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swiss - Schweizer Revue

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DIE ZEITSCHRIFT FÜR AUSLANDSCHWEIZER<br />

AUGUST 2010 / NR. 3<br />

General Guisan:<br />

Hat er die Schweiz im Krieg gerettet?<br />

Wie viel <strong>Schweizer</strong>deutsch<br />

ist angemessen?<br />

Auf den Spuren von<br />

Lord Byron in der Schweiz


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Wir freuen uns auf Ihren online-Besuch.


EDITORIAL INHALT 3<br />

Ein bemerkenswerter <strong>Schweizer</strong><br />

Auch 65 Jahre nach Kriegsende wird immer wieder über die Frage diskutiert,<br />

warum die Schweiz den Zweiten Weltkrieg unversehrt überstanden hat und weshalb<br />

sie von Hitlers Armee verschont wurde. War es Zufall, oder war den Deutschen<br />

die wirtschaftliche Kooperation mit der Schweiz so wichtig, die Rüstungs- und<br />

Finanzgeschäfte und der Goldhandel? Oder war der Alpentransit entscheidend, dass die<br />

Schweiz von Grossdeutschland nicht angegriffen wurde? Waren es die militärischen Siege<br />

der Alliierten, oder meinte es ganz einfach das Schicksal gut mit uns? Oder waren es doch<br />

General Guisan und die <strong>Schweizer</strong> Armee, die den «Eintrittspreis» in die Schweiz für<br />

Adolf Hitler zu hoch angesetzt hatten?<br />

Die Frage, weshalb die Schweiz dem deutschen Reich nicht einverleibt wurde, kann<br />

wohl nie endgültig beantwortet werden. Immerhin scheinen General und Armee die Entscheidungen<br />

des obersten Nationalsozialisten nicht unwesentlich beeinfl usst zu haben:<br />

«Dank der Alpenfestung Reduit und der Kontrolle der Nord-Süd-Achse war das Gewicht<br />

des militärischen Faktors erheblich gestiegen», schrieb der frühere Chefredaktor Fred<br />

Luchsinger in der «Neuen Zürcher Zeitung». «Ohne militärische Abwehrkraft und ohne<br />

den Widerstandswillen wäre unser Land ein reines Objekt deutscher Herrschaftspolitik<br />

in Europa gewesen.»<br />

Es spielten wohl verschiedene Faktoren eine Rolle, am wenigsten wohl das Schicksal.<br />

General Henri Guisan jedenfalls ist zu verdanken, dass die <strong>Schweizer</strong> Armee auf der<br />

Höhe ihrer Aufgabe war und sich die Schweiz gegenüber dem grossen Nachbarn im Norden<br />

taktisch und politisch richtig verhielt. Das zeigt Rolf Ribis Porträt eines bemerkenswerten<br />

<strong>Schweizer</strong>s, der die Historiker und Biografen immer noch beschäftigt, und den<br />

die Auslandschweizer in der Umfrage der «<strong>Schweizer</strong> <strong>Revue</strong>» zum<br />

viertwichtigsten <strong>Schweizer</strong> aller Zeiten erkoren haben (Seite 5).<br />

*<br />

www.<strong>swiss</strong>community.org heisst die neue Internet-Plattform der<br />

Auslandschweizer-Organisation. Die <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong><br />

im Ausland haben damit eine eigene Plattform zum Suchen,<br />

Finden und Chatten bekommen, ein elektronisches Netzwerk für<br />

globale Kontakte untereinander und zur Schweiz. Wer gezielt mit<br />

anderen Auslandschweizern in Kontakt treten will, wer spezifi sche<br />

Heinz Eckert<br />

Informationen über die Schweiz oder andere Auslandschweizer-<br />

Gruppen benötigt, etwas kaufen oder verkaufen oder einfach Kontakt zu Gleichgesinnten<br />

suchen will – www.<strong>swiss</strong>community.org bietet die ideale Plattform. Auslandschweizer,<br />

die ihre alte Heimat besuchen wollen, werden touristische Informationen<br />

und Angebote fi nden, <strong>Schweizer</strong>vereine und schweizerische Institutionen im Ausland<br />

können den neuen elektronischen <strong>Schweizer</strong>club für ihre Mitgliederwerbung nutzen,<br />

sie können sich über ihre Heimatkantone und die Schweiz informieren und herausfi<br />

nden, wo es im Ausland die besten Fondues und das knusprigste Ruchbrot gibt.<br />

www.<strong>swiss</strong>community.org ist ein wenig wie Facebook, Xing oder Linked-In, aber dennoch<br />

nicht das Gleiche. Die elektronische Auslandschweizer-Community ist eine exklusive<br />

Kommunikationsplattform, die spezifi sch auf die Bedürfnisse unserer Landsleute im<br />

Ausland zugeschnitten ist.<br />

Wir hoffen, dass die 700 000 <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong> auf allen Kontinenten<br />

von unserem Angebot regen Gebrauch machen.<br />

HEINZ ECKERT, CHEFREDAKTOR<br />

5<br />

Briefkasten<br />

5<br />

Gelesen: Die Geschichte des Bundeshauses<br />

7<br />

Gesehen: Der <strong>Schweizer</strong> Marlboro Man<br />

8<br />

Hat General Guisan die Schweiz gerettet?<br />

12<br />

Die Berner Ausstellung zum 100. Todestag<br />

Albert Ankers<br />

14<br />

Aus dem Bundeshaus<br />

Regionalseiten<br />

17<br />

Das Freilichtmuseum Ballenberg<br />

18<br />

Wie viel <strong>Schweizer</strong>deutsch ist angemessen?<br />

20<br />

Die UBS im Clinch mit der Schweiz<br />

21<br />

Die Revision der Arbeitslosenversicherung<br />

22<br />

ASO-Informationen<br />

26<br />

Auf den Spuren Lord Byrons in der Schweiz<br />

28<br />

Gelebte Folklore: Moderne Sennerei<br />

30<br />

Parteien im Gespräch: SP International<br />

IMPRESSUM: «<strong>Schweizer</strong> <strong>Revue</strong>», die Zeitschrift für die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, erscheint im 37. Jahrgang in deutscher, französischer, italienischer, englischer<br />

und spanischer Sprache in 14 regionalen Ausgaben und einer Gesamtaufl age von rund 416000 Exemplaren. Regionalnachrichten erscheinen viermal im Jahr.<br />

■ REDAKTION: Heinz Eckert (EC), Chefredaktor; Rolf Ribi (RR); René Lenzin (RL); Alain Wey (AW); Jean-François Lichtenstern (JFL), Auslandschweizerdienst EDA, CH-3003 Bern, verantwortlich<br />

für «Aus dem Bundeshaus». Übersetzung: CLS Communication AG ■ GES T ALTUNG: Herzog Design, Zürich ■ POSTADRESSE: Herausgeber/Sitz der Redaktion/Inseraten-Administration:<br />

Auslandschweizer-Organisation, Alpenstrasse 26, CH-3006 Bern, Tel. +4131356 6110, Fax +4131356 61 01, PC 30-6768-9. Internet: www.revue.ch ■ E-MAIL: revue@aso.ch<br />

■ DRUC K: Zollikofer AG, CH-9001 St.Gallen. ■ ADRESSÄNDERUNG: Bitte teilen Sie Ihre neue Adresse Ihrer Botschaft oder Ihrem Konsulat mit und schreiben Sie nicht nach Bern.<br />

■ Alle bei einer <strong>Schweizer</strong> Vertretung immatrikulierten Auslandschweizer erhalten das Magazin gratis. Nichtauslandschweizer können das Magazin für eine jährliche Gebühr abonnieren<br />

(CH: CHF 25.–/Ausland: CHF 40.–). Abonnenten wird das Magazin manuell aus Bern zugestellt. Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 14.6.2010<br />

31<br />

Echo<br />

Titelbild:<br />

General Henri Guisan: Seine Popularität<br />

ist ungebrochen. Foto: Keystone


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<strong>Schweizer</strong><strong>Revue</strong>_D


BRIEFKASTEN GELESEN<br />

Schweiz und Krise<br />

Zu Ihrem Editorial «Die<br />

Schweiz und die Krise» gratuliere<br />

ich Ihnen sehr. Satz für<br />

Satz, Wort für Wort treffen<br />

100 % ins Schwarze!<br />

Ihr Artikel müsste in den<br />

nächsten Wochen in allen<br />

<strong>Schweizer</strong> Zeitungen an prominenter<br />

Stelle publiziert werden…<br />

und zum Nachdenken<br />

anregen.<br />

Ich wünsche Ihnen und Ihrem<br />

Team weiterhin eine so gute<br />

Feder und der «<strong>Schweizer</strong> <strong>Revue</strong>»,<br />

gedruckt oder elektronisch,<br />

viele Leserinnen und<br />

Leser.<br />

E. DIETHELM, ALTENDORF<br />

EU-Politik: Rauf auf die<br />

Titanic!<br />

Bei Ihrer Überschlagsrechnung<br />

haben Sie die massiven<br />

Folgekosten für Migration, Sozialversicherungen<br />

etc. grosszügig<br />

übersehen, ganz zu<br />

schweigen von den weiteren<br />

Milliarden, die die Schweiz als<br />

EU-Mitglied dauerhaft an die<br />

Pleitestaaten überweisen<br />

müsste. Sie erwähnen auch<br />

nicht, dass die EU-Richtlinien,<br />

die die Mitgliedstaaten laufend<br />

umsetzen müssen, von einer<br />

demokratisch nicht legitimierten<br />

Riege von Kommissaren<br />

erlassen werden. Die Situation<br />

in der Schweiz ist noch nicht<br />

alternativlos, wie es dem Volk<br />

von denen eingeredet wird, die<br />

das Land mit Bedacht in die bilaterale<br />

Einbahnstrasse hineingetrieben<br />

haben, eifrig an den<br />

Institutionen sägen und Defaitismus<br />

verbreiten.<br />

M. NYFFELER, DEUTSCHLAND<br />

Frauen in der Schweiz<br />

Besten Dank für den äusserst<br />

interessanten Artikel zu den<br />

Leistungen von Pascale Bruderer<br />

Wyss. Die <strong>Schweizer</strong><br />

Frauen haben einen weiten<br />

Weg zurückgelegt! Als ich<br />

im Sommer 1969 die Schweiz<br />

verliess, durften die Frauen<br />

noch nicht einmal wählen. Eine<br />

verheiratete Frau durfte auf<br />

ihren eigenen Namen weder<br />

ein Bankkonto eröffnen noch<br />

eine Wohnung mieten. Und<br />

nun regieren Frauen das Land!<br />

Herzliche Gratulation, das<br />

habt ihr gut gemacht!<br />

M. JOHNSON, KANADA<br />

Starkes Argument<br />

Mein Gehör ist schlecht.<br />

Aber ich sehe sehr gut. Ich war<br />

hingerissen vom Titelbild der<br />

Aprilausgabe mit Pascale Bruderer.<br />

Ein starkes Argument<br />

für die Druckausgabe und gegen<br />

die Onlineversion.<br />

Die Schweiz erfreut sich<br />

nicht nur wunderbarer Landschaften,<br />

sondern auch wunderschöner<br />

Menschen. Es freut<br />

sich schon auf die nächsten<br />

Ausgaben<br />

W. SCHALLER, DEUTSCHLAND<br />

DIE GRÖSSTEN SCHWEIZER<br />

Per Internet fragten wir die <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong> im<br />

