Analyse Juni¥
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Corporate Publishing<br />
Ungeliebte Wettbewerbe<br />
Die Anforderungen waren klar, die<br />
Quittung kam prompt und mit ebensolcher<br />
Deutlichkeit. Ein weltweit<br />
tätiges Unternehmen hatte sein Kundenmagazin<br />
neu ausgeschrieben. Der<br />
neue Dienstleister sollte nicht allein<br />
Inhalt und Optik liefern, er sollte<br />
auch mehr Anzeigen verkaufen als der<br />
Etat-Inhaber. So viele nämlich, dass er<br />
sein Honorar gleich selbst verdient.<br />
Am Briefing gab es nichts zu mäkeln.<br />
Es war ebenso klar, wie die Marke des<br />
Auftraggebers faszinierend. Kaum ein<br />
Dienstleister würde sie nicht mit Stolz<br />
in seiner Referenzliste führen. Und<br />
dennoch: Vier der fünf angeschriebenen<br />
Dienstleister haben die Einladung<br />
zum Pitch nicht angenommen.<br />
Der Wettbewerb wurde abgesagt.<br />
Ein Beispiel, wie es im Corporate<br />
Publishing bald Schule machen<br />
könnte. Denn Wettbewerbspräsentationen<br />
werden bei den Dienstleistern<br />
immer unbeliebter. „Heute sind Pitches<br />
oft unbezahlt, es werden zu viele<br />
Unternehmen eingeladen und jede<br />
Menge guter Ideen abgekupfert“, ärgert<br />
sich nicht nur Holger Löwe,<br />
kaufmännischer Geschäftsführer der<br />
Düsseldorfer Corps Corporate Media.<br />
Der Stimmungsumschwung begann<br />
mit einem groß angelegten Präsentations-Marathon<br />
um das Kundenmagazin<br />
eines Autoherstellers im<br />
Frühjahr vergangenen Jahres. Die<br />
Hautevolee der deutschsprachigen<br />
und internationalen CP-Branche gab<br />
sich die Klinke zum Präsentationsraum<br />
in die Hand. Den Zuschlag be-<br />
CP <strong>Analyse</strong> Services<br />
AUS DER SZENE<br />
„Stellen Sie sich vor, es ist Präsentation, und keiner geht hin.“ Die Abwandlung eines<br />
Sponti-Spruchs aus den 70er Jahren wird im Corporate Publishing Wirklichkeit:<br />
Wettbewerbspräsentationen stehen für viele Dienstleister in keinem erträglichen<br />
Kosten-Nutzen-Verhältnis mehr. Neue Wege der Dienstleistersuche sind im Gespräch.<br />
kam dann zum Frust aller Beteiligten<br />
eine bis dahin völlig unbekannte<br />
Zweimann-Agentur. „Es ist die Unsitte<br />
eingeschlichen“, beobachtet etwa<br />
Hans J. Moers, Geschäftsführer von<br />
Muelhaus und Moers in Köln, „kostengünstig<br />
Ideen und Konzepte abzusaugen,<br />
die dann hausintern oder<br />
mit Low-Budget-Anbietern umgesetzt<br />
werden.“ Martina Keller von der<br />
Darmstädter Profilwerkstatt: „Wer<br />
lässt sich denn erst viermal kostenlos<br />
die Haare schneiden, bevor er sich für<br />
einen Friseur entscheidet?“ Keller<br />
stellt den Sinn von Pitches infrage, da<br />
sie lediglich Momentaufnahmen des<br />
Könnens einer – manchmal nur für<br />
diesen Anlass zugekauften – Art- und<br />
Textdirektion seien.<br />
Gerade weil aber Dienstleister<br />
schwere Geschütze auffahren, um ihre<br />
Kompetenz zu zeigen, werden<br />
mangelnde Sorgfalt und schlechte<br />
Vorbereitung auf Seiten der Pitch-<br />
Veranstalter als umso ärgerlicher<br />
empfunden. So war das Team um den<br />
Düsseldorfer Dienstleister Corps<br />
kürzlich verblüfft und sprachlos, als<br />
die Jurymitglieder eines internationalen<br />
Maschinenherstellers während der<br />
Präsentation plötzlich völlig unterschiedliche<br />
Vorstellungen äußerten,<br />
die nichts mehr mit dem Briefing zu<br />
tun hatten. Auch die teils unbedarften<br />
Äußerungen von Jurymitgliedern bekunden<br />
den CP-Dienstleistern immer<br />
wieder Ahnungslosigkeit und Desinteresse<br />
für ihre Präsentation.„Was soll<br />
man antworten“, fragt Corps-Ge-<br />
– 176 –<br />
KUNDENMAGAZIN<br />
18. Mai 2005<br />
schäftsführer Wilfried Lülsdorf sichtlich<br />
ratlos, „wenn man bei einer Layoutpräsentation<br />
gefragt wird, ob man<br />
so viel Weißraum einsetzt, um Druckfarbe<br />
zu sparen?“<br />
Wie auf einem fremden Planeten<br />
fühlte sich auch jene Gruppe einer<br />
Münchner Agentur, die während der<br />
Präsentation bei einem Konzern feststellte,<br />
dass sich die versammelten<br />
Vertreter verschiedener Abteilungen<br />
untereinander entweder kaum kannten<br />
oder so sehr in ihre Bereichskämpfe<br />
verstrickt waren, dass sich<br />
unter den Jurymitgliedern noch<br />
während der Präsentation ein heftiger<br />
Streit über die grundsätzliche Notwendigkeit<br />
eines Magazins entfachte.<br />
Derart heftige Kollissionen verschiedener<br />
Welten scheinen trotz allem<br />
eher die Ausnahme als die Regel.<br />
„Generell spüren wir, dass CP-Ausschreibungen<br />
ziel- und ergebnisorientierter<br />
geworden sind, als sie noch<br />
vor wenigen Jahren waren“, stimmt<br />
Hans J. Moers von Mülhaus & Moers<br />
in Köln versöhnlich. „Die Briefings<br />
sind mit wenigen Ausnahmen professioneller,<br />
klarer und verständlicher<br />
geworden.“ Allerdings will auch er<br />
sich keinesfalls „um jeden Preis“ an<br />
Pitchches beteiligen.<br />
„Genau hinschauen“ – lautet denn<br />
auch die Devise bei Blue Publishing<br />
in München. „Wenn wir aus dem Nirwana<br />
von potenziellen Kunden kontaktiert<br />
werden, überlegen wir uns die<br />
Sinnhaftigkeit einer Teilnahme genau“,<br />
sagt Geschäftsführer Tim Ster-