung, geht es hier um ausgleichende Gerechtigkeit in Form stärkerer materieller Gleichheit, um eine gerechtere Verteilung von Gütern wie beispielsweise Einkommen und Vermögen. Gerechtigkeit gebietet hiernach ausgleichende Maßnahmen zugunsten jener, die sonst allzu sehr zurückbleiben. Der Begriff der distributiven Gerechtigkeit bezieht sich vor allem auch auf die Gewährung sozialer Sicherheit durch Absicherung grundlegender Risiken und auf die vielfältigen Solidarkomponenten in den einzelnen Systemen. Im Rahmen der austeilenden Gerechtigkeit wurde unter der Formel „Jedem das Seine“ die sog. Bedarfsgerechtigkeit herausgehoben. Hierunter wurde in ferner Vergangenheit eine Verteilung der Güter nach den jeweiligen Bedürfnissen verstanden, wobei es in der Regel an einem plausiblen Maßstab fehlte, um den Umfang und die Intensität der individuellen Bedürfnisse zu messen und interpersonell zu vergleichen. Deshalb behalfen sich die Vertreter der Bedarfsgerechtigkeit häufig mit der Fiktion, daß alle Menschen gleiche Bedürfnisse hätten und folglich ein gleich hoher Anteil der Menschen an den Gütern zu fordern wäre. Heute bezieht sich das Postulat der Bedarfsgerechtigkeit fast nur noch auf die Sicherung elementarer Grundbedürfnisse; jedem Gesellschaftsmitglied, unabhängig von seinem Beitrag zum wirtschaftlichen Wertschöpfungsprozeß, ist ein soziokultureller Mindeststandard zu gewähren. Bei beträchtlich gewachsenen Ungleichheiten in der Bundesrepublik Deutschland durch begrenzte reale Einkommenszuwächse der Lohnempfänger, hohe Arbeitslosigkeit und Reduktion der „Normalarbeitsverhältnisse“, Zunahme der Abgaben der Arbeitnehmer an die Sozialkassen, hohe Steuern der Beschäftigten, geringen Anteil der Lohnempfänger an Vermögen, Zinsen und Dividenden bleibt die Frage der Verteilungsgerechtigkeit auf der politischen Tagesordnung, fordert auf alle Fälle Konsequenzen in anderen Bereichen der sozialen Gerechtigkeit. Wächst mit der Wirtschaftsentwicklung die soziale Ungleichheit und kann die Politik das nicht ändern, dann müssen die Bürger - um dies zu akzeptieren - wenigstens das Gefühl haben, gerechte Chancen auf Aufstieg und den Erwerb von Wohlstand zu besitzen. Ob allerdings in einer relativ homogenen Nation wie der deutschen sich eine die USA kennzeichnende Hochschätzung der Aufstiegschancen gegenüber der Einkommensgleichheit durchsetzt, ist zu bezweifeln. Eine stärkere Zustimmung zu Phänomenen der Ungleichheit wird vor allem davon abhängen, inwieweit der Staat dem Gebot der Fairneß entspricht, z.B. durch Beseitigung ungerechter Steuerpraktiken, Abschaffung von Subventionen in traditionellen Industrien, durch Förderung des sozialen Engagements der öko- 428

