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DIE ZEITSCHRIFT FÜR AUSLANDSCHWEIZER<br />
AUGUST 2010 / NR. 3<br />
General Guisan:<br />
Hat er die Schweiz im Krieg gerettet?<br />
Wie viel <strong>Schweizer</strong>deutsch<br />
ist angemessen?<br />
Auf den Spuren von<br />
Lord Byron in der Schweiz
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Wir freuen uns auf Ihren online-Besuch.
EDITORIAL INHALT 3<br />
Ein bemerkenswerter <strong>Schweizer</strong><br />
Auch 65 Jahre nach Kriegsende wird immer wieder über die Frage diskutiert,<br />
warum die Schweiz den Zweiten Weltkrieg unversehrt überstanden hat und weshalb<br />
sie von Hitlers Armee verschont wurde. War es Zufall, oder war den Deutschen<br />
die wirtschaftliche Kooperation mit der Schweiz so wichtig, die Rüstungs- und<br />
Finanzgeschäfte und der Goldhandel? Oder war der Alpentransit entscheidend, dass die<br />
Schweiz von Grossdeutschland nicht angegriffen wurde? Waren es die militärischen Siege<br />
der Alliierten, oder meinte es ganz einfach das Schicksal gut mit uns? Oder waren es doch<br />
General Guisan und die <strong>Schweizer</strong> Armee, die den «Eintrittspreis» in die Schweiz für<br />
Adolf Hitler zu hoch angesetzt hatten?<br />
Die Frage, weshalb die Schweiz dem deutschen Reich nicht einverleibt wurde, kann<br />
wohl nie endgültig beantwortet werden. Immerhin scheinen General und Armee die Entscheidungen<br />
des obersten Nationalsozialisten nicht unwesentlich beeinfl usst zu haben:<br />
«Dank der Alpenfestung Reduit und der Kontrolle der Nord-Süd-Achse war das Gewicht<br />
des militärischen Faktors erheblich gestiegen», schrieb der frühere Chefredaktor Fred<br />
Luchsinger in der «Neuen Zürcher Zeitung». «Ohne militärische Abwehrkraft und ohne<br />
den Widerstandswillen wäre unser Land ein reines Objekt deutscher Herrschaftspolitik<br />
in Europa gewesen.»<br />
Es spielten wohl verschiedene Faktoren eine Rolle, am wenigsten wohl das Schicksal.<br />
General Henri Guisan jedenfalls ist zu verdanken, dass die <strong>Schweizer</strong> Armee auf der<br />
Höhe ihrer Aufgabe war und sich die Schweiz gegenüber dem grossen Nachbarn im Norden<br />
taktisch und politisch richtig verhielt. Das zeigt Rolf Ribis Porträt eines bemerkenswerten<br />
<strong>Schweizer</strong>s, der die Historiker und Biografen immer noch beschäftigt, und den<br />
die Auslandschweizer in der Umfrage der «<strong>Schweizer</strong> <strong>Revue</strong>» zum<br />
viertwichtigsten <strong>Schweizer</strong> aller Zeiten erkoren haben (Seite 5).<br />
*<br />
www.<strong>swiss</strong>community.org heisst die neue Internet-Plattform der<br />
Auslandschweizer-Organisation. Die <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong><br />
im Ausland haben damit eine eigene Plattform zum Suchen,<br />
Finden und Chatten bekommen, ein elektronisches Netzwerk für<br />
globale Kontakte untereinander und zur Schweiz. Wer gezielt mit<br />
anderen Auslandschweizern in Kontakt treten will, wer spezifi sche<br />
Heinz Eckert<br />
Informationen über die Schweiz oder andere Auslandschweizer-<br />
Gruppen benötigt, etwas kaufen oder verkaufen oder einfach Kontakt zu Gleichgesinnten<br />
suchen will – www.<strong>swiss</strong>community.org bietet die ideale Plattform. Auslandschweizer,<br />
die ihre alte Heimat besuchen wollen, werden touristische Informationen<br />
und Angebote fi nden, <strong>Schweizer</strong>vereine und schweizerische Institutionen im Ausland<br />
können den neuen elektronischen <strong>Schweizer</strong>club für ihre Mitgliederwerbung nutzen,<br />
sie können sich über ihre Heimatkantone und die Schweiz informieren und herausfi<br />
nden, wo es im Ausland die besten Fondues und das knusprigste Ruchbrot gibt.<br />
www.<strong>swiss</strong>community.org ist ein wenig wie Facebook, Xing oder Linked-In, aber dennoch<br />
nicht das Gleiche. Die elektronische Auslandschweizer-Community ist eine exklusive<br />
Kommunikationsplattform, die spezifi sch auf die Bedürfnisse unserer Landsleute im<br />
Ausland zugeschnitten ist.<br />
Wir hoffen, dass die 700 000 <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong> auf allen Kontinenten<br />
von unserem Angebot regen Gebrauch machen.<br />
HEINZ ECKERT, CHEFREDAKTOR<br />
5<br />
Briefkasten<br />
5<br />
Gelesen: Die Geschichte des Bundeshauses<br />
7<br />
Gesehen: Der <strong>Schweizer</strong> Marlboro Man<br />
8<br />
Hat General Guisan die Schweiz gerettet?<br />
12<br />
Die Berner Ausstellung zum 100. Todestag<br />
Albert Ankers<br />
14<br />
Aus dem Bundeshaus<br />
Regionalseiten<br />
17<br />
Das Freilichtmuseum Ballenberg<br />
18<br />
Wie viel <strong>Schweizer</strong>deutsch ist angemessen?<br />
20<br />
Die UBS im Clinch mit der Schweiz<br />
21<br />
Die Revision der Arbeitslosenversicherung<br />
22<br />
ASO-Informationen<br />
26<br />
Auf den Spuren Lord Byrons in der Schweiz<br />
28<br />
Gelebte Folklore: Moderne Sennerei<br />
30<br />
Parteien im Gespräch: SP International<br />
IMPRESSUM: «<strong>Schweizer</strong> <strong>Revue</strong>», die Zeitschrift für die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, erscheint im 37. Jahrgang in deutscher, französischer, italienischer, englischer<br />
und spanischer Sprache in 14 regionalen Ausgaben und einer Gesamtaufl age von rund 416000 Exemplaren. Regionalnachrichten erscheinen viermal im Jahr.<br />
■ REDAKTION: Heinz Eckert (EC), Chefredaktor; Rolf Ribi (RR); René Lenzin (RL); Alain Wey (AW); Jean-François Lichtenstern (JFL), Auslandschweizerdienst EDA, CH-3003 Bern, verantwortlich<br />
für «Aus dem Bundeshaus». Übersetzung: CLS Communication AG ■ GES T ALTUNG: Herzog Design, Zürich ■ POSTADRESSE: Herausgeber/Sitz der Redaktion/Inseraten-Administration:<br />
Auslandschweizer-Organisation, Alpenstrasse 26, CH-3006 Bern, Tel. +4131356 6110, Fax +4131356 61 01, PC 30-6768-9. Internet: www.revue.ch ■ E-MAIL: revue@aso.ch<br />
■ DRUC K: Zollikofer AG, CH-9001 St.Gallen. ■ ADRESSÄNDERUNG: Bitte teilen Sie Ihre neue Adresse Ihrer Botschaft oder Ihrem Konsulat mit und schreiben Sie nicht nach Bern.<br />
■ Alle bei einer <strong>Schweizer</strong> Vertretung immatrikulierten Auslandschweizer erhalten das Magazin gratis. Nichtauslandschweizer können das Magazin für eine jährliche Gebühr abonnieren<br />
(CH: CHF 25.–/Ausland: CHF 40.–). Abonnenten wird das Magazin manuell aus Bern zugestellt. Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 14.6.2010<br />
31<br />
Echo<br />
Titelbild:<br />
General Henri Guisan: Seine Popularität<br />
ist ungebrochen. Foto: Keystone
Offizielle Sondermünze 2010<br />
Albert Anker<br />
Der Gemeindeschreiber. Das Kunstwerk<br />
von Albert Anker. Jetzt neu<br />
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SR 2010<br />
<strong>Schweizer</strong><strong>Revue</strong>_D
BRIEFKASTEN GELESEN<br />
Schweiz und Krise<br />
Zu Ihrem Editorial «Die<br />
Schweiz und die Krise» gratuliere<br />
ich Ihnen sehr. Satz für<br />
Satz, Wort für Wort treffen<br />
100 % ins Schwarze!<br />
Ihr Artikel müsste in den<br />
nächsten Wochen in allen<br />
<strong>Schweizer</strong> Zeitungen an prominenter<br />
Stelle publiziert werden…<br />
und zum Nachdenken<br />
anregen.<br />
Ich wünsche Ihnen und Ihrem<br />
Team weiterhin eine so gute<br />
Feder und der «<strong>Schweizer</strong> <strong>Revue</strong>»,<br />
gedruckt oder elektronisch,<br />
viele Leserinnen und<br />
Leser.<br />
E. DIETHELM, ALTENDORF<br />
EU-Politik: Rauf auf die<br />
Titanic!<br />
Bei Ihrer Überschlagsrechnung<br />
haben Sie die massiven<br />
Folgekosten für Migration, Sozialversicherungen<br />
etc. grosszügig<br />
übersehen, ganz zu<br />
schweigen von den weiteren<br />
Milliarden, die die Schweiz als<br />
EU-Mitglied dauerhaft an die<br />
Pleitestaaten überweisen<br />
müsste. Sie erwähnen auch<br />
nicht, dass die EU-Richtlinien,<br />
die die Mitgliedstaaten laufend<br />
umsetzen müssen, von einer<br />
demokratisch nicht legitimierten<br />
Riege von Kommissaren<br />
erlassen werden. Die Situation<br />
in der Schweiz ist noch nicht<br />
alternativlos, wie es dem Volk<br />
von denen eingeredet wird, die<br />
das Land mit Bedacht in die bilaterale<br />
Einbahnstrasse hineingetrieben<br />
haben, eifrig an den<br />
Institutionen sägen und Defaitismus<br />
verbreiten.<br />
M. NYFFELER, DEUTSCHLAND<br />
Frauen in der Schweiz<br />
Besten Dank für den äusserst<br />
interessanten Artikel zu den<br />
Leistungen von Pascale Bruderer<br />
Wyss. Die <strong>Schweizer</strong><br />
Frauen haben einen weiten<br />
Weg zurückgelegt! Als ich<br />
im Sommer 1969 die Schweiz<br />
verliess, durften die Frauen<br />
noch nicht einmal wählen. Eine<br />
verheiratete Frau durfte auf<br />
ihren eigenen Namen weder<br />
ein Bankkonto eröffnen noch<br />
eine Wohnung mieten. Und<br />
nun regieren Frauen das Land!<br />
Herzliche Gratulation, das<br />
habt ihr gut gemacht!<br />
M. JOHNSON, KANADA<br />
Starkes Argument<br />
Mein Gehör ist schlecht.<br />
Aber ich sehe sehr gut. Ich war<br />
hingerissen vom Titelbild der<br />
Aprilausgabe mit Pascale Bruderer.<br />
Ein starkes Argument<br />
für die Druckausgabe und gegen<br />
die Onlineversion.<br />
Die Schweiz erfreut sich<br />
nicht nur wunderbarer Landschaften,<br />
sondern auch wunderschöner<br />
Menschen. Es freut<br />
sich schon auf die nächsten<br />
Ausgaben<br />
W. SCHALLER, DEUTSCHLAND<br />
DIE GRÖSSTEN SCHWEIZER<br />
Per Internet fragten wir die <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong> im<br />
Ausland, wen sie als grössten <strong>Schweizer</strong> oder grösste <strong>Schweizer</strong>in aller<br />
Zeiten bezeichnen würden. 2500 Stimmen sind eingegangen. Das<br />
Ergebnis: Zum herausragendsten <strong>Schweizer</strong> aller Zeiten wurde Albert<br />
Einstein erkoren. An zweiter Stelle steht Henri Dunant, der<br />
Gründer des Roten Kreuzes, an dritter Heinrich Pestalozzi und auf<br />
den vierten Platz wurde General Henri Guisan gesetzt, dessen Verdienste<br />
als Oberbefehlshaber der <strong>Schweizer</strong> Armee im Zweiten Weltkrieg<br />
bis heute unvergessen sind. Auf den nächsten Plätzen folgen<br />
Le Corbusier, Jean-Jacques Rousseau und Alberto Giacometti.<br />
Wir danken allen, die sich an unserer kleinen Umfrage beteiligt<br />
haben.<br />
Eintauchen in die Geschichte des Bundeshauses. Der Führer<br />
«Das Bundeshaus in Bern» lädt uns zu einer historischen<br />
und architektonischen Besichtigung dieses Monuments der<br />
eidgenössischen Politik ein. Es werden alle Bauetappen<br />
beschrieben und die Gründe angegeben, weshalb welche Erweiterung<br />
wie gebaut wurde. Das Bundeshaus besteht aus<br />
drei Gebäuden: Der Westfl ügel, ursprünglich das Bundesratshaus<br />
genannt, wurde von 1852 bis 1857, der Ostfl ügel von<br />
1888 bis 1892 und das Parlamentsgebäude in der Mitte von<br />
1894 bis 1902 erbaut. 1848, anlässlich der ersten Session der<br />
beiden Kammern, wurde Bern zur Bundesstadt gewählt.<br />
Der Bundesrat und das Parlament tagten provisorisch an verschiedenen<br />
Orten in Bern. 1852 machte sich der Berner<br />
Architekt Jakob Friedrich Studer (1817-1879) an den Bau<br />
des Bundesratshauses im Neurenaissancestil. Da die Bundesverwaltung<br />
sehr viel grössere Proportionen annahm als geplant,<br />
musste bereits 1874 eine Erweiterung ins Auge gefasst werden. So<br />
wurde 1888 unter der Leitung des St. Galler Architekten Hans<br />
Wilhelm Auer (1847-1906) mit dem Bau des Ostfl ügels begonnen.<br />
Derselbe Baumeister leitete auch den Bau des Parlamentsgebäudes<br />
mit seinen markanten Kuppeln, für den ausschliesslich Baumaterialien<br />
schweizerischer Herkunft verwendet wurden. Der Führer,<br />
der mit Plänen und zahlreichen Fotos aus heutiger und früherer<br />
Zeit illustriert ist, widmet sich auch der Innenausstattung und den<br />
wichtigsten Sälen des Bundeshauses. Eine faszinierende Vielfalt.<br />
«Das Bundeshaus in Bern», Monica Bilfi nger, <strong>Schweizer</strong>ische Kunstführer, Gesellschaft<br />
für Schweiz. Kunstgeschichte, Schweiz. Eidgenossenschaft, Bern, 2009.<br />
Das Bundeshaus in Bern<br />
Die Schweiz unter der Lupe. Im Buch «En retard au paradis»<br />
suchen der Humanist Paul Grossrieder und die Politologin Brigitte<br />
Perrin die Schweiz und ihre Werte in einem langen Dialog zu<br />
ergründen, in dem sich die Ansichten zweier Generationen miteinander<br />
verweben. Der 1944 geborene ehemalige dominikanische<br />
Mönch und spätere Diplomat im Vatikan arbeitete ab seinem<br />
39. Lebensjahr für das Rote Kreuz, von 1998 bis 2002 als Leiter des<br />
IKRK. Seine Gesprächspartnerin wurde 1974 geboren und arbeitet<br />
als Journalistin beim Westschweizer Fernsehen (TSR). Die ganze<br />
sozioökonomische und politische Landschaft der Schweiz wird hier<br />
angesprochen. Man schweift zwischen Humanitarismus, Solidarität,<br />
Individualismus, Armut, Jugend, Neutralität, nationaler Identität,<br />
Wohlstandsunterschieden, Mai 68 und Abbau der sozialen<br />
Errungenschaften umher. Aber auch die Kompromisstradition, das<br />
Asylrecht, die Kritik an der SVP, der Bundesrat, das Bankgeheimnis,<br />
das Finanzsystem, Verschwiegenheit und Offenheit, die Diplomatie<br />
usw. kommen zur Sprache. Das Gespräch ist immer im<br />
Erlebten und im berufl ichen Werdegang der beiden Gesprächspartner<br />
verankert. Später werden die Themen globaler, wenden sich<br />
der Welt als Ganzes zu: Ökologie, Klimaerwärmung, Mensch und<br />
Natur. Die Swissair- und die UBS-Affäre werden zueinander in Beziehung<br />
gesetzt. Und als Dessert werden uns der Glaube, die Philosophie<br />
und die Weisheit vorgesetzt. Aber die Zeit vergeht, und die<br />
schweizerische Langsamkeit wird deutlich. Bezüglich Pünktlichkeit<br />
mahnte der Grossvater von Paul Grossrieder seinen Enkel jedes<br />
Mal, wenn dieser trödelte, mit denselben Worten: «Beeil dich,<br />
sonst kommst du zu spät ins Paradies!»<br />
Einige Videoaufzeichnungen der Gespräche stehen unter www.enretardauparadis.<br />
com zur Ansicht bereit. - «En retard au paradis. Dialogues autour du génie helvétique»<br />
von Paul Grossrieder und Brigitte Perrin, éditions Xenia, Vevey, 2009.<br />
5
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SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
Fotos: <strong>Schweizer</strong> Fotostiftung<br />
GESEHEN<br />
The Marlboro Man.<br />
Hannes Schmid, 1946 in Zürich geboren, fotografi erte den Marlboro Man<br />
zwischen 1993 und 2002. Er zählt zu den wichtigsten Marlboro-Fotografen, da er der bereits<br />
bekannten Figur neue Facetten verleihen konnte. Die <strong>Schweizer</strong> Fotostiftung ehrt ihn<br />
mit einer Ausstellung in Winterthur (bis 19.9.2010). www.fotostiftung.ch<br />
7
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
Foto: Keystone<br />
8 GENERAL HENRI GUISAN<br />
«Seele des Widerstandes, Retter des Vaterlandes»<br />
Vor fünfzig Jahren starb Henri Guisan, Oberbefehlshaber der<br />
<strong>Schweizer</strong> Armee im Zweiten Weltkrieg. Seine Rede auf dem<br />
Rütli und der Rückzug der Truppen in die Alpenfestung am Gotthard<br />
begründeten den nationalen Widerstand. Guisan war der<br />
geliebte und geachtete General des ganzen Volkes. Auch wenn<br />
seine Biografi e nicht makellos ist, war er die Vaterfi gur der<br />
Kriegsgeneration. Von Rolf Ribi<br />
Am 12. April 1960 spannte sich ein blauer<br />
Himmel über Lausanne. Ein bissig kalter<br />
Nordwind wehte durchs Waadtland. Die<br />
feldgrüne Farbe von vielen tausend Soldaten<br />
der Armee von 1939 bis 1945 beherrschte das<br />
Bild. Die Angehörigen des Aktivdienstes<br />
standen in mehreren Reihen am Strassenrand,<br />
zusammen mit 300 000 Menschen aus<br />
allen Schichten des Volkes. Fünf Tage zuvor<br />
war General Henri Guisan, der Oberbefehlshaber<br />
der <strong>Schweizer</strong> Armee im Zweiten<br />
Weltkrieg, mit 86 Jahren gestorben.<br />
Von Pully, dem Wohnort des Verstorbenen,<br />
bewegte sich der Trauerzug zur<br />
Lausanner Place de la Riponne. Hier nahm<br />
die Armee in einer würdigen Zeremonie Abschied<br />
von ihrem General. Mehr als 3000<br />
