27.11.2012 Aufrufe

Humor in der Pflege und Alltagsgestaltung mit Menschen im ...

Humor in der Pflege und Alltagsgestaltung mit Menschen im ...

Humor in der Pflege und Alltagsgestaltung mit Menschen im ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

mor mögliche Kommunikation bemerkte ich, dass wir als Personal häufiger bei Silvia kurz<br />

<strong>in</strong>nehalten als bei an<strong>der</strong>en Bewohnern. E<strong>in</strong>e kurze Geschichte wird erzählt, sie lächelt, <strong>und</strong><br />

weiter geht’s. Sie bewegt etwas be<strong>im</strong> Personal <strong>und</strong> durch diese kle<strong>in</strong>en Abwechslungen wird<br />

ihr Alltag viel <strong>in</strong>teressanter.<br />

Aber Vorsicht, denn nicht jede Art von <strong>Humor</strong> spricht Silvia an. Re<strong>in</strong>es Witze erzählen o<strong>der</strong><br />

visueller <strong>Humor</strong> lassen sie völlig kalt. Es muss schon e<strong>in</strong>e Geschichte se<strong>in</strong>, <strong>mit</strong> viel Slapstick:<br />

„Paff, Puff, Peng!“ o<strong>der</strong> <strong>mit</strong> deftigen Wörtern o<strong>der</strong> Beschreibungen (manches möchte ich hier<br />

nicht wie<strong>der</strong>holen). Doch auch <strong>im</strong>mer die gleiche Geschichte ist langweilig, so ist das Personal<br />

verpflichtet, kreativ zu se<strong>in</strong>. Sie liebt es, wenn sie merkt, dass an<strong>der</strong>e auch Wehwehchen<br />

haben: Ich stosse gegen das W<strong>in</strong>dspiel, es kl<strong>in</strong>gelt <strong>und</strong> ich sage „Aua, me<strong>in</strong> Kopf“ <strong>und</strong> schon<br />

lacht sie über me<strong>in</strong>en Ausrutscher. Wichtig ist dabei aber <strong>im</strong>mer die möglichst prägnante<br />

Verbalisierung <strong>der</strong> Handlung. E<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Schlüsselerlebnisse bei me<strong>in</strong>er Arbeit verdanke ich<br />

ihr. Sie hörte gerade Radio <strong>und</strong> es lief e<strong>in</strong> Beitrag, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong> länger zurückliegen<strong>der</strong> Unfall<br />

von Michael Schumacher thematisiert wurde. Sie wie<strong>der</strong>holten den Orig<strong>in</strong>alkommentar: „...<br />

<strong>und</strong> Michael Schumacher fuhr <strong>mit</strong> 250 km/h <strong>in</strong> den Reifenstapel <strong>und</strong> brach sich das Be<strong>in</strong> ...“<br />

Silvia lachte bis über beide Ohren, hielt das vielleicht für e<strong>in</strong>e Slapsticke<strong>in</strong>lage, aber wir<br />

wissen jetzt: Sie hört Radio <strong>und</strong> versteht!<br />

In me<strong>in</strong>em Bereich hat sich <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong> sehr humorvoller Umgangston entwickelt, den<br />

auch wir <strong>Pflege</strong>nde geniessen <strong>und</strong> wir machen erstaunliche Entdeckungen. Die anfängliche<br />

Angst, da<strong>mit</strong> Schaden anzurichten, hat sich nicht bestätigt. Misserfolge s<strong>in</strong>d eher, wenn er<br />

nicht wie erwartet wirkt o<strong>der</strong> gänzlich wirkungslos verpufft. Die Erfahrung ist, wenn <strong>Humor</strong><br />

<strong>und</strong> Fröhlichkeit gesucht werden, setzen sie unglaubliche Kräfte <strong>in</strong> allen Beteiligten frei:<br />

<strong>Alltagsgestaltung</strong> bekommt kreative, fantasievolle, emotionale <strong>und</strong> <strong>in</strong>teraktive Höhepunkte.<br />

Dennoch ist es ist nicht die hohe Kunst, es ist die Banalität des Augenblicks, <strong>der</strong> verzaubert<br />

wird. Dieser ist zwar oft unbedeutend <strong>im</strong> grossen Zusammenhang, aber er kann <strong>der</strong> gewollten<br />

Normalität ihre Langeweile nehmen. Und um es zu betonen, <strong>Humor</strong> ist ke<strong>in</strong> Dauerlustigse<strong>in</strong>,<br />

es ist e<strong>in</strong>e Lebense<strong>in</strong>stellung!<br />

Deshalb möchte ich mich jetzt <strong>mit</strong> diesem Thema ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen, um ihn noch gezielter<br />

e<strong>in</strong>setzen zu können. Dabei vergleiche ich die Dosierung <strong>im</strong>mer <strong>mit</strong> dem Kochrezept für e<strong>in</strong>e<br />

Suppe: Zuwendung sollte Hauptbestandteil se<strong>in</strong>, vergleichbar <strong>mit</strong> dem Wasser das alles trägt.<br />

Die pflegerischen, therapeutischen <strong>und</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Elemente s<strong>in</strong>d die festen E<strong>in</strong>lagen,<br />

nahrhaft, vitam<strong>in</strong>reich <strong>und</strong> je nach Rezept dosiert. <strong>Humor</strong> <strong>und</strong> ähnliche zwischenmenschliche<br />

Phänomene s<strong>in</strong>d das Salz <strong>und</strong> die Gewürze, die alles zusammen erst schmackhaft machen <strong>und</strong><br />

nach mehr rufen lassen. So sollte die <strong>Alltagsgestaltung</strong> bei <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> Wachkoma von<br />

grösstmöglicher Zuwendung <strong>und</strong> professioneller <strong>Pflege</strong> <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Prise <strong>Humor</strong><br />

geprägt se<strong>in</strong>. Me<strong>in</strong>e Erfahrung ist allerd<strong>in</strong>gs: Diese Prise verleiht dem Ganzen erst Leben!<br />

6<br />

<strong>Humor</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> <strong>und</strong> <strong>Alltagsgestaltung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> Wachkoma, Facharbeit Kurs WK 07 Essen, Christ<strong>in</strong>a Elser

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!