EINBLICK, Heft 1/2010 - AGAPLESION BETHANIEN DIAKONIE
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Das psychobiografi sche<br />
Pfl egemodell nach Böhm<br />
Kreative Therapie: Malen wie als Kind.<br />
Über Alterserkrankungen wird zunehmend<br />
offen gesprochen und die<br />
Bereitschaft, die Verhaltensweisen<br />
von Menschen mit Demenz verstehen<br />
zu wollen, nimmt ebenfalls zu.<br />
Das psychobiografische Pflegemodell<br />
von Erwin Böhm bietet hierfür<br />
eine gute Möglichkeit. Dieses basiert<br />
auf der Annahme, dass Körper,<br />
Seele, Geist, soziales Umfeld und die<br />
persönliche Geschichte in einem permanenten<br />
Zusammenhang stehen.<br />
Böhm hat festgestellt, dass Menschen<br />
mit Demenz nicht mehr über<br />
die „Welt der Dinge“, also den<br />
kognitiven Anteil der Psyche, erreicht<br />
werden können, sondern der<br />
Zugang über die „Welt der Gefühle“<br />
erfolgen muss. Er unterscheidet<br />
sieben Interaktionsstufen, auf denen<br />
sich der alte Mensch befinden kann:<br />
Sozialisation (regionale Geschichtsprägung),<br />
Mutterwitz (sprechen, wie<br />
einem der Schnabel gewachsen ist),<br />
seelische soziale Grundbedürfnisse,<br />
Prägungen (als Kind erlernte Verhaltensnormen,<br />
Eigenarten, Rituale),<br />
Triebe, Intuition (Märchen, Aberglaube),<br />
Urkommunikation (Ebene<br />
des Säuglings). Für jede Stufe müssen<br />
eigene Zugangswege zum alten<br />
Menschen gefunden werden. Grundsätzlich<br />
gilt: „Vor den Beinen muss<br />
die Seele bewegt werden.“<br />
Böhms Pflegemodell hat gleichermaßen<br />
den Gepflegten und den<br />
Pflegenden im Blick. Ziele sind die<br />
Reaktivierung des Pflegebedürftigen<br />
und eine Erhöhung seines Selbstwertgefühls,<br />
eine Symptomlinderung<br />
ohne Einsatz von Psychopharmaka,<br />
eine Verbesserung der Pflegequalität<br />
durch „seelische Pflege“, eine Erhöhung<br />
der Arbeitszufriedenheit und<br />
eine Senkung der Krankenstände.<br />
Von Böhm stammt auch der Begriff<br />
des Normalitätsprinzips. Er geht davon<br />
aus, dass jeder Mensch – geprägt<br />
durch seine Sozialisation, Kultur<br />
und Erfahrungen – eine persönliche<br />
Lebensform entwickelt, aus der sich<br />
sein Bild von einem normalen Verhalten<br />
und Handeln ergibt: wie und<br />
was man isst; wie man mit anderen<br />
in Beziehung tritt; womit man sich<br />
beschäftigt; worin man den Sinn des<br />
Lebens sieht; wie man sich kleidet.<br />
Ein Mensch mit Demenz greift auf<br />
Normen und Handlungsweisen aus<br />
seinen früheren Lebenszeiten zurück.<br />
Deshalb ist die Biografiearbeit<br />
in der Pflege von Menschen mit<br />
Demenz von zentraler Bedeutung.<br />
Titelthema<br />
Was ist Demenz?<br />
Eine Demenz ist ein Defizit in kognitiven,<br />
emotionalen und sozialen<br />
Fähigkeiten, das zu einer Beeinträchtigung<br />
sozialer und beruflicher<br />
Funktionen führt und meist mit<br />
einer diagnostizierbaren Erkrankung<br />
des Gehirns einhergeht. Vor allem<br />
sind das Kurzzeitgedächtnis, das<br />
Denkvermögen, die Sprache und<br />
die Motorik, bei einigen Formen<br />
auch die Persönlichkeitsstruktur<br />
betroffen. Maßgeblich ist der Verlust<br />
bereits erworbener Fähigkeiten.<br />
Heute sind verschiedene Ursachen<br />
von Demenz geklärt; einige Formen<br />
können in gewissem Umfang behandelt<br />
werden, d. h. die Symptome<br />
können im Anfangsstadium verzögert<br />
werden. Die am häufigsten auftretende<br />
Form der Demenz ist die<br />
Alzheimer-Krankheit. Eine Demenz<br />
kann auf ganz verschiedenen Ursachen<br />
beruhen, für die Therapie ist<br />
die Klärung dieser Unterscheidungsmerkmale<br />
wichtig.<br />
Stricken verlernt man nicht so schnell.<br />
01/<strong>2010</strong> <strong>EINBLICK</strong> <strong>BETHANIEN</strong> <strong>DIAKONIE</strong> | 3