Persönlichkeiten, ein Füsilierbataillon, eine<br />
Haubitzenabteilung, eine Dragonerschwadron<br />
und die Träger der 400 Feldzeichen der<br />
Armee bildeten den vier Kilometer langen<br />
Trauerzug. Sechs Pferde zogen die Artillerie-Lafette<br />
mit dem von der <strong>Schweizer</strong><br />
Fahne bedeckten Sarg. Dahinter schritt das<br />
letzte Pferd des Generals mit leerem Sattel<br />
und mit gesenktem Kopf. In der Kathedrale<br />
von Lausanne stieg Bundespräsident Max<br />
Petitpierre auf die Kanzel und hielt die<br />
Totenrede. Im ganzen Land läuteten danach<br />
die Kirchenglocken.<br />
Ein solches Staatsbegräbnis hatte die Eidgenossenschaft<br />
noch nie erlebt. Im <strong>Schweizer</strong>volk<br />
herrschte tiefe Trauer. Sie galt dem<br />
militärischen Führer in gefahrvoller Zeit, der<br />
«Seele des Widerstandes»», dem «Retter des<br />
Vaterlandes», dem geliebten General des<br />
ganzen Volkes. Sein Bild hing damals in fast<br />
allen Stuben, in vielen Gasthöfen, in allen<br />
Unterkünften der militärischen Truppen.<br />
Schon zu seinen Lebzeiten wurden Strassen<br />
und Plätze nach Guisan benannt. Das vom<br />
Künstler Charles Otto Bänninger gestaltete<br />
Denkmal steht in Ouchy am Genfersee.<br />
Wahl zum General<br />
Mögliche Angriffspläne Deutschlands hatten<br />
im Frühjahr 1939 die europäischen Nachbarn<br />
beunruhigt. In der Schweiz wurden die<br />
Grenztruppen auf den 28. August einberufen,<br />
um die Mobilmachung der gesamten<br />
Armee vom 2. September zu sichern. Am<br />
29. August rief Bundesrat Rudolf Minger,<br />
der Chef des Militärdepartementes, den<br />
Oberstkorpskommandanten Henri Guisan<br />
telefonisch nach Bern. Am nächsten Tag,<br />
dem 30. August, wählte ihn die mitten im<br />
Sommer einberufene Bundesversammlung<br />
mit 204 von 229 Stimmen zum Oberbefehlshaber<br />
der schweizerischen Armee. Radio Beromünster<br />
übertrug den Wahlakt direkt in<br />
die Wohnstuben, Fabrikhallen und Büros.<br />
Kaum war Henri Guisan gewählt, schritt der<br />
64-Jährige in den Nationalratssaal, den Offi -<br />
ziershut in der Hand, den Säbel am Gurt, die<br />
Beine in Reiterstiefeln. Im Saal und auf den<br />
Tribünen hatten sich alle erhoben. Der Bundeskanzler<br />
verlas die Eidesformel, der General<br />
sagte kurz «Je le jure!». Dann sprach der<br />
Präsident der Versammlung: «Wir vertrauen<br />
Ihnen den Schutz unseres Vaterlandes an, das<br />
wir mit allen Kräften lieben, das wir niemals<br />
preisgeben wollen. Gott segne Ihre Aufgabe,<br />
Herr General.» Als Henri Guisan aus dem<br />
Bundeshaus trat, stimmten die Menschen auf<br />
dem Bundesplatz die Nationalhymne an. Der<br />
neugewählte General sang mit.<br />
Guisan, der Bauer und Offi zier<br />
Wer war Henri Guisan? Im Jahr 1874 in<br />
Mézières im Waadtland als Sohn eines Landarztes<br />
mit Bürgerort Avenches geboren, verlor<br />
er schon bald seine leibliche Mutter. Von<br />
der Jugend des kleinen, schmächtigen und<br />
hübschen Jünglings ist wenig bekannt. Weder<br />
bei den Kadetten noch im Sport und im<br />
Gymnasium fi el er besonders auf. An der Universität<br />
Lausanne konnte er sich auf keine<br />
Studienrichtung festlegen. Ohne akademischen<br />
Abschluss begab er sich auf seinen Lebensweg.<br />
Da entdeckte der junge Mann seine<br />
Vorliebe für die Landwirtschaft. Auf zwei<br />
Deutschschweizer Höfen lernte Guisan das<br />
bäuerliche Handwerk und <strong>Schweizer</strong>deutsch<br />
und bewunderte das aristokratische Gehabe<br />
der Besitzer. Nun wollte er endgültig Landwirt<br />
werden. 1897 kaufte er im Broye-Tal<br />
einen Bauernhof, im gleichen Jahr heiratete<br />
er Mary Doelker, und bald wurden die Kinder<br />
Henry und Myriam geboren. In Verte-<br />
Rive am Genfersee erwarb die Familie dank<br />
den Mitteln der Frau ein schönes Landhaus,<br />
in dem sie zeitlebens blieben.<br />
Bald schon spürte der junge Offi zier seine<br />
Neigungen für das Militärische. In Uniform<br />
blühte Guisan auf. Gemäss seinem Dienstbüchlein<br />
verbrachte er fortan 20 Jahre an<br />
Diensttagen in der Armee. Vom einfachen<br />
Trainsoldaten, der die Pferde für den Transport<br />
der Geschütze betreute, führte seine<br />
militärische Karriere in der Artillerie und der<br />
Infanterie bis zum Oberstdivisionär. Nun<br />
liess sich der überzeugte Milizoffi zier zum<br />
Berufsoffi zier küren. 1932 wurde er zum<br />
Oberstkorpskommandanten ernannt, dem<br />
höchsten Offi ziersrang in Friedenszeiten.<br />
Zeitgenossen und Historiker schildern<br />
seine persönlichen Eigenschaften mit Nuancen:<br />
Für Karl Schmid, staatspolitischer Vordenker<br />
und Generalstabsoffi zier, verkörperte<br />
Guisan den Widerstandswillen des<br />
ganzen Volkes, weit über die Armee hinaus.<br />
«Das Volk machte ihn zu seinem Repräsentanten.»<br />
Der General genoss die Popularität<br />
und Liebe, die ihm überall zuströmten. Mit<br />
seinem einfachen und herzlichen Wesen<br />
nahm er die Sorgen der Soldaten um das<br />
Schicksal von Familie und Betrieb ebenso<br />
ernst wie jene der Frauen um Haus und Kinder.<br />
– Der Historiker Willi Gautschi, Autor
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
Foto: Keystone<br />
der umfassenden Biografi e über den General,<br />
schrieb: «Guisan war kein Intellektueller<br />
und kaum ein Stratege. Als Pragmatiker war<br />
er aber ein Genie des gesunden Menschenverstandes.»<br />
Die Imagepfl ege war ihm wichtig:<br />
Seine Uniform war eleganter als jene der<br />
anderen Offi ziere, kein Bild des Generals<br />
durfte ohne Einwilligung seines Stabes veröffentlicht<br />
werden. Guisan liebte Feste und<br />
Sportveranstaltungen. – «Es gehörte zu den<br />
Geheimnissen dieses aristokratischen Generals,<br />
dass er jedem Soldaten das Gefühl gab,<br />
ihn als gleichberechtigten Bürger zu betrachten»,<br />
schrieb Markus Somm, Verfasser einer<br />
neuen Biografi e über Guisan. Wo immer der<br />
General erschien, wollten ihn die Menschen<br />
begrüssen. Wer mit ihm gesprochen hatte,<br />
erzählte sein Leben lang davon.<br />
Geheime Gespräche mit Frankreich<br />
Im Morgengrauen des 1. September 1939 war<br />
die deutsche Wehrmacht in Polen einmarschiert.<br />
Der Zweite Weltkrieg hatte begonnen.<br />
Der Bundesrat befahl die Generalmobilmachung<br />
der Armee für den 2. September.<br />
Am ersten Tag der Mobilmachung waren<br />
430 000 Soldaten und 200 000 Hilfsdienstpfl<br />
ichtige eingerückt. General Guisan wusste,<br />
woran es der Armee vor allem mangelte – an<br />
Panzern und Flugzeugen. Man verfügte über<br />
bedeutend mehr Pferde als Motorfahrzeuge.<br />
Um das natürliche Gelände zu nutzen, entschied<br />
sich Guisan für eine Armeestellung<br />
von Sargans, dem Zürichsee und der Limmat<br />
entlang bis in den Jura. Die Front verlief mitten<br />
durch die Stadt Zürich.<br />
Die Frontstellung richtete sich einseitig<br />
nach Norden, im Westen des Landes sah der<br />
General keine Gefahr. Zu Frankreich und<br />
seiner Armee besass Guisan ein sehr persönliches<br />
Verhältnis. Im Ersten Weltkrieg hatte<br />
er französische Truppen an der Front be-<br />
Bild links: Henri Guisan wird am 30. August 1939<br />
von der Vereinigten Bundesversammlung zum<br />
General gewählt. Die National- und Ständeräte erheben<br />
sich zum feierlichen Akt von den Sitzen.<br />
Bild oben: General Henri Guisan, kurz nach seiner<br />
Vereidigung am 30. August 1939 im Bundeshaus in<br />
Bern. Von links nach rechts stehen die Bundesräte<br />
Ernst Wetter, Philipp Etter, General Guisan, Marcel<br />
Pilet-Golaz und Hermann Obrecht.<br />
sucht. Vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges<br />
pfl egte er persönliche Beziehungen zu<br />
massgebenden Armeeführern. Dabei erhielt<br />
er Einblick in französische Abwehrpläne in<br />
unserem Grenzraum. Im Herbst 1939 kam<br />
es im Auftrag des Generals zu geheimen<br />
Kontakten mit französischen Armeestellen.<br />
Ziel der Kooperation: Sobald deutsche<br />
Truppen unser Land angreifen, überschreiten<br />
französische Einheiten die <strong>Schweizer</strong><br />
Grenze und besetzen den Raum Basel. Eine<br />
ganze Division unserer Armee wäre dem<br />
französischen Kommando unterstellt worden.<br />
Weder der Bundesrat noch der Generalstab<br />
wussten von diesen Absprachen.<br />
Offene Westfl anke der Armee<br />
Dann kam alles anders: Im Mai und Juni 1940<br />
besiegte die deutsche Wehrmacht innert<br />
sechs Wochen Frankreich und besetzte weite<br />
Teile des Landes. Mit dem Waffenstillstand<br />
vom 25. Juni 1940 zwischen Deutschland und<br />
Frankreich war die Westgrenze unseres Landes<br />
bedroht. «Infolge mehrfacher Fehlbeurteilungen<br />
erlitt die <strong>Schweizer</strong> Armeeführung<br />
mit ihrer Abwehrstrategie ein Desaster von<br />
katastrophalem Ausmass», urteilte der Historiker<br />
Klaus Urner. Und: «Wäre damals der<br />
deutsche Vorstoss in die vom französischen<br />
Schutz entblösste <strong>Schweizer</strong> Flanke im<br />
Westen fortgesetzt worden, hätte er sein Ziel<br />
in kürzester Zeit erreicht.»<br />
Im Juli 1940 erbeuteten deutsche Truppen<br />
im Städtchen La Charité-sur-Loire bei<br />
Dijon in einem zerstörten Eisenbahnwagen<br />
Geheimakten des französischen Generalstabes.<br />
Darunter befanden sich Dokumente<br />
über die Geheimverhandlungen schweizerischer<br />
Offi ziere mit der französischen Armee<br />
für den Fall eines deutschen Angriffs. Nach<br />
Edgar Bonjour, dem Verfasser des Standardwerkes<br />
«Geschichte der schweizerischen<br />
Neutralität», war Guisans Vorgehen neutralitätspolitisch<br />
ein gewagter Grenzfall. «Das<br />
hätte von Deutschland zum Vorwand einer<br />
militärischen Invasion genommen werden<br />
können.» Die Stellung General Guisans war<br />
1940/41 «unzweifelhaft gefährdet» (schrieb<br />
damals die «Neue Zürcher Zeitung»).<br />
Der Zusammenbruch Frankreichs löste im<br />
<strong>Schweizer</strong>volk einen Schock aus. Doch bald<br />
kam die Hoffnung auf, mit dem deutschfranzösischen<br />
Waffenstillstand sei die<br />
Kriegsgefahr vorläufi g überstanden. Der General<br />
glaubte, die Deutschen würden «militärische<br />
Aktionen kaum ins Auge fassen».<br />
Der Bundesrat verfügte eine teilweise Demobilmachung<br />
der Armee und schickte fast<br />
zwei Drittel der Soldaten nach Hause. General<br />
Guisan wehrte sich nicht. Am 24. Juli<br />
standen an der Westgrenze des Landes<br />
starke deutsche Verbände mit 245 000 Mann<br />
und warteten auf den Befehl Hitlers zum<br />
Einmarsch in die Schweiz. Hätte die deutsche<br />
Armee damals angegriffen, «wäre dies<br />
für die Schweiz zum Debakel geworden», so<br />
der Militärhistoriker Walter Schaufelberger.<br />
Rede des Bundespräsidenten<br />
Am 25. Juni 1940 hatte Bundespräsident<br />
Marcel Pilet-Golaz eine verhängnisvolle<br />
Rede gehalten. «Es ist für uns eine grosse Erleichterung<br />
zu wissen, dass unsere Nachbarn<br />
9
10 GENERAL HENRI GUISAN<br />
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
Fotos: Keystone<br />
sich auf den Weg des Friedens begeben haben.»<br />
Europa müsse jetzt ein neues Gleichgewicht<br />
fi nden. «Eidgenossen, an euch ist es,<br />
der Regierung zu folgen, als einem sicheren<br />
und hingebenden Führer, der seine Entscheidungen<br />
nicht immer erklären und begründen<br />
kann.» Von Demokratie, Unabhängigkeit,<br />
Freiheit, Neutralität sprach Pilet-Golaz<br />
nicht. Die Radiorede wirkte wie eine Kapitulation,<br />
wie eine Anpassung an das «neue<br />
Europa». Nach der bedrückenden Rede des<br />
Bundespräsidenten schwieg der General<br />
einen Monat lang.<br />
Für August R. Lindt, später <strong>Schweizer</strong><br />
Botschafter in Amerika und Uno-Hochkommissar,<br />
wirkte die Rede «niederschmetternd».<br />
In jenen führungslosen Tagen schlossen<br />
mutige Männer einen geheimen<br />
Offi ziersbund und forderten den bedingungslosen<br />
Widerstand. Es war eine Verschwörung<br />
gegen den Bundesrat – und auch<br />
gegen den General. Alfred Ernst, August R.<br />
Lindt, Max Waibel und Hans Hausamann<br />
waren die treibenden Kräfte des geheimen<br />
Bundes von 25 Offi zieren und Unteroffi zieren.<br />
Doch die Verschwörung wurde verraten<br />
und der General benachrichtigt. Guisan<br />
empfi ng die führenden Verschwörer und bestrafte<br />
sie milde mit 5 bis 15 Tagen scharfem<br />
Arrest. In seinem Innern war er stolz auf die<br />
mutigen Offi ziere und gab jedem die Hand.<br />
Rütli – Aufruf zum Widerstand<br />
Als noch niemand von der Offi ziersverschwörung<br />
wusste, fasste General Guisan ei-<br />
nen historischen Entschluss. Am 25. Juli 1940<br />
brachte der Raddampfer «Luzern» alle Kommandanten<br />
der <strong>Schweizer</strong> Armee bis zum<br />
Major über den See zur historischen Stätte<br />
beim Rütli. Rund 420 Offi ziere, die gesamte<br />
Armeeführung, versammelten sich im Halbkreis<br />
mit Blick auf den See und die Gotthard-Bahnstrecke.<br />
Guisan hielt eine kurze,<br />
zumeist improvisierte Rede. «Wir befi nden<br />
uns an einem Wendepunkt unserer Geschichte.<br />
Es geht um die Existenz der<br />
Schweiz», begann der General. Zwei<br />
Themen standen im Mittelpunkt – der Widerstandswille<br />
und die neue Verteidigungsstrategie.<br />
Guisan warnte vor dem aufkommenden<br />
Defaitismus in der Truppe, bei<br />
Politikern und auch im Volk. «Wille zum<br />
Widerstand gegen jeden Angriff von aussen<br />
und gegen die Gefahren im Innern, wie<br />
Nachlassen und Defaitismus», verlangte der<br />
General. Dann verkündete Guisan die neue<br />
Strategie zur Verteidigung des Landes – die<br />
Schaffung eines militärischen Reduits um<br />
den Gotthard. Hierhin sollte sich ein grosser<br />
Teil der Armee zurückziehen, um die strategischen<br />
Alpenpässe zu verteidigen.<br />
«Auf dem Rütli stieg der General zur nationalen<br />
Führergestalt auf», schrieb der<br />
Militärhistoriker Hans-Rudolf Kurz. Für<br />
Professor Edgar Bonjour bedeutete der<br />
Rütli-Rapport den «entscheidenden Wendepunkt<br />
in der Geschichte des Zweiten<br />
Weltkriegs». Am nationalen Feiertag des 1.<br />
August sprach der General am Radio zum<br />
Volk: «Können wir überhaupt Widerstand<br />
leisten? Die Frage ist eines <strong>Schweizer</strong>s und<br />
erst recht eines Soldaten unwürdig.»<br />
Rückzug ins Gebirge<br />
Im Juni 1940 war unser Land von den Achsenmächten<br />
umklammert. Die Fronten für<br />
die <strong>Schweizer</strong> Armee waren so lang, dass<br />
deutsche und italienische Truppen überall<br />
einbrechen konnten. «Die Lücken in der<br />
Panzer- und Fliegerabwehr hätten es der<br />
Armee nicht erlaubt, die Feldschlacht im<br />
Mittelland zu suchen», schrieb Hans-Rudolf<br />
Kurz. Eine neue militärische Strategie<br />
musste gefunden werden. Oberst Oscar<br />
Germann verfasste die massgebende Denkschrift:<br />
Die Armee ist in den Alpen stationiert,<br />
um den Hauptangriff Hitlers zu<br />
erwarten und zurückzuschlagen. General<br />
Guisan, kein Mann der raschen Beschlüsse,<br />
zögerte. Er dachte an den schwierigen Nachschub<br />
für Munition und Verpfl egung und an<br />
die Preisgabe eines grossen Teils des Landes<br />
an den Feind.<br />
Am 9. Juli 1940 entschied sich der General<br />
für das Reduit, drei Tage später orientierte<br />
er die Regierung. Nach dem Krieg<br />
begründete Guisan seine Idee: Der «Ein-<br />
Bild oben: Auf der Rütliwiese, dem «Symbol der<br />
schweizerischen Unabhängigkeit», versammelt General<br />
Henri Guisan am 25. Juli 1940 seine Kommandeure<br />
und erläutert ihnen den Grundgedanken<br />
des Reduitsystems.<br />
Bild links: <strong>Schweizer</strong> Soldaten erhalten in Genf im<br />
Rahmen der Mobilmachung 1939 den Marschbefehl.<br />
Auf die Nachricht vom deutschen Angriff auf Polen<br />
in den Morgenstunden des 1. September 1939 ordnet<br />
der Bundesrat im Einvernehmen mit General<br />
Guisan die allgemeine Mobilmachung der Armee<br />
für den 2. September an.<br />
Bild rechts: Trauerzug für den am 7. April 1960 verstorbenen<br />
Henri Guisan auf der Place de la<br />
Riponne vor dem Palais de Rumine in Lausanne.