Ausland, wen sie als grössten <strong>Schweizer</strong> oder grösste <strong>Schweizer</strong>in aller<br />

Zeiten bezeichnen würden. 2500 Stimmen sind eingegangen. Das<br />

Ergebnis: Zum herausragendsten <strong>Schweizer</strong> aller Zeiten wurde Albert<br />

Einstein erkoren. An zweiter Stelle steht Henri Dunant, der<br />

Gründer des Roten Kreuzes, an dritter Heinrich Pestalozzi und auf<br />

den vierten Platz wurde General Henri Guisan gesetzt, dessen Verdienste<br />

als Oberbefehlshaber der <strong>Schweizer</strong> Armee im Zweiten Weltkrieg<br />

bis heute unvergessen sind. Auf den nächsten Plätzen folgen<br />

Le Corbusier, Jean-Jacques Rousseau und Alberto Giacometti.<br />

Wir danken allen, die sich an unserer kleinen Umfrage beteiligt<br />

haben.<br />

Eintauchen in die Geschichte des Bundeshauses. Der Führer<br />

«Das Bundeshaus in Bern» lädt uns zu einer historischen<br />

und architektonischen Besichtigung dieses Monuments der<br />

eidgenössischen Politik ein. Es werden alle Bauetappen<br />

beschrieben und die Gründe angegeben, weshalb welche Erweiterung<br />

wie gebaut wurde. Das Bundeshaus besteht aus<br />

drei Gebäuden: Der Westfl ügel, ursprünglich das Bundesratshaus<br />

genannt, wurde von 1852 bis 1857, der Ostfl ügel von<br />

1888 bis 1892 und das Parlamentsgebäude in der Mitte von<br />

1894 bis 1902 erbaut. 1848, anlässlich der ersten Session der<br />

beiden Kammern, wurde Bern zur Bundesstadt gewählt.<br />

Der Bundesrat und das Parlament tagten provisorisch an verschiedenen<br />

Orten in Bern. 1852 machte sich der Berner<br />

Architekt Jakob Friedrich Studer (1817-1879) an den Bau<br />

des Bundesratshauses im Neurenaissancestil. Da die Bundesverwaltung<br />

sehr viel grössere Proportionen annahm als geplant,<br />

musste bereits 1874 eine Erweiterung ins Auge gefasst werden. So<br />

wurde 1888 unter der Leitung des St. Galler Architekten Hans<br />

Wilhelm Auer (1847-1906) mit dem Bau des Ostfl ügels begonnen.<br />

Derselbe Baumeister leitete auch den Bau des Parlamentsgebäudes<br />

mit seinen markanten Kuppeln, für den ausschliesslich Baumaterialien<br />

schweizerischer Herkunft verwendet wurden. Der Führer,<br />

der mit Plänen und zahlreichen Fotos aus heutiger und früherer<br />

Zeit illustriert ist, widmet sich auch der Innenausstattung und den<br />

wichtigsten Sälen des Bundeshauses. Eine faszinierende Vielfalt.<br />

«Das Bundeshaus in Bern», Monica Bilfi nger, <strong>Schweizer</strong>ische Kunstführer, Gesellschaft<br />

für Schweiz. Kunstgeschichte, Schweiz. Eidgenossenschaft, Bern, 2009.<br />

Das Bundeshaus in Bern<br />

Die Schweiz unter der Lupe. Im Buch «En retard au paradis»<br />

suchen der Humanist Paul Grossrieder und die Politologin Brigitte<br />

Perrin die Schweiz und ihre Werte in einem langen Dialog zu<br />

ergründen, in dem sich die Ansichten zweier Generationen miteinander<br />

verweben. Der 1944 geborene ehemalige dominikanische<br />

Mönch und spätere Diplomat im Vatikan arbeitete ab seinem<br />

39. Lebensjahr für das Rote Kreuz, von 1998 bis 2002 als Leiter des<br />

IKRK. Seine Gesprächspartnerin wurde 1974 geboren und arbeitet<br />

als Journalistin beim Westschweizer Fernsehen (TSR). Die ganze<br />

sozioökonomische und politische Landschaft der Schweiz wird hier<br />

angesprochen. Man schweift zwischen Humanitarismus, Solidarität,<br />

Individualismus, Armut, Jugend, Neutralität, nationaler Identität,<br />

Wohlstandsunterschieden, Mai 68 und Abbau der sozialen<br />

Errungenschaften umher. Aber auch die Kompromisstradition, das<br />

Asylrecht, die Kritik an der SVP, der Bundesrat, das Bankgeheimnis,<br />

das Finanzsystem, Verschwiegenheit und Offenheit, die Diplomatie<br />

usw. kommen zur Sprache. Das Gespräch ist immer im<br />

Erlebten und im berufl ichen Werdegang der beiden Gesprächspartner<br />

verankert. Später werden die Themen globaler, wenden sich<br />

der Welt als Ganzes zu: Ökologie, Klimaerwärmung, Mensch und<br />

Natur. Die Swissair- und die UBS-Affäre werden zueinander in Beziehung<br />

gesetzt. Und als Dessert werden uns der Glaube, die Philosophie<br />

und die Weisheit vorgesetzt. Aber die Zeit vergeht, und die<br />

schweizerische Langsamkeit wird deutlich. Bezüglich Pünktlichkeit<br />

mahnte der Grossvater von Paul Grossrieder seinen Enkel jedes<br />

Mal, wenn dieser trödelte, mit denselben Worten: «Beeil dich,<br />

sonst kommst du zu spät ins Paradies!»<br />

Einige Videoaufzeichnungen der Gespräche stehen unter www.enretardauparadis.<br />

com zur Ansicht bereit. - «En retard au paradis. Dialogues autour du génie helvétique»<br />

von Paul Grossrieder und Brigitte Perrin, éditions Xenia, Vevey, 2009.<br />

5


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02, 15, 17, 18, 19, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 29, 30, 33, 35, 38, 41, 42, 48, 49, 50, 51, 54, 72.<br />

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Eine Idee der


SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

Fotos: <strong>Schweizer</strong> Fotostiftung<br />

GESEHEN<br />

The Marlboro Man.<br />

Hannes Schmid, 1946 in Zürich geboren, fotografi erte den Marlboro Man<br />

zwischen 1993 und 2002. Er zählt zu den wichtigsten Marlboro-Fotografen, da er der bereits<br />

bekannten Figur neue Facetten verleihen konnte. Die <strong>Schweizer</strong> Fotostiftung ehrt ihn<br />

