DIE NEUE ORDNUNG - Tuomi

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27.11.2012 Aufrufe

Generationen zielt, will man das einmal ganz grundlegend beschreiben, auf die gesellschaftliche Zuordnung und wechselseitige Beziehung der Lebensphasen zueinander, speziell des sog. mittleren Lebensalters, das durch ausgeprägte Ve rpflichtungen wie Erwerbstätigkeit, Haushaltsführung, Ehe/Familie und Erziehung gekennzeichnet ist, zu dem mehr rezeptiven Lebensalter der heranwachsenden Kinder und Jugendlichen einerseits und zu den aus verschiedenen sozialen Zusammenhängen partiell ausgegliederten bzw. sich zurückziehenden älteren Menschen andererseits. Die Frage der Generationen, ihrer gesellschaftlichen Stellung, ihrer Rechte und Pflichten sowie ihres Zusammen- und Auseinanderlebens ist sicherlich ein zeitloses Problem. Allerdings gewinnt sie mit dem Rückgang der Geburtenzahlen und dem Altersstrukturwandel unserer Bevölkerung an Bedeutung, besonders für die Gestaltung des Sozialstaats. Hondrich/Arzberger schreiben ganz richtig: „Sozialstaatliche Probleme sind heute zum großen Teil Probleme der Solidarität zwischen den Generationen: Wie gewährleisten die aktiven mittleren und jüngeren Jahrgänge die materielle Absicherung, aber auch die persönliche Pflege und Zuwendung, deren die Älteren bedürfen? Und wie finanzieren sie, nach der anderen Richtung, die immer längeren Ausbildungszeiten der Kinder und statten sie mit der Stärke und Stabilität der Gefühle und Motive aus, aus denen Bildungs- und Leistungsfähigkeit, also Lebenstüchtigkeit erwächst? Die Probleme haben also eine materielle und eine persönliche Seite, und sie stellen sich in zwei Richtungen, wobei die jeweils mittleren Kohorten im Zentrum der Probleme stehen, weil die Solidaritätsanforderungen sich auf sie konzentrieren. Nicht nur in den zur Dramatisierung neigenden Massenmedien, sondern auch in wissenschaftlichen Abhandlungen verdichtet sich die These, finanzielle und persönliche Belastungen des intergenerationellen Ausgleichs überforderten die beruflichen aktiven Jahrgänge, so daß sie den Generationenvertrag aufkündigen würden.“ Das Wort „Generationengerechtigkeit“ zielt auf folgende Bedeutungsinhalte: Zusammengehörigkeit, Verbundenheit, Gemeinschaftsbewußtsein der Generationen. Das menschliche Zusammenleben bedarf der Eingrenzung von Individualismus und Einzel- und Gruppeninteressen durch Orientierungs- und Verhaltensprinzipien nach der Maßgabe wechselseitiger Rücksichtnahme. Stärke und Überlegenheit einzelner Menschen und Gruppen erfordern Solidarität als Gegenkraft, damit soziale Harmonie und Stabilität nicht gefährdet werden. Dabei kann sich Generationengerechtigkeit nicht in Einstellungen, also moralischen Überzeugungen und angemessenem Bewußtsein, erschöpfen. Sie verweist auch auf die Notwendigkeit von Anreizsystemen, um Verhalten in die gewünschte Richtung zu lenken, sowie von günstigen Rahmenbedingungen und vor allem auf die notwendige Institutionalisierung von Verhalten in Normen, Rollen und Ordnungsmaximen. Es geht also wesentlich auch um verbindliche Verhaltensregeln, die auf das Handeln orientierend, ordnend und lenkend einwirken und Menschen bereit machen, als soziale Wesen - in Rücksicht auf die anderen Mitglieder - zu handeln. Natürlich ist ein erwünschtes Handeln am ehesten dann zu erreichen, wenn verschiedene Methoden ineinander greifen. 426