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
Foto: Keystone<br />
trittspreis» sollte so hoch sein, dass er jeden<br />
Eindringling abschreckte, «weil ihm unsere<br />
Alpenübergänge nie intakt in die Hände gefallen<br />
wären». Im Sommer 1941 befanden<br />
sich alle neun Divisionen der Armee sowie<br />
die Gebirgsbrigaden im Reduit, das von der<br />
Festung Sargans im Osten bis zur Festung<br />
von St-Maurice im Wallis reichte. Im Zentrum<br />
stand die Festung am Gotthard, überall<br />
gab es Bunker, Panzersperren und Flugpisten.<br />
Die Bahnstrecken durch Gotthard<br />
und Simplon wurden zur Zerstörung vorbereitet.<br />
«Die Zurücknahme der Armee ins<br />
Gebirge bedeutete die nahezu kampfl ose<br />
Preisgabe von rund vier Fünfteln der schweizerischen<br />
Bevölkerung, der Industrie und<br />
des Volksgutes» (so Hans-Rudolf Kurz).<br />
Bis ins Frühjahr 1941 blieb die Sicherheit<br />
unseres Landes labil. Mit einem überraschenden<br />
Angriff Hitlers auf die Schweiz war<br />
noch immer zu rechnen (wie der Historiker<br />
Klaus Urner nachwies). Die weiteren Kriegsjahre<br />
bis 1945 waren für das <strong>Schweizer</strong>volk<br />
hart und sorgenvoll. Die Landung der alliierten<br />
Streitkräfte in Nordafrika und die Besetzung<br />
Oberitaliens durch Deutschland rückten<br />
die Bedeutung der Alpenpässe erneut ins<br />
Blickfeld. Die Invasion der Alliierten in der<br />
Normandie und die alliierte Landung in Südfrankreich<br />
von 1944 beendeten die Einschliessung<br />
unseres Landes durch die Achsenmächte.<br />
Die Armee verliess das Reduit, um<br />
wieder an der Grenze aufzumarschieren.<br />
<strong>Schweizer</strong> Soldaten!<br />
Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche<br />
Wehrmacht. In seinem Tagesbefehl erklärte<br />
der General: «<strong>Schweizer</strong> Soldaten! Wir wollen<br />
Gott, dem Allmächtigen, danken dafür,<br />
dass unser Land von den Schrecken des Krieges<br />
verschont blieb. Soldaten, ihr habt euch<br />
eures Vaterlandes würdig erwiesen.»<br />
Am 4. Juni ersuchte der General die Bundesversammlung,<br />
das Ende des Aktivdienstes<br />
auf den 20. August anzusetzen und ihn<br />
von seinem Amt zu entbinden. Im versammelten<br />
Parlament sagte der Präsident: «Als<br />
ein Mann der Pfl icht haben Sie sich, Herr<br />
General, als ein Mann von Herzensgüte und<br />
edler Menschlichkeit erwiesen. Das <strong>Schweizer</strong>land<br />
ist stolz auf Sie.» Am Tage zuvor<br />
hatte General Guisan in einem letzten<br />
militärischen Akt sämtliche Fahnen und<br />
Standarten der Armee nach Bern befohlen.<br />
Am Ende der ergreifenden Feier zum Abschluss<br />
des Aktivdienstes auf dem Bundesplatz<br />
sangen alle Leute entblössten Hauptes<br />
die Landeshymne.<br />
Schatten in der Biografi e<br />
Wie lautet im geschichtlichen Rückblick das<br />
Urteil über den Oberbefehlshaber der<br />
<strong>Schweizer</strong> Armee im Zweiten Weltkrieg? In<br />
politischer Sicht gibt es diese Vorbehalte:<br />
Die Staatsform der Demokratie «erduldete»<br />
der General (Markus Somm), das Parlament<br />
blieb ihm fremd, die Regierung war für ihn<br />
führungsschwach, von den Parteien hielt er<br />
nicht viel. Trotz gewisser Sympathien für<br />
eine ständestaatliche autoritäre Ordnung<br />
hat Guisan den Boden der Demokratie nie<br />
verlassen. – Dem französischen Marschall<br />
Pétain, Sieger in der Schlacht von Verdun<br />
im Ersten Weltkrieg und Staatschef im hitlerfreundlichen<br />
Frankreich, erwies Guisan<br />
stets Respekt. Im Herbst 1937 hatte er als<br />
Korpskommandant den Marschall zu<br />
Armeemanövern eingeladen. Noch 1941<br />
sandte er ihm einen bewundernden Brief<br />
zum Geburtstag. Den faschistischen Führer<br />
Mussolini hatte Guisan schon 1934 beim Besuch<br />
italienischer Manöver kennengelernt.<br />
«Er war der Schweiz und mir gegenüber sehr<br />
freundlich», meinte er nach dem Krieg.<br />
«Guisan liess sich vom Duce täuschen» (Markus<br />
Somm).<br />
Kein Ruhmesblatt ist Guisans Haltung zur<br />
Flüchtlingspolitik des Bundesrates. «Für die<br />
Militärs waren diese Ausländer eine Bedrohung<br />
der öffentlichen Sicherheit» (schrieb<br />
die Zeitschrift «L’Hebdo»). Gemäss der<br />
Bergier-Kommission wurden mehr als 20 000<br />
Flüchtlinge, davon zahlreiche Juden, an der<br />
Grenze abgewiesen. Konnte der General davon<br />
wissen? «Assurément», die Armee habe<br />
deutsche Deserteure befragt, die der Judenvernichtung<br />
entfl ohen waren. – Der General<br />
(wie andere Offi ziere) wies der Presse die<br />
Hauptschuld zu für das belastete Verhältnis<br />
zu Deutschland. Schon 1941 verlangte<br />
Guisan eine schärfere Pressekontrolle. Die<br />
Einführung einer umfassenden Vorzensur<br />
wurde ihm vom Bundesrat verweigert.<br />
Auch das militärische Urteil über den General<br />
ist nicht frei von Schatten: Die geheimen<br />
Verhandlungen des Generals mit der<br />
französischen Armee und vor allem der<br />
Aktenfund durch die Deutschen zeigten,<br />
dass der General hier «ein allzu grosses Wagnis<br />
eingegangen war» (Hans-Rudolf Kurz).<br />
Als die Schweiz im Spätsommer 1940 von<br />
den Achsenmächten umgeben war und deutsche<br />
Elitetruppen an der Westgrenze standen,<br />
verfügten Bundesrat und General –<br />
wahrscheinlich als Geste an Berlin – die<br />
Demobilisierung von rund zwei Drittel<br />
Mann. In jener Zeit dachte Hitler aber an<br />
die Eroberung der Schweiz. – Im März 1943<br />
trafen sich im Restaurant Bären im bernischen<br />
Biglen der berüchtigte SS-General<br />
Schellenberg und der <strong>Schweizer</strong> Oberbefehlshaber.<br />
Im Gespräch unter vier Augen<br />
bekräftigte Guisan dem Hitler-Vertrauten<br />
den festen Willen der Schweiz, die Grenzen<br />
(auch gegen die Alliierten) zu verteidigen. Im<br />
Gegenzug erwartete er die Zusage, dass<br />
Deutschland unser Land nicht angreife, für<br />
diesen Fall könne er starke Kräfte der Armee<br />
demobilisieren.<br />
Das historische Urteil über den Menschen<br />
und General Henri Guisan lautet – trotz solchen<br />
Vorbehalten – gemäss dem Biografen<br />
Willi Gautschi so: Schon zu seinen Lebzeiten<br />
war Guisan eine «eidgenössische Vaterfi<br />
gur». In der Person des Generals haben sich<br />
Volk und Armee in schwerer Zeit vollkommen<br />
vereinigt. Guisan erscheint über<br />
alle politischen und ideologischen Grenzen<br />
hinweg als «überragende Integrationsfi gur<br />
des <strong>Schweizer</strong>volkes, als unbestrittenes Symbol<br />
des Widerstandsgeistes, der Einigkeit<br />
und der Kriegsverschonung».<br />
DOKUMENTATION<br />
Willi Gautschi: General Henri Guisan. Verlag Neue<br />
Zürcher Zeitung, Zürich, 1989, vergriffen;<br />
Markus Somm: General Guisan. Stämpfl i Verlag,<br />
Bern, 2010, CHF 49.–;<br />
Klaus Urner: Die Schweiz muss noch geschluckt<br />
werden. Hitlers Aktionspläne gegen die Schweiz.<br />
Zürich, 1990;<br />
Hans-Rudolf Kurz: General Guisan und die Kriegsparteien,<br />
in: General Guisan und der zweite Weltkrieg<br />
1939-1945. Bern, 1974;<br />
Raymond Gafner: General Guisan. Gespräche. Zwölf<br />
Sendungen von Radio Lausanne. Bern, 1953;<br />
Bibliothek am Guisanplatz www.gs-vbs.admin.ch;<br />
Dokumentationszentrum www.doku-zug.ch<br />
11
12 ALBERT ANKER ZUM 100. TODESTAG<br />
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
Bilder: Kunstmuseum Bern, © Pro Litteris<br />
Unterwegs zum verbotenen Paradies. Mit einer umfassenden<br />
Ausstellung bietet das Kunstmuseum Bern die einmalige<br />
Gelegenheit, mit Albert Anker einen der wichtigsten<br />
<strong>Schweizer</strong> Künstler zu entdecken oder wiederzuentdecken.<br />
Seine Bilder sind wie kaum andere Kunstwerke im Bildgedächtnis<br />
der Schweiz verhaftet. Von Annemarie Monteil<br />
Er gehört zur Schweiz wie die Alpen und das<br />
Jodeln, Albert Anker aus dem bernischen Ins<br />
(1831-1910). Reproduktionen seiner Kinderbildnisse<br />
und Dorfszenen sind bekannt aus<br />
Kalendern, Schulbüchern, Wohnzimmern.<br />
Neuerdings schaut sein Bauernbub aus einer<br />
85er Briefmarke, und das Kunstmuseum<br />
Bern veranstaltet zum 100.Todesjahr eine<br />
grosse Retrospektive.<br />
Anker scheint ein unbestrittener Wert.<br />
Das gilt für Höchstpreise an Auktionen, erweist<br />
sich aber in Gesprächen als Täuschung.<br />
«Mädchen, die Haare fl echtend». Für Buch, Tuch und Zopf hat Anker die gleiche<br />
Aufmerksamkeit: nicht penibler Realismus, sondern Hinneigen zu den Dingen<br />
des Lebens.<br />
«Schreibunterricht II». Keine Idylle, das Schreibenlernen ist ein zu schweres<br />
Ding.<br />
Für Fortschritt-Strategen zementiert Anker<br />
eine untauglich gewordene Folklore. Dass<br />
der SVP-Politiker Christoph Blocher jedes<br />
vierte Bild der Ausstellung besitzt, sehen sie<br />
als Bestätigung. Den Kämpfern gegen eine<br />
«heile Welt» sind Ankers Bilder verlogene<br />
Idyllen. Anderen ersetzt der lesende Grossvater<br />
den Kirchgang. Snobs sagen, «kenne<br />
ich alles», und sehr junge Menschen staunen<br />
und wollen mehr wissen.<br />
Die Wechselbäder sprechen nicht gegen<br />
Anker. Wahre Einfachheit kann die Kompli-<br />
zierten verwirren. Er selbst machte es sich<br />
nicht leicht. Aufgewachsen in der gebildeten<br />
Familie eines Tierarztes, studiert Anker auf<br />
Wunsch des Vaters Theologie, quält sich mit<br />
seiner Sehnsucht, Maler zu werden: «Das Gebiet<br />
der Kunst kommt mir vor wie ein verbotenes<br />
Paradies», schreibt er. Endlich wird er<br />
Schüler von Charles Gleyre, glücklich und mit<br />
schlechtem Gewissen: Für den enttäuschten<br />
Vater bleibt er «mein Maler contre-cœur».<br />
Umso wichtiger ist der Erfolg. Anker darf<br />
im begehrten «Salon» ausstellen, während<br />
Manet, Degas, Monet abgelehnt werden.<br />
Die Wintermonate lebt er in Paris, er kennt<br />
sich aus von Platon bis Darwin, mit den<br />
Freunden spricht er französisch. Im Sommer<br />
wohnt und malt er im grosselterlichen Haus<br />
in Ins, beliebt, verehrt. Seine Genrebilder<br />
treffen den Zeitgeschmack. Im aufstrebenden<br />
Bundesstaat gehörte Anker – wie Calame,<br />
Koller und Zünd – zur nationalen Stimme.<br />
«Grossvater mit schlafender Enkelin». Anker habe nur Alte und Kinder gemalt,<br />
sagen Kritiker. Sie waren jene Modelle, die Zeit hatten und nicht auf dem Feld<br />
arbeiteten.<br />
«Tee und Cognac». In den Stillleben grüsst Albert Anker über 200 Jahre hinweg<br />
den grossen Kollegen Jean-Baptiste Siméon Chardin.
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
Bilder: Kunstmuseum Bern, © Pro Litteris<br />
Die «Armensuppe» steht für die humanitäre<br />
Tradition der Schweiz, der «Schulspaziergang»<br />
lebt von Pestalozzis liberaler Pädagogik.<br />
Beliebt waren Bilder toter Kinder. Anker<br />
inszeniert ein sanft weinendes<br />
Kindergrüpplein um eine kleine Leiche: «Die<br />
tote Freundin» ist samt Titel ein theatralisches<br />
Rührstück. Später wird Anker sein<br />
eigenes totes Kind malen, publikumsfern,<br />
blühende Malkunst, in den dunklen Grund<br />
ritzt er «liebe liebe Ruedeli».<br />
Das ist ebenfalls Anker. Pauschalurteile<br />
verfehlen ihn. Auch der Titel der Berner<br />
Ausstellung «Schöne Welt» greift zu kurz.<br />
Anker malt weder eine frohe noch eine<br />
«schöne» Welt. Eine leise Schwermut liegt<br />
über vielen Bildern. Ernst oder altklug<br />
schauen oft die Kinder, schmallippig sind die<br />
Alten, und Dreck unter den Fingernägeln haben<br />
die Bauern auch im Sonntagsstaat. Verbotene<br />
Paradiese?<br />
«Der Trinker». Heiter ist das Alter nicht. Anker schaut nicht an der Wirklichkeit<br />
vorbei.<br />
«Der Schulspaziergang». Im Jahr 1872 plädiert Albert Anker, selbst Mitglied des<br />
Schulrates, für die gemischte Schule als heitere Pfl icht.<br />
Vielleicht kommt man Anker am nächsten<br />
in den Porträts, dem Hauptteil des Schaffens.<br />
In leicht konventioneller Eleganz malte<br />
er die städtischen Damen und Herren, wie<br />
es den Auftraggebern gefi el. Den Bildnissen<br />
haftet – wie auch manchen Genrebildern –<br />
etwas Akademisches, Bemühtes an. (Will er<br />
immer noch dem Vater gefallen?) Bei aller<br />
Feinheit des Pinsels, Schicht um Schicht,<br />
bleibt die Maltextur wattig verhalten.<br />
Pfl ichtübungen. Einen reichen Kaufmann<br />
schickte er einmal zum Fotografen, er mache<br />
«söttig Sache nid uf ds Kommando».<br />
Ganz anders die Menschen aus dem Dorf,<br />
die Anker freiwillig ins Atelier bat: hohe Porträtkultur.<br />
Ist das Geheimnis grosser Kunst<br />
die Anteilnahme? Das Berührtsein? In wundersamer<br />
Einheit scheint dem Maler alles<br />
gleich wichtig, gleich gewichtig: das über die<br />
Schreibtafel gebeugte Gesichtlein und der<br />
Pausenapfel, die Runzeln der Grosseltern<br />
und der Strickstrumpf. Es ist dieser lebensfreundliche<br />
Blick, der den schlichten<br />
Menschen und Dingen eine strahlende<br />
Würde gibt, der Intimität zur Kunst macht<br />
und Stillleben zu ländlichen Ikonen. Die<br />
Peinture wird leicht, luftig, ein unbeschreibliches<br />
Licht webt durch alles: ohne «Verbot» –<br />
Paradiesbilder.<br />
Ausstellung im Kunstmuseum Bern bis 5.September<br />
2010. Katalog Albert Anker – Schöne<br />
Welt CHF 58.–<br />
ANKER-GOLDMÜNZE<br />
Die Eidgenössische Münzstätte Swissmint<br />
nimmt das Gedenkjahr für Albert Anker zum<br />
Anlass, dem bekannten <strong>Schweizer</strong> Künstler<br />
die offi zielle Goldmünze 2010 zu widmen.<br />
Die Sondermünze zum Nennwert von 50<br />
Franken ist bei allen Banken und Münzenhändlern<br />
erhältlich. Die Aufl age ist limitiert.<br />
www.<strong>swiss</strong>mint.ch<br />
«Der Seifenbläser». Nicht nur das Motiv, sondern der schimmernd-schwebende<br />
Farbauftrag (sichtbar im Original) gibt dem Seifenbläser den Zauber der<br />
Schwerelosigkeit.<br />
«Der Schneebär». Der Maler kennt seine Berner. Sie bauen keinen Schneemann,<br />
sondern ihr Wappentier, einen Schneebären.<br />
13
14 AUS DEM BUNDESHAUS<br />
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
Fotos: pd<br />
Das Erdbeben in Haiti –<br />
Schutz der <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong><br />
1. Erfolgreicher Einsatz für die <strong>Schweizer</strong>innen und<br />
<strong>Schweizer</strong> in Haiti<br />
Das Erdbeben in Haiti vom 12. Januar 2010 verursachte massive<br />
Zerstörungen an Gebäuden und Infrastruktur, kostete gemäss haitianischen<br />
Angaben über 250 000 Menschenleben und hinterliess Tausende<br />
obdachlos. Auf der Botschaft in Port-au-Prince waren vor dem<br />
Erdbeben 130 <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong> immatrikuliert. Insgesamt<br />
hielten sich zur Zeit des Erdbebens knapp über 200 unserer Mitbürgerinnen<br />
und Mitbürger in Haiti auf (Touristen, Nicht-Immatrikulierte,<br />
Geschäftsreisende). Davon konnten 199 kontaktiert<br />
werden. Vier Personen wurden als verletzt gemeldet. Eine Person<br />
bleibt, trotz intensiver Suche und andauernder Bemühungen, bis<br />
heute vermisst.<br />
Unmittelbar nach Bekanntwerden des Erdbebens setzte das<br />
Krisenzentrum der Politischen Abteilung VI im EDA, parallel und<br />
in enger Zusammenarbeit mit der Humanitären Hilfe der DEZA,<br />
eine im 24-Stunden-Betrieb arbeitende Krisenzelle ein. Diese wurde<br />
kurz darauf durch die übrigen betroffenen Dienste des EDA, des<br />
EJPD und des VBS verstärkt. Die Krisenzelle hatte den Auftrag,<br />
Mitarbeitende der Hotline des EDA geben Auskunft<br />
Trotz erheblicher Schwierigkeiten konnte das EDA den in Not geratenen Schwei-<br />
■ die Suche und Identifi kation der <strong>Schweizer</strong> Bürgerinnen und Bürger<br />
aufzunehmen,<br />
■ die Hilfe für bedürftige <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong> vor Ort zu<br />
organisieren (in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Sozialhilfe<br />
für Auslandschweizer/innen des Bundesamtes für Justiz),<br />
■ Ausreisewillige mit allen vorhandenen Mitteln bei deren Repatriierung<br />
zu unterstützen. Die Sektion Konsularischer Schutz (SKS)<br />
der Politischen Abteilung VI koordinierte, in Zusammenarbeit mit<br />
den Vertretungen vor Ort, die Rückkehr der <strong>Schweizer</strong> Bürgerinnen<br />
und Bürger und organisierte die medizinische Versorgung der Verletzten<br />
und deren anschliessende Repatriierung in die Schweiz.<br />
Leitfaden der Krisenvorsorge:<br />
IKRA –<br />
I mmatrikulieren und informieren<br />
K ontakte mitteilen<br />
R eserven bilden<br />
A ktiv werden<br />
■ Immatrikulieren Sie sich bei Ihrer Ankunft im Gastland bei<br />
der für Sie zuständigen <strong>Schweizer</strong> Vertretung (www.eda.admin.<br />
ch/eda/de/home/reps.html).<br />
■ Informieren Sie die <strong>Schweizer</strong> Vertretung jeweils umgehend<br />
über Wohnungswechsel, Familienzuwachs, Sterbefälle, Änderungen<br />
Ihres Zivilstands sowie Änderungen Ihrer Kontaktdetails<br />
(Telefon, E-Mail, Wohn- und Arbeitsadresse). Sofern Sie auf der<br />
Durchreise sind, informieren Sie die Vertretung über Ihren Aufenthaltsort<br />
bzw. Ihre Reiseroute und teilen Sie Ihre Erreichbarkeit<br />
mit.<br />
■ Geben Sie der <strong>Schweizer</strong> Vertretung jeweils möglichst umfassende<br />
Kontaktdetails von Verbindungspersonen an, von Ihren<br />
nächsten Verwandten und Freunden im Gastland und in der<br />
Schweiz. Antworten Sie jeweils unbedingt auf entsprechende
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
Fotos: pd<br />
zerinnen und <strong>Schweizer</strong>n in Haiti wirkungsvoll helfen.<br />
Um die Botschaften in Port-au-Prince und in Santo Domingo bei<br />
ihren Aufgaben zu entlasten, entsandte das Krisenzentrum des EDA<br />
insgesamt acht Mitglieder des Kriseneinsatz-Pools (KEP) nach Portau-Prince<br />
und Santo Domingo, wobei die ersten zwei KEP-Mitglieder<br />
bereits wenige Stunden nach dem Erdbeben im schwer zugänglichen<br />
Krisengebiet eintrafen. Das Krisenzentrum richtete an der<br />
Zentrale sofort eine Hotline-Nummer ein, die rund um die Uhr Anrufe<br />
besorgter Familienangehöriger entgegennahm, Such- und Rückmeldungen<br />
erfasste, diese untereinander abglich und laufend an<br />
unsere Vertretung in Port-au-Prince zur Bearbeitung weiterleitete.<br />
Unter ausserordentlich schwierigen Bedingungen (zusammengebrochene<br />
Telekommunikation, Treibstoffmangel, unterbrochene<br />
Umfragen der Vertretung und füllen Sie diesbezügliche Fragebögen<br />
in Ihrem Interesse möglichst umfassend aus.<br />
■ Halten Sie an einem sicheren Ort zu Hause immer eine kleine<br />
Reserve an Bargeld verfügbar. Legen Sie eine Trinkwasser- und<br />
Nahrungsmittelreserve, gegebenenfalls auch eine Treibstoffreserve<br />
an, die für die ersten Tage einer Krise ausreicht. Legen Sie<br />
ein Notfall-Kit bereit, das ein Radio, Batterien, eine Taschenlampe,<br />
Ersatzkleider, Hygieneartikel, Erste Hilfe-Material und<br />
Ihre Reisedokumente (Pass) enthält. Schliessen Sie unbedingt<br />
eine Kranken- und Unfallversicherung ab, die im Schadensfall<br />
Heilungskosten deckt.<br />
■ Werden Sie im Krisenfall selbst aktiv und melden Sie, wenn immer<br />
möglich, umgehend Ihren Zustand der <strong>Schweizer</strong> Vertretung<br />
oder dem Krisenstab des EDA in Bern: entweder telefonisch über<br />
die im Krisenfall erreichbare Hotline des EDA (031 325 33 33)<br />
oder über die auf der Internet-Seite des EDA (www.eda.admin.ch)<br />
veröffentlichte Suchmaske.<br />
■ Die Behörden bestimmter Risikozonen (beispielsweise erdbebengefährdeter<br />