mit einer Ausstellung in Winterthur (bis 19.9.2010). www.fotostiftung.ch<br />

7


SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

Foto: Keystone<br />

8 GENERAL HENRI GUISAN<br />

«Seele des Widerstandes, Retter des Vaterlandes»<br />

Vor fünfzig Jahren starb Henri Guisan, Oberbefehlshaber der<br />

<strong>Schweizer</strong> Armee im Zweiten Weltkrieg. Seine Rede auf dem<br />

Rütli und der Rückzug der Truppen in die Alpenfestung am Gotthard<br />

begründeten den nationalen Widerstand. Guisan war der<br />

geliebte und geachtete General des ganzen Volkes. Auch wenn<br />

seine Biografi e nicht makellos ist, war er die Vaterfi gur der<br />

Kriegsgeneration. Von Rolf Ribi<br />

Am 12. April 1960 spannte sich ein blauer<br />

Himmel über Lausanne. Ein bissig kalter<br />

Nordwind wehte durchs Waadtland. Die<br />

feldgrüne Farbe von vielen tausend Soldaten<br />

der Armee von 1939 bis 1945 beherrschte das<br />

Bild. Die Angehörigen des Aktivdienstes<br />

standen in mehreren Reihen am Strassenrand,<br />

zusammen mit 300 000 Menschen aus<br />

allen Schichten des Volkes. Fünf Tage zuvor<br />

war General Henri Guisan, der Oberbefehlshaber<br />

der <strong>Schweizer</strong> Armee im Zweiten<br />

Weltkrieg, mit 86 Jahren gestorben.<br />

Von Pully, dem Wohnort des Verstorbenen,<br />

bewegte sich der Trauerzug zur<br />

Lausanner Place de la Riponne. Hier nahm<br />

die Armee in einer würdigen Zeremonie Abschied<br />

von ihrem General. Mehr als 3000<br />

Persönlichkeiten, ein Füsilierbataillon, eine<br />

Haubitzenabteilung, eine Dragonerschwadron<br />

und die Träger der 400 Feldzeichen der<br />

Armee bildeten den vier Kilometer langen<br />

Trauerzug. Sechs Pferde zogen die Artillerie-Lafette<br />

mit dem von der <strong>Schweizer</strong><br />

Fahne bedeckten Sarg. Dahinter schritt das<br />

letzte Pferd des Generals mit leerem Sattel<br />

und mit gesenktem Kopf. In der Kathedrale<br />

von Lausanne stieg Bundespräsident Max<br />

Petitpierre auf die Kanzel und hielt die<br />

Totenrede. Im ganzen Land läuteten danach<br />

die Kirchenglocken.<br />

Ein solches Staatsbegräbnis hatte die Eidgenossenschaft<br />

noch nie erlebt. Im <strong>Schweizer</strong>volk<br />

herrschte tiefe Trauer. Sie galt dem<br />

militärischen Führer in gefahrvoller Zeit, der<br />

«Seele des Widerstandes»», dem «Retter des<br />

Vaterlandes», dem geliebten General des<br />

ganzen Volkes. Sein Bild hing damals in fast<br />

allen Stuben, in vielen Gasthöfen, in allen<br />

Unterkünften der militärischen Truppen.<br />

Schon zu seinen Lebzeiten wurden Strassen<br />

und Plätze nach Guisan benannt. Das vom<br />

Künstler Charles Otto Bänninger gestaltete<br />

Denkmal steht in Ouchy am Genfersee.<br />

Wahl zum General<br />

Mögliche Angriffspläne Deutschlands hatten<br />

im Frühjahr 1939 die europäischen Nachbarn<br />

beunruhigt. In der Schweiz wurden die<br />

Grenztruppen auf den 28. August einberufen,<br />

um die Mobilmachung der gesamten<br />

Armee vom 2. September zu sichern. Am<br />

29. August rief Bundesrat Rudolf Minger,<br />

der Chef des Militärdepartementes, den<br />

Oberstkorpskommandanten Henri Guisan<br />

telefonisch nach Bern. Am nächsten Tag,<br />

dem 30. August, wählte ihn die mitten im<br />

Sommer einberufene Bundesversammlung<br />

mit 204 von 229 Stimmen zum Oberbefehlshaber<br />

der schweizerischen Armee. Radio Beromünster<br />

übertrug den Wahlakt direkt in<br />

die Wohnstuben, Fabrikhallen und Büros.<br />

Kaum war Henri Guisan gewählt, schritt der<br />

64-Jährige in den Nationalratssaal, den Offi -<br />

ziershut in der Hand, den Säbel am Gurt, die<br />

Beine in Reiterstiefeln. Im Saal und auf den<br />

Tribünen hatten sich alle erhoben. Der Bundeskanzler<br />

verlas die Eidesformel, der General<br />

sagte kurz «Je le jure!». Dann sprach der<br />

Präsident der Versammlung: «Wir vertrauen<br />

Ihnen den Schutz unseres Vaterlandes an, das<br />

wir mit allen Kräften lieben, das wir niemals<br />

preisgeben wollen. Gott segne Ihre Aufgabe,<br />

Herr General.» Als Henri Guisan aus dem<br />

Bundeshaus trat, stimmten die Menschen auf<br />

dem Bundesplatz die Nationalhymne an. Der<br />

neugewählte General sang mit.<br />

Guisan, der Bauer und Offi zier<br />

Wer war Henri Guisan? Im Jahr 1874 in<br />

Mézières im Waadtland als Sohn eines Landarztes<br />

mit Bürgerort Avenches geboren, verlor<br />

er schon bald seine leibliche Mutter. Von<br />

der Jugend des kleinen, schmächtigen und<br />

hübschen Jünglings ist wenig bekannt. Weder<br />

bei den Kadetten noch im Sport und im<br />

Gymnasium fi el er besonders auf. An der Universität<br />

Lausanne konnte er sich auf keine<br />

Studienrichtung festlegen. Ohne akademischen<br />

Abschluss begab er sich auf seinen Lebensweg.<br />

Da entdeckte der junge Mann seine<br />

Vorliebe für die Landwirtschaft. Auf zwei<br />

Deutschschweizer Höfen lernte Guisan das<br />

bäuerliche Handwerk und <strong>Schweizer</strong>deutsch<br />

und bewunderte das aristokratische Gehabe<br />

der Besitzer. Nun wollte er endgültig Landwirt<br />

werden. 1897 kaufte er im Broye-Tal<br />

einen Bauernhof, im gleichen Jahr heiratete<br />

er Mary Doelker, und bald wurden die Kinder<br />

Henry und Myriam geboren. In Verte-<br />

Rive am Genfersee erwarb die Familie dank<br />

den Mitteln der Frau ein schönes Landhaus,<br />

in dem sie zeitlebens blieben.<br />

Bald schon spürte der junge Offi zier seine<br />

Neigungen für das Militärische. In Uniform<br />

blühte Guisan auf. Gemäss seinem Dienstbüchlein<br />

verbrachte er fortan 20 Jahre an<br />

Diensttagen in der Armee. Vom einfachen<br />

Trainsoldaten, der die Pferde für den Transport<br />

der Geschütze betreute, führte seine<br />

militärische Karriere in der Artillerie und der<br />

Infanterie bis zum Oberstdivisionär. Nun<br />

liess sich der überzeugte Milizoffi zier zum<br />

Berufsoffi zier küren. 1932 wurde er zum<br />

Oberstkorpskommandanten ernannt, dem<br />

höchsten Offi ziersrang in Friedenszeiten.<br />

Zeitgenossen und Historiker schildern<br />

seine persönlichen Eigenschaften mit Nuancen:<br />

Für Karl Schmid, staatspolitischer Vordenker<br />

und Generalstabsoffi zier, verkörperte<br />

Guisan den Widerstandswillen des<br />

ganzen Volkes, weit über die Armee hinaus.<br />

«Das Volk machte ihn zu seinem Repräsentanten.»<br />

Der General genoss die Popularität<br />

und Liebe, die ihm überall zuströmten. Mit<br />

seinem einfachen und herzlichen Wesen<br />

nahm er die Sorgen der Soldaten um das<br />

Schicksal von Familie und Betrieb ebenso<br />

ernst wie jene der Frauen um Haus und Kinder.<br />

– Der Historiker Willi Gautschi, Autor


SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

Foto: Keystone<br />

der umfassenden Biografi e über den General,<br />

schrieb: «Guisan war kein Intellektueller<br />

und kaum ein Stratege. Als Pragmatiker war<br />

er aber ein Genie des gesunden Menschenverstandes.»<br />

Die Imagepfl ege war ihm wichtig:<br />

Seine Uniform war eleganter als jene der<br />

anderen Offi ziere, kein Bild des Generals<br />

durfte ohne Einwilligung seines Stabes veröffentlicht<br />

werden. Guisan liebte Feste und<br />

Sportveranstaltungen. – «Es gehörte zu den<br />

Geheimnissen dieses aristokratischen Generals,<br />

dass er jedem Soldaten das Gefühl gab,<br />

ihn als gleichberechtigten Bürger zu betrachten»,<br />

schrieb Markus Somm, Verfasser einer<br />

neuen Biografi e über Guisan. Wo immer der<br />

General erschien, wollten ihn die Menschen<br />

begrüssen. Wer mit ihm gesprochen hatte,<br />

erzählte sein Leben lang davon.<br />

Geheime Gespräche mit Frankreich<br />

Im Morgengrauen des 1. September 1939 war<br />

die deutsche Wehrmacht in Polen einmarschiert.<br />

Der Zweite Weltkrieg hatte begonnen.<br />

Der Bundesrat befahl die Generalmobilmachung<br />

der Armee für den 2. September.<br />

Am ersten Tag der Mobilmachung waren<br />

430 000 Soldaten und 200 000 Hilfsdienstpfl<br />

ichtige eingerückt. General Guisan wusste,<br />

woran es der Armee vor allem mangelte – an<br />

Panzern und Flugzeugen. Man verfügte über<br />

bedeutend mehr Pferde als Motorfahrzeuge.<br />

Um das natürliche Gelände zu nutzen, entschied<br />

sich Guisan für eine Armeestellung<br />

von Sargans, dem Zürichsee und der Limmat<br />

entlang bis in den Jura. Die Front verlief mitten<br />

durch die Stadt Zürich.<br />

Die Frontstellung richtete sich einseitig<br />

nach Norden, im Westen des Landes sah der<br />

General keine Gefahr. Zu Frankreich und<br />

seiner Armee besass Guisan ein sehr persönliches<br />

Verhältnis. Im Ersten Weltkrieg hatte<br />

er französische Truppen an der Front be-<br />

Bild links: Henri Guisan wird am 30. August 1939<br />

von der Vereinigten Bundesversammlung zum<br />

General gewählt. Die National- und Ständeräte erheben<br />

sich zum feierlichen Akt von den Sitzen.<br />