nomischen Gewinner (Stiftungen!), durch Reduktion gigantischer Abfindungen für Topmanager, durch stärkere Besteuerung von Erbschaften. In der Debatte um die soziale Gerechtigkeit wird heute vor allem betont, daß diese nicht zuvorderst den sozialen Ausgleich zu beachten habe, sondern die Leistungsgerechtigkeit, also die Anerkennung der personalen Leistung. Gerechtigkeit verpflichte zwar die Starken zum Eintreten für die Schwachen, aber dies dürfe Leistungsanreize und Leistungsbereitschaft der Starken nicht gefährden. Es ist durchaus richtig: Die eigene Leistung gehört zur freien Entfaltung der Person und stellt einen wesentlichen Antrieb dar für persönliche Anstrengungen. Das Postulat der Leistungsgerechtigkeit zielt vor allem auf die sog. Tauschgerechtigkeit als Fairneß der Vertrags- und Austauschbedingungen zwischen einzelnen und sozialen Gruppen, also auf das „richtige“, „angemessene“ Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, was beispielsweise den gerechten Preis für Güter, die gerechte Entlohnung von Arbeitnehmern und die gerechte Zuordnung von Beiträgen und Sozialleistungen angeht. Leistung ist unabdingbar in einer Gesellschaft, die auf Selbstverantwortung setzt. Leistung sichert die materiellen Bedingungen der Freiheit. In der Konstruktion unserer Gesellschaft besteht heute vor allem die Gefahr überzogener Solidaritätsanforderungen, verteilungspolitische Ansprüche dürfen Staat und Wirtschaft nicht überfordern und den Wohlstand nicht untergraben. Es könnte sehr schnell bei vielen Bürgern der Argwohn erwachsen, im Spiel der Verteilungspolitik zu den übermäßig geschröpften Zahlmeistern zu gehören, was die Solidaritätspolitik gefährdet. Gerechtigkeit darf nicht mehr vorherrschend mehr Gleichheit im Sinne von mehr Verteilungs- und Ergebnisgleichheit bedeuten. Wer allzu sehr auf die Sphäre der Verteilung schaut und jene der Produktion des Wohlstandes außer acht läßt, läuft in die Irre. In Reformdiskussionen (z.B. zur Steuerpolitik) dürfen nicht Umverteilungsaspekte im Vordergrund stehen, schon allein deshalb, weil scheinbare Ungerechtigkeiten zu mehr Wohlstand und zum Abbau von Arbeitslosigkeit und damit zu mehr Gleichheit führen können. Nach der Theorie der Gerechtigkeit von Rawls sind soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten so zu gestalten, daß a) vernünftigerweise zu erwarten ist, daß sie zu jedermanns Vo rteil dienen und b) sie mit Positionen und Ämtern verbunden sind, die jedermann offen stehen. Im Rahmen der sozialen Gerechtigkeit ist heute insbesondere auf eine gerechte Verteilung von Lebenschancen und auf ähnliche Ausgangsbedingungen und gleichmäßigere materielle Chancen im Hinblick auf tatsächlich realisierbare Möglichkeiten abzustellen. Dazu gehört z.B. ein gerechterer Zugang zu Bildungseinrichtungen und Berufs- und Arbeitsplätzen durch den Ausgleich nachteiliger Vorbedingungen (z.B. Leistungen für Familien, für Bildungszwecke). Man spricht häufig von Startgerechtigkeit im Sinne der Schaffung von mehr Gleichheit der Startbedingungen, vor allem durch Gewährung gleicher Ausbildungschancen. Chancengerechtigkeit ist eine notwendige Ergänzung der Gleichheit vor dem Recht. Bundeskanzler Schröder postuliert: „Gerade weil aber die Herstellung und Bewahrung sozialer Gerechtigkeit in einem umfassenden Sinne oberstes Ziel sozialdemokratischer Politik ist und bleibt, können wir uns nicht mehr auf Verteilungsgerechtigkeit beschränken. Dies geht schon deshalb nicht, 429

nomischen Gewinner (Stiftungen!), durch Reduktion gigantischer Abfindungen<br />

für Topmanager, durch stärkere Besteuerung von Erbschaften.<br />

In der Debatte um die soziale Gerechtigkeit wird heute vor allem betont, daß<br />

diese nicht zuvorderst den sozialen Ausgleich zu beachten habe, sondern die<br />