Gebiete) sehen Krisenvorsorge-Massnahmen vor.<br />
Bitte informieren Sie sich darüber aktiv bei den lokalen Behörden<br />
und befolgen Sie deren Anweisungen.<br />
Elektrizitätsversorgung, Wasser- und Nahrungsmangel, weiträumige<br />
Zerstörungen) gelang es so der Botschaft in Port-au-Prince, unsere<br />
Landsleute vor Ort zu lokalisieren, die vier Verletzten zu versorgen<br />
und die insgesamt 37 Rückkehrwilligen mit fünf Bussen auf dem Land-<br />
und mit einem Helikopter der Humanitären Hilfe auf dem Luftweg<br />
nach Santo Domingo zu evakuieren. Davon kehrten 20 Personen in<br />
die Schweiz zurück, wo sie bei ihrer Ankunft umgehend vom Bundesamt<br />
für Bevölkerungsschutz des VBS betreut wurden.<br />
2. Welche Lehren können aus dem Einsatz gezogen werden?<br />
Der Einsatz für die <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong> in Haiti kann<br />
angesichts der reibungslosen Abwicklung der Repatriierung als Erfolg<br />
gewertet werden. Dennoch sah sich die <strong>Schweizer</strong> Botschaft in<br />
Port-au-Prince bei der Suche nach unseren Landsleuten und bei der<br />
Unterstützung der Ausreisewilligen auch mit Schwierigkeiten konfrontiert.<br />
Ein Teil dieser Hindernisse war unvermeidbar und ist auf<br />
die besonderen Umstände der Katastrophe zurückzuführen. Ein anderer<br />
Teil war sozusagen «hausgemacht» und hätte durch eine sorgfältige<br />
Vorbereitung jedes einzelnen im Ausland wohnhaften <strong>Schweizer</strong>s<br />
auf den Krisenfall vermieden werden können.<br />
Wodurch wurde die Suche nach unseren Landsleuten und die Unterstützung<br />
zur Ausreise erschwert?<br />
Das Erdbeben bewirkte zeitweise einen vollständigen Zusammenbruch<br />
der Telekommunikation. Wegen des temporären Ausfalls des<br />
lokalen Festnetzes, des Mobilfunknetzes sowie der Satellitenverbindungen<br />
konnte die Botschaft unsere Landsleute nicht erreichen.<br />
Lediglich die Kommunikation über Internet war möglich.<br />
Die Immatrikulationsregister auf der Botschaft entsprachen mangels<br />
aktualisierter Rückmeldungen nicht dem aktuellen Stand der<br />
<strong>Schweizer</strong> Kolonie. Landsleute waren weggezogen, ohne sich auf der<br />
Botschaft abzumelden, andere waren zugezogen, ohne sich auf der<br />
Inserat<br />
15
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
16 AUS DEM BUNDESHAUS<br />
Botschaft anzumelden. Die vermerkten Adressen im Immatrikulationsregister<br />
waren mangels präziser Auskunft der Erfassten ungenau.<br />
Sie enthielten oft keine präzise Ortsangabe (Strasse, Hausnummer).<br />
Dies erschwerte inmitten der weiträumigen Zerstörung die<br />
Suche nach unseren Landsleuten.<br />
Über den Zustand vieler Landsleute konnte erst im Verlaufe mehrerer<br />
Tage Gewissheit erlangt werden, da viele individuell abgereist<br />
waren, ohne dies der Botschaft zu melden.<br />
Bald nach dem Erdbeben wurden auch bei einigen unserer Landsleute<br />
das Trinkwasser und die Nahrungsmittel knapp. Zudem machte<br />
sich der Bargeldmangel bemerkbar, da durch das Erdbeben die Banken<br />
zerstört bzw. die automatische Geldausgabe unterbrochen war.<br />
3. Individuelle Krisenvorsorge<br />
Im Sinne der Verbesserung der eigenen Vorbereitung auf künftige<br />
Krisensituationen verschiedener Art (Naturkatastrophen und andere<br />
Grossereignisse, politische Unruhen etc.) hat die Politische Abteilung<br />
VI des EDA einen kleinen Leitfaden zusammengestellt, der Ihnen<br />
und dem EDA die Zusammenarbeit bei künftigen Krisen erleichtern<br />
soll (s. Kasten S. 14–15).<br />
Wir danken Ihnen für die Berücksichtigung dieser Ratschläge!<br />
Christoph Späti, Politische Abteilung VI<br />
UN-Wiederaufbaukonferenz in New York:<br />
Die Schweiz unterstützt Haiti mit 90 Millionen<br />
<strong>Schweizer</strong> Franken<br />
Die Schweiz wird sich längerfristig in Haiti engagieren. An der<br />
Uno-Geberkonferenz vom 31. März 2010 in New York bekräftigte<br />
DEZA-Direktor Martin Dahinden die Solidarität der Schweiz<br />
mit dem erdbebenversehrten Karibikstaat. Bis 2012 stellt der<br />
Bund insgesamt 35,9 Millionen für den Wiederaufbau zur<br />
Verfügung. Dazu kommen 55 Millionen Franken Spendengelder,<br />
die direkt von der Glückskette und ihren Partnerorganisationen<br />
umgesetzt werden.<br />
An der Ministerkonferenz «Towards a New Future for Haiti» vom<br />
31. März in New York stellte die <strong>Schweizer</strong> Delegation unter Leitung<br />
von DEZA-Direktor Martin Dahinden ihr Programm zur Unterstützung<br />
der haitianischen Bevölkerung vor. Nebst den humanitären<br />
Aktionen wird die Schweiz Haiti auch beim längerfristigen Wiederaufbau<br />
unterstützen. Martin Dahinden führte an der Konferenz aus,<br />
wo die Schweiz ihre Schwerpunkte setzen will: «Nach dem verheerenden<br />
Erdbeben hat die Schweiz Haiti im Rahmen der grössten je<br />
durch die Schweiz durchgeführten Soforthilfeaktion unterstützt. Darüber<br />
hinaus wird die Schweiz dem Land jedoch zusätzlich im Wiederaufbau<br />
beistehen. Besondere Heraus for derungen im längerfristigen<br />
Wiederaufbau sehen wir bei der Sanierung der sozialen<br />
Infrastruktur wie Schulen und Spitäler, der Entwicklung der ländlichen<br />
Regionen und der Ernährungssicherheit.»<br />
Die Schweiz wird dabei den Leitlinien des Aktionsplans der Vereinten<br />
Nationen zum Wiederaufbau Haitis folgen. Damit sich diese<br />
Bemühungen nicht ausschliesslich auf die Hauptstadt Port-au-Prince<br />
konzentrieren, unterstützt die Schweiz in Übereinstimmung mit den<br />
Absichten der haitianischen Regierung auch dezentrale Vorhaben.<br />
Die Schweiz führt seit 2005 in Port-au-Prince ein Kooperationsbüro<br />
und ist deshalb mit den Verhältnissen im Land sehr vertraut.<br />
Der Beitrag der Schweiz zum wirtschaftlichen, sozialen und politischen<br />
Wiederaufbau wird über Umschichtungen innerhalb bestehender<br />
Rahmenkredite fi nanziert und geht zu Lasten des Kredits für<br />
humanitäre Hilfe 2006 (20 Millionen Franken) und des Kredits für<br />
Entwicklungszusammen arbeit 2008 (15,9 Millionen Franken). Die<br />
Hilfe wird sich also zwischen 2010 und 2012 insgesamt auf 35,9 Millionen<br />
Franken belaufen, dazu kommen 55 Millionen Franken Spendengelder,<br />
die direkt von der Glückskette und ihren Partnerorganisationen<br />
umgesetzt werden.<br />
NEUE VOLKSINITIATIVEN UND REFERENDEN<br />
Seit der letzten Ausgabe sind bis Redaktionsschluss die folgenden<br />
neuen Volksinitiativen lanciert worden:<br />
■ «Für ein liberales Rauchergesetz», Initiativkomitee: IG Freie<br />
<strong>Schweizer</strong> Wirte, Ablauf der Sammelfrist: 23.08.2011.<br />
■ «Neue Arbeitsplätze dank erneuerbaren Energien (Cleantech-Initiative)»,<br />
Initiativkomitee: Sozialdemokratische Partei der Schweiz, Ablauf<br />
der Sammelfrist: 16.09.2011.<br />
■ «Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes», Initiativkomitee:<br />
Überparteiliches Komitee «Schluss mit der MwSt-Diskriminierung<br />
des Gastgewerbes», Ablauf der Sammelfrist: 07.10.2011.<br />
■ «Schutz vor Rasern», Initiativkomitee: RoadCross Schweiz, Ablauf<br />
der Sammelfrist: 27.10.2011.<br />
■ «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen fi nanziert durch Energielenkungsabgaben»<br />
Initiativkomitee: Initiativkomitee «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen<br />
fi nanziert durch Energielenkungsabgaben», Frau Gabriela<br />
Coray, Ablauf der Sammelfrist: 19.11.2011.<br />
■ «Wenden wir die Menschenrechte an auf Frauen und Männer =<br />
Schweiz», Initiativkomitee: Initiativkomitee «Wenden wir die Menschenrechte<br />
an auf Frauen und Männer = Schweiz», Ablauf der Sammelfrist:<br />
19.11.2011.<br />
Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses waren keine Referenden<br />
hängig.<br />
Auf der Seite www.bk.admin.ch/aktuell/abstimmung fi nden Sie<br />
eine Aufstellung der hängigen Referendumsvorlagen und Volksinitiativen<br />
sowie die entsprechenden Unterschriftenbogen, falls vorhanden.<br />
Bitte senden Sie die ausgefüllten und unterschriebenen Bogen<br />
direkt an das zuständige Initiativkomitee.<br />
VERANTWORTLICH FÜR DIE AMTLICHEN MITTEILUNGEN DES EDA:<br />
JEAN-FRANÇOIS LICHTENSTERN, AUSLANDSCHWEIZERDIENST/EDA<br />
BUNDESGASSE 32,CH-3003 BERN<br />
TELEFON: +41 31 324 23 98, TELEFAX +41 31 322 78 66<br />
WWW.EDA.ADMIN.CH/ASD, PA6-AUSLANDCH@EDA.ADMIN.CH
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
Fotos: Freilichtmuseum Ballenberg<br />
FREILICHTMUSEUM BALLENBERG<br />
Eine Zeitreise durch die ländliche Schweiz. Das Freilichtmuseum Ballenberg<br />
ist eigentlich alles andere als museal. Im Gegenteil: Dort lebt die ländliche<br />
Kultur der Schweiz mit allen Facetten wieder auf und bringt uns ins Bewusstsein,<br />
wie es einmal war. Von Heinz Eckert<br />
Wer über den Ballenberg wandert, hat nie<br />
das Gefühl, ein Museumsbesucher zu sein.<br />
Und dennoch führt die Wanderung durch<br />
das grösste Freilichtmuseum der Schweiz,<br />
das sich in einer der idyllischsten Gegenden<br />
des Berner Oberlandes ausbreitet.<br />
Wenn die Eintrittszonen mit den Kassenhäuschen<br />
nicht wären, würde der Besucher<br />
des Ballenberg wohl erst mit Verzögerung<br />
merken, dass er sich bereits<br />
im Freilichtmuseum befi ndet.<br />
Wahrscheinlich würde ihn nur das<br />
Fehlen von parkierten Autos daran<br />
erinnern, dass er bereits «drinnen»<br />
ist. Denn die Umgebung ist<br />
beinahe so malerisch und gepfl egt<br />
wie das Freilichtmuseum selber.<br />
Der Übergang von den benachbarten<br />
Weilern in das nach wissenschaftlichen<br />
und denkmalpfl egerischen<br />
Grundsätzen geführten<br />
und gepfl egten Freilichtmuseums<br />
Ballenberg ist fast nahtlos. «Freilichtmuseum<br />
Ballenberg – das Erlebnis»<br />
heisst die Werbebotschaft<br />
– und hält, was sie verspricht.<br />
Die Stiftung <strong>Schweizer</strong>isches<br />
Freilichtmuseum Ballenberg<br />
wurde mit Unterstützung des<br />
Bundes und des Kantons Bern im<br />
Sommer 1968 ins Leben gerufen.<br />
1978 konnte das Museum mit 16<br />
Objekten im parkähnlichen<br />
Gelände über dem Brienzersee<br />
eingeweiht werden. Seither ist das<br />
Museum laufend ausgebaut worden.<br />
Zu sehen sind heute über 100<br />
historische Objekte und Häuser<br />
aus nahezu allen Kantonen. Der<br />
Ballenberg ist das einzige Freilichtmuseum<br />
für ländliche Kultur<br />
in der Schweiz.<br />
Der Ballenberg ist keine verstaubte<br />
Raritätensammlung, sondern<br />
voller Leben und Betriebsamkeit.<br />
Alles lebt in diesem<br />
Freilichtmuseum, jeder Schritt<br />
bietet ein Erlebnis. Die Gebäude<br />
sind alle stilgerecht eingerichtet<br />
und dürfen betreten werden.<br />
Stuben, Küchen, Schlafzimmer laden zum<br />
Entdecken traditioneller Wohn- und<br />
Lebensformen ein, die Gewerbebetriebe zeigen<br />
allen Interessierten, wie früher auf dem<br />
Land Brot gebacken, geklöppelt, gewoben<br />
wurde, wie Käse und Schindeln hergestellt<br />
wurden. Es riecht nach frisch gesägtem Holz<br />
und geschmiedetem Eisen in der Schmiede.<br />
Und viele der kulinarischen Köstlichkeiten<br />
können natürlich auch degustiert werden.<br />
Alle Gebäude im Freilichtmuseum waren<br />
an ihrem ursprünglichen Standort gefährdet<br />
und konnten dort nicht erhalten werden. So<br />
wurden sie sorgfältig demontiert und auf dem<br />
Ballenberg originalgetreu wieder aufgebaut.<br />
Hier sind sie von historischen Bauerngärten,<br />
Wiesen und Feldern mit originaltypischen<br />
Blumen, Kräutern, Obstbäumen,<br />
aber auch von längst vergessenen<br />
oder vom Aussterben<br />
bedrohten Pfl anzen umgeben.<br />
Zahlreiche Sonderveranstaltungen<br />
erlauben zusätzlich interessante<br />
und überraschende Einblicke<br />
in teils verloren gegangenes<br />
Brauchtum der ländlichen Schweiz.<br />
Schliesslich bringen 250 Bauernhoftiere<br />
sinnliches Leben in die<br />
Ställe und auf die Weiden. Neben<br />
Hühnern, Enten, Ziegen, Tauben,<br />
Schweinen und Rindern haben<br />
auch vom Aussterben bedrohte<br />
Rassen einen Lebensraum auf dem<br />
Ballenberg gefunden: Pfauenziegen,<br />
Spiegelschafe, Rätisches<br />
Grauvieh, wollhaarige Weideschweine,<br />
Diepholzer Gänse und<br />
andere mehr.<br />
Das erste Freilichtmuseum, das<br />
Skansen, ist 1891 in Schweden gegründet<br />
worden. Seither sind<br />
weltweit zahlreiche solcher Anlagen<br />
entstanden. Alle haben die<br />
gleiche Aufgabe: Sicherung, Erhaltung<br />
und Vermittlung von<br />
typischen Gebäuden und deren<br />
Ausstattung mit authentischen<br />
Einrichtungen, Möbeln, Gerätschaften<br />
und Werkzeugen. Besser<br />
als im Freilichtmuseum Ballenberg<br />
kann der Auftrag wohl nicht<br />
erfüllt werden.<br />
Es lohnt sich, einen ganzen Tag<br />
für den Ballenberg-Besuch einzuplanen.<br />
<strong>Schweizer</strong>isches Freilichtmuseum Ballenberg,<br />
CH-3855 Brienz; www.ballenberg.ch,<br />
info@ballenberg.ch<br />
17
18 PRO UND KONTRA MUNDART<br />
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
Foto: pd<br />
Ist das <strong>Schweizer</strong>deutsch eine Gefahr für die Romandie?<br />
In der Westschweiz wird immer wieder diskutiert, ob das <strong>Schweizer</strong>deutsch<br />
überhandnimmt und zur Gefahr für die Mehrsprachigkeit<br />
der Schweiz wird. Iwar Werlen, Linguistikprofessor an der<br />
Universität Bern, teilt diese Befürchtung nicht. Anders sieht es<br />
der zweisprachige Journalist Peter Rothenbühler in seinem<br />
Essay zum Thema. Interview Heinz Eckert<br />
«schweizer revue»: Verstehen Sie die Aufregung<br />
aus dem Welschland, da auf Kosten des<br />
Hochdeutschen immer mehr <strong>Schweizer</strong>deutsch<br />
gesprochen werde, sei die sprachliche Vielfalt<br />
der Schweiz gefährdet?<br />
iwar werlen: Teilweise ja, teilweise nein.<br />
Befürchtungen, dass die sprachliche Vielfalt<br />
der Schweiz bedroht sein könnte, werden<br />
immer wieder geäussert. Sie sind jedoch nur<br />
teilweise gerechtfertigt.<br />
Aber stimmt es, dass immer mehr Dialekt<br />
gesprochen wird?<br />
Ja, diese Tendenz ist seit Mitte der Sechzigerjahre<br />
eindeutig festzustellen. Es wurde<br />
in immer mehr Situationen Dialekt gesprochen,<br />
wo früher Hochdeutsch verwendet<br />
worden war, in der Schule, der Kirche, den<br />
Medien usw. Überdies ist die Mundart im<br />
Chanson, in der Rockmusik und heute auch<br />
in der Rapszene sehr populär geworden. Und<br />
heute schreiben vor allem die jungen Menschen<br />
fast alle SMS und auch E-Mails auf<br />
<strong>Schweizer</strong>deutsch.<br />
Wie erklären Sie sich diese Mundart-Welle?<br />
Sicher spielt auch die Mode eine grosse<br />
Rolle, dieses Swissness-Gefühl und der<br />
Wunsch, sich eine eigene Identität zu schaffen<br />
und sich von anderen – nicht zuletzt von<br />
Deutschland - abzugrenzen. Es gibt aber<br />
auch allgemeine gesellschaftliche Veränderungen<br />
hin von formellen zu informellen<br />
Verhaltensweisen, was sich etwa beim Verlust<br />
an Umgangsformen, an Anstand und<br />
Konventionen zeigt. Früher geltende Kleidervorschriften<br />
werden nicht mehr eingehalten,<br />
auch alte Menschen müssen in öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln stehen und selbst in<br />
guten Restaurants werden die Frauen heute<br />
nicht mehr vor den Männern bedient.<br />
Früher war das alles selbstverständlich. Diese<br />
Haltung hat sich auch auf den sprachlichen<br />
Ausdruck ausgewirkt: man vermeidet das als<br />
formal und steif geltende Hochdeutsche und<br />
Professor Iwar Werlen<br />
drückt sich mündlich und schriftlich so aus,<br />
wie es am einfachsten geht.<br />
Finden Sie es nicht auch grotesk, wenn das<br />
Nachrichtenmagazin «10vor10» bei der Wiederholung<br />
auf dem internationalen, deutschsprachigen<br />
Gemeinschaftssender 3sat mit deutschen<br />
Untertiteln ausgestrahlt werden muss,<br />
damit es in Österreich und Deutschland verstanden<br />
wird?<br />
Das liegt wohl daran, dass sich das <strong>Schweizer</strong><br />
Fernsehen DRS als sprachregionaler<br />
Sender versteht und «10vor10» als Infotainment<br />
inszeniert. Die Tagesschau jedenfalls<br />
wird ja ausschliesslich auf Hochdeutsch produziert.<br />
Aber es stimmt schon: Innerhalb der<br />
SRG ist das Bewusstsein für die Pfl ege der<br />
sprachlichen Vielfalt der Schweiz gering.<br />
Die Idée suisse wird von der SRG zwar vermarktet,<br />
aber im Sendealltag nimmt sie ihre<br />
Verantwortung in dieser Hinsicht nicht genügend<br />
wahr und stellt sich auf den Standpunkt,<br />
dass Ausländer, die in der Schweiz<br />
wohnen, <strong>Schweizer</strong>deutsch nicht unbedingt<br />
sprechen, aber verstehen sollten.<br />
Teilen Sie diese Haltung auch?<br />
Ja. Das entspricht auch meiner Meinung:<br />
Deutschschweizer reden eben Mundart, und<br />
wer sich im Alltag mit ihnen verständigen will,<br />
sollte diese Mundart verstehen. Das gilt für<br />
In- wie für Ausländer. Vor allem für Deutsche<br />
sollte das kein Problem sein, da es ja<br />
auch in Deutschland viele Dialekte gibt und<br />
etwa die Bayern überall verstanden werden.<br />
Demgegenüber sollte aber auch jeder Deutschschweizer<br />
und jede Deutschschweizerin in<br />
der Lage sein, Hochdeutsch nicht nur zu lesen,<br />
sondern auch zu sprechen. Oder nicht?<br />
Ganz genau. Ich verstehe auch die Ansicht<br />
mancher Lehrpersonen nicht, die immer<br />
wieder behaupten, die erste Fremdsprache,<br />
die in der deutschen Schweiz unterrichtet<br />
werde, sei Hochdeutsch. Das stimmt nicht.<br />
<strong>Schweizer</strong>deutsch und Hochdeutsch sind für<br />
mich zwei Formen der gleichen Sprache, die<br />
beide gepfl egt werden sollen. Das <strong>Schweizer</strong>deutsch<br />
ist unsere gesprochene Muttersprache,<br />
das Hochdeutsch ist die Muttersprache,<br />
die wir lesen und schreiben. Wir<br />
Deutschschweizer sollten beides gut beherrschen.<br />
Wie wichtig ist, dass das <strong>Schweizer</strong>deutsch gepfl<br />
egt und möglichst korrekt gesprochen wird?<br />
Korrektheit ist eine Frage der Sichtweise.<br />
Für mich sind Sprachen Verständigungsmittel,<br />
die sich ständig wandeln und neuen<br />
Bedürfnissen anpassen. Ob man also Frühstück<br />
oder Zmorge, Lunch oder Zmittag,<br />
Anke oder Butter sagt, fi nde ich nicht so wichtig.<br />
Denken Sie nur an die Jugendsprache,<br />
und wie sich die immer wieder verändert. Einmal<br />
ist geil in, dann wieder mega, früher war<br />
alles super. Hauptsache, man versteht sich.<br />
<strong>Schweizer</strong> im Ausland werden immer wieder<br />
auf die Mehrsprachigkeit in der Schweiz angesprochen.<br />
Ist sich die <strong>Schweizer</strong> Bevölkerung<br />
in der Schweiz eigentlich bewusst, wie wertvoll<br />
diese Vielfalt ist, und dass sie unbedingt<br />
gepfl egt werden muss?<br />
Ich glaube, viele von uns erkennen gar<br />
nicht, wie unterschiedlich unser Umgang mit<br />
Sprachen von dem in vielen andern europäischen<br />
Ländern ist. Natürlich sprechen nicht<br />
alle <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong> vier<br />
Sprachen, wie das manche Ausländer denken.<br />
Untersuchungen haben aber gezeigt,<br />
dass die meisten <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong><br />
ein bis zwei Fremdsprachen mehr oder<br />
weniger gut kennen – das ist ein Spitzenwert<br />
in Europa! Aber wir neigen dazu, unser eigenes<br />
Potenzial nicht auszuschöpfen – und das<br />
gilt für Romands wie für Deutschschweizer.