Bild oben: General Henri Guisan, kurz nach seiner<br />

Vereidigung am 30. August 1939 im Bundeshaus in<br />

Bern. Von links nach rechts stehen die Bundesräte<br />

Ernst Wetter, Philipp Etter, General Guisan, Marcel<br />

Pilet-Golaz und Hermann Obrecht.<br />

sucht. Vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges<br />

pfl egte er persönliche Beziehungen zu<br />

massgebenden Armeeführern. Dabei erhielt<br />

er Einblick in französische Abwehrpläne in<br />

unserem Grenzraum. Im Herbst 1939 kam<br />

es im Auftrag des Generals zu geheimen<br />

Kontakten mit französischen Armeestellen.<br />

Ziel der Kooperation: Sobald deutsche<br />

Truppen unser Land angreifen, überschreiten<br />

französische Einheiten die <strong>Schweizer</strong><br />

Grenze und besetzen den Raum Basel. Eine<br />

ganze Division unserer Armee wäre dem<br />

französischen Kommando unterstellt worden.<br />

Weder der Bundesrat noch der Generalstab<br />

wussten von diesen Absprachen.<br />

Offene Westfl anke der Armee<br />

Dann kam alles anders: Im Mai und Juni 1940<br />

besiegte die deutsche Wehrmacht innert<br />

sechs Wochen Frankreich und besetzte weite<br />

Teile des Landes. Mit dem Waffenstillstand<br />

vom 25. Juni 1940 zwischen Deutschland und<br />

Frankreich war die Westgrenze unseres Landes<br />

bedroht. «Infolge mehrfacher Fehlbeurteilungen<br />

erlitt die <strong>Schweizer</strong> Armeeführung<br />

mit ihrer Abwehrstrategie ein Desaster von<br />

katastrophalem Ausmass», urteilte der Historiker<br />

Klaus Urner. Und: «Wäre damals der<br />

deutsche Vorstoss in die vom französischen<br />

Schutz entblösste <strong>Schweizer</strong> Flanke im<br />

Westen fortgesetzt worden, hätte er sein Ziel<br />

in kürzester Zeit erreicht.»<br />

Im Juli 1940 erbeuteten deutsche Truppen<br />

im Städtchen La Charité-sur-Loire bei<br />

Dijon in einem zerstörten Eisenbahnwagen<br />

Geheimakten des französischen Generalstabes.<br />

Darunter befanden sich Dokumente<br />

über die Geheimverhandlungen schweizerischer<br />

Offi ziere mit der französischen Armee<br />

für den Fall eines deutschen Angriffs. Nach<br />

Edgar Bonjour, dem Verfasser des Standardwerkes<br />

«Geschichte der schweizerischen<br />

Neutralität», war Guisans Vorgehen neutralitätspolitisch<br />

ein gewagter Grenzfall. «Das<br />

hätte von Deutschland zum Vorwand einer<br />

militärischen Invasion genommen werden<br />

können.» Die Stellung General Guisans war<br />

1940/41 «unzweifelhaft gefährdet» (schrieb<br />

damals die «Neue Zürcher Zeitung»).<br />

Der Zusammenbruch Frankreichs löste im<br />

<strong>Schweizer</strong>volk einen Schock aus. Doch bald<br />

kam die Hoffnung auf, mit dem deutschfranzösischen<br />

Waffenstillstand sei die<br />

Kriegsgefahr vorläufi g überstanden. Der General<br />

glaubte, die Deutschen würden «militärische<br />

Aktionen kaum ins Auge fassen».<br />

Der Bundesrat verfügte eine teilweise Demobilmachung<br />

der Armee und schickte fast<br />

zwei Drittel der Soldaten nach Hause. General<br />

Guisan wehrte sich nicht. Am 24. Juli<br />

standen an der Westgrenze des Landes<br />

starke deutsche Verbände mit 245 000 Mann<br />

und warteten auf den Befehl Hitlers zum<br />

Einmarsch in die Schweiz. Hätte die deutsche<br />

Armee damals angegriffen, «wäre dies<br />

für die Schweiz zum Debakel geworden», so<br />

der Militärhistoriker Walter Schaufelberger.<br />

Rede des Bundespräsidenten<br />

Am 25. Juni 1940 hatte Bundespräsident<br />

Marcel Pilet-Golaz eine verhängnisvolle<br />

Rede gehalten. «Es ist für uns eine grosse Erleichterung<br />

zu wissen, dass unsere Nachbarn<br />

9


10 GENERAL HENRI GUISAN<br />

SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

Fotos: Keystone<br />

sich auf den Weg des Friedens begeben haben.»<br />

Europa müsse jetzt ein neues Gleichgewicht<br />

fi nden. «Eidgenossen, an euch ist es,<br />

der Regierung zu folgen, als einem sicheren<br />

und hingebenden Führer, der seine Entscheidungen<br />

nicht immer erklären und begründen<br />

kann.» Von Demokratie, Unabhängigkeit,<br />

Freiheit, Neutralität sprach Pilet-Golaz<br />

nicht. Die Radiorede wirkte wie eine Kapitulation,<br />

wie eine Anpassung an das «neue<br />

Europa». Nach der bedrückenden Rede des<br />

Bundespräsidenten schwieg der General<br />

einen Monat lang.<br />

Für August R. Lindt, später <strong>Schweizer</strong><br />

Botschafter in Amerika und Uno-Hochkommissar,<br />

wirkte die Rede «niederschmetternd».<br />

In jenen führungslosen Tagen schlossen<br />

mutige Männer einen geheimen<br />

Offi ziersbund und forderten den bedingungslosen<br />

Widerstand. Es war eine Verschwörung<br />

gegen den Bundesrat – und auch<br />

gegen den General. Alfred Ernst, August R.<br />

Lindt, Max Waibel und Hans Hausamann<br />

waren die treibenden Kräfte des geheimen<br />

Bundes von 25 Offi zieren und Unteroffi zieren.<br />

Doch die Verschwörung wurde verraten<br />

und der General benachrichtigt. Guisan<br />

empfi ng die führenden Verschwörer und bestrafte<br />

sie milde mit 5 bis 15 Tagen scharfem<br />

Arrest. In seinem Innern war er stolz auf die<br />

mutigen Offi ziere und gab jedem die Hand.<br />

Rütli – Aufruf zum Widerstand<br />

Als noch niemand von der Offi ziersverschwörung<br />

wusste, fasste General Guisan ei-<br />

nen historischen Entschluss. Am 25. Juli 1940<br />

brachte der Raddampfer «Luzern» alle Kommandanten<br />

der <strong>Schweizer</strong> Armee bis zum<br />

Major über den See zur historischen Stätte<br />

beim Rütli. Rund 420 Offi ziere, die gesamte<br />

Armeeführung, versammelten sich im Halbkreis<br />

mit Blick auf den See und die Gotthard-Bahnstrecke.<br />

Guisan hielt eine kurze,<br />

zumeist improvisierte Rede. «Wir befi nden<br />

uns an einem Wendepunkt unserer Geschichte.<br />

Es geht um die Existenz der<br />

Schweiz», begann der General. Zwei<br />

Themen standen im Mittelpunkt – der Widerstandswille<br />

und die neue Verteidigungsstrategie.<br />

Guisan warnte vor dem aufkommenden<br />

Defaitismus in der Truppe, bei<br />

Politikern und auch im Volk. «Wille zum<br />

Widerstand gegen jeden Angriff von aussen<br />

und gegen die Gefahren im Innern, wie<br />

Nachlassen und Defaitismus», verlangte der<br />

General. Dann verkündete Guisan die neue<br />

Strategie zur Verteidigung des Landes – die<br />

Schaffung eines militärischen Reduits um<br />

den Gotthard. Hierhin sollte sich ein grosser<br />

Teil der Armee zurückziehen, um die strategischen<br />

Alpenpässe zu verteidigen.<br />

«Auf dem Rütli stieg der General zur nationalen<br />

Führergestalt auf», schrieb der<br />

Militärhistoriker Hans-Rudolf Kurz. Für<br />

Professor Edgar Bonjour bedeutete der<br />

Rütli-Rapport den «entscheidenden Wendepunkt<br />

in der Geschichte des Zweiten<br />

Weltkriegs». Am nationalen Feiertag des 1.<br />

August sprach der General am Radio zum<br />

Volk: «Können wir überhaupt Widerstand<br />

leisten? Die Frage ist eines <strong>Schweizer</strong>s und<br />

erst recht eines Soldaten unwürdig.»<br />

Rückzug ins Gebirge<br />

Im Juni 1940 war unser Land von den Achsenmächten<br />

umklammert. Die Fronten für<br />

die <strong>Schweizer</strong> Armee waren so lang, dass<br />

deutsche und italienische Truppen überall<br />

einbrechen konnten. «Die Lücken in der<br />

Panzer- und Fliegerabwehr hätten es der<br />

Armee nicht erlaubt, die Feldschlacht im<br />

Mittelland zu suchen», schrieb Hans-Rudolf<br />

Kurz. Eine neue militärische Strategie<br />

musste gefunden werden. Oberst Oscar<br />

Germann verfasste die massgebende Denkschrift:<br />

Die Armee ist in den Alpen stationiert,<br />

um den Hauptangriff Hitlers zu<br />

erwarten und zurückzuschlagen. General<br />

Guisan, kein Mann der raschen Beschlüsse,<br />

zögerte. Er dachte an den schwierigen Nachschub<br />

für Munition und Verpfl egung und an<br />

die Preisgabe eines grossen Teils des Landes<br />

an den Feind.<br />

Am 9. Juli 1940 entschied sich der General<br />

für das Reduit, drei Tage später orientierte<br />

er die Regierung. Nach dem Krieg<br />

begründete Guisan seine Idee: Der «Ein-<br />

Bild oben: Auf der Rütliwiese, dem «Symbol der<br />

schweizerischen Unabhängigkeit», versammelt General<br />

Henri Guisan am 25. Juli 1940 seine Kommandeure<br />

und erläutert ihnen den Grundgedanken<br />

des Reduitsystems.<br />

Bild links: <strong>Schweizer</strong> Soldaten erhalten in Genf im<br />

Rahmen der Mobilmachung 1939 den Marschbefehl.<br />

Auf die Nachricht vom deutschen Angriff auf Polen<br />

in den Morgenstunden des 1. September 1939 ordnet<br />

der Bundesrat im Einvernehmen mit General<br />

Guisan die allgemeine Mobilmachung der Armee<br />

für den 2. September an.<br />

Bild rechts: Trauerzug für den am 7. April 1960 verstorbenen<br />

Henri Guisan auf der Place de la<br />

Riponne vor dem Palais de Rumine in Lausanne.


SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

Foto: Keystone<br />

trittspreis» sollte so hoch sein, dass er jeden<br />

Eindringling abschreckte, «weil ihm unsere<br />

Alpenübergänge nie intakt in die Hände gefallen<br />

wären». Im Sommer 1941 befanden<br />

sich alle neun Divisionen der Armee sowie<br />

die Gebirgsbrigaden im Reduit, das von der<br />

Festung Sargans im Osten bis zur Festung<br />

von St-Maurice im Wallis reichte. Im Zentrum<br />

stand die Festung am Gotthard, überall<br />

gab es Bunker, Panzersperren und Flugpisten.<br />

Die Bahnstrecken durch Gotthard<br />

und Simplon wurden zur Zerstörung vorbereitet.<br />

«Die Zurücknahme der Armee ins<br />

Gebirge bedeutete die nahezu kampfl ose<br />

Preisgabe von rund vier Fünfteln der schweizerischen<br />

Bevölkerung, der Industrie und<br />

des Volksgutes» (so Hans-Rudolf Kurz).<br />

Bis ins Frühjahr 1941 blieb die Sicherheit<br />

unseres Landes labil. Mit einem überraschenden<br />

Angriff Hitlers auf die Schweiz war<br />

noch immer zu rechnen (wie der Historiker<br />

Klaus Urner nachwies). Die weiteren Kriegsjahre<br />

bis 1945 waren für das <strong>Schweizer</strong>volk<br />

hart und sorgenvoll. Die Landung der alliierten<br />

Streitkräfte in Nordafrika und die Besetzung<br />

Oberitaliens durch Deutschland rückten<br />

die Bedeutung der Alpenpässe erneut ins<br />

Blickfeld. Die Invasion der Alliierten in der<br />

Normandie und die alliierte Landung in Südfrankreich<br />

von 1944 beendeten die Einschliessung<br />

unseres Landes durch die Achsenmächte.<br />

Die Armee verliess das Reduit, um<br />

wieder an der Grenze aufzumarschieren.<br />

<strong>Schweizer</strong> Soldaten!<br />

Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche<br />

Wehrmacht. In seinem Tagesbefehl erklärte<br />

der General: «<strong>Schweizer</strong> Soldaten! Wir wollen<br />

Gott, dem Allmächtigen, danken dafür,<br />

dass unser Land von den Schrecken des Krieges<br />

verschont blieb. Soldaten, ihr habt euch<br />

eures Vaterlandes würdig erwiesen.»<br />

Am 4. Juni ersuchte der General die Bundesversammlung,<br />

das Ende des Aktivdienstes<br />

auf den 20. August anzusetzen und ihn<br />

von seinem Amt zu entbinden. Im versammelten<br />

Parlament sagte der Präsident: «Als<br />

ein Mann der Pfl icht haben Sie sich, Herr<br />

General, als ein Mann von Herzensgüte und<br />

edler Menschlichkeit erwiesen. Das <strong>Schweizer</strong>land<br />

ist stolz auf Sie.» Am Tage zuvor<br />

hatte General Guisan in einem letzten<br />

militärischen Akt sämtliche Fahnen und<br />

Standarten der Armee nach Bern befohlen.<br />

Am Ende der ergreifenden Feier zum Abschluss<br />

des Aktivdienstes auf dem Bundesplatz<br />

sangen alle Leute entblössten Hauptes<br />

die Landeshymne.<br />

Schatten in der Biografi e<br />

Wie lautet im geschichtlichen Rückblick das<br />

Urteil über den Oberbefehlshaber der<br />

<strong>Schweizer</strong> Armee im Zweiten Weltkrieg? In<br />

politischer Sicht gibt es diese Vorbehalte:<br />

Die Staatsform der Demokratie «erduldete»<br />

der General (Markus Somm), das Parlament<br />

blieb ihm fremd, die Regierung war für ihn<br />

führungsschwach, von den Parteien hielt er<br />

nicht viel. Trotz gewisser Sympathien für<br />

eine ständestaatliche autoritäre Ordnung<br />

hat Guisan den Boden der Demokratie nie<br />

verlassen. – Dem französischen Marschall<br />

Pétain, Sieger in der Schlacht von Verdun<br />

im Ersten Weltkrieg und Staatschef im hitlerfreundlichen<br />

Frankreich, erwies Guisan<br />

stets Respekt. Im Herbst 1937 hatte er als<br />

Korpskommandant den Marschall zu<br />

Armeemanövern eingeladen. Noch 1941<br />

sandte er ihm einen bewundernden Brief<br />

zum Geburtstag. Den faschistischen Führer<br />

Mussolini hatte Guisan schon 1934 beim Besuch<br />

italienischer Manöver kennengelernt.<br />

«Er war der Schweiz und mir gegenüber sehr<br />

freundlich», meinte er nach dem Krieg.<br />

«Guisan liess sich vom Duce täuschen» (Markus<br />

Somm).<br />

Kein Ruhmesblatt ist Guisans Haltung zur<br />

Flüchtlingspolitik des Bundesrates. «Für die<br />

Militärs waren diese Ausländer eine Bedrohung<br />

der öffentlichen Sicherheit» (schrieb<br />

die Zeitschrift «L’Hebdo»). Gemäss der<br />

Bergier-Kommission wurden mehr als 20 000<br />

Flüchtlinge, davon zahlreiche Juden, an der<br />

Grenze abgewiesen. Konnte der General davon<br />

wissen? «Assurément», die Armee habe<br />

deutsche Deserteure befragt, die der Judenvernichtung<br />

entfl ohen waren. – Der General<br />

(wie andere Offi ziere) wies der Presse die<br />

Hauptschuld zu für das belastete Verhältnis<br />

zu Deutschland. Schon 1941 verlangte<br />

Guisan eine schärfere Pressekontrolle. Die<br />

Einführung einer umfassenden Vorzensur<br />

wurde ihm vom Bundesrat verweigert.<br />

Auch das militärische Urteil über den General<br />

ist nicht frei von Schatten: Die geheimen<br />

Verhandlungen des Generals mit der<br />

französischen Armee und vor allem der<br />

Aktenfund durch die Deutschen zeigten,<br />

dass der General hier «ein allzu grosses Wagnis<br />

eingegangen war» (Hans-Rudolf Kurz).<br />

Als die Schweiz im Spätsommer 1940 von<br />

den Achsenmächten umgeben war und deutsche<br />

Elitetruppen an der Westgrenze standen,<br />

verfügten Bundesrat und General –<br />

wahrscheinlich als Geste an Berlin – die<br />

Demobilisierung von rund zwei Drittel<br />

Mann. In jener Zeit dachte Hitler aber an<br />

die Eroberung der Schweiz. – Im März 1943<br />

trafen sich im Restaurant Bären im bernischen<br />

Biglen der berüchtigte SS-General<br />

Schellenberg und der <strong>Schweizer</strong> Oberbefehlshaber.<br />

Im Gespräch unter vier Augen<br />

bekräftigte Guisan dem Hitler-Vertrauten<br />

den festen Willen der Schweiz, die Grenzen<br />

(auch gegen die Alliierten) zu verteidigen. Im<br />

Gegenzug erwartete er die Zusage, dass<br />

Deutschland unser Land nicht angreife, für<br />

diesen Fall könne er starke Kräfte der Armee<br />

demobilisieren.<br />

Das historische Urteil über den Menschen<br />

und General Henri Guisan lautet – trotz solchen<br />

Vorbehalten – gemäss dem Biografen<br />

Willi Gautschi so: Schon zu seinen Lebzeiten<br />

war Guisan eine «eidgenössische Vaterfi<br />

gur». In der Person des Generals haben sich<br />

Volk und Armee in schwerer Zeit vollkommen<br />

vereinigt. Guisan erscheint über<br />

alle politischen und ideologischen Grenzen<br />

hinweg als «überragende Integrationsfi gur<br />

des <strong>Schweizer</strong>volkes, als unbestrittenes Symbol<br />

des Widerstandsgeistes, der Einigkeit<br />

und der Kriegsverschonung».<br />

DOKUMENTATION<br />

Willi Gautschi: General Henri Guisan. Verlag Neue<br />

Zürcher Zeitung, Zürich, 1989, vergriffen;<br />

Markus Somm: General Guisan. Stämpfl i Verlag,<br />

Bern, 2010, CHF 49.–;<br />

Klaus Urner: Die Schweiz muss noch geschluckt<br />

werden. Hitlers Aktionspläne gegen die Schweiz.<br />

Zürich, 1990;<br />

Hans-Rudolf Kurz: General Guisan und die Kriegsparteien,<br />

in: General Guisan und der zweite Weltkrieg<br />

1939-1945. Bern, 1974;<br />

Raymond Gafner: General Guisan. Gespräche. Zwölf<br />

Sendungen von Radio Lausanne. Bern, 1953;<br />

Bibliothek am Guisanplatz www.gs-vbs.admin.ch;<br />

Dokumentationszentrum www.doku-zug.ch<br />

11


12 ALBERT ANKER ZUM 100. TODESTAG<br />

SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

Bilder: Kunstmuseum Bern, © Pro Litteris<br />

Unterwegs zum verbotenen Paradies. Mit einer umfassenden<br />

Ausstellung bietet das Kunstmuseum Bern die einmalige<br />

Gelegenheit, mit Albert Anker einen der wichtigsten<br />

<strong>Schweizer</strong> Künstler zu entdecken oder wiederzuentdecken.<br />

Seine Bilder sind wie kaum andere Kunstwerke im Bildgedächtnis<br />

der Schweiz verhaftet. Von Annemarie Monteil<br />

Er gehört zur Schweiz wie die Alpen und das<br />

Jodeln, Albert Anker aus dem bernischen Ins<br />

(1831-1910). Reproduktionen seiner Kinderbildnisse<br />

und Dorfszenen sind bekannt aus<br />

Kalendern, Schulbüchern, Wohnzimmern.<br />

Neuerdings schaut sein Bauernbub aus einer<br />

85er Briefmarke, und das Kunstmuseum<br />

Bern veranstaltet zum 100.Todesjahr eine<br />

grosse Retrospektive.<br />

Anker scheint ein unbestrittener Wert.<br />

Das gilt für Höchstpreise an Auktionen, erweist<br />

sich aber in Gesprächen als Täuschung.<br />

«Mädchen, die Haare fl echtend». Für Buch, Tuch und Zopf hat Anker die gleiche<br />

Aufmerksamkeit: nicht penibler Realismus, sondern Hinneigen zu den Dingen<br />

des Lebens.<br />

«Schreibunterricht II». Keine Idylle, das Schreibenlernen ist ein zu schweres<br />

Ding.<br />

Für Fortschritt-Strategen zementiert Anker<br />

eine untauglich gewordene Folklore. Dass<br />

der SVP-Politiker Christoph Blocher jedes<br />

vierte Bild der Ausstellung besitzt, sehen sie<br />

als Bestätigung. Den Kämpfern gegen eine<br />

«heile Welt» sind Ankers Bilder verlogene<br />

Idyllen. Anderen ersetzt der lesende Grossvater<br />

den Kirchgang. Snobs sagen, «kenne<br />

ich alles», und sehr junge Menschen staunen<br />

und wollen mehr wissen.<br />

Die Wechselbäder sprechen nicht gegen<br />

Anker. Wahre Einfachheit kann die Kompli-<br />

zierten verwirren. Er selbst machte es sich<br />

nicht leicht. Aufgewachsen in der gebildeten<br />

Familie eines Tierarztes, studiert Anker auf<br />

Wunsch des Vaters Theologie, quält sich mit<br />

seiner Sehnsucht, Maler zu werden: «Das Gebiet<br />

der Kunst kommt mir vor wie ein verbotenes<br />

Paradies», schreibt er. Endlich wird er<br />

Schüler von Charles Gleyre, glücklich und mit<br />

schlechtem Gewissen: Für den enttäuschten<br />

Vater bleibt er «mein Maler contre-cœur».<br />

Umso wichtiger ist der Erfolg. Anker darf<br />

im begehrten «Salon» ausstellen, während<br />

Manet, Degas, Monet abgelehnt werden.<br />

Die Wintermonate lebt er in Paris, er kennt<br />

sich aus von Platon bis Darwin, mit den<br />

Freunden spricht er französisch. Im Sommer<br />

wohnt und malt er im grosselterlichen Haus<br />

in Ins, beliebt, verehrt. Seine Genrebilder<br />

treffen den Zeitgeschmack. Im aufstrebenden<br />

Bundesstaat gehörte Anker – wie Calame,<br />

Koller und Zünd – zur nationalen Stimme.<br />

«Grossvater mit schlafender Enkelin». Anker habe nur Alte und Kinder gemalt,<br />

sagen Kritiker. Sie waren jene Modelle, die Zeit hatten und nicht auf dem Feld<br />

arbeiteten.<br />

«Tee und Cognac». In den Stillleben grüsst Albert Anker über 200 Jahre hinweg<br />

den grossen Kollegen Jean-Baptiste Siméon Chardin.


SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

Bilder: Kunstmuseum Bern, © Pro Litteris<br />

Die «Armensuppe» steht für die humanitäre<br />

Tradition der Schweiz, der «Schulspaziergang»<br />

lebt von Pestalozzis liberaler Pädagogik.<br />

Beliebt waren Bilder toter Kinder. Anker<br />

inszeniert ein sanft weinendes<br />

Kindergrüpplein um eine kleine Leiche: «Die<br />

tote Freundin» ist samt Titel ein theatralisches<br />

Rührstück. Später wird Anker sein<br />

eigenes totes Kind malen, publikumsfern,<br />

blühende Malkunst, in den dunklen Grund<br />

ritzt er «liebe liebe Ruedeli».<br />

Das ist ebenfalls Anker. Pauschalurteile<br />

verfehlen ihn. Auch der Titel der Berner<br />

Ausstellung «Schöne Welt» greift zu kurz.<br />

Anker malt weder eine frohe noch eine<br />

«schöne» Welt. Eine leise Schwermut liegt<br />

über vielen Bildern. Ernst oder altklug<br />

schauen oft die Kinder, schmallippig sind die<br />

Alten, und Dreck unter den Fingernägeln haben<br />

die Bauern auch im Sonntagsstaat. Verbotene<br />

Paradiese?<br />

«Der Trinker». Heiter ist das Alter nicht. Anker schaut nicht an der Wirklichkeit<br />

vorbei.<br />

«Der Schulspaziergang». Im Jahr 1872 plädiert Albert Anker, selbst Mitglied des<br />

Schulrates, für die gemischte Schule als heitere Pfl icht.<br />

Vielleicht kommt man Anker am nächsten<br />

in den Porträts, dem Hauptteil des Schaffens.<br />

In leicht konventioneller Eleganz malte<br />

er die städtischen Damen und Herren, wie<br />

es den Auftraggebern gefi el. Den Bildnissen<br />

haftet – wie auch manchen Genrebildern –<br />

etwas Akademisches, Bemühtes an. (Will er<br />

immer noch dem Vater gefallen?) Bei aller<br />

Feinheit des Pinsels, Schicht um Schicht,<br />

bleibt die Maltextur wattig verhalten.<br />

Pfl ichtübungen. Einen reichen Kaufmann<br />

schickte er einmal zum Fotografen, er mache<br />

«söttig Sache nid uf ds Kommando».<br />

Ganz anders die Menschen aus dem Dorf,<br />

die Anker freiwillig ins Atelier bat: hohe Porträtkultur.<br />

Ist das Geheimnis grosser Kunst<br />

die Anteilnahme? Das Berührtsein? In wundersamer<br />

Einheit scheint dem Maler alles<br />

gleich wichtig, gleich gewichtig: das über die<br />

Schreibtafel gebeugte Gesichtlein und der<br />

Pausenapfel, die Runzeln der Grosseltern<br />

und der Strickstrumpf. Es ist dieser lebensfreundliche<br />

Blick, der den schlichten<br />

Menschen und Dingen eine strahlende<br />

Würde gibt, der Intimität zur Kunst macht<br />

und Stillleben zu ländlichen Ikonen. Die<br />

Peinture wird leicht, luftig, ein unbeschreibliches<br />

Licht webt durch alles: ohne «Verbot» –<br />

Paradiesbilder.<br />

Ausstellung im Kunstmuseum Bern bis 5.September<br />

2010. Katalog Albert Anker – Schöne<br />

Welt CHF 58.–<br />

ANKER-GOLDMÜNZE<br />

Die Eidgenössische Münzstätte Swissmint<br />

nimmt das Gedenkjahr für Albert Anker zum<br />

Anlass, dem bekannten <strong>Schweizer</strong> Künstler<br />

die offi zielle Goldmünze 2010 zu widmen.<br />

Die Sondermünze zum Nennwert von 50<br />

Franken ist bei allen Banken und Münzenhändlern<br />

erhältlich. Die Aufl age ist limitiert.<br />

www.<strong>swiss</strong>mint.ch<br />

«Der Seifenbläser». Nicht nur das Motiv, sondern der schimmernd-schwebende<br />

Farbauftrag (sichtbar im Original) gibt dem Seifenbläser den Zauber der<br />

Schwerelosigkeit.<br />

«Der Schneebär». Der Maler kennt seine Berner. Sie bauen keinen Schneemann,<br />

