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Humor in der Pflege und Alltagsgestaltung mit Menschen im ...

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2.5. <strong>Humor</strong>volle St<strong>im</strong>ulation<br />

Der Gelotologe Fry beschrieb 1977 e<strong>in</strong> dreiphasiges Modell (Abb. 4), das bei Siegel (2005,<br />

20) folgen<strong>der</strong>massen zusammengefasst wird (vgl. Rob<strong>in</strong>son, 1999, 5):<br />

Abb. 4: <strong>Humor</strong>volle St<strong>im</strong>ulation<br />

1. St<strong>im</strong>ulus<br />

<strong>Humor</strong>volle Situation, Witz, etc.<br />

2. Emotionale Reaktion<br />

Erheiterung, Belustigung, Freude etc.<br />

3. Begleitverhalten<br />

Lachen, Lächeln, Kichern etc.<br />

Es ist überaus wichtig, den St<strong>im</strong>ulus an die Fähigkeiten des <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> Wachkoma anzupassen.<br />

Die o.g. Remissionsphasen bieten Anhaltspunkte für die Ressourcen <strong>und</strong> Möglichkeiten.<br />

Schon <strong>in</strong> frühen Phasen (I+II) sollte Lächeln als „adäquate emotionale Antwort“ geför<strong>der</strong>t<br />

werden. Bei weiterem Erwachen (III-IV) können kognitive St<strong>im</strong>ulanzien wie Scherze <strong>und</strong><br />

Neckereien h<strong>in</strong>zugenommen werden, um „Lächeln o<strong>der</strong> Lachen“ zu erreichen. Erwacht e<strong>in</strong><br />

Bewohner vollständig (Phase V) wird er vermutlich selber aktiv. Es ist schon vorgekommen,<br />

dass dann Überlegenheitshumor gegenüber an<strong>der</strong>en Bewohnern geäussert wird, um die eigene<br />

Verbesserung hervorzuheben. Es könnte auch Galgen- <strong>und</strong> schwarzer <strong>Humor</strong> von ihm ausgehen.<br />

Dies muss als Bewältigungsstrategie ernst genommen werden, <strong>und</strong> nicht als kurzfristige<br />

Verwirrtheit o<strong>der</strong> Charakterschwäche abgetan werden. Die St<strong>im</strong>ulation von Lächeln als emotionale<br />

Antwort erfolgt meistens durch auditive, visuelle o<strong>der</strong> olfaktorische Reize:<br />

>Bienste<strong>in</strong> <strong>und</strong> Fröhlich berichten von e<strong>in</strong>em schwerkranken, nicht ansprechbaren Patienten,<br />

<strong>der</strong> auf äussere Reize nicht zu reagieren schien. Se<strong>in</strong> Hobby vor dem Ereignis war se<strong>in</strong> Auto,<br />

<strong>in</strong> je<strong>der</strong> freien M<strong>in</strong>ute schraubte er an diesem herum. Die Angehörigen brachten also e<strong>in</strong>en<br />

Werkstattlappen <strong>mit</strong>, <strong>der</strong> den Geruch von Benz<strong>in</strong> <strong>und</strong> Öl verströmte. Diesen Lappen wedelten<br />

die Angehörigen vor <strong>der</strong> Nase des Patienten h<strong>in</strong> <strong>und</strong> her, worauf dieser <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er verän<strong>der</strong>ten<br />

Atmung reagierte (wie sonst?). Die Angehörigen nahmen das Anlassen des Autos auf e<strong>in</strong>e<br />

Kassette auf <strong>und</strong> spielten dieses Geräusch dem Patienten vor. Er öffnete die Augen denn dieses<br />

Geräusch – es war e<strong>in</strong> Dieselmotor – hatte e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Bedeutung für ihn. Auf an<strong>der</strong>e<br />

Geräusche reagierte er nicht (Bienste<strong>in</strong>, Fröhlich, 1997). So haben wir wie<strong>der</strong>holt erfahren,<br />

dass manches Angebot aus <strong>der</strong> Geschichte e<strong>in</strong>es <strong>Menschen</strong> ihn sche<strong>in</strong>bar auch <strong>im</strong> Wachkoma<br />

erreichen kann, z.B. vorgespielte K<strong>in</strong><strong>der</strong>st<strong>im</strong>men, <strong>der</strong> Geschmack von geräuchertem Aal, das<br />

Bild <strong>der</strong> Ehefrau, <strong>der</strong> Duft des eigenen Parfüms, e<strong>in</strong> Liebl<strong>in</strong>gslied. ... Die St<strong>im</strong>ulation <strong>mit</strong> biografischen<br />

Angeboten lässt sich <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Suche nach dem richtigen Türschlüssel vergleichen.<br />

Man hofft ständig, endlich den richtigen gef<strong>und</strong>en zu haben <strong>und</strong> versucht e<strong>in</strong>en nach dem an<strong>der</strong>en,<br />

bis sich die Tür zum Bewusstse<strong>in</strong> des an<strong>der</strong>en endlich öffnet.< (Nydahl, 2005, 17)<br />

Ist das <strong>Humor</strong>? E<strong>in</strong>deutig ja, denn <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em oelgetränkten Tuch vor e<strong>in</strong>em <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong><br />

Wachkoma „herumzuwedeln“, erfor<strong>der</strong>t Mut <strong>und</strong> Kreativität. Mut, um über sich selber lachen<br />

zu können, <strong>und</strong> Kreativität, um die Brücke zum Gegenüber zu f<strong>in</strong>den. Bei Erfolg sollte <strong>der</strong><br />

St<strong>im</strong>ulus <strong>in</strong> die <strong>Pflege</strong>planung e<strong>in</strong>geführt werden (s. Kap.6). >Biografische Informationen<br />

können hierbei hilfreich se<strong>in</strong>, um e<strong>in</strong>e Ausgangssituation zu erfassen, beispielsweise wenn <strong>der</strong><br />

Patient best<strong>im</strong>mte Floskeln wie „Hey, Alter!“ benutzt hat. Solche <strong>in</strong>dividuellen Eigenarten<br />

können <strong>in</strong> die <strong>Pflege</strong> <strong>und</strong> Therapie <strong>in</strong>tegriert werden, da<strong>mit</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne „sich eben auch geme<strong>in</strong>t<br />

fühlt“. Wer <strong>im</strong>mer nur sachlich angesprochen wird, kann sich irgendwann wie e<strong>in</strong>e „Sache“<br />

fühlen.< (Nydahl, 2005, 19)<br />

20<br />

<strong>Humor</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> <strong>und</strong> <strong>Alltagsgestaltung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> Wachkoma, Facharbeit Kurs WK 07 Essen, Christ<strong>in</strong>a Elser

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