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
Foto: pd<br />
Glauben Sie, dass sich Romands und Deutschschweizer<br />
einmal nur noch auf Englisch unterhalten<br />
werden?<br />
In gewissen Branchen oder in den Naturwissenschaften<br />
ist das ja bereits der Fall.<br />
Aber zum Normalfall wird das sicher nicht.<br />
Wichtig wäre, dass spielerischer mit den<br />
Sprachen umgegangen, mehr ausprobiert<br />
wird, und es vielleicht sogar zu einem Miteinander<br />
von <strong>Schweizer</strong>deutsch, Hochdeutsch<br />
und Französisch kommen könnte,<br />
wenn alle anderen Stricke reissen.<br />
Müsste und könnte staatlich mehr unternommen<br />
werden, um das Verständnis für die<br />
sprachliche Vielfalt zu fördern?<br />
Ja, es wäre sehr wichtig, dass der kulturelle<br />
Austausch zwischen den Sprachregionen von<br />
den Kantonen gefördert und für obligatorisch<br />
erklärt wird. Denn wenn ein Romand<br />
einmal ein paar Wochen oder Monate in<br />
St. Gallen und ein Urner einige Zeit in Lausanne<br />
verbracht hat, wird er automatisch<br />
eine andere Beziehung zur anderen Sprache<br />
aufbauen und mit mehr Freude und Engagement<br />
lernen. Auch die staatlich fi nanzierten<br />
Medien müssten ihre Verantwortung umfassender<br />
wahrnehmen.<br />
Und was würden Sie den aufgebrachten<br />
Romands empfehlen?<br />
Ich glaube, eines der Probleme zwischen<br />
den beiden Sprachgemeinschaften besteht<br />
in der Bewertung der Mundart: Für viele Romands<br />
ist es undenkbar, dass ein gebildeter<br />
Mensch eine so «barbarische» Sprachform<br />
verwendet. Diese Vorstellung zu ändern<br />
wäre die Aufgabe des Deutschunterrichts in<br />
der Romandie: Hier müsste eben das Deutsche,<br />
wie es in der deutschen Schweiz existiert,<br />
zur Kenntnis genommen werden. Dazu<br />
gehört, dass die Dialekte im Unterricht thematisiert<br />
werden. Zu dieser Ansicht ist auch<br />
der grüne Genfer Nationalrat Antonio<br />
Hodgers gekommen, der nach seiner Wahl<br />
ins eidgenössische Parlament nach Bern gezogen<br />
ist und dort schnell festgestellt hat,<br />
dass ihm sein in der Schule erworbenes<br />
Hochdeutsch nicht viel nützt. Er empfi ehlt<br />
den Romands, <strong>Schweizer</strong>deutsch zu lernen.<br />
Andererseits würde es auch den Deutschschweizern<br />
sehr gut anstehen, sich mehr und<br />
bessere Französischkenntnisse anzueignen.<br />
Die Bemühungen der Erziehungsdirektorenkonferenz<br />
im Rahmen von HarmoS zielen in<br />
diese Richtung; sie müssen nur umgesetzt<br />
werden.<br />
Die Sprechverweigerung der Deutschschweizer<br />
Von Peter Rothenbühler*<br />
Von Zeit zu Zeit beschweren sich Westschweizer, dass es für sie<br />
schwierig sei, Deutsch korrekt zu erlernen, solange man ihnen in<br />
Bern und Zürich dauernd auf <strong>Schweizer</strong>deutsch oder auf Englisch<br />
antwortet. Wo es doch einfacher wäre, man würde sich in einer<br />
Landessprache unterhalten, zum Beispiel auf Hochdeutsch oder<br />
auf Französisch.<br />
Eigentlich logisch. Dialekte sind eine schöne Sache, aber eher<br />
für den privaten Gebrauch bestimmt. Sobald man mit Menschen<br />
aus andern Landesteilen (oder Ländern) verkehrt oder in elektronischen<br />
Medien Konversation treibt, sollte man sich in einer allgemein gültigen Verkehrssprache<br />
verständigen. Wie überall auf der Welt.<br />
Leider scheint dies ausgerechnet in einem Land, das weltweit für seine Mehrsprachigkeit<br />
bekannt ist, nicht möglich zu sein. Das Problem sind nicht so sehr die Schwierigkeiten der<br />
Welschen mit dem <strong>Schweizer</strong>deutsch.<br />
Das Problem ist eher, dass die Deutschschweizer ein Riesenproblem mit dem Hochdeutsch<br />
haben, sich weigern, die erste Landessprache auch zu sprechen. Ein weltweit einmaliges Phänomen.<br />
Eine richtige Trotzhaltung, die erst noch von Sprachwissenschaftlern unterstützt wird.<br />
So erklärt Professor Iwar Werlen im nebenstehenden Interview, dass der Deutschschweizer halt<br />
zwei Formen der gleichen Sprache pfl ege: «Das <strong>Schweizer</strong>deutsch ist unsere gesprochene Muttersprache,<br />
das Hochdeutsch ist die Muttersprache, die wir lesen und schreiben.» Wer sich mit<br />
Deutschschweizern verständigen wolle, müsse eben <strong>Schweizer</strong>deutsch lernen, wenigstens verstehen<br />
lernen.<br />
Es gibt also laut Professor Werlen zwei halbe Muttersprachen, eine für den mündlichen und<br />
eine für den schriftlichen Gebrauch. Hochdeutsch SPRECHEN kommt bei ihm nicht vor.<br />
Natürlich kann man es «u-geil» fi nden, dass die Zürcher Jugend (bis sechzig) Zürialbanisch<br />
spricht, eine Art Züritütsch mit albanischer Betonung, das zwar kein neuer Dialekt ist, dafür<br />
ein Ethnolekt! Ja, so nennt man das, «s’bescht wo häts gits», linguistisch!<br />
Und natürlich kann man die Entwicklung mit Interesse verfolgen, dass Deutschschweizer<br />
heute SMS irgendwie schreiben, nur nicht deutsch, und in einer Konversation automatisch<br />
zum Englischen wechseln, nicht etwa, weil der andere (der Westschweizer zum Beispiel) das<br />
besser verstehen würde, sondern weil sie sich auf Hochdeutsch blamieren würden.<br />
Nur hat die zunehmende Weigerung der Deutschschweizer, ihre Kultursprache mündlich zu<br />
praktizieren, auch gravierende Folgen. Nicht für die Westschweizer, nein, für die Deutschschweizer<br />
selbst: Sie beherrschen ihre eigene Sprache nicht mehr. Und verlieren damit auch<br />
die Fähigkeit, sie korrekt zu schreiben. Längerfristig führt das unweigerlich zum Vorrücken<br />
des Englischen als wichtigste Verkehrssprache. Und damit werden gleich zwei Landessprachen<br />
abgewertet: Deutsch und Französisch. Frage an die Politiker: Wollen wir das?<br />
Diese Entwicklung hat übrigens die SRG, die sich bis vor kurzem noch «Idée Suisse» nannte,<br />
massiv gefördert. In wichtigen Informationssendungen wird immer noch (konzessionswidrig)<br />
Mundart geredet und damit die sprachliche Regression der Einheimischen gefördert.<br />
Doch, o Wunder, Rettung naht. Einmal mehr aus dem Ausland: Ausgerechnet die zahlreich<br />
immigrierenden Deutschen, von denen wir uns mit unserer Dialekttümelei abzugrenzen versuchten,<br />
führen bei uns den mündlichen Gebrauch unserer «Muttersprache» Hochdeutsch<br />
wieder ein. Kleiner Tipp an die Westschweizer: In Zürich gibt’s schon Cafés, wo alle miteinander<br />
Hochdeutsch sprechen. Und die «Arena» wird bald Untertitel haben, nicht englische oder<br />
russische, nein: deutsche!<br />
*Der in Biel aufgewachsene, zweisprachige Journalist Peter Rothenbühler, 61, lebt heute in Lausanne. Er war von<br />
1984 bis 2000 Chefredaktor von «SonntagsBlick» und «<strong>Schweizer</strong> Illustrierte» und bis 2008 Chefredaktor von «Le<br />
Matin». Heute ist er stellvertretender publizistischer Direktor von Edipresse und schreibt Kolumnen.<br />
19
20<br />
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
Foto: Keystone<br />
POLITIK<br />
Die UBS stürzte sich und die Schweiz in die Krise<br />
In einem Staatsvertrag mit den USA hat die Schweiz das Bankgeheimnis für<br />
4500 amerikanische UBS-Kunden rückwirkend aufgehoben. Damit konnte sie<br />
die Bank aus dem Schussfeld der US-Justiz nehmen. Innenpolitisch hat die<br />
Affäre zu heftigen Auseinandersetzungen geführt. Insbesondere der Bundesrat<br />
musste sich harte Kritik gefallen lassen. Von René Lenzin<br />
Gleich zweimal hat die Schweiz ihre<br />
grösste Bank, die UBS, innerhalb von<br />
weniger als zwei Jahren vor dem drohenden<br />
Untergang gerettet. Per Notrecht<br />
hat der Bund die Bank im Oktober 2008<br />
mit sechs Milliarden Franken unterstützt,<br />
nachdem sie in den Strudel der<br />
Hypothekenkrise in den USA geraten<br />
war. Gleichzeitig übernahm die <strong>Schweizer</strong>ische<br />
Nationalbank von der UBS<br />
faule US-Wertpapiere im Umfang von<br />
40 Milliarden Dollar. Diese Aktionen<br />
seien nötig, weil der Konkurs der UBS die<br />
ganze Volkswirtschaft in den Abgrund gerissen<br />
hätte, argumentierte die Landesregierung.<br />
Die UBS sei so genannt systemrelevant<br />
und «too big to fail» – zu gross, um scheitern<br />
zu können. Faktisch heisst das, dass die beiden<br />
Grossbanken UBS und Credit Suisse<br />
Staatsgarantie geniessen.<br />
In der gleichen Logik hat der Bund auch<br />
eingegriffen, als der UBS in den USA juristisches<br />
Ungemach drohte. Einige Kundenberater<br />
der Bank hatten Amerikanern geholfen,<br />
Steuern zu hinterziehen, weshalb die<br />
Steuerbehörde Ermittlungen wegen Steuerbetrug<br />
aufnahm. Die USA drohten der UBS<br />
Ende 2008 mit einer Anklage und verlangten<br />
die Herausgabe von 52 000 Kunden daten.<br />
Im August 2009 einigten sich die Schweiz<br />
und die USA auf einen Vergleich. Die USA<br />
DER BUNDESRAT MUSS SICH HARSCHE KRITIK ANHÖREN<br />
Mit ihrem Geschäftsgebahren in<br />
den USA hat die UBS sich selbst<br />
an den Abgrund manövriert und<br />
der Schweiz grosse politische<br />
Probleme verursacht. Bei der<br />
Bewältigung dieser Krise hat sich<br />
der Bundesrat alles andere als<br />
optimal verhalten. Zu diesem<br />
Schluss kommen zumindest die<br />
Geschäftsprüfungskommissionen<br />
(GPK) des National- und des Ständerats.<br />
Am Ursprung des Problems<br />
stehe natürlich die Bank<br />
Mit Vuvuzelas demonstrierten linke Politiker vor dem<br />
Bundeshaus gegen das Ja des Parlamentes zum Amtshilfegesuch<br />
USA – UBS.<br />
verzichteten auf eine Zivilklage und auf die<br />
Herausgabe der 52 000 Kundendaten.<br />
Gleichzeitig übermittelten sie der Schweiz<br />
ein neues Amtshilfegesuch, das 4450 UBS-<br />
Kundendaten betraf. Die Schweiz verpfl ichtete<br />
sich, innerhalb eines Jahres Fälle von<br />
Steuerbetrug und schwerer Steuerhinterziehung<br />
herauszufi ltern und den amerikanischen<br />
Behörden zu übergeben. Diese Abmachung<br />
sei nötig, um die wirtschaftlich<br />
immer noch angeschlagene UBS vor einem<br />
kaum verkraftbaren Prozess in den USA zu<br />
retten, sagte der Bundesrat.<br />
Gericht stoppt den Bundesrat<br />
Für die betroffenen Kunden bedeutet das<br />
Abkommen, dass die Schweiz das Bankgeheimnis<br />
in ihrem Fall rückwirkend aufhebt.<br />
Doch der Bundesrat hatte die Rechnung<br />
selber, halten die Kommissionen<br />
in einem 370-seitigen Bericht<br />
fest. Aber sehr vieles sei anschlies<br />
send auch bei den Behörden<br />
schief gelaufen.<br />
Schockiert zeigte sich die GPK<br />
darüber, «dass der Bundesrat offenbar<br />
nicht in einem Klima des<br />
Vertrauens und der Vertraulichkeit<br />
arbeiten kann». So habe der<br />
damalige Bundespräsident Pascal<br />
Couchepin im September 2008<br />
aus Angst vor Indiskretionen an-<br />
geordnet, die bundesrätlichen<br />
Diskussionen zum Fall UBS seien<br />
nicht zu protokollieren. Dieses<br />
Symptom für das gegenseitige<br />
Misstrauen in der Landesregierung<br />
war immer noch in Kraft, als<br />
sie sich Anfang 2009 mit der<br />
Steueraffäre der UBS in den USA<br />
befassen musste.<br />
Aber nicht nur das Gremium<br />
habe versagt, sondern auch dessen<br />
einzelne Mitglieder. Am<br />
schlechtesten kommt Finanz-<br />
ohne das Bundesverwaltungsgericht gemacht.<br />
Dieses erklärte die Herausgabe<br />
der Kontendaten an die US-Behörden<br />
für rechtswidrig und stoppte die Auslieferung.<br />
Für Amtshilfeleistungen bei<br />
Steuerhinterziehung fehle die Rechtsgrundlage,<br />
die das Parlament zuerst<br />
schaffen müsse. In der Tat hatte die<br />
Schweiz zwar auf internationalen Druck<br />
hin beschlossen, ausländischen Behörden<br />
neu auch bei begründetem Verdacht<br />
auf Steuerhinterziehung Amtshilfe<br />
zu leisten (siehe «<strong>Schweizer</strong> <strong>Revue</strong>»<br />
2/2010). Aber die entsprechenden Abkommen<br />
sind noch nicht in Kraft.<br />
In der Folge beschloss der Bundesrat, den<br />
UBS-Vergleich mit den USA dem Parlament<br />
als Staatsvertrag zur Genehmigung zu<br />
unterbreiten. Im dringlichen Verfahren<br />
haben National- und Ständerat diesen Vertrag<br />
in der Sommersession verabschiedet.<br />
Damit dürfte die termingerechte Abwicklung<br />
des Amtshilfeverfahrens gesichert sein,<br />
was die UBS zumindest vorläufi g vor weiteren<br />
juristischen Schwierigkeiten in den USA<br />
bewahren sollte. Allerdings hat die Genehmigung<br />
des Vertrags innenpolitisch zu einem<br />
ziemlich wüsten und unübersichtlichen<br />
Hickhack unter den Parteien geführt.<br />
Zunächst hatten sich drei Lager herausgebildet:<br />
Die Freisinnig-Liberalen (FDP) und<br />
minister Hans-Rudolf Merz weg.<br />
Die Aufsichtsbehörden und sein<br />
Departement hätten ihn gut über<br />
die Probleme der UBS informiert,<br />
doch er habe diese Informationen<br />
nicht in hinreichendem Mass<br />
an den Gesamtbundesrat weitergegeben<br />
– insbesondere aus<br />
Furcht vor Indiskretionen, heisst<br />
es im Bericht. Eine Mitschuld am<br />
Informationsmangel tragen laut<br />
GPK aber auch Aussenministerin<br />
Micheline Calmy-Rey und Justiz-
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
die Christlichdemokraten (CVP) erachteten<br />
das Abkommen zwar als unschön, aber<br />
notwendig, um Unbill von der UBS und der<br />
<strong>Schweizer</strong> Wirtschaft abzuhalten. Die<br />
<strong>Schweizer</strong>ische Volkspartei (SVP) lehnte<br />
das Abkommen grundsätzlich ab, weil sie das<br />
Bankgeheimnis nicht preisgeben wollte.<br />
Sozialdemokraten (SP) und Grüne machten<br />
ihre Zustimmung von Sondersteuern auf<br />
Boni und einer strengeren Regulierung der<br />
Banken abhängig. Da FDP und CVP allein<br />
keine Mehrheit im Parlament haben, schien<br />
ein Ja nur mit Zugeständnissen an die Linke<br />
möglich. Doch im letzten Moment rückte<br />
die SVP von ihrem Nein ab. Um eine Bonisteuer<br />
zu verhindern, wie sie selbst sagte –<br />
auf Druck der Wirtschaft, wie ihre Kritiker<br />
meinten.<br />
Verkehrte Welt im Parlament<br />
So ergab sich eine ziemlich paradoxe Situation:<br />
Die SVP als vehemente Verteidigerin<br />
des Bankgeheimnisses half mit, dieses aufzuweichen;<br />
und die SP, die es seit Jahren kritisiert,<br />
hat es als einzige verteidigt. Allein<br />
schon dies zeigt, wie stark die Debatte von<br />
parteipolitischem Kalkül geprägt war. Zum<br />
Schluss setzten sich schliesslich diejenigen<br />
Kräfte durch, die den Vertrag ohne Bedingungen<br />
verabschieden wollten. Allerdings<br />
sind damit die Diskussionen um hohe Boni<br />
und eine strengere Bankenregulierung noch<br />
nicht vom Tisch. Im Prinzip sind sich alle<br />
Parteien einig, dass die «too big to fail»-Problematik<br />
zu lösen ist. Es soll nie mehr zur<br />
staatlichen Rettung einer Grossbank kommen<br />
müssen. Am ehesten dürfte dies über<br />
höhere Eigenkapitalquoten der Banken zu<br />
erreichen sein. Über die konkrete Ausgestaltung<br />
entsprechender Massnahmen herrscht<br />
jedoch (noch) keine Einigkeit.<br />
ministerin Eveline Widmer-<br />
Schlumpf. Neben dem Klima des<br />
Misstrauens leide der Bundesrat<br />
auch noch an Gärtchenwirtschaft,<br />
was zu Lasten der Gesamtsicht<br />
gehe, schreiben die Geschäftsprüfer<br />
weiter.<br />
Lob und Tadel setzt es im Bericht<br />
für die Finanzmarktaufsicht<br />
(Finma) ab. Sie habe das milliardenschwere<br />
Rettungspaket für<br />
die UBS vom Oktober 2008 zusammen<br />
mit der Nationalbank gut<br />
Die Arbeitslosenversicherung ins fi nanzielle<br />
Gleichgewicht bringen. Die Krise liess das Defi zit der Arbeitslosenversicherung<br />
weiter steigen. Bundesrat und Parlament<br />
wollen sie mit Mehreinnahmen und Leistungskürzungen sanieren.<br />
Gewerkschaften und Linke haben das Referendum ergriffen.<br />
Von René Lenzin<br />
Die aktuelle Finanzierung der schweizerischen<br />
Arbeitslosenversicherung (ALV) ist<br />
auf durchschnittlich 100 000 erwerbslose<br />
Personen ausgerichtet. Zurzeit beträgt ihre<br />
Zahl jedoch gut 150 000, und der anvisierte<br />
Durchschnittswert war nicht einmal in der<br />
Hochkonjunktur unterschritten worden.<br />
Daher hat die ALV Schulden von neun Milliarden<br />
Franken angehäuft. Diese sind nicht<br />
nur auf die aktuelle Krise zurückzuführen,<br />
sondern auf ein strukturelles Defi zit, das<br />
heisst auf ein permanentes Ungleichgewicht<br />
zwischen Einnahmen und Ausgaben. Mit einem<br />
Mix aus höheren Prämien und Leistungskorrekturen<br />
sollen die Schulden abgebaut<br />
und die Versicherung wieder ins<br />
fi nanzielle Gleichgewicht gebracht werden.<br />
Vorgesehen sind folgende Massnahmen:<br />
Mehreinnahmen (646 Millionen Franken<br />
pro Jahr): Die Abzüge auf den versicherten<br />
Einkommen (bis 126 000 Franken) werden<br />
von 2 auf 2,2 Prozent erhöht. Auf dem Lohnanteil<br />
von 126 000 bis 315 000 Franken wird<br />
neu ein Prozent erhoben.<br />
Einsparungen (622 Millionen Franken pro<br />
Jahr): Arbeitslose ohne Kinder sind künftig<br />
verpfl ichtet, auch eine Arbeit anzunehmen,<br />
die ihren Qualifi kationen nicht entspricht.<br />
Unter 25-Jährige ohne Unterhaltspfl ichten<br />
haben nur noch Anrecht auf 200 statt wie<br />
vorbereitet und durchgeführt.<br />
Auch die Tragweite des US-Steuerkonfl<br />
ikts habe die Finma früh<br />
erkannt. Bei dessen Untersuchung<br />
habe sie sich aber massgeblich<br />
auf einen von der UBS<br />
selbst in Auftrag gegebenen Bericht<br />
gestützt, was ihre Unabhängigkeit<br />
in Frage stelle.<br />
UBS soll ihr Verhalten auf arbeiten<br />
Am Schluss des Berichts fi nden<br />
sich 19 Empfehlungen, 5 Motio-<br />
nen und 2 Postulate. Im Zentrum<br />
stehen dabei die Führungsdefi -<br />
zite des Bundesrats. Die GPK will<br />
die Landesregierung verpfl ichten,<br />
auch bei geheimen Geschäften in<br />
jedem Fall Protokolle anzufertigen.<br />
Weiter soll sie ein System zur<br />
strategischen politischen Steuerung<br />
sowie ein Überwachungs-<br />
und Frühwarnsystem einrichten,<br />
um die Handlungsfähigkeit in<br />
Krisensituationen zu verbessern.<br />
Obwohl die parlamentarische<br />
bisher auf 400 Taggelder. Arbeitslose, die<br />
höchstens zwölf Monate lang Beiträge geleistet<br />
haben, erhalten nur noch 260 anstelle<br />
von bisher 400 Taggeldern. Schul- oder Studienabgänger<br />
müssen 120 Tage warten, bis<br />
sie ALV-Leistungen beziehen können. Staatliche<br />
Beschäftigungsprogramme werden<br />
nicht mehr als Beitragszeit angerechnet.<br />
Der Nationalrat hat die Vorlage mit 91 zu<br />
64 Stimmen verabschiedet, der Ständerat<br />
mit 32 zu 12. Der Bundesrat und die bürgerlichen<br />
Parteien erachten die Revision als ausgewogenen<br />
Kompromiss. Die <strong>Schweizer</strong>ische<br />
Volkspartei und die Freisinnigen<br />
wollten zwar beim Leistungsabbau noch weiter<br />
gehen, haben der Revision aber schliesslich<br />
mit Blick auf eine mögliche Volksabstimmung<br />
zugestimmt. Zur Abstimmung wird es<br />
kommen, weil Gewerkschaften, Sozialdemokraten<br />
und Grüne das Referendum ergriffen<br />
haben. Sie sprechen von einem Sozialabbau,<br />
der jene Personen bestrafe, die sowieso<br />
schon am meisten unter Krise litten.<br />
Lehnt das Volk die Revision ab, muss der<br />
Bundesrat die Lohnabzüge per Anfang 2011<br />
erhöhen, weil die ALV die gesetzlich zulässige<br />
Verschuldungsquote überschritten hat.<br />
Ohne Sparmassnahmen würde diese Prämienerhöhung<br />
allerdings höher ausfallen, als<br />
es mit der Revision geplant ist.<br />
Aufsicht nicht die Kompetenz hat,<br />
das Verhalten der UBS zu untersuchen,<br />
gab sie auch der Bank<br />
Empfehlungen ab. Insbesondere<br />
forderte die GPK die UBS auf, ihr<br />
eigenes Verhalten im Verlaufe der<br />
Krise aufzuarbeiten. RL<br />
21
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
22 AUSLANDSCHWEIZER-ORGANISATION<br />
www.<strong>swiss</strong>community.org: chatten, suchen, fi nden<br />
Welches ist die Rolle der ASO im Zeitalter der elektronischen Kommunikationsplattformen?<br />
Diese Frage beantworten wir mit einem globalen Netzwerk für Auslandschweizerinnen<br />
und Auslandschweizer oder anders ausgedrückt: mit einer weltweiten virtuellen<br />
Community für alle <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong>, die im Ausland leben.<br />
SwissCommunity wurde durch die Auslandschweizer-Organisation<br />
(ASO) gegründet<br />
und ist eine Internet-Plattform für unsere<br />
Mitbürger im Ausland. Es ist ein wenig wie<br />
Facebook, Xing oder Linked-In, aber eben<br />
doch nicht das Gleiche. Der neue Auslandschweizerclub<br />
wird eine exklusive Kommunikationsplattform<br />
sein, spezifi sch auf die<br />
Bedürfnisse unserer Landsleute im Ausland<br />
zugeschnitten. SwissCommunity soll in erster<br />
Linie den Kontakt der Auslandschweizer<br />
untereinander und zur Schweiz erleichtern.<br />
Zugleich soll mit www.<strong>swiss</strong>community.org<br />
auch die Kommunikation zwischen der<br />
ASO und den Auslandschweizer-Gemeinschaften<br />
gefördert werden.<br />
Zentrales Instrument wird dabei eine<br />
Online-Plattform sein, die es <strong>Schweizer</strong>innen<br />
und <strong>Schweizer</strong>n im Ausland sowie interessierten<br />
Stellen und Institutionen im Inland<br />
gestattet, gezielt miteinander in<br />
Kontakt zu treten. Beispielsweise wollen<br />
wir den Kontakt zwischen den <strong>Schweizer</strong>innen<br />
und <strong>Schweizer</strong>n im Ausland und<br />
ihrem Herkunfts- oder Heimatkanton und<br />
umgekehrt erleichtern.<br />
Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer,<br />
welche ihre alte Heimat besuchen,<br />
erhalten per www.<strong>swiss</strong>commu nity.org<br />
touristische Informationen, Tipps und Angebote.<br />
<strong>Schweizer</strong>vereine und schweizerische<br />
Institutionen im Ausland können die<br />
neue Plattform und die SwissCommunity<br />
für Veranstaltungshinweise und damit auch<br />
für die Mitgliederwerbung nutzen, und wer<br />
als Ausland-Berner im Ausland mit einem<br />
anderen Ausland-Berner Erfahrungen austauschen<br />
will, kann dies ebenfalls auf<br />
www.<strong>swiss</strong>community.org tun. Wir hoffen<br />
auch, dass durch das neue Netzwerk die<br />
Dienstleistungen der ASO und die Angebote<br />
ihrer Partner einem breiteren<br />
Publikum bekannt und zugänglich gemacht<br />
werden können.<br />
Ganz generell möchten wir mit<br />
www.<strong>swiss</strong>community.org die Kommunikation<br />
über alle Landesgrenzen hinaus verstärken<br />
und intensivieren.<br />
Über www.<strong>swiss</strong>community.org kann<br />
man zum Beispiel gute Adressen und Ratschläge<br />
austauschen, neue Bekanntschaften<br />
schliessen oder von Spezialangeboten<br />
profi tieren. Wer mit anderen die Freizeit<br />
teilen will oder soziale Kontakte sucht,<br />
kann dies über SwissCommunity besorgen<br />
– von Auslandschweizer zu Auslandschweizer.<br />
Ein Veranstaltungskalender wird über<br />
Ereignisse informieren, die vor allem für<br />
Auslandschweizer von Interesse sind, vom<br />
kulturellen Programm der <strong>Schweizer</strong> Botschaft<br />
in London bis zum Fondue-Abend in<br />
New York oder dem Networking-Cocktail<br />
in Shanghai. Mitglieder können auch<br />
eigene Veranstaltungen eintragen und ihre<br />
Kontakte dazu einladen.<br />
Die Online-Community der ASO ist<br />
vollumfänglich auf die Bedürfnisse der<br />
<strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong> im Ausland<br />
ausgerichtet – egal, ob sie erst seit kurzem<br />
aus der Heimat weggezogen sind oder<br />
schon lange im Ausland leben. www.<strong>swiss</strong>community.org<br />
ist ein umfassender Link<br />
zur Schweiz und zu allen <strong>Schweizer</strong> Bürgern<br />
auf allen Kontinenten – einfach per<br />
Mausklick und ohne Kosten. Die neue<br />
Plattform ist jedoch auch für alle Rückkehrer<br />
wichtig, die weiterhin mit ihren Freunden<br />
in aller Welt den Kontakt aufrecht erhalten<br />
möchten.<br />
Die Auslandschweizer-Organisation hat<br />
die neue Internet-Plattform zusammen mit<br />
ihren Partnern <strong>swiss</strong>info, Schweiz Tourismus,<br />
Mediaparx und ManRey aufgebaut.<br />
EC
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
«Der Standort Schweiz<br />
braucht <strong>swiss</strong>info»<br />
«<strong>swiss</strong>info muss auf alle Fälle erhalten<br />
bleiben», fordert der Tessiner Journalist<br />
und Ständerat Filippo Lombardi. Er erinnert<br />
den Bundesrat zudem an seine gesetzlichen<br />
Pfl ichten und an die Bedeutung<br />
der Auslandsinformation für den Standort<br />
Schweiz. Interview Heinz Eckert<br />
«schweizer revue»: <strong>swiss</strong>info ist einmal<br />
mehr in Gefahr. Kann es sich die globalisierte<br />
Schweiz überhaupt leisten, auf eine mediale<br />
Auslandspräsenz zu verzichten?<br />
fi lippo lombardi: Für mich ist die Antwort<br />
klipp und klar: NEIN! Es wäre wirklich<br />
ein Eigengoal, genau in dieser Zeit, mit<br />
dem zunehmenden internationalen politischen<br />
und medialen Druck auf die Schweiz,<br />
diesen privilegierten Kanal fallen zu lassen.<br />
Worin sehen Sie die besonderen Leistungen<br />
von <strong>swiss</strong>info?<br />
Als Journalist schätze ich einerseits die Auswahl,<br />
Einordnung und synthetische Darstellung<br />
der Themen, die für ein internationales<br />
Publikum selbstverständlich anders sein müssen<br />
als für Inländer. Andererseits ist für mich<br />
die redaktionelle Unabhängigkeit des Portals<br />
ein Vorbild im internationalen Vergleich: Wir<br />
können stolz sein, eine angesehene «Stimme<br />
der Schweiz» zu haben, die kein staatliches<br />
Sprachrohr ist. Letztlich sind auch die neun<br />
Sprachen von <strong>swiss</strong>info eine weltweite Rarität,<br />
die es unbedingt zu erhalten gilt. Mir fehlt<br />
nur noch Russisch im Angebot.<br />
Wie wichtig ist <strong>swiss</strong>info für das Image der<br />
Schweiz im Ausland?<br />
Unverzichtbar. Ich stelle immer mehr fest,<br />
in meinen Beziehungen zu Freundes- und<br />
Familienkreisen im Ausland, dass sie wirklich<br />
auf <strong>swiss</strong>info angewiesen sind, um ihre Beziehung<br />
mit der Schweiz lebendig zu halten.<br />
Swissinfo erklärt dem Ausland – auch den<br />
ausländischen Journalisten – die Schweiz und<br />
ihr politisches System. Das war wichtig bei<br />
der Minarett-Abstimmung und auch im Zusammenhang<br />
mit dem Bankgeheimnis und<br />
dem Finanzplatz.<br />
Würde es nicht genügen, wenn <strong>swiss</strong>info nur<br />
in unseren Landessprachen und in Englisch<br />
informieren würde?<br />
Sicher nicht! Wie gesagt, befürworte ich<br />
im Gegenteil die Ausweitung auf Russisch.<br />
Dass man auch nur auf die Idee einer Kürzung<br />
kommt – in einem Land wie der Schweiz,<br />
das genau weiss, dass man alles Mögliche<br />
übersetzen muss, um gut verstanden zu werden<br />
und den Zusammenhalt zu fördern –<br />
fi nde ich einfach unverständlich.<br />
Sollten nicht Organisationen wie Pro Helvetia,<br />
economiesuisse, Osec oder Präsenz Schweiz<br />
alles Interesse haben, dass <strong>swiss</strong>info erhalten<br />
bleibt und sich entsprechend einsetzen?<br />
Ja, sie alle brauchen <strong>swiss</strong>info. Die Zusammenarbeit<br />
muss allerdings noch intensiviert<br />
und verbessert werden, im Interesse des<br />
Standortes Schweiz.<br />
Die SRG hat fi nanzielle Probleme und muss<br />
sparen. Wo sehen Sie Sparpotenzial?<br />
Sicher nicht bei <strong>swiss</strong>info. Wenn die SRG<br />
ein Prozent ihrer Gebühreneinnahmen für<br />
die Auslandsinformation einsetzt, entspricht<br />
das genau dem «Service Public». Oder ist<br />
«Service Public» nur eine Legitimation für<br />
das Gebühreninkasso? Zudem ist der Bund<br />
gemäss Radio- und Fernsehgesetz aus dem<br />
Jahr 2007, basierend auf einer Motion Lombardi,<br />
verpfl ichtet, die andere Hälfte von<br />
<strong>swiss</strong>info zu fi nanzieren. Es ist doch merkwürdig,<br />
wenn der Bundesrat in seiner Sparwut<br />
bereits drei Jahre später wieder mit einer<br />
Aufhebung seiner gesetzlichen Pfl icht<br />
droht.<br />
ASO Ratgeber<br />
frage: Ich lebe im Ausland, kann ich mir<br />
meine Pensionskassengelder der 2. Säule als<br />
Kapital auszahlen lassen?<br />
antwort: Das kommt darauf an, ob Sie<br />
nun in einem EU-/EFTA-Staat leben oder<br />
nicht:<br />
Bei einem Wohnsitz in einem EU-/<br />
EFTA-Staat ist die Kapitalauszahlung der<br />
2. Säule grundsätzlich nicht mehr möglich,<br />
wenn man in seinem neuen Wohnsitzland<br />
der obligatorischen Versicherung gegen die<br />
Risiken Alter, Invalidität und Tod untersteht.<br />
Selbständigerwerbende können sich<br />
also die 2. Säule auszahlen lassen, sofern ihr<br />
Wohnsitzland keine obligatorische Versicherung<br />
gegen die oben erwähnten Risiken<br />
für Selbständige vorsieht.<br />
Wer hingegen ausserhalb eines EU- oder<br />
EFTA-Staates Wohnsitz nimmt, kann die<br />
Kapitalauszahlung seiner Pensionskassengelder<br />
der 2. Säule verlangen. Es ist empfehlenswert,<br />
sich diesbezüglich frühzeitig<br />
bei seiner Pensionskasse zu erkundigen.<br />
Diese kann eine Barauszahlung nämlich<br />
verweigern, wenn die betreffende Person<br />
bereits ein Alter erreicht hat, für das ihre<br />
Pensionskasse die Möglichkeit einer vorzeitigen<br />
Pensionierung vorsieht.<br />
Die Gelder der 2. Säule können auch<br />
weiterhin für die Finanzierung, den Bau<br />
oder die Renovation von selbst genutztem<br />
Wohneigentum oder für die Amortisation<br />
einer Hypothek verwendet werden. Dies<br />
gilt auch dann, wenn sich die Liegenschaft<br />
in einem der EU- oder EFTA-Land befi ndet.<br />
Die Auszahlung des überobligatorischen<br />
Teils der 2. Säule bleibt weiterhin möglich.<br />
Bei einer Kapitalauszahlung der Pensionskassengelder<br />
wird empfohlen, eine Versicherung<br />
für die Risiken Invalidität und<br />
Tod abzuschliessen.<br />
Sarah Mastantuoni, Leiterin des Rechtsdienstes der ASO<br />
Jugendangebote und Projekte<br />
der Auslandschweizer-<br />
Organisation<br />
Die ASO bietet jungen Auslandschweizern<br />
ein vielfältiges Angebot, um die Schweiz<br />
kennenzulernen und Jugendliche aus<br />
der ganzen Welt zu treffen.<br />
Ein einmaliges Projekt fi ndet diesen<br />
Herbst gesamtschweizerisch statt. Tausende<br />
von Jugendgruppen machen mit,<br />
wenn am 9. September der Startschuss zur<br />
«Aktion 72 Stunden» fällt. Auch die Auslandschweizer<br />
werden teilnehmen und das<br />
ihnen zugeteilte gemeinnützige Projekt<br />
hoffentlich erfolgreich im Wettlauf gegen<br />
die Zeit umsetzen können. Informationen<br />
zur «Aktion 72 Stunden – und die Schweiz<br />
steht Kopf» gibts auf www.72h.ch.<br />
Seminar zur Eidgenössischen Jugendsession,<br />
09. – 15.11.2009<br />
Die Jugendlichen in der Schweiz nehmen<br />
Einfl uss auf die Politik des Landes. Im<br />
November ist es wieder so weit. Das<br />
Jugendparlament tagt im Bundeshaus.<br />
200 Jugend liche erhalten die Chance, sich<br />
zu aktuellen politischen Themen zu äussern.<br />
Die ASO bietet Auslandschweizern<br />
die Möglichkeit, an diesem Anlass teilzunehmen.<br />
Wir bereiten die Jungparlamentarier<br />
auf die Session vor und begleiten sie<br />
eine Woche lang.<br />
23
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
24 AUSLANDSCHWEIZER-ORGANISATION<br />
Heute schon können sich Auslandschweizer<br />
für die Winterlager 2011 anmelden.<br />
Neujahrsskilager in Sedrun (GR)<br />
27.12.2010 – 05.01.2011<br />
60 Jugendliche aus über 20 Ländern treffen<br />
sich in den Bündner Bergen. Das Skigebiet<br />
von Sedrun ist schneesicher und attraktiv.<br />
Die Unterkunft ist gemütlich und<br />
liegt direkt im Dorf. Eine rauschende Silvesterparty<br />
gehört selbstverständlich dazu.<br />
Schneesportwoche in Wengen (BE)<br />
26.02. – 05.03.2011<br />
Ein ganz besonderes Lager fi ndet im<br />
Berner Oberland statt. Die Teilnehmer der<br />
Schneesportwoche sind älter als 18 Jahre.<br />
Viele Stammgäste treffen sich regelmässig<br />
in der Schweiz und geniessen die internatio<br />
nale Stimmung im Lagerhaus und im<br />
Skigebiet. Neue Gesichter sind herzlich<br />
willkommen.<br />
Osterlager in Fiesch (VS)<br />
16.04. – 24.04.20011<br />
In Sportzentrum in Fiesch nutzen die<br />
Auslandschweizer eine fabelhafte Infrastruktur<br />
mit Turnhallen, Sportplätzen und<br />
Hallenbad. Natürlich sind die Bedingungen<br />
für Schneesport auch im April auf der<br />
Fiescheralp noch ideal. Skifahren in der<br />
Frühlingssonne gilt als aussergewöhnlicher<br />
Spass.<br />
Auskünfte und Informationen zu den genannten<br />
Angeboten unter<br />
Auslandschweizer-Organisation<br />
Jugenddienst, Tel.: +41 (0)31 356 61 00<br />
youth@aso.ch, www.aso.ch<br />
Winterlager für Kinder von<br />
8 bis 14 Jahren<br />
Ob Skifahrer oder Snowboarder, Anfänger<br />
oder Fortgeschrittener, in unseren Winterlagern<br />
können 8 bis 14jährige Auslandschweizer-Kinder<br />
eine tolle Zeit verbringen!<br />
Winterlager Tschierv (GR)<br />
Datum: Montag, 27. Dezember 2010 bis<br />
Mittwoch, 5. Januar 2011<br />
Anzahl Teilnehmende: 36<br />
Kosten: CHF 900.– Lagerbeitrag<br />
Ski- od. Snowboardmiete: ca. CHF 150.–<br />
Anmeldeschluss: 30. Oktober 2010<br />
TALON FÜR AUSLOSUNG JUSKILA LENK (2.–9.1.2011):<br />
Bitte in gut lesbarer Druckschrift ausfüllen.<br />
Vorname: Name:<br />
Strasse: PLZ, Ort:<br />
Land: Geburtsdatum:<br />
Name der / des Erziehungsberechtigten:<br />
❑ Mädchen / ❑ Knabe Telefon:<br />
Heimatgemeinde in der Schweiz (siehe Pass / ID):<br />
E-Mail Eltern:<br />
Sportart: ❑ Ski alpin / ❑ Langlauf / ❑ Snowboard<br />
(Nur ein Feld ankreuzen! Nach der Verlosung kann die Sportart nicht mehr gewechselt werden.)<br />
Sprache Kind: ❑ Deutsch / ❑ Französisch / ❑ Italienisch<br />
Unterschrift der / des Erziehungsberechtigten:<br />
Unterschrift des Kindes:<br />
Einsendung des Talons zusammen mit einer Kopie des <strong>Schweizer</strong> Passes eines Elternteils oder des Kindes bis<br />
15. Oktober 2010 (Datum des Eingangs) an: Stiftung für junge Auslandschweizer, Alpenstrasse 26, CH-3006 Bern,<br />
Tel. +41 31 356 61 16, Fax +41 31 356 61 01, E-mail: sjas@aso.ch<br />
Winterlager Arolla (VS)<br />
Datum: Montag, 27. Dezember 2010 bis<br />
Mittwoch, 5. Januar 2011<br />
Anzahl Teilnehmende: 36<br />
Kosten: CHF 900.– Lagerbeitrag<br />
Ski- od. Snowboardmiete: ca. CHF 150.–<br />
Anmeldeschluss: 30. Oktober 2010<br />
Anmeldung<br />
Die genauen Angaben zu den Winterlagern<br />
und das Anmeldeformular fi nden Sie<br />
ab 15. September 2010 unter www.sjas.ch<br />
(«unsere nächsten Lager»). In berechtigten<br />
Fällen werden Beitragsreduktionen gewährt.<br />
Das entsprechende Formular kann<br />
auf dem Anmeldeformular bestellt werden.<br />
Auf Anfrage stellen wir Ihnen unsere Informationsbroschüre<br />
gerne auch per Post zu.<br />
JUSKILA Lenk<br />
Auslosung für eine Teilnahme am Jugendskilager<br />
(JUSKILA) in der Lenk für 13- und<br />
14-jährige Auslandschweizer-Kinder.<br />
600 <strong>Schweizer</strong> Kinder, darunter eine<br />
Anzahl Auslandschweizer-Kinder mit Jahrgang<br />
1996 und 1997, können kostenlos am<br />
grossen Skilager des <strong>Schweizer</strong>ischen Skiverbandes<br />
in der Lenk teilnehmen. Dieses<br />
fi ndet vom 2.–9. Januar 2011 statt. Um am<br />
Juskila teilnehmen zu können, sollten die<br />
Auslandschweizer-Kinder sich wenigstens<br />
in einer der drei schweizerischen Landessprachen<br />
(Deutsch, Französisch oder Italienisch)<br />
verständigen können. Gewonnen<br />
werden kann lediglich die Teilnahme am<br />
Lager (Schneesportunterricht, Essen, Unterkunft).<br />
Die Organisation sowie die Finanzierung<br />
der Hin- und Rückreise liegt in<br />
der Verantwortung der Eltern. Informiert<br />
wird Ende Oktober, wer dabei sein kann.<br />
Auskünfte und Informationen:<br />
Stiftung für junge Auslandschweizer (SJAS),<br />
Tel. +41(0)31 356 61 16, sjas@aso.ch, www.sjas.ch<br />