sondern ihr Wappentier, einen Schneebären.<br />

13


14 AUS DEM BUNDESHAUS<br />

SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

Fotos: pd<br />

Das Erdbeben in Haiti –<br />

Schutz der <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong><br />

1. Erfolgreicher Einsatz für die <strong>Schweizer</strong>innen und<br />

<strong>Schweizer</strong> in Haiti<br />

Das Erdbeben in Haiti vom 12. Januar 2010 verursachte massive<br />

Zerstörungen an Gebäuden und Infrastruktur, kostete gemäss haitianischen<br />

Angaben über 250 000 Menschenleben und hinterliess Tausende<br />

obdachlos. Auf der Botschaft in Port-au-Prince waren vor dem<br />

Erdbeben 130 <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong> immatrikuliert. Insgesamt<br />

hielten sich zur Zeit des Erdbebens knapp über 200 unserer Mitbürgerinnen<br />

und Mitbürger in Haiti auf (Touristen, Nicht-Immatrikulierte,<br />

Geschäftsreisende). Davon konnten 199 kontaktiert<br />

werden. Vier Personen wurden als verletzt gemeldet. Eine Person<br />

bleibt, trotz intensiver Suche und andauernder Bemühungen, bis<br />

heute vermisst.<br />

Unmittelbar nach Bekanntwerden des Erdbebens setzte das<br />

Krisenzentrum der Politischen Abteilung VI im EDA, parallel und<br />

in enger Zusammenarbeit mit der Humanitären Hilfe der DEZA,<br />

eine im 24-Stunden-Betrieb arbeitende Krisenzelle ein. Diese wurde<br />

kurz darauf durch die übrigen betroffenen Dienste des EDA, des<br />

EJPD und des VBS verstärkt. Die Krisenzelle hatte den Auftrag,<br />

Mitarbeitende der Hotline des EDA geben Auskunft<br />

Trotz erheblicher Schwierigkeiten konnte das EDA den in Not geratenen Schwei-<br />

■ die Suche und Identifi kation der <strong>Schweizer</strong> Bürgerinnen und Bürger<br />

aufzunehmen,<br />

■ die Hilfe für bedürftige <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong> vor Ort zu<br />

organisieren (in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Sozialhilfe<br />

für Auslandschweizer/innen des Bundesamtes für Justiz),<br />

■ Ausreisewillige mit allen vorhandenen Mitteln bei deren Repatriierung<br />

zu unterstützen. Die Sektion Konsularischer Schutz (SKS)<br />

der Politischen Abteilung VI koordinierte, in Zusammenarbeit mit<br />

den Vertretungen vor Ort, die Rückkehr der <strong>Schweizer</strong> Bürgerinnen<br />

und Bürger und organisierte die medizinische Versorgung der Verletzten<br />

und deren anschliessende Repatriierung in die Schweiz.<br />

Leitfaden der Krisenvorsorge:<br />

IKRA –<br />

I mmatrikulieren und informieren<br />

K ontakte mitteilen<br />

R eserven bilden<br />

A ktiv werden<br />

■ Immatrikulieren Sie sich bei Ihrer Ankunft im Gastland bei<br />

der für Sie zuständigen <strong>Schweizer</strong> Vertretung (www.eda.admin.<br />

ch/eda/de/home/reps.html).<br />

■ Informieren Sie die <strong>Schweizer</strong> Vertretung jeweils umgehend<br />

über Wohnungswechsel, Familienzuwachs, Sterbefälle, Änderungen<br />

Ihres Zivilstands sowie Änderungen Ihrer Kontaktdetails<br />

(Telefon, E-Mail, Wohn- und Arbeitsadresse). Sofern Sie auf der<br />

Durchreise sind, informieren Sie die Vertretung über Ihren Aufenthaltsort<br />

bzw. Ihre Reiseroute und teilen Sie Ihre Erreichbarkeit<br />

mit.<br />

■ Geben Sie der <strong>Schweizer</strong> Vertretung jeweils möglichst umfassende<br />

Kontaktdetails von Verbindungspersonen an, von Ihren<br />

nächsten Verwandten und Freunden im Gastland und in der<br />

Schweiz. Antworten Sie jeweils unbedingt auf entsprechende


SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

Fotos: pd<br />

zerinnen und <strong>Schweizer</strong>n in Haiti wirkungsvoll helfen.<br />

Um die Botschaften in Port-au-Prince und in Santo Domingo bei<br />

ihren Aufgaben zu entlasten, entsandte das Krisenzentrum des EDA<br />

insgesamt acht Mitglieder des Kriseneinsatz-Pools (KEP) nach Portau-Prince<br />

und Santo Domingo, wobei die ersten zwei KEP-Mitglieder<br />

bereits wenige Stunden nach dem Erdbeben im schwer zugänglichen<br />

Krisengebiet eintrafen. Das Krisenzentrum richtete an der<br />

Zentrale sofort eine Hotline-Nummer ein, die rund um die Uhr Anrufe<br />

besorgter Familienangehöriger entgegennahm, Such- und Rückmeldungen<br />

erfasste, diese untereinander abglich und laufend an<br />

unsere Vertretung in Port-au-Prince zur Bearbeitung weiterleitete.<br />

Unter ausserordentlich schwierigen Bedingungen (zusammengebrochene<br />

Telekommunikation, Treibstoffmangel, unterbrochene<br />

Umfragen der Vertretung und füllen Sie diesbezügliche Fragebögen<br />

in Ihrem Interesse möglichst umfassend aus.<br />

■ Halten Sie an einem sicheren Ort zu Hause immer eine kleine<br />

Reserve an Bargeld verfügbar. Legen Sie eine Trinkwasser- und<br />

Nahrungsmittelreserve, gegebenenfalls auch eine Treibstoffreserve<br />

an, die für die ersten Tage einer Krise ausreicht. Legen Sie<br />

ein Notfall-Kit bereit, das ein Radio, Batterien, eine Taschenlampe,<br />

Ersatzkleider, Hygieneartikel, Erste Hilfe-Material und<br />

Ihre Reisedokumente (Pass) enthält. Schliessen Sie unbedingt<br />

eine Kranken- und Unfallversicherung ab, die im Schadensfall<br />

Heilungskosten deckt.<br />

■ Werden Sie im Krisenfall selbst aktiv und melden Sie, wenn immer<br />

möglich, umgehend Ihren Zustand der <strong>Schweizer</strong> Vertretung<br />

oder dem Krisenstab des EDA in Bern: entweder telefonisch über<br />

die im Krisenfall erreichbare Hotline des EDA (031 325 33 33)<br />

oder über die auf der Internet-Seite des EDA (www.eda.admin.ch)<br />

veröffentlichte Suchmaske.<br />

■ Die Behörden bestimmter Risikozonen (beispielsweise erdbebengefährdeter<br />

Gebiete) sehen Krisenvorsorge-Massnahmen vor.<br />

Bitte informieren Sie sich darüber aktiv bei den lokalen Behörden<br />

und befolgen Sie deren Anweisungen.<br />

Elektrizitätsversorgung, Wasser- und Nahrungsmangel, weiträumige<br />

Zerstörungen) gelang es so der Botschaft in Port-au-Prince, unsere<br />

Landsleute vor Ort zu lokalisieren, die vier Verletzten zu versorgen<br />

und die insgesamt 37 Rückkehrwilligen mit fünf Bussen auf dem Land-<br />

und mit einem Helikopter der Humanitären Hilfe auf dem Luftweg<br />

nach Santo Domingo zu evakuieren. Davon kehrten 20 Personen in<br />

die Schweiz zurück, wo sie bei ihrer Ankunft umgehend vom Bundesamt<br />

für Bevölkerungsschutz des VBS betreut wurden.<br />

2. Welche Lehren können aus dem Einsatz gezogen werden?<br />

Der Einsatz für die <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong> in Haiti kann<br />

angesichts der reibungslosen Abwicklung der Repatriierung als Erfolg<br />

gewertet werden. Dennoch sah sich die <strong>Schweizer</strong> Botschaft in<br />

Port-au-Prince bei der Suche nach unseren Landsleuten und bei der<br />

Unterstützung der Ausreisewilligen auch mit Schwierigkeiten konfrontiert.<br />

Ein Teil dieser Hindernisse war unvermeidbar und ist auf<br />

die besonderen Umstände der Katastrophe zurückzuführen. Ein anderer<br />

Teil war sozusagen «hausgemacht» und hätte durch eine sorgfältige<br />

Vorbereitung jedes einzelnen im Ausland wohnhaften <strong>Schweizer</strong>s<br />

auf den Krisenfall vermieden werden können.<br />

Wodurch wurde die Suche nach unseren Landsleuten und die Unterstützung<br />

zur Ausreise erschwert?<br />

Das Erdbeben bewirkte zeitweise einen vollständigen Zusammenbruch<br />

der Telekommunikation. Wegen des temporären Ausfalls des<br />

lokalen Festnetzes, des Mobilfunknetzes sowie der Satellitenverbindungen<br />

konnte die Botschaft unsere Landsleute nicht erreichen.<br />

Lediglich die Kommunikation über Internet war möglich.<br />

Die Immatrikulationsregister auf der Botschaft entsprachen mangels<br />

aktualisierter Rückmeldungen nicht dem aktuellen Stand der<br />

<strong>Schweizer</strong> Kolonie. Landsleute waren weggezogen, ohne sich auf der<br />