Leistungsgerechtigkeit, also die Anerkennung der personalen Leistung. Gerechtigkeit<br />

verpflichte zwar die Starken zum Eintreten für die Schwachen, aber dies<br />

dürfe Leistungsanreize und Leistungsbereitschaft der Starken nicht gefährden. Es<br />

ist durchaus richtig: Die eigene Leistung gehört zur freien Entfaltung der Person<br />

und stellt einen wesentlichen Antrieb dar für persönliche Anstrengungen. Das<br />

Postulat der Leistungsgerechtigkeit zielt vor allem auf die sog. Tauschgerechtigkeit<br />

als Fairneß der Vertrags- und Austauschbedingungen zwischen einzelnen<br />

und sozialen Gruppen, also auf das „richtige“, „angemessene“ Verhältnis von<br />

Leistung und Gegenleistung, was beispielsweise den gerechten Preis für Güter,<br />

die gerechte Entlohnung von Arbeitnehmern und die gerechte Zuordnung von<br />

Beiträgen und Sozialleistungen angeht. Leistung ist unabdingbar in einer Gesellschaft,<br />

die auf Selbstverantwortung setzt. Leistung sichert die materiellen Bedingungen<br />

der Freiheit. In der Konstruktion unserer Gesellschaft besteht heute vor<br />

allem die Gefahr überzogener Solidaritätsanforderungen, verteilungspolitische<br />

Ansprüche dürfen Staat und Wirtschaft nicht überfordern und den Wohlstand<br />

nicht untergraben. Es könnte sehr schnell bei vielen Bürgern der Argwohn erwachsen,<br />

im Spiel der Verteilungspolitik zu den übermäßig geschröpften Zahlmeistern<br />

zu gehören, was die Solidaritätspolitik gefährdet.<br />

Gerechtigkeit darf nicht mehr vorherrschend mehr Gleichheit im Sinne von mehr<br />

Verteilungs- und Ergebnisgleichheit bedeuten. Wer allzu sehr auf die Sphäre der<br />

Verteilung schaut und jene der Produktion des Wohlstandes außer acht läßt, läuft<br />

in die Irre. In Reformdiskussionen (z.B. zur Steuerpolitik) dürfen nicht Umverteilungsaspekte<br />

im Vordergrund stehen, schon allein deshalb, weil scheinbare<br />

Ungerechtigkeiten zu mehr Wohlstand und zum Abbau von Arbeitslosigkeit und<br />

damit zu mehr Gleichheit führen können. Nach der Theorie der Gerechtigkeit<br />

von Rawls sind soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten so zu gestalten, daß<br />

a) vernünftigerweise zu erwarten ist, daß sie zu jedermanns Vo rteil dienen und b)<br />

sie mit Positionen und Ämtern verbunden sind, die jedermann offen stehen.<br />

Im Rahmen der sozialen Gerechtigkeit ist heute insbesondere auf eine gerechte<br />

Verteilung von Lebenschancen und auf ähnliche Ausgangsbedingungen und<br />

gleichmäßigere materielle Chancen im Hinblick auf tatsächlich realisierbare<br />

Möglichkeiten abzustellen. Dazu gehört z.B. ein gerechterer Zugang zu Bildungseinrichtungen<br />

und Berufs- und Arbeitsplätzen durch den Ausgleich nachteiliger<br />

Vorbedingungen (z.B. Leistungen für Familien, für Bildungszwecke).<br />

Man spricht häufig von Startgerechtigkeit im Sinne der Schaffung von mehr<br />

Gleichheit der Startbedingungen, vor allem durch Gewährung gleicher Ausbildungschancen.<br />

Chancengerechtigkeit ist eine notwendige Ergänzung der Gleichheit<br />

vor dem Recht. Bundeskanzler Schröder postuliert: „Gerade weil aber die<br />

Herstellung und Bewahrung sozialer Gerechtigkeit in einem umfassenden Sinne<br />

oberstes Ziel sozialdemokratischer Politik ist und bleibt, können wir uns nicht<br />

mehr auf Verteilungsgerechtigkeit beschränken. Dies geht schon deshalb nicht,<br />

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