AUSLANDSCHWEIZER-ORGANISATION<br />
Unsere Dienstleistungen:<br />
■ Rechtsdienst<br />
■ Jugenddienst<br />
■ AJAS<br />
Der Verein zur Förderung der Ausbildung junger Auslandschweizer<br />
■ KSA<br />
Das Komitee für <strong>Schweizer</strong> Schulen im Ausland<br />
■ SJAS<br />
Die Stiftung für junge Auslandschweizer<br />
ASO, Auslandschweizer-Organisation, Alpenstrasse 26, CH–3006 Bern,<br />
Telefon +41 31 356 61 00, Fax +41 31 356 61 01, www.aso.ch
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26 DICHTER AUF SCHWEIZERREISE<br />
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
Foto: Keystone<br />
Auf den Spuren Byrons in der Schweiz<br />
Von Mai bis Oktober 1816 hielt sich der englische Dichter Lord<br />
Byron (1788–1824) in der Schweiz auf. Segelfahrten auf<br />
dem Genfersee und Ausfl üge in die Alpen inspirierten ihn zu<br />
zwei seiner Hauptwerke. Unterwegs auf den Spuren eines<br />
der ersten Romantiker. Von Alain Wey<br />
Wer ist Lord Byron? Der Rockstar unter den<br />
englischen Literaten des beginnenden<br />
19. Jahrhunderts. Er wurde durch die Veröffentlichung<br />
der ersten beiden Canti von<br />
Childe Harolds Pilgerfahrt (Childe Harold's<br />
Pilgrimage, 1812) über Nacht berühmt. Diese<br />
Gesänge erzählen von den Abenteuern und<br />
Eindrücken seiner Reise nach Portugal,<br />
Spanien, Griechenland und in die Türkei.<br />
Byron ist denn auch derjenige Autor, der im<br />
berühmten Film von Robin Williams Der<br />
Club der toten Dichter (Dead Poets Society,<br />
1989) am häufi gsten zitiert wird. 1816 sah<br />
sich der wohlhabende Verführer mit Sitz im<br />
House of Lords gezwungen, nach dem Skandal<br />
um seine inzestuöse Beziehung zu seiner<br />
Halbschwester und einer ebenfalls skandalumwobenen<br />
Scheidung ins Exil<br />
zu gehen. Er war zu diesem Zeitpunkt<br />
28 Jahre alt. Der Vorreiter<br />
der Romantikwelle in der<br />
Literatur hielt sich von Mai bis<br />
Oktober in der Schweiz auf und<br />
schrieb den 3. Gesang von<br />
Childe Harolds Pilgerfahrt sowie<br />
Der Gefangene von Chillon<br />
(The Prisoner of Chillon).<br />
Drehen wir die Zeit zurück, und<br />
zeichnen wir die Spur dieses<br />
Poeten nach, der nie ohne seinen<br />
Stockdegen ausging.<br />
Die Villa Diodati<br />
Byron reist über Flandern und<br />
Deutschland in die Schweiz,<br />
denn die französische Regierung<br />
verweigerte ihm die Durchreise.<br />
Er wird von seinem Kammerdiener<br />
Fletcher, zwei Dienstboten,<br />
dem Kurier Berger und dem<br />
Arzt Polidori begleitet. Am<br />
17. Mai 1816 durchquert der<br />
Dichter Luzern, am 23. Mai betritt<br />
er bernischen Boden. Über<br />
Avenches und Lausanne erreicht<br />
er Genf und bezieht im Hôtel d'Angleterre<br />
im Stadtteil Sécheron Quartier. Bei der Anmeldung<br />
gibt er sein Alter mit sagenhaften<br />
hundert Jahren an. Er trifft den Dichter<br />
Percy Shelley (1792-1822), der von seiner<br />
Frau Mary sowie von Claire Clairmont, der<br />
späteren Geliebten Byrons, begleitet wird.<br />
Von nun an nehmen die beiden Schriftsteller<br />
ihre Mahlzeiten gemeinsam ein und verbringen<br />
die Abende mit Bootsfahrten auf<br />
dem Genfersee, denn beide lieben das Wasser.<br />
Am 10. Juni bezieht Byron die Villa<br />
Diodati in Cologny auf der Südseite des Sees,<br />
wo auch Shelley ein Haus mietet. Die Gegend<br />
ist eine Oase der Ruhe und des Friedens.<br />
Manchmal setzt sich Byron morgens<br />
auf den grossen Balkon der Villa und arbei-<br />
Der englische Dichter Lord George Byron (1788-1824)<br />
tet an Childe Harolds Pilgerfahrt oder am<br />
Gedicht Darkness (Dunkelheit). Er wird der<br />
Träumereien am See und der Spaziergänge<br />
über die Hügel niemals müde. Es kommt<br />
auch vor, dass Byron mit seinem Boot mit<br />
englischem Kiel mitten in der Nacht und<br />
während eines Sturms auf den Genfersee<br />
hinausfährt, ungeachtet der Gefahr, die ihm<br />
dort droht. Als er an einem Morgen mit sehr<br />
heftigem Wind ganz alleine auf dem See<br />
segelt, wird zu seiner «Rettung» Alarm<br />
geschlagen. Am Ufer angekommen, bedankt<br />
sich Byron mit einer schrecklichen Szene bei<br />
seinen armen Rettern, und wirft ihnen vor,<br />
sie hätten mit ihrer Aktion seine Meditationen<br />
gestört!<br />
Die Geburt Frankensteins<br />
Sintfl utartiger Regen, düstere Nächte und<br />
die Lektüre deutscher Volksmärchen: Das<br />
Wetter steigert die Vorstellungskraft und<br />
den Hang zum Fantastischen. Byron schlägt<br />
Shelley, dessen Frau und Polidori vor, eine<br />
Schauergeschichte zu schreiben. Er skizziert<br />
eine Vampirgeschichte ... aber ohne rechte<br />
Überzeugung. Im Kopfe der Frau jedoch<br />
reift die Idee heran. Nach einem fürchterlichen<br />
Alptraum hat Mary Shelley das Thema<br />
ihrer Gruselgeschichte gefunden. Gleich am<br />
nächsten Tag beginnt sie mit der<br />
Niederschrift von Frankenstein,<br />
erst in Form einer kurzen Novelle,<br />
schliesslich wird aber ein<br />
ganzer Roman daraus.<br />
Am 22. Juni machen Byron und<br />
Shelley eine Bootsfahrt dem<br />
Savoyer Ufer entlang. Evian,<br />
Tour ronde, Lugrin und Meillerie<br />
ziehen vorbei. Dann, am<br />
24. Juni, erleben sie in Saint-<br />
Gingolph einen Sturm, der fast zu<br />
ihrem Schicksal wird. Nachdem<br />
sie an dem am Fusse einer Felswand<br />
gelegenen Dorf Villeneuve<br />
vorbeigesegelt sind, erscheint<br />
schliesslich die Silhouette von<br />
Schloss Chillon, der heiligen<br />
Stätte Jean-Jacques Rousseaus,<br />
die Kulisse für Die neue Heloise<br />
(La Nouvelle Héloïse ). Die beiden<br />
Dichter dringen in die Tiefen<br />
des Schlosses vor und erreichen<br />
das unterhalb des Seespiegels liegende<br />
Verlies mit seinen sieben<br />
Säulen. Dort entdeckt Byron die<br />
Geschichte des Priors François<br />
Bonivard, der von 1530 bis 1536 im
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
Foto: Keystone<br />
Schloss Chillon eingekerkert war,<br />
weil er sich dem Herzog von Savoyen<br />
widersetzte, der versuchte sich die<br />
Stadt Genf anzueignen. Weiter den<br />
Spuren Rousseaus folgend, gelangen<br />
die beiden Dichter nach Clarens.<br />
Schliesslich erreichen sie Ouchy<br />
(Lausanne), wo Byron am 28. Juni in<br />
ungemein kurzer Zeit das Gedicht<br />
The Prisoner of Chillon schreibt. Die<br />
literarische Ausbeute dieser Seerundreise<br />
wird überhaupt enorm sein.<br />
Zurück in Cologny verbringt Byron<br />
die Monate Juli und August in der<br />
Villa Diodati: Er schreibt, spaziert,<br />
segelt und beherbergt manchmal<br />
Gäste aus England. Häufi g besucht<br />
er auch die Schriftstellerin Madame<br />
de Staël in Coppet, die ihm mit dem<br />
Ausruf schmeichelt: «Der Genfersee<br />
schuldet Ihnen Anerkennung,<br />
Mylord.» Am 29. August verlassen<br />
die Shelleys Cologny Richtung England,<br />
und Byron reist nach Chamonix<br />
und zum Mont-Blanc.<br />
Reise in den Alpen<br />
Am 17. September unternimmt Byron mit<br />
zwei englischen Freunden eine Reise ins Berner<br />
Oberland. Über Les Avants (oberhalb<br />
Montreux), den Jaman-Pass, das Simmental,<br />
Thun und Interlaken gelangt er nach Lauterbrunnen,<br />
einem zwischen hohen Bergspitzen<br />
liegenden Dorf, wo in schwindelerregenden<br />
Schluchten tosende Bäche ins Leere fallen.<br />
Die Staubbachfälle fesseln seine Aufmerksamkeit<br />
lange: «The torrent is in shape curving<br />
over the rock, like the tail of a white<br />
«... yonder Alpine snow, Imperishably<br />
pure beyond all things below.»<br />
«Lake Leman woos me with its crystal face,<br />
The mirror where the stars and mountains<br />
view<br />
The stillness of their aspect in each trace<br />
Its clear depth yields of their far height and<br />
hue:<br />
There is too much of man here, to look<br />
through<br />
With a fi t mind the might which I behold;<br />
But soon in me shall Loneliness renew<br />
Thoughts hid, but not less cherished than<br />
of old...»<br />
Childe Harold's Pilgrimage, 3. Gesang,<br />
67.-68. Strophe<br />
Anne Isabella Noel Byron (1792–1860), die Gattin Lord<br />
Byrons<br />
horse streaming in the wind.»* Auf der<br />
Wengernalp verweilt der Dichter kontemplativ<br />
vor dem Dreigestirn Eiger, Mönch und<br />
Jungfrau, das hier die ganze Pracht seiner<br />
4000 Meter entfaltet. Die bis in die Wälder<br />
reichenden Gletscherzungen, die Lawinen,<br />
die Eisfälle – all das fasziniert Byron. Er<br />
steigt nach Grindelwald hinunter und weiter<br />
an den Brienzersee, von wo aus er nach<br />
Interlaken zurückkehrt. In Freiburg kauft<br />
der Dichter einen «scheusslichen» Hund<br />
ohne Schwanz namens Mutz, der alle beisst.<br />
«And Jura answers, through her misty<br />
shroud,<br />
Back to the joyous Alps, who call to her<br />
aloud!»<br />
3. Gesang, 92. Strophe<br />
«Clarens! sweet Clarens! birthplace of<br />
deep Love!<br />
Thine air is the young breath of passionate<br />
thought;»<br />
«Clarens! by heavenly feet thy paths are<br />
trod, -<br />
Undying Love’s, who here ascends a throne<br />
To which the steps are mountains;»<br />
Am 29. September ist er wieder zurück<br />
in der Villa Diodati. Byron will<br />
den Winter in Italien verbringen<br />
und muss unverzüglich reisen, bevor<br />
die Pässe zugeschneit werden. Er<br />
glaubt zu der Zeit nicht, dass es sich<br />
dabei um einen endgültigen Abschied<br />
handelt, denn er behält sein<br />
Segelboot und macht es im Hafen<br />
von Genf fest.<br />
Am 5. Oktober eilt er Richtung<br />
Wallis, macht in Saint-Maurice halt,<br />
durchquert das Rhonetal, bewundert<br />
den Wasserfall von Pissevache<br />
und führt seine Reise Richtung<br />
Martigny, Sitten, Siders, Leuk und<br />
Visp fort. Von Brig aus bringt ihn<br />
die Überquerung des Simplons nach<br />
Italien. Lord Byron kehrt nicht<br />
mehr in die Schweiz zurück und<br />
wird auch England niemals wiedersehen.<br />
Er engagiert sich im griechischen<br />
Unabhängigkeitskampf gegen<br />
die türkische Herrschaft und stirbt<br />
1824 im Alter von 36 Jahren an<br />
Malaria. In einem so kurzen Leben<br />
sind diese fünf Monate, die er in der Schweiz<br />
verbrachte, also recht bedeutsam. Und in seinen<br />
Versen von Childe Harolds Pilgerfahrt<br />
klingt die Begeisterung noch mit: «Once<br />
more upon the waters! yet once more! / And<br />
the waves bound beneath me as a steed /<br />
Welcome to their roar!»**<br />
Byron et Shelley en Suisse et en Savoie, von Claire-<br />
Eliane Engel, Librairie Dardel, Chambéry, 1930<br />
* A Journal, 23. September, Letters and Journals,<br />
Lord Byron.<br />
** Childe Harold's Pilgrimage, 3. Gesang, 2. Strophe<br />
«T’was not for fi ction chose Rousseau<br />
this spot,<br />
Peopling it with affections; but he found<br />
It was the scene which passion must allot<br />
To the mind’s purifi ed beings;»<br />
3. Gesang, 99., 100. und 104. Strophe<br />
«Here are the Alpine landscapes which<br />
create<br />
A fund for contemplation; to admire<br />
Is a brief feeling of a trivial date;<br />
But something worthier do such scenes inspire,<br />
Here to be lonely is not desolate.»<br />
Epistle to Augusta, 8. Strophe, 1.-5. Vers<br />
27
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
28 MODERNE SENNEN<br />
Das Sennentum des 21. Jahrhunderts<br />
Die Bergkäser und -hirten haben sich der neuen Zeit<br />
angepasst, die Sennenkultur lebt auch auf den Alpweiden<br />
und nicht nur in den Museen weiter. Begegnung mit<br />
dem Senn Michel-Joseph Braillard. Von Alain Wey<br />
Wer sind die heutigen Sennen? Alpkäser,<br />
Hirten, Viehhüter, Melker, die folkloristischen<br />
Vertreter par excellence der Schweiz*,<br />
hätten in den 70er Jahren sang- und klanglos<br />
verschwinden können, wenn nicht die<br />
alternative Jugend der Städte zu ihrer Verstärkung<br />
geeilt wäre. Die Geschichte des<br />
Alp käses hat noch viele Jahrzehnte vor sich.<br />
Der Senn Michel-Joseph Braillard kommt<br />
auf eine tausendjährige Geschichte zu sprechen.<br />
«Die <strong>Schweizer</strong> Messe für Land- und<br />
Milchwirtschaft, die Olma in Sankt Gallen,<br />
spiegelt ein wenig die Schweiz des modernen<br />
Sennentums wider, das sich der heutigen<br />
Zeit enorm angepasst hat. Dank dem Gesetz<br />
über Bodenverbesserungen war es möglich,<br />
Zugangsstrassen zu den Alpweiden zu bauen.<br />
Die heutigen Sennen besitzen fast alle einen<br />
Wagen mit Vierradantrieb. Auf die steilsten<br />
Alpen führen Seilbahnen oder sogar Einschienenbahnen<br />
(Monorails). In der Schweiz<br />
werden die Alpen seit rund 1000 Jahren bewirtschaftet,<br />
das Know-how für die Herstellung<br />
des Caseus helveticus, des Hartkäses,<br />
für den die Schweiz so berühmt ist, steuerten<br />
die Mönche bei.» Bei Michel-Joseph<br />
Braillard sprudeln die Geschichten und Anekdoten<br />
nur so hervor. «Als im 16. Jahrhundert<br />
die Überquerungen des Atlantiks gang<br />
und gäbe wurden, erlebte der Gruyère seinen<br />
ersten Boom, weil er sehr proteinreich<br />
und gut haltbar ist. Die Spuren reichen aber<br />
noch weiter zurück: In der Nähe von Bern<br />
liegt ein Ort namens Chäs u Brot. Dieser<br />
Name geht auf das Jahr 1339 zurück. Als sich<br />
die Deutschschweizer nach Laupen begaben,<br />
um gegen den hochburgundischen Adel zu<br />
kämpfen, wurden sie an diesem Ort mit Käse<br />
und Brot verpfl egt.»<br />
Im 16., 17. und 18. Jahrhundert brachte der<br />
Käse der Schweiz einen gewissen Wohlstand,<br />
es war die Zeit der so genannten Käsebarone,<br />
als auf dem Markt von Lyon jedes Jahr Tausende<br />
von Laibe verkauft wurden. Dieses<br />
goldene Zeitalter endete mit dem ausgehenden<br />
19. Jahrhundert. Erst mit dem Zurückzur-Natur<br />
der 1970er Jahre wuchs die Nach-<br />
frage nach regionalen Produkten und<br />
Alpkäsen wieder und führte beim Sennenvolk<br />
zu einer «Blutauffrischung» durch junge<br />
«Alternative» aus der Stadt, die in Kursen der<br />
landwirtschaftlichen Schulen das Käsen<br />
erlernten. Heutzutage gibt es auch eine<br />
Internetsite, www.zalp.ch, mit einer Sammlung<br />
von Ratschlägen für Sennerinnen und<br />
Sennen und einer Stellenbörse.<br />
Laut Michel-Joseph Braillard ist der Aufschwung<br />
des Sennentums aber auch mit der<br />
Zusammenlegung der Alpen und der Modernisierung<br />
der Ausrüstung und Sennhütten<br />
verbunden. Das ist beispielsweise im<br />
Simmental (BE) so. «Ich denke, dass mit der<br />
grösseren Nachfrage nach regionalen Produkten<br />
für einige Jahrzehnte auch wieder ein<br />
gewisser Wohlstand in die Berglandwirtschaft<br />
zurückgekehrt ist. L'Etivaz aus dem<br />
Pays-d'Enhaut (ebenfalls ein Gruyère) ist<br />
ein gutes Beispiel für die neue Blüte der Alp-<br />
DER ABENTEUERLUSTIGE<br />
SENN<br />
Im Alter von fünf Jahren beginnt<br />
der heute 66-jährige<br />
Senn Michel-Joseph Braillard<br />
nach und nach alle mit dem<br />
Alpleben in den Freiburger<br />
Voralpen verbundenen Arbeiten<br />
zu erlernen. Er, der aus<br />
einer seit vier Jahrhunderten<br />
in der Viehzucht tätigen Familie<br />
stammt, absolviert die<br />
landwirtschaftliche Schule,<br />
treibt Kalberhandel zwischen<br />
der Deutsch- und der Welschschweiz,<br />
wird Stallmeister in<br />
einer grossen Reitschule in<br />
Genf und später Reitlehrer in<br />
St. Moritz (GR). Er arbeitet in<br />
der Versuchsstation für Kreuzungen<br />
von Nutzvieh der ETH<br />
Zürich und am Tierspital als<br />
Techniker für Tierproduktion.<br />
Es folgen der Besuch von<br />
Zuchtbetrieben in Kanada<br />
und Studien in Newcastle,<br />
England: Im Verlaufe der<br />
Jahre wird der Greyerzer zu<br />
einem ausgezeichneten Viehkenner.<br />
Während zwölf Jahren<br />
betreibt er in Zollikon<br />
Mutterkuhhaltung und produziert<br />
auf diese naturnahe<br />
Weise das unter dem Namen<br />
Natura-Beef bekannte Fleisch.<br />
Danach hat er auf einer Alp<br />
im Molésongebiet (FR) eine<br />
Viehzucht, bis er 1985 in die<br />
sennerei. Dieser Käse ist das erste Produkt<br />
überhaupt, das in das schweizerische Register<br />
der geschützten Ursprungsbezeichnungen<br />
(AOC) eingetragen wurde, und die<br />
L'Etivaz-Käser arbeiten mit nur rund 60<br />
Käsekessi.»<br />
Was das Sennenvolk betrifft, so ist dieses international<br />
geworden: Unter den Sennen sind<br />
heute so unterschiedliche Nationen wie Polen,<br />
Kosovo, Paraguay und Libyen vertreten.<br />
Das Sennentum hat heute auch eine neue<br />
Funktion als Hüter der Natur. «Es ist die<br />
Verbindung zwischen Himmel und Erde.<br />
Diese Magie gilt es zu bewahren. Der Käse<br />
ist wie eine gute Flasche Wein, wie ein Clos<br />
de Vougeot oder ein Château Pétrus. Man<br />
verkostet ihn mit Respekt.» Tatsächlich<br />
wirkt sich die Lage der Weiden und das, was<br />
die Kühe oder die Ziegen fressen, direkt auf<br />
den Käse aus. Genauso wie der Rauch des<br />
Holzfeuers unter dem Kessi, das dem Käse<br />
einen ganz bestimmten Geschmack verleiht.<br />
Und «manchmal kann ein Gewittertief den<br />
Teufel in das Kessi treiben!»<br />
* Die Alpsennen tragen insbesondere in Appenzell,<br />
im Toggenburg, im Emmental und im Greyerzerland<br />
besondere traditionelle Kleidung.<br />
www.olma-messen.ch<br />
www.zalp.ch<br />
www.alporama.ch<br />
Dominikanische Republik<br />
auswandert. 1998 übernimmt<br />
er dort 400 Schafe und baut<br />
eine Molkerei-Käserei auf.<br />
2005 kehrt der Senn in die<br />
Schweiz zurück und arbeitet<br />
im Oberwallis, in Graubünden<br />
und im Pays-d'Enhaut (VD).<br />
Heute lebt er mit einer Herde<br />
Ziegen in der Alphütte La<br />
Chetta, im Greyerzerland. Er<br />
mischt der Käsemasse würzige<br />
Alpkräuter bei. «Ich<br />
habe eine Pfl ückerin kennengelernt,<br />
meine Lebensgefährtin,<br />
und daraus ist ein Käse<br />
entstanden, Le Liberta. Solange<br />
ich gesund bin, will ich<br />
zur Alp gehen.»<br />
L'armailli aventurier, Michel-Joseph<br />
Braillard, Editions de l'Aire, 2010.
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Über den Asphalt auf dem<br />
Rheindamm und dem<br />
Bodensee entlang – eine<br />
ideale Route auch für weniger<br />
geübte Skater. Dank<br />
der konsequenten Trennung<br />
vom motorisierten<br />
Verkehr auch für Familien<br />
mit Kindern ein uneingeschränktesSkatevergnügen.<br />
Biketour Sion–Visp.<br />
Biken Sie von den Weinbergen<br />
zu den Skigebieten,<br />
von grossen Tourismuszentren<br />
zu kleinen, beschaulichen<br />
Bergdörfern<br />
und über malerische Alpenpässe<br />
mit kühlen Bergbächen<br />
und herrlichen<br />
Wegen. Und das alles mit<br />
imposanter Aussicht aufs<br />
Rhonetal.<br />
Mittelland-Kanufahrt.<br />
Die Aare, der längste<br />
Fluss der Schweiz, führt<br />
quer durchs Mittelland.<br />
Von Biel in den Aargau über<br />
Solothurn, die schönste<br />
<strong>Schweizer</strong> Barockstadt,<br />
ist diese Reise begleitet<br />
von erstaunlicher Ruhe<br />
und Abgeschiedenheit.<br />
Tipp 1<br />
Weitere Informationen:<br />
541<br />
Tipp 2<br />
Weitere Informationen:<br />
531<br />
Tipp 3<br />
Weitere Informationen:<br />
316354
30 SCHWEIZER PARTEIEN – INTERNATIONALE SEKTIONEN<br />
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
Foto: pd<br />
«Echte Chancen für die Auslandschweizer»<br />
Die SP Schweiz International wurde 1999 gegründet. Zweck:<br />
den vielen Auslandschweizern, die sich mit den Zielen und<br />
Wertvorstellungen der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz<br />
(SPS) identifi zieren können, eine politische Heimat ausserhalb<br />
unserer Landesgrenzen zu bieten. Walter Suter präsidiert die internationale<br />
Sektion der SPS seit 2007. Interview Heinz Eckert<br />
«schweizer revue»: Welche Bedeutung haben<br />
die Auslandschweizer für die SP Schweiz?<br />
walter suter: Als Gemeinschaft von über<br />
700 000 Mitbürgern im Ausland, von denen ca.<br />
130 000 sich in die Wahlregister der Heimat<br />
eingetragen haben, sind die Auslandschweizerinnen<br />
und Auslandschweizer schon rein numerisch<br />
von beträchtlicher Bedeutung. Die<br />
SPS ist der Auffassung, dass die Auslandschweizer<br />
ein legitimes Anrecht darauf haben, sich an<br />
Wahlen und Abstimmungen zu beteiligen und<br />
als Parlamentarier und Parlamentarierinnen in<br />
der Bundesversammlung gemeinsame Anliegen<br />
der Fünften Schweiz direkt auf politischer<br />
Ebene zu vertreten. Deshalb haben im Jahre<br />
2007 auch die beiden SP-Nationalräte Mario<br />
Fehr und Carlo Sommaruga Motionen eingereicht,<br />
die zum Ziele hatten, gesetzliche Massnahmen<br />
einzuführen, die den Auslandschweizern<br />
bei den Wahlen konkrete Chancen<br />
eröffnen sollten, mit ihrer Kandidatur einen<br />
Sitz im Bundesparlament zu erringen.<br />
Welches sind für Sie die dringendsten Anliegen<br />
im Interesse der Auslandschweizer?<br />
Die Schaffung von gesetzlichen Voraussetzungen,<br />
damit die <strong>Schweizer</strong>innen und<br />
<strong>Schweizer</strong> im Ausland echte Chancen erhalten,<br />
in den National- und/oder Ständerat gewählt<br />
zu werden.<br />
Welche Bedeutung haben die Beschlüsse des<br />
Auslandschweizerrats für die SP Schweiz?<br />
Die SP Schweiz ist mit ehemaligen und<br />
aktiven Bundesparlamentariern wie Remo<br />
Gysin und Carlo Sommaruga im Auslandschweizerrat<br />
vertreten. Sie trägt auch dessen<br />
Beschlüsse mit. Damit verleihen die<br />
Resolutionen des ASR den Vorstössen der<br />
Inserat<br />
Walter Suter ist seit Januar 2008 Botschafter<br />
im Ruhestand und lebt in Bern.<br />
SPS in National- und Ständerat in Fragen<br />
der Auslandschweizerpolitik erhöhtes Gewicht<br />
und Glaubwürdigkeit.<br />
Das Budget der «<strong>Schweizer</strong> <strong>Revue</strong>» wurde gekürzt,<br />
<strong>swiss</strong>info ist in Gefahr, am Vertretungsnetz<br />
wird laufend gespart: Wie beurteilen Sie<br />
diese Entwicklung?<br />
Die SP Schweiz und die Internationale<br />
Sektion verfolgen die Entwicklung mit grosser<br />
Sorge und möchte jeglichen Abbau stoppen.<br />
Nächstes Jahr sind wieder eidgenössische Wahlen:<br />
Weshalb sollte ein <strong>Schweizer</strong> oder eine <strong>Schweizer</strong>in<br />
im Ausland die SP wählen?<br />
Die SP Schweiz tritt seit jeher für eine offene<br />
Schweiz ein, die sich souverän<br />
und mit gesundem Selbstbewusstsein<br />
solidarisch und kooperativ in<br />
die Staatengemeinschaft einbringt.<br />
Wir wollen auf der Grundlage sozialer<br />
Gerechtigkeit offensiv, dauernd<br />
und aktiv zu einem friedlichen<br />
Zusammenleben unter den Völkern dieses<br />
Planeten beitragen. Dies entspricht auch den<br />
langfristigen Interessen der Auslandschweizergemeinschaft.<br />
In allen Fragen der Auslandschweizerpolitik<br />
hat die SP Schweiz stets<br />
eine kohärente und konsequente Haltung<br />
eingenommen. Sie wird das auch in Zukunft<br />
tun. Beim Bundesrat und im Parlament vertritt<br />
sie ohne Wenn und Aber die berechtigten<br />
Anliegen der Auslandschweizer.<br />
Wird jemals ein Auslandschweizer oder eine<br />
Auslandschweizerin die Wahl in den Nationalrat<br />
schaffen?<br />
Unter den gegenwärtigen Bedingungen,<br />
bei denen sich Landsleute im Ausland als<br />
Kandidaten um einen Platz auf einer Liste<br />
ihrer Partei im Wahlkanton bemühen müssen,<br />
stehen die Chancen ausgesprochen<br />
schlecht. Ich bin überzeugt, dass es mit beharrlicher<br />
Ausdauer und Überzeugungsarbeit<br />
gelingen kann, die notwendigen verfassungsmässigen<br />
und gesetzlichen<br />
Änderungen für ein passives Wahlrecht der<br />
Auslandschweizer eines Tages zu verwirklichen.<br />
Dann wird sich auch die Frage nach<br />
den Wahlchancen, wie sie heute gestellt werden<br />
muss, erledigt haben. Auf dem Wege zu<br />
einem verbesserten direkten Mitspracherecht<br />
der Mitbürgerinnen und Mitbürger im<br />
Ausland soll nach Meinung der SP Schweiz<br />
International inzwischen die Rolle des Auslandschweizerrates<br />
gestärkt werden, damit<br />
er als echter und demokratisch legitimierter<br />
Repräsentant der Auslandschweizer bei den<br />
politischen Behörden auftreten kann.<br />
Wie pfl egen Sie den Kontakt mit den Auslandschweizerinnen<br />
und Auslandschweizern?<br />
Was unsere Mitglieder angeht, so fi ndet der<br />
Kontakt auf elektronischem Wege statt. Ein<br />
Internet-Anschluss ist denn heute auch Voraussetzung,<br />
um bei der Internationalen<br />
Sektion der SP Schweiz Mitglied<br />
werden zu können.<br />
Gezielten Kontakt zu den Auslandschweizern<br />
pfl egt die Sektion<br />
über ihre Beteiligung am Auslandschweizerkongress.<br />
Gleichzeitig nehmen<br />
die im Auslandschweizerrat vertretenen<br />
SP-Parlamentarier die Gelegenheit wahr, um<br />
mit den aus dem Ausland angereisten Ratsmitgliedern<br />
und vielen anderen Kongressteilnehmern<br />
intensiv Gedanken auszutauschen.
SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />
Foto: Keystone<br />
ECHO<br />
■ Am 1. Mai 2010 trat das<br />
schweizweite Rauchverbot in<br />
öffentlichen Räumen in Kraft.<br />
In der Schweiz ist der Anteil<br />
der Raucherinnen und Raucher<br />
zwischen 2001 und 2009 von<br />
33 % auf 27 % gesunken. Der<br />
Kampf der Organisationen gegen<br />
Lungenkrankheiten hat<br />
einen grossen Fortschritt erzielt,<br />
und es haben sich noch<br />
mehr der früher genossenen<br />
Freiheiten in Luft aufgelöst.<br />
■ Seit am 1. Mai die Weltausstellung<br />
in Shanghai eröffnet<br />
wurde, ist der <strong>Schweizer</strong> Pavillon<br />
ein Renner. Die Besucher<br />
müssen fast drei Stunden warten,<br />
bis sie das Gebäude betreten<br />
können, über welchem eine<br />
Seilbahn mit Sechsersesseln<br />
schwebt. Auf einer Fläche von<br />
4000 m 2 setzt sich die Schweiz<br />
mit dem Thema «Interaktion<br />
zwischen Stadt und Land» auseinander.<br />
Ein Abenteuer, das<br />
noch bis zum 31. Oktober andauert.<br />
■ Laut einer Studie der Eidgenössischen<br />
Technischen Hochschule<br />
Zürich (ETHZ) erbringt<br />
die Schweiz die weltweit<br />
höchste Innovationsleistung.<br />
Sie erweist sich als die innovativste<br />
Volkswirtschaft, und<br />
zwar in der Industrie wie im<br />
Dienstleistungssektor. Auch<br />
bei der Innovationskraft der<br />
KMU liegt die Schweiz zusammen<br />
mit Schweden und Finnland<br />
vorn – noch vor Israel, den<br />
USA und Japan.<br />
■ Die Panini-Bilder der Fussballweltmeisterschaft<br />
haben<br />
eine originelle Konkurrenz bekommen:<br />
Das Sammelalbum<br />
«Der König» zeigt die besten<br />
Schwinger der Schweiz, die am<br />
Eidgenössischen Schwing- und<br />
Älplerfest vom 20. bis 22. August<br />
2010 in Frauenfeld teilnehmen.<br />
Es wurden mehr als<br />
eine Million Bilder verkauft.<br />
■ Der Bundesrat empfi ehlt die<br />
Volksinitiative «6 Wochen Ferien<br />
für alle» zur Ablehnung.<br />
Der Gewerkschaftsdachver-<br />
«Als ich mich in der Uno vorstellte, sagte ich, ich sei präzis wie eine<br />
<strong>Schweizer</strong> Uhr und vielseitig wie ein <strong>Schweizer</strong> Sackmesser.»<br />
Joseph Deiss, früherer Bundesrat, neuer Präsident der<br />
Generalversammlung der Vereinten Nationen<br />
«Beim Vulkanausbruch auf Island war niemand schuld. Also<br />
konnten die Zeitungen keine Rücktritte verlangen, ausser vielleicht<br />
gegenüber Petrus.» Moritz Leuenberger, Bundesrat<br />
«Grenznahe Regionen wie das Elsass, Aosta, Bozen, Vorarlberg,<br />
Savoyen, Baden-Württemberg, Varese und Como müssen als neue<br />
<strong>Schweizer</strong> Kantone erleichtert integriert werden.»<br />
Ernst gemeinte Motion vom SVP-Nationalrat Dominique Baettig<br />
«Die Schweiz ist zu klein für Schnellbahnen. Bis ein Zug zwischen<br />
Bern und Zürich auf Tempo 300 beschleunigt hat, muss er schon wieder<br />
bremsen.» Max Friedli, abtretender Direktor des Bundesamtes für Verkehr<br />
«Fachleute sagen, dass mittlerweile 600 bis 900 Milliarden Franken unversteuerte<br />
Gelder bei unseren Banken gehütet werden.»<br />
Werner Messmer, Thurgauer FDP- Nationalrat<br />
«Es ist nicht einzusehen, warum die <strong>Schweizer</strong> so viel Zeit und<br />
Energie für den Staat aufwenden, während Ausländer weder Militärdienst<br />
noch Wehrpfl ichtersatz leisten.»<br />
Bruno S. Frey, früherer Professor an der Universität Zürich<br />
«Die Schweiz muss sich überlegen, wie sie künftig verfährt. Sonst<br />
kommen gute Musiker mit ihren Guarneris und Stradivaris nicht<br />
mehr hierher.» Patricia Kopatchinskaja, Geigerin mit Wohnsitz in Bern,<br />
deren kostbares Instrument am Zürcher Zoll konfi sziert wurde<br />
«Europaweit sind die <strong>Schweizer</strong>innen mit 30 Prozent Anteil im untersten<br />
Drittel, wenn es um die Vertretung der Frauen in der Politik geht.»<br />
Patricia Schulz, Chefi n des Eidgenössischen Büros für Gleichstellung<br />
«Man müsste die Rassisten daran erinnern, dass auch die Schweiz ein<br />
Auswanderungsland war. Mir glaubt keiner, dass meine Grosseltern<br />
1928 aus Armut emigrierten.»<br />
Melissa Auf der Maur, Kanadaschweizerin und internationaler Rockstar<br />
Der ehemalige Bundesrat Joseph Deiss(Amtszeit 1999–2006) wurde zum Präsidenten<br />
der Uno-Generalversammlung gewählt. Er tritt am 14. September die Nachfolge<br />
des Libyers Ali Treki an und wird das Amt für ein Jahr innehaben. Als Aussenminister<br />
war er federführend am Uno-Beitritt der Schweiz 2002 beteiligt gewesen.<br />
band Travail.Suisse hat die dafür<br />
erforderlichen Unterschriften<br />
im Juni 2009 eingereicht<br />
und das Volk wird 2011 oder<br />
2012 darüber entscheiden.<br />
■ Die Luftverschmutzung ist<br />
in der Schweiz immer noch zu<br />
hoch. 2008 erreichte der Ausstoss<br />
an Treibstoffgasen 53,2<br />
Millionen Tonnen, das sind<br />
0,5 % mehr als 1990 und<br />
4,6 Tonnen mehr als im<br />
Kyoto-Protokoll festgelegt.<br />
■ Der aufgrund der Affäre um<br />
Hannibal Gaddafi entstandene<br />
Konfl ikt zwischen Libyen und<br />
der Schweiz hat endlich ein<br />
Ende gefunden. Die beiden in<br />
Libyen festgehaltenen <strong>Schweizer</strong><br />
wurden freigelassen, Rachid<br />
Hamdani im Februar, nach<br />
19 Monaten Gefangenschaft,<br />
und Max Göldi im Juni, nach<br />
fast 700 Tagen. Die Aussenministerin<br />
Micheline Calmy-Rey<br />
hofft nun auf eine «Normalisierung»<br />
der Beziehungen der<br />
Schweiz mit Tripolis.<br />
■ Gemäss einer Umfrage surfen<br />
in der Schweiz mehr als<br />
die Hälfte der Bevölkerung<br />
(55 %) täglich im Internet, in<br />
Österreich sind es 51 % und in<br />
Deutschland 43 %. Eine Studie<br />
von Pro Senectute ergab, dass<br />
lediglich 38 % der über 65-Jährigen<br />
online sind.<br />
■ Der Beschäftigungsindikator<br />
der Konjunkturforschungsstelle<br />
(KOF) ist in den positiven<br />
Bereich zurückgekehrt und<br />
erreichte im April einen Wert<br />
von 2,9 Punkten gegenüber<br />
-14,2 Punkten im April 2009.<br />
Das deutet auf eine Rückkehr<br />
in die Wachstumszone und<br />
eine Wende auf dem Arbeitsmarkt<br />
hin.<br />
■ Die Armee wird über eine<br />
Milliarde Franken für die<br />
Sanierung von Altlasten aufwenden<br />
müssen, die vor allem<br />
bei Schiessübungen hinterlassen<br />
worden sind. Im Visier stehen:<br />
die Schwermetalle und die<br />
Rückstände von Flammenwerfern,<br />
die an rund 1500 Orten<br />
die Böden verschmutzen und<br />
das Grundwasser gefährden.<br />
■ Das Bundesverwaltungsgericht<br />
(BVG) hat die 333-Millionen-Busse<br />
aufgehoben, welche<br />
die Wettbewerbskommission<br />
(Weko) gegen Swisscom verhängt<br />
hatte, weil diese ihren<br />
Konkurrenten auf dem Mobilfunkmarkt<br />
zu hohe Terminierungsgebühren<br />
verrechnet<br />
haben soll. Dem blauen Riesen<br />
droht jedoch noch eine weitere<br />
Busse in Höhe von 220 Millionen<br />
Franken, welche die Weko<br />
im Juni 2009 ausgesprochen<br />
hat, weil die Swisscom ihre<br />
Marktposition im Bereich der<br />
Breitband-Internetanschlüsse<br />
ausgenutzt habe.<br />
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