Generationengerechtigkeit als Verhaltensprinzip kann in bezug auf ganz verschiedene Institutionen und Handlungsfelder realisiert werden. Zu nennen sind hier vor allem Familie, Erziehung, Wirtschaft, Arbeit, soziale Sicherung, Wohnen und natürliche Umwelt. Ebenso sind die sozialen Gebilde, in denen sich Solidarität unter Umständen entfaltet, recht mannigfaltig. Das Spektrum reicht von Kleingruppen wie Familien und Freundeskreisen über Organisationen wie Betriebe, Schulen, Universitäten und Verbände bis hin zu Staat und Gesellschaft. In Kleingruppen handelt es sich um ein Verhalten, das wesentlich auf Gefühlen wie Zuneigung, Liebe, Sympathie und Vertrauen beruht. Solche Verhaltenswiesen und Verhaltensmuster sind nur hier praktikabel und sinnvoll, aber nicht ohne weiteres übertragbar auf unpersönliche, unorganisierte, funktional-spezifische und stark von Leistung und Interessen bestimmte Zweckgebilde. Hier haben Egoismus, Durchsetzungs- und Machtwille sowie Streben nach Erfolg viel grössere Bedeutung, ja sie sind geradezu Voraussetzung für die Leistungsfähigkeit solcher Gruppen. Diese Verhaltensweisen bedürfen der Zügelung durch eine gesellschaftliche Ethik der Generationengerechtigkeit und der sozialen Verantwortung sowie vor allem einer Eingrenzung durch die Schaffung einer gerechten Ordnung von seiten der hierzu verpflichteten Instanzen legitimer Herrschaft. Generationengerechtigkeit zielt in der Regel auf verschiedene Dimensionen der Lebensführung und Ordnungsgestaltung. An Handlungsbereichen zu erwähnen sind die Verteilung von Gütern wie Einkommen, Konsum, freier Zeit, Aufstiegsmöglichkeiten, Statussymbolen, sozialer Sicherung; die Teilhabe an Willensbildungsprozessen und an der Ausübung und Kontrolle von Herrschaft; die Erziehung und sozio-kulturelle Eingliederung des Nachwuchses, aber auch die Aufgabenbestimmung für ältere Menschen und deren Betreuung und Pflege. Jede Gesellschaft steht vor den angesprochenen grundsätzlichen Problemen: Wie die Antworten im einzelnen konkret aussehen müssen, darüber gibt das Postulat der Generationengerechtigkeit keine präzise Auskunft. Generationengerechtigkeit beinhaltet ja kein Programm, sondern stellt eine Heuristik dar, um über Rechte und Pflichten nachzudenken und Ungerechtigkeiten zu vermeiden. Befriedigende Lösungen der Probleme tragen bei zur sozialen Identität in einem Gemeinwesen, d.h. zu einem positiven Gefühl der Zugehörigkeit, und zur Legitimität von Ordnung. II. Differenzierung sozialer Gerechtigkeit In einem Diskurs über Generationengerechtigkeit sind alle Deutungen der sozialen Gerechtigkeit einzubeziehen wie formale Gerechtigkeit, Verteilungsgerechtigkeit, Leistungs- und Chancengerechtigkeit, Teilhabegerechtigkeit. Die formale Gerechtigkeit soll allen am Gesellschafts- und Wirtschaftsprozeß Beteiligten gleiche Behandlung sichern. Sie fußt auf der Einsicht, daß die Menschen von Geburt aus gleich sind und grundsätzlich die gleichen Entfaltungsrechte haben sollen. Hierzu gehört vor allem der gleiche rechtliche Zugang zu jenen Faktoren, die den sozialen Status des einzelnen bestimmen wie Einkommen, Eigentum, Ausbildung etc. Formale Freiheit bedeutet nicht gleiches Kön- 427