Botschaft abzumelden, andere waren zugezogen, ohne sich auf der<br />

Inserat<br />

15


SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

16 AUS DEM BUNDESHAUS<br />

Botschaft anzumelden. Die vermerkten Adressen im Immatrikulationsregister<br />

waren mangels präziser Auskunft der Erfassten ungenau.<br />

Sie enthielten oft keine präzise Ortsangabe (Strasse, Hausnummer).<br />

Dies erschwerte inmitten der weiträumigen Zerstörung die<br />

Suche nach unseren Landsleuten.<br />

Über den Zustand vieler Landsleute konnte erst im Verlaufe mehrerer<br />

Tage Gewissheit erlangt werden, da viele individuell abgereist<br />

waren, ohne dies der Botschaft zu melden.<br />

Bald nach dem Erdbeben wurden auch bei einigen unserer Landsleute<br />

das Trinkwasser und die Nahrungsmittel knapp. Zudem machte<br />

sich der Bargeldmangel bemerkbar, da durch das Erdbeben die Banken<br />

zerstört bzw. die automatische Geldausgabe unterbrochen war.<br />

3. Individuelle Krisenvorsorge<br />

Im Sinne der Verbesserung der eigenen Vorbereitung auf künftige<br />

Krisensituationen verschiedener Art (Naturkatastrophen und andere<br />

Grossereignisse, politische Unruhen etc.) hat die Politische Abteilung<br />

VI des EDA einen kleinen Leitfaden zusammengestellt, der Ihnen<br />

und dem EDA die Zusammenarbeit bei künftigen Krisen erleichtern<br />

soll (s. Kasten S. 14–15).<br />

Wir danken Ihnen für die Berücksichtigung dieser Ratschläge!<br />

Christoph Späti, Politische Abteilung VI<br />

UN-Wiederaufbaukonferenz in New York:<br />

Die Schweiz unterstützt Haiti mit 90 Millionen<br />

<strong>Schweizer</strong> Franken<br />

Die Schweiz wird sich längerfristig in Haiti engagieren. An der<br />

Uno-Geberkonferenz vom 31. März 2010 in New York bekräftigte<br />

DEZA-Direktor Martin Dahinden die Solidarität der Schweiz<br />

mit dem erdbebenversehrten Karibikstaat. Bis 2012 stellt der<br />

Bund insgesamt 35,9 Millionen für den Wiederaufbau zur<br />

Verfügung. Dazu kommen 55 Millionen Franken Spendengelder,<br />

die direkt von der Glückskette und ihren Partnerorganisationen<br />

umgesetzt werden.<br />

An der Ministerkonferenz «Towards a New Future for Haiti» vom<br />

31. März in New York stellte die <strong>Schweizer</strong> Delegation unter Leitung<br />

von DEZA-Direktor Martin Dahinden ihr Programm zur Unterstützung<br />

der haitianischen Bevölkerung vor. Nebst den humanitären<br />

Aktionen wird die Schweiz Haiti auch beim längerfristigen Wiederaufbau<br />

unterstützen. Martin Dahinden führte an der Konferenz aus,<br />

wo die Schweiz ihre Schwerpunkte setzen will: «Nach dem verheerenden<br />

Erdbeben hat die Schweiz Haiti im Rahmen der grössten je<br />

durch die Schweiz durchgeführten Soforthilfeaktion unterstützt. Darüber<br />

hinaus wird die Schweiz dem Land jedoch zusätzlich im Wiederaufbau<br />

beistehen. Besondere Heraus for derungen im längerfristigen<br />

Wiederaufbau sehen wir bei der Sanierung der sozialen<br />

Infrastruktur wie Schulen und Spitäler, der Entwicklung der ländlichen<br />

Regionen und der Ernährungssicherheit.»<br />

Die Schweiz wird dabei den Leitlinien des Aktionsplans der Vereinten<br />

Nationen zum Wiederaufbau Haitis folgen. Damit sich diese<br />

Bemühungen nicht ausschliesslich auf die Hauptstadt Port-au-Prince<br />

konzentrieren, unterstützt die Schweiz in Übereinstimmung mit den<br />

Absichten der haitianischen Regierung auch dezentrale Vorhaben.<br />

Die Schweiz führt seit 2005 in Port-au-Prince ein Kooperationsbüro<br />

und ist deshalb mit den Verhältnissen im Land sehr vertraut.<br />

Der Beitrag der Schweiz zum wirtschaftlichen, sozialen und politischen<br />

Wiederaufbau wird über Umschichtungen innerhalb bestehender<br />

Rahmenkredite fi nanziert und geht zu Lasten des Kredits für<br />

humanitäre Hilfe 2006 (20 Millionen Franken) und des Kredits für<br />

Entwicklungszusammen arbeit 2008 (15,9 Millionen Franken). Die<br />

Hilfe wird sich also zwischen 2010 und 2012 insgesamt auf 35,9 Millionen<br />

Franken belaufen, dazu kommen 55 Millionen Franken Spendengelder,<br />

die direkt von der Glückskette und ihren Partnerorganisationen<br />

umgesetzt werden.<br />

NEUE VOLKSINITIATIVEN UND REFERENDEN<br />

Seit der letzten Ausgabe sind bis Redaktionsschluss die folgenden<br />

neuen Volksinitiativen lanciert worden:<br />

■ «Für ein liberales Rauchergesetz», Initiativkomitee: IG Freie<br />

<strong>Schweizer</strong> Wirte, Ablauf der Sammelfrist: 23.08.2011.<br />

■ «Neue Arbeitsplätze dank erneuerbaren Energien (Cleantech-Initiative)»,<br />

Initiativkomitee: Sozialdemokratische Partei der Schweiz, Ablauf<br />

der Sammelfrist: 16.09.2011.<br />

■ «Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes», Initiativkomitee:<br />

Überparteiliches Komitee «Schluss mit der MwSt-Diskriminierung<br />

des Gastgewerbes», Ablauf der Sammelfrist: 07.10.2011.<br />

■ «Schutz vor Rasern», Initiativkomitee: RoadCross Schweiz, Ablauf<br />

der Sammelfrist: 27.10.2011.<br />

■ «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen fi nanziert durch Energielenkungsabgaben»<br />

Initiativkomitee: Initiativkomitee «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen<br />

fi nanziert durch Energielenkungsabgaben», Frau Gabriela<br />

Coray, Ablauf der Sammelfrist: 19.11.2011.<br />

■ «Wenden wir die Menschenrechte an auf Frauen und Männer =<br />

Schweiz», Initiativkomitee: Initiativkomitee «Wenden wir die Menschenrechte<br />

an auf Frauen und Männer = Schweiz», Ablauf der Sammelfrist:<br />

19.11.2011.<br />

Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses waren keine Referenden<br />

hängig.<br />

Auf der Seite www.bk.admin.ch/aktuell/abstimmung fi nden Sie<br />

eine Aufstellung der hängigen Referendumsvorlagen und Volksinitiativen<br />

sowie die entsprechenden Unterschriftenbogen, falls vorhanden.<br />

Bitte senden Sie die ausgefüllten und unterschriebenen Bogen<br />

direkt an das zuständige Initiativkomitee.<br />

VERANTWORTLICH FÜR DIE AMTLICHEN MITTEILUNGEN DES EDA:<br />

JEAN-FRANÇOIS LICHTENSTERN, AUSLANDSCHWEIZERDIENST/EDA<br />

BUNDESGASSE 32,CH-3003 BERN<br />

TELEFON: +41 31 324 23 98, TELEFAX +41 31 322 78 66<br />

WWW.EDA.ADMIN.CH/ASD, PA6-AUSLANDCH@EDA.ADMIN.CH


SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

Fotos: Freilichtmuseum Ballenberg<br />

FREILICHTMUSEUM BALLENBERG<br />

Eine Zeitreise durch die ländliche Schweiz. Das Freilichtmuseum Ballenberg<br />

ist eigentlich alles andere als museal. Im Gegenteil: Dort lebt die ländliche<br />

Kultur der Schweiz mit allen Facetten wieder auf und bringt uns ins Bewusstsein,<br />

wie es einmal war. Von Heinz Eckert<br />

Wer über den Ballenberg wandert, hat nie<br />

das Gefühl, ein Museumsbesucher zu sein.<br />

Und dennoch führt die Wanderung durch<br />

das grösste Freilichtmuseum der Schweiz,<br />

das sich in einer der idyllischsten Gegenden<br />

des Berner Oberlandes ausbreitet.<br />

Wenn die Eintrittszonen mit den Kassenhäuschen<br />

nicht wären, würde der Besucher<br />

des Ballenberg wohl erst mit Verzögerung<br />

merken, dass er sich bereits<br />

im Freilichtmuseum befi ndet.<br />

Wahrscheinlich würde ihn nur das<br />

Fehlen von parkierten Autos daran<br />

erinnern, dass er bereits «drinnen»<br />

ist. Denn die Umgebung ist<br />

beinahe so malerisch und gepfl egt<br />

wie das Freilichtmuseum selber.<br />

Der Übergang von den benachbarten<br />

Weilern in das nach wissenschaftlichen<br />

und denkmalpfl egerischen<br />

Grundsätzen geführten<br />

und gepfl egten Freilichtmuseums<br />

Ballenberg ist fast nahtlos. «Freilichtmuseum<br />

Ballenberg – das Erlebnis»<br />

heisst die Werbebotschaft<br />

– und hält, was sie verspricht.<br />

Die Stiftung <strong>Schweizer</strong>isches<br />

Freilichtmuseum Ballenberg<br />

wurde mit Unterstützung des<br />

Bundes und des Kantons Bern im<br />

Sommer 1968 ins Leben gerufen.<br />

1978 konnte das Museum mit 16<br />

Objekten im parkähnlichen<br />

Gelände über dem Brienzersee<br />

eingeweiht werden. Seither ist das<br />

Museum laufend ausgebaut worden.<br />

Zu sehen sind heute über 100<br />

historische Objekte und Häuser<br />

aus nahezu allen Kantonen. Der<br />

Ballenberg ist das einzige Freilichtmuseum<br />

für ländliche Kultur<br />

in der Schweiz.<br />

Der Ballenberg ist keine verstaubte<br />

Raritätensammlung, sondern<br />

voller Leben und Betriebsamkeit.<br />

Alles lebt in diesem<br />

Freilichtmuseum, jeder Schritt<br />

bietet ein Erlebnis. Die Gebäude<br />

sind alle stilgerecht eingerichtet<br />

und dürfen betreten werden.<br />

Stuben, Küchen, Schlafzimmer laden zum<br />

Entdecken traditioneller Wohn- und<br />

Lebensformen ein, die Gewerbebetriebe zeigen<br />

allen Interessierten, wie früher auf dem<br />

Land Brot gebacken, geklöppelt, gewoben<br />

wurde, wie Käse und Schindeln hergestellt<br />

wurden. Es riecht nach frisch gesägtem Holz<br />

und geschmiedetem Eisen in der Schmiede.<br />

Und viele der kulinarischen Köstlichkeiten<br />

können natürlich auch degustiert werden.<br />

Alle Gebäude im Freilichtmuseum waren<br />

an ihrem ursprünglichen Standort gefährdet<br />

und konnten dort nicht erhalten werden. So<br />

wurden sie sorgfältig demontiert und auf dem<br />

Ballenberg originalgetreu wieder aufgebaut.<br />

Hier sind sie von historischen Bauerngärten,<br />

Wiesen und Feldern mit originaltypischen<br />

Blumen, Kräutern, Obstbäumen,<br />

aber auch von längst vergessenen<br />

oder vom Aussterben<br />

bedrohten Pfl anzen umgeben.<br />

Zahlreiche Sonderveranstaltungen<br />

erlauben zusätzlich interessante<br />

und überraschende Einblicke<br />

in teils verloren gegangenes<br />

Brauchtum der ländlichen Schweiz.<br />

Schliesslich bringen 250 Bauernhoftiere<br />

sinnliches Leben in die<br />

Ställe und auf die Weiden. Neben<br />

Hühnern, Enten, Ziegen, Tauben,<br />

Schweinen und Rindern haben<br />

auch vom Aussterben bedrohte<br />

Rassen einen Lebensraum auf dem<br />

Ballenberg gefunden: Pfauenziegen,<br />

Spiegelschafe, Rätisches<br />

Grauvieh, wollhaarige Weideschweine,<br />

Diepholzer Gänse und<br />

andere mehr.<br />

Das erste Freilichtmuseum, das<br />

Skansen, ist 1891 in Schweden gegründet<br />

worden. Seither sind<br />

weltweit zahlreiche solcher Anlagen<br />

entstanden. Alle haben die<br />

gleiche Aufgabe: Sicherung, Erhaltung<br />

und Vermittlung von<br />

typischen Gebäuden und deren<br />

Ausstattung mit authentischen<br />

Einrichtungen, Möbeln, Gerätschaften<br />

und Werkzeugen. Besser<br />

als im Freilichtmuseum Ballenberg<br />

kann der Auftrag wohl nicht<br />

erfüllt werden.<br />

Es lohnt sich, einen ganzen Tag<br />

für den Ballenberg-Besuch einzuplanen.<br />

<strong>Schweizer</strong>isches Freilichtmuseum Ballenberg,<br />

CH-3855 Brienz; www.ballenberg.ch,<br />

info@ballenberg.ch<br />

17


18 PRO UND KONTRA MUNDART<br />

SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

Foto: pd<br />

Ist das <strong>Schweizer</strong>deutsch eine Gefahr für die Romandie?<br />

In der Westschweiz wird immer wieder diskutiert, ob das <strong>Schweizer</strong>deutsch<br />

