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Humor in der Pflege und Alltagsgestaltung mit Menschen im ...

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4. Interaktiver <strong>Humor</strong> <strong>und</strong> Identitätsbildung<br />

„E<strong>in</strong> Lächeln ist die kürzeste Verb<strong>in</strong>dung zwischen zwei <strong>Menschen</strong>.“ (Victor Borge)<br />

4.1. Lachen <strong>in</strong> Gesellschaft<br />

Vor ungefähr dreissig Jahren begannen amerikanische Fernsehsen<strong>der</strong> <strong>in</strong> ihren Sitcoms Po<strong>in</strong>ten<br />

<strong>mit</strong> Gelächter zu unterlegen, da<strong>mit</strong> die durch e<strong>in</strong>geblendete Werbung <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Ablenkungen<br />

unkonzentrierten Zuschauer auf das Geschehen zurück geführt würden. Dieses unterlegte<br />

Gelächter wurde e<strong>in</strong> Renner <strong>und</strong> wird <strong>in</strong>zwischen weltweit praktiziert. Aber aus e<strong>in</strong>em<br />

an<strong>der</strong>en Gr<strong>und</strong> als geplant, wie Soziologen herausgef<strong>und</strong>en haben: <strong>Menschen</strong> lachen gerne <strong>in</strong><br />

Gesellschaft! Nicht nur <strong>der</strong> St<strong>im</strong>ulus ist entscheidend, son<strong>der</strong>n auch <strong>mit</strong> wem, über wen <strong>und</strong><br />

ob wir <strong>mit</strong> an<strong>der</strong>en über uns selbst lachen können (s.u.). Für unseren Umgang <strong>mit</strong> <strong>Menschen</strong><br />

<strong>im</strong> Wachkoma bedeutet dies, dass es nicht ausreicht e<strong>in</strong>e lustige CD o<strong>der</strong> DVD anzumachen<br />

<strong>und</strong> dann wegzugehen o<strong>der</strong> bestenfalls gelangweilt daneben zu sitzen: „Kenn ich schon,<br />

gähn!“ E<strong>in</strong>sames Lachen kann E<strong>in</strong>samkeit bewusst machen <strong>und</strong> dadurch verstärken. Erst das<br />

geme<strong>in</strong>same Lachen entspannt wirklich, schafft Nähe <strong>und</strong> Geborgenheit. Lachen an<strong>im</strong>iert <strong>und</strong><br />

<strong>in</strong>tegriert, es ist hochgradig ansteckend. Bischofberger erwähnt e<strong>in</strong>en Vergleich von Du Pré,<br />

Krankenhäuser hätten deshalb die gleiche Angst vor <strong>Humor</strong> wie vor Krankheitserregern:<br />

>Beides ist <strong>im</strong> Spital überall <strong>und</strong> <strong>im</strong>mer da. Manchmal macht sich beides bemerkbar,<br />

manchmal schlummert beides vor sich h<strong>in</strong>. An e<strong>in</strong>e Ausrottung ist we<strong>der</strong> bei Krankheitserregern<br />

noch bei <strong>Humor</strong> zu denken.< (Bischofberger, 2002, 30)<br />

<strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> Wachkoma, die Ihre Identität neu wahrnehmen lernen o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> herstellen<br />

<strong>und</strong> sich <strong>in</strong> Strukturen <strong>in</strong>tegrieren müssen, können geme<strong>in</strong>sames Lachen als e<strong>in</strong>e Möglichkeit<br />

dazu nutzen. Das Salutogenese-Konzept von Antonovsky ist e<strong>in</strong> wichtiges Gr<strong>und</strong>lagenmodell<br />

bei dieser Identitätsbildung.<br />

4.2. Salutogenese <strong>und</strong> Kohärenzgefühl<br />

>“Salutogenese“ – <strong>mit</strong> diesem Neologismus brachte Aaron Antonovsky das Unbehagen gegenüber<br />

<strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong> als Reparaturbetrieb <strong>und</strong> gegenüber dem pathologischen Blick auf den<br />

Punkt. Nicht die Frage nach den krank machenden Faktoren solle <strong>im</strong> Zentrum des Interesses<br />

stehen, son<strong>der</strong>n jene nach den Ressourcen <strong>und</strong> Potenzialen.< (Kolip et al. 2006, 11)<br />

Antonovski sieht den <strong>Menschen</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kont<strong>in</strong>uum zwischen den Polen Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />

Krankse<strong>in</strong>. Dabei reiche es nicht aus, krankmachendes e<strong>in</strong>fach nur fern zu halten o<strong>der</strong> zu entfernen,<br />

son<strong>der</strong>n die ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>nden Elemente müssten gestärkt werden. Dieses Konzept<br />

bildete e<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> Ottawa-Charta (1986) <strong>der</strong> WHO für e<strong>in</strong> neues Leitbild <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heitspolitik. E<strong>in</strong> wichtiges Element ist <strong>der</strong> „Sense of Coherence“: >Das Kohärenzgefühl<br />

beschreibt <strong>in</strong> dieser Perspektive die Fähigkeit, angesichts vielfältiger Optionen e<strong>in</strong><br />

Gefühl von Verstehbarkeit (<strong>in</strong> den D<strong>im</strong>ensionen <strong>der</strong> Reflexivität von Identität <strong>und</strong><br />

gesellschaftlichem Umfeld) von S<strong>in</strong>nhaftigkeit (<strong>in</strong> <strong>der</strong> Überw<strong>in</strong>dung von „existentieller<br />

Angst“ <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bildung „ontologischer Sicherheit“) <strong>und</strong> <strong>der</strong> Handhabbarkeit (<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bildung<br />

des Selbst) zu entwickeln.< (Kolip et al. 2006, 14)<br />

>Auch wenn e<strong>in</strong>e signifikante Verän<strong>der</strong>ung des Kohärenzgefühls <strong>im</strong> Erwachsenenalter generell<br />

als nicht mehr möglich postuliert wird (Antonovsky, 1997), weil es sich um e<strong>in</strong>e tief verwurzelte<br />

dispositionale E<strong>in</strong>stellung handelt, wird davon ausgegangen, dass es Erschütterungen<br />

des Kohärenzgefühls <strong>in</strong> Krisensituationen gibt, die <strong>mit</strong> entsprechenden Interventionen<br />

schneller wie<strong>der</strong> stabilisiert werden können. ... Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass<br />

auch kle<strong>in</strong>e situationsbezogene Verän<strong>der</strong>ungen des Kohärenzgefühls das Leiden von Patient-<br />

Innen <strong>und</strong> ihren Angehörigen erheblich reduzieren können. Alle Möglichkeiten zur Bee<strong>in</strong>flus-<br />

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<strong>Humor</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> <strong>und</strong> <strong>Alltagsgestaltung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> Wachkoma, Facharbeit Kurs WK 07 Essen, Christ<strong>in</strong>a Elser

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