Generationen zielt, will man das einmal ganz grundlegend beschreiben, auf die<br />

gesellschaftliche Zuordnung und wechselseitige Beziehung der Lebensphasen<br />

zueinander, speziell des sog. mittleren Lebensalters, das durch ausgeprägte Ve rpflichtungen<br />

wie Erwerbstätigkeit, Haushaltsführung, Ehe/Familie und Erziehung<br />

gekennzeichnet ist, zu dem mehr rezeptiven Lebensalter der heranwachsenden<br />

Kinder und Jugendlichen einerseits und zu den aus verschiedenen sozialen<br />

Zusammenhängen partiell ausgegliederten bzw. sich zurückziehenden älteren<br />

Menschen andererseits. Die Frage der Generationen, ihrer gesellschaftlichen<br />

Stellung, ihrer Rechte und Pflichten sowie ihres Zusammen- und Auseinanderlebens<br />

ist sicherlich ein zeitloses Problem. Allerdings gewinnt sie mit dem Rückgang<br />

der Geburtenzahlen und dem Altersstrukturwandel unserer Bevölkerung an<br />

Bedeutung, besonders für die Gestaltung des Sozialstaats.<br />

Hondrich/Arzberger schreiben ganz richtig: „Sozialstaatliche Probleme sind<br />

heute zum großen Teil Probleme der Solidarität zwischen den Generationen: Wie<br />

gewährleisten die aktiven mittleren und jüngeren Jahrgänge die materielle Absicherung,<br />

aber auch die persönliche Pflege und Zuwendung, deren die Älteren<br />

bedürfen? Und wie finanzieren sie, nach der anderen Richtung, die immer längeren<br />

Ausbildungszeiten der Kinder und statten sie mit der Stärke und Stabilität der<br />

Gefühle und Motive aus, aus denen Bildungs- und Leistungsfähigkeit, also Lebenstüchtigkeit<br />

erwächst? Die Probleme haben also eine materielle und eine<br />

persönliche Seite, und sie stellen sich in zwei Richtungen, wobei die jeweils<br />

mittleren Kohorten im Zentrum der Probleme stehen, weil die Solidaritätsanforderungen<br />

sich auf sie konzentrieren. Nicht nur in den zur Dramatisierung neigenden<br />

Massenmedien, sondern auch in wissenschaftlichen Abhandlungen verdichtet<br />

sich die These, finanzielle und persönliche Belastungen des intergenerationellen<br />

Ausgleichs überforderten die beruflichen aktiven Jahrgänge, so daß sie<br />

den Generationenvertrag aufkündigen würden.“<br />

Das Wort „Generationengerechtigkeit“ zielt auf folgende Bedeutungsinhalte:<br />

Zusammengehörigkeit, Verbundenheit, Gemeinschaftsbewußtsein der Generationen.<br />

Das menschliche Zusammenleben bedarf der Eingrenzung von Individualismus<br />

und Einzel- und Gruppeninteressen durch Orientierungs- und Verhaltensprinzipien<br />

nach der Maßgabe wechselseitiger Rücksichtnahme. Stärke und Überlegenheit<br />

einzelner Menschen und Gruppen erfordern Solidarität als Gegenkraft,<br />

damit soziale Harmonie und Stabilität nicht gefährdet werden. Dabei kann sich<br />

Generationengerechtigkeit nicht in Einstellungen, also moralischen Überzeugungen<br />

und angemessenem Bewußtsein, erschöpfen. Sie verweist auch auf die Notwendigkeit<br />

von Anreizsystemen, um Verhalten in die gewünschte Richtung zu<br />

lenken, sowie von günstigen Rahmenbedingungen und vor allem auf die notwendige<br />

Institutionalisierung von Verhalten in Normen, Rollen und Ordnungsmaximen.<br />

Es geht also wesentlich auch um verbindliche Verhaltensregeln, die<br />

auf das Handeln orientierend, ordnend und lenkend einwirken und Menschen<br />

bereit machen, als soziale Wesen - in Rücksicht auf die anderen Mitglieder - zu<br />

handeln. Natürlich ist ein erwünschtes Handeln am ehesten dann zu erreichen,<br />

wenn verschiedene Methoden ineinander greifen.<br />

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