überhandnimmt und zur Gefahr für die Mehrsprachigkeit<br />

der Schweiz wird. Iwar Werlen, Linguistikprofessor an der<br />

Universität Bern, teilt diese Befürchtung nicht. Anders sieht es<br />

der zweisprachige Journalist Peter Rothenbühler in seinem<br />

Essay zum Thema. Interview Heinz Eckert<br />

«schweizer revue»: Verstehen Sie die Aufregung<br />

aus dem Welschland, da auf Kosten des<br />

Hochdeutschen immer mehr <strong>Schweizer</strong>deutsch<br />

gesprochen werde, sei die sprachliche Vielfalt<br />

der Schweiz gefährdet?<br />

iwar werlen: Teilweise ja, teilweise nein.<br />

Befürchtungen, dass die sprachliche Vielfalt<br />

der Schweiz bedroht sein könnte, werden<br />

immer wieder geäussert. Sie sind jedoch nur<br />

teilweise gerechtfertigt.<br />

Aber stimmt es, dass immer mehr Dialekt<br />

gesprochen wird?<br />

Ja, diese Tendenz ist seit Mitte der Sechzigerjahre<br />

eindeutig festzustellen. Es wurde<br />

in immer mehr Situationen Dialekt gesprochen,<br />

wo früher Hochdeutsch verwendet<br />

worden war, in der Schule, der Kirche, den<br />

Medien usw. Überdies ist die Mundart im<br />

Chanson, in der Rockmusik und heute auch<br />

in der Rapszene sehr populär geworden. Und<br />

heute schreiben vor allem die jungen Menschen<br />

fast alle SMS und auch E-Mails auf<br />

<strong>Schweizer</strong>deutsch.<br />

Wie erklären Sie sich diese Mundart-Welle?<br />

Sicher spielt auch die Mode eine grosse<br />

Rolle, dieses Swissness-Gefühl und der<br />

Wunsch, sich eine eigene Identität zu schaffen<br />

und sich von anderen – nicht zuletzt von<br />

Deutschland - abzugrenzen. Es gibt aber<br />

auch allgemeine gesellschaftliche Veränderungen<br />

hin von formellen zu informellen<br />

Verhaltensweisen, was sich etwa beim Verlust<br />

an Umgangsformen, an Anstand und<br />

Konventionen zeigt. Früher geltende Kleidervorschriften<br />

werden nicht mehr eingehalten,<br />

auch alte Menschen müssen in öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln stehen und selbst in<br />

guten Restaurants werden die Frauen heute<br />

nicht mehr vor den Männern bedient.<br />

Früher war das alles selbstverständlich. Diese<br />

Haltung hat sich auch auf den sprachlichen<br />

Ausdruck ausgewirkt: man vermeidet das als<br />

formal und steif geltende Hochdeutsche und<br />

Professor Iwar Werlen<br />

drückt sich mündlich und schriftlich so aus,<br />

wie es am einfachsten geht.<br />

Finden Sie es nicht auch grotesk, wenn das<br />

Nachrichtenmagazin «10vor10» bei der Wiederholung<br />

auf dem internationalen, deutschsprachigen<br />

Gemeinschaftssender 3sat mit deutschen<br />

Untertiteln ausgestrahlt werden muss,<br />

damit es in Österreich und Deutschland verstanden<br />

wird?<br />

Das liegt wohl daran, dass sich das <strong>Schweizer</strong><br />

Fernsehen DRS als sprachregionaler<br />

Sender versteht und «10vor10» als Infotainment<br />

inszeniert. Die Tagesschau jedenfalls<br />

wird ja ausschliesslich auf Hochdeutsch produziert.<br />

Aber es stimmt schon: Innerhalb der<br />

SRG ist das Bewusstsein für die Pfl ege der<br />

sprachlichen Vielfalt der Schweiz gering.<br />

Die Idée suisse wird von der SRG zwar vermarktet,<br />

aber im Sendealltag nimmt sie ihre<br />

Verantwortung in dieser Hinsicht nicht genügend<br />

wahr und stellt sich auf den Standpunkt,<br />

dass Ausländer, die in der Schweiz<br />

wohnen, <strong>Schweizer</strong>deutsch nicht unbedingt<br />

sprechen, aber verstehen sollten.<br />

Teilen Sie diese Haltung auch?<br />

Ja. Das entspricht auch meiner Meinung:<br />

Deutschschweizer reden eben Mundart, und<br />

wer sich im Alltag mit ihnen verständigen will,<br />

sollte diese Mundart verstehen. Das gilt für<br />

In- wie für Ausländer. Vor allem für Deutsche<br />

sollte das kein Problem sein, da es ja<br />

auch in Deutschland viele Dialekte gibt und<br />

etwa die Bayern überall verstanden werden.<br />

Demgegenüber sollte aber auch jeder Deutschschweizer<br />

und jede Deutschschweizerin in<br />

der Lage sein, Hochdeutsch nicht nur zu lesen,<br />

sondern auch zu sprechen. Oder nicht?<br />

Ganz genau. Ich verstehe auch die Ansicht<br />

mancher Lehrpersonen nicht, die immer<br />

wieder behaupten, die erste Fremdsprache,<br />

die in der deutschen Schweiz unterrichtet<br />

werde, sei Hochdeutsch. Das stimmt nicht.<br />

<strong>Schweizer</strong>deutsch und Hochdeutsch sind für<br />

mich zwei Formen der gleichen Sprache, die<br />

beide gepfl egt werden sollen. Das <strong>Schweizer</strong>deutsch<br />

ist unsere gesprochene Muttersprache,<br />

das Hochdeutsch ist die Muttersprache,<br />

die wir lesen und schreiben. Wir<br />

Deutschschweizer sollten beides gut beherrschen.<br />

Wie wichtig ist, dass das <strong>Schweizer</strong>deutsch gepfl<br />

egt und möglichst korrekt gesprochen wird?<br />

Korrektheit ist eine Frage der Sichtweise.<br />

Für mich sind Sprachen Verständigungsmittel,<br />

die sich ständig wandeln und neuen<br />

Bedürfnissen anpassen. Ob man also Frühstück<br />

oder Zmorge, Lunch oder Zmittag,<br />

Anke oder Butter sagt, fi nde ich nicht so wichtig.<br />

Denken Sie nur an die Jugendsprache,<br />

und wie sich die immer wieder verändert. Einmal<br />

ist geil in, dann wieder mega, früher war<br />

alles super. Hauptsache, man versteht sich.<br />

<strong>Schweizer</strong> im Ausland werden immer wieder<br />

auf die Mehrsprachigkeit in der Schweiz angesprochen.<br />

Ist sich die <strong>Schweizer</strong> Bevölkerung<br />

in der Schweiz eigentlich bewusst, wie wertvoll<br />

diese Vielfalt ist, und dass sie unbedingt<br />

gepfl egt werden muss?<br />

Ich glaube, viele von uns erkennen gar<br />

nicht, wie unterschiedlich unser Umgang mit<br />

Sprachen von dem in vielen andern europäischen<br />

Ländern ist. Natürlich sprechen nicht<br />

alle <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong> vier<br />

Sprachen, wie das manche Ausländer denken.<br />

Untersuchungen haben aber gezeigt,<br />

dass die meisten <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong><br />

ein bis zwei Fremdsprachen mehr oder<br />

weniger gut kennen – das ist ein Spitzenwert<br />

in Europa! Aber wir neigen dazu, unser eigenes<br />

Potenzial nicht auszuschöpfen – und das<br />

gilt für Romands wie für Deutschschweizer.


SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

Foto: pd<br />

Glauben Sie, dass sich Romands und Deutschschweizer<br />

einmal nur noch auf Englisch unterhalten<br />

werden?<br />

In gewissen Branchen oder in den Naturwissenschaften<br />

ist das ja bereits der Fall.<br />

Aber zum Normalfall wird das sicher nicht.<br />

Wichtig wäre, dass spielerischer mit den<br />

Sprachen umgegangen, mehr ausprobiert<br />

wird, und es vielleicht sogar zu einem Miteinander<br />

von <strong>Schweizer</strong>deutsch, Hochdeutsch<br />

und Französisch kommen könnte,<br />

wenn alle anderen Stricke reissen.<br />

Müsste und könnte staatlich mehr unternommen<br />

werden, um das Verständnis für die<br />

sprachliche Vielfalt zu fördern?<br />

Ja, es wäre sehr wichtig, dass der kulturelle<br />

Austausch zwischen den Sprachregionen von<br />

den Kantonen gefördert und für obligatorisch<br />

erklärt wird. Denn wenn ein Romand<br />

einmal ein paar Wochen oder Monate in<br />

St. Gallen und ein Urner einige Zeit in Lausanne<br />

verbracht hat, wird er automatisch<br />

eine andere Beziehung zur anderen Sprache<br />

aufbauen und mit mehr Freude und Engagement<br />

lernen. Auch die staatlich fi nanzierten<br />

Medien müssten ihre Verantwortung umfassender<br />

wahrnehmen.<br />

Und was würden Sie den aufgebrachten<br />

Romands empfehlen?<br />

Ich glaube, eines der Probleme zwischen<br />

den beiden Sprachgemeinschaften besteht<br />

in der Bewertung der Mundart: Für viele Romands<br />

ist es undenkbar, dass ein gebildeter<br />

Mensch eine so «barbarische» Sprachform<br />

verwendet. Diese Vorstellung zu ändern<br />

wäre die Aufgabe des Deutschunterrichts in<br />

der Romandie: Hier müsste eben das Deutsche,<br />

wie es in der deutschen Schweiz existiert,<br />

zur Kenntnis genommen werden. Dazu<br />

gehört, dass die Dialekte im Unterricht thematisiert<br />

werden. Zu dieser Ansicht ist auch<br />

der grüne Genfer Nationalrat Antonio<br />

Hodgers gekommen, der nach seiner Wahl<br />

ins eidgenössische Parlament nach Bern gezogen<br />

ist und dort schnell festgestellt hat,<br />

dass ihm sein in der Schule erworbenes<br />

Hochdeutsch nicht viel nützt. Er empfi ehlt<br />

den Romands, <strong>Schweizer</strong>deutsch zu lernen.<br />

Andererseits würde es auch den Deutschschweizern<br />

sehr gut anstehen, sich mehr und<br />

bessere Französischkenntnisse anzueignen.<br />

Die Bemühungen der Erziehungsdirektorