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Humor in der Pflege und Alltagsgestaltung mit Menschen im ...

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Als ich dies las, kam mir sofort e<strong>in</strong> Bewohner <strong>in</strong> den S<strong>in</strong>n, <strong>der</strong> ebenfalls <strong>in</strong> jungen Jahren e<strong>in</strong>en<br />

Verkehrsunfall <strong>mit</strong> schweren Hirnverletzungen erlitt. Kolleg<strong>in</strong>nen berichteten mir, dass<br />

e<strong>in</strong>es Tages e<strong>in</strong> guter Fre<strong>und</strong> aus se<strong>in</strong>er Clique zu Besuch kam <strong>und</strong> ihn <strong>mit</strong> den Worten „Hi<br />

St<strong>in</strong>ker, wie geht’s?“ begrüsste. Sofort verzog sich <strong>der</strong> M<strong>und</strong> zu e<strong>in</strong>em breiten Gr<strong>in</strong>sen, die<br />

Atmung beschleunigte wie bei e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>neren Lachen <strong>und</strong> h<strong>in</strong>terher sei er entspannter als je<br />

zuvor gewesen. Als ich e<strong>in</strong>mal, obwohl ich nicht oft <strong>mit</strong> ihm zu tun hatte, zu ihm kam, konnte<br />

ich nicht umh<strong>in</strong>, ihm <strong>mit</strong> fre<strong>und</strong>lichem Lächeln <strong>in</strong> die Augen zu schauen <strong>und</strong> den magischen<br />

Satz zu sagen. Wie durch e<strong>in</strong>en Zauberspruch wie<strong>der</strong>holte sich die oben genannte Situation<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e vertrauensvolle <strong>und</strong> entspannte Situation entstand.<br />

4.4.2. Integration för<strong>der</strong>n<br />

Rob<strong>in</strong>son (1999, 50) schil<strong>der</strong>t den Fall <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sozialpsychiatrischen Behandlungszentrum.<br />

Um die <strong>Alltagsgestaltung</strong> zu erleichtern, sollte das Personal statt Uniform gewöhnliche Strassenkleidung<br />

tragen. Die Anstaltsleitung bestand allerd<strong>in</strong>gs weiterh<strong>in</strong> auf dem Tragen von<br />

Namensschil<strong>der</strong>n <strong>mit</strong> Titel <strong>und</strong> Berufsbezeichnung. Heisse Diskussionen wurden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Belegschaft<br />

geführt, bis e<strong>in</strong>e Patient<strong>in</strong> <strong>mit</strong> dem Schild: „Mary S<strong>mit</strong>h, Patient<strong>in</strong>“ erschien.<br />

Daraufh<strong>in</strong> wurden die Namensschil<strong>der</strong> sofort abgeschafft. Die Patient<strong>in</strong> konnte <strong>mit</strong> <strong>Humor</strong><br />

auf die sozialen Strukturen e<strong>in</strong>wirken.<br />

E<strong>in</strong>e Bewohner<strong>in</strong> me<strong>in</strong>es Wohnbereiches ist <strong>in</strong> Westafrika geboren. Seit gut zehn Jahren lebt<br />

sie <strong>in</strong> Deutschland. Durch falschen Umgang <strong>mit</strong> Medikamenten ist sie <strong>im</strong> Wachkoma. Wenn<br />

sie <strong>im</strong> Rollstuhl mobilisiert ist, fährt sie oft <strong>in</strong> die äusserste Ecke des Tagesraumes. Es sche<strong>in</strong>t,<br />

als ob sie Angst hat vor den an<strong>der</strong>en, <strong>mit</strong> denen sie jetzt zusammenleben muss. <strong>Humor</strong> ist bei<br />

ihr nur schwer anzuwenden, da durch den kulturellen H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> schnell Missverständnisse<br />

entstehen können. Mit Lächeln, Loben, fre<strong>und</strong>lichem Zureden <strong>und</strong> clownesken E<strong>in</strong>lagen kann<br />

man aber auch von ihr e<strong>in</strong> sympathisches Lächeln bekommen. Beson<strong>der</strong>s Tanze<strong>in</strong>lagen des<br />

<strong>Pflege</strong>personals werden <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Lachen quittiert. Ihre Zurückhaltung <strong>in</strong> ihrer<br />

Umgebung konnte so gemil<strong>der</strong>t, allerd<strong>in</strong>gs noch nicht gänzlich abgebaut werden. E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er<br />

Bewohner, <strong>der</strong> kaum spricht <strong>und</strong> fast nie lacht o<strong>der</strong> lächelt, sah abends den Film „Verrückt<br />

nach Mary“. Als die Nachtwache here<strong>in</strong>kam sah sie zufällig e<strong>in</strong>e komische Szene <strong>und</strong> musste<br />

heftig loslachen. Der Bewohner drehte verwun<strong>der</strong>t den Kopf zu ihr <strong>und</strong> f<strong>in</strong>g an zu lächeln.<br />

Darauf fragte die Nachtwache: „F<strong>in</strong>dest Du das auch lustig?“ Der Bewohner antwortete <strong>mit</strong>:<br />

“Dich“. Auf die Nachfrage: „F<strong>in</strong>dest Du mich lustig?“ antwortete er nach kurzem<br />

Nachdenken <strong>mit</strong> „Ja“.<br />

Aufgr<strong>und</strong> dementieller Syndrome <strong>und</strong> <strong>der</strong> Unmöglichkeit, das häusliche Alltagsmanagement<br />

aufrechtzuerhalten, wurde Frau Huber (65) <strong>in</strong> e<strong>in</strong> <strong>Pflege</strong>he<strong>im</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dorf am Zürichsee<br />

e<strong>in</strong>gewiesen. Schon bald fand sie sich am neuen Ort zurecht. Ihre kognitiven Fähigkeiten<br />

blieben stabil, nicht aber ihre körperliche Fitness, denn letztere verbesserte sich dank<br />

regelmässiger Mahlzeiten <strong>und</strong> genügend Flüssigkeitszufuhr. E<strong>in</strong>es Tages, <strong>mit</strong>ten <strong>im</strong> Sommer,<br />

verspürte sie Lust, e<strong>in</strong>e Reise zu unternehmen. Zusammen <strong>mit</strong> drei weiteren BewohnerInnen,<br />

die noch über kognitiv m<strong>in</strong><strong>im</strong>al bessere Ressourcen verfügten, erfragten sie sich den Weg<br />

zum Bahnhof. Auf <strong>der</strong> Fahrt Richtung Zürich sahen sie vom Zugfenster aus, dass e<strong>in</strong> grosses<br />

Fest <strong>mit</strong> lauter Musik <strong>und</strong> Hun<strong>der</strong>ten von bunt geschmückten, jungen <strong>und</strong> tanzenden<br />

<strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> Gange war. Neugierig stiegen sie aus <strong>und</strong> erfreuten sich über diesen sommerlichen<br />

Karneval <strong>und</strong> die friedliche St<strong>im</strong>mung. Und endlich gab es mal Musik, die auch sie<br />

richtig gut hören konnten. Sie ahnten nicht, dass sie <strong>mit</strong>ten <strong>in</strong> die tobende Streetparade<br />

geraten waren. Nach e<strong>in</strong>igen St<strong>und</strong>en, <strong>in</strong> denen sie e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zwar verloren hatten, aber sich<br />

dennoch herrlich amüsierten, wurden sie von <strong>der</strong> Polizei gef<strong>und</strong>en – sie waren aufgr<strong>und</strong> ihres<br />

überdurchschnittlichen Alters unschwer zu erkennen – <strong>und</strong> <strong>in</strong>s Dorf am See zurückgebracht.<br />

Vom <strong>Pflege</strong>personal wurden sie erleichtert <strong>und</strong> zugleich erheitert über den "F<strong>und</strong>ort" <strong>der</strong> BewohnerInnen<br />

<strong>in</strong> Empfang genommen. Die <strong>Pflege</strong>kräfte – zunächst über das Weglaufen erschrocken<br />

– konnten dennoch die heitere Seite dieses Ereignisses wahrnehmen. Zudem erleb-<br />

31<br />

<strong>Humor</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> <strong>und</strong> <strong>Alltagsgestaltung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> Wachkoma, Facharbeit Kurs WK 07 Essen, Christ<strong>in</strong>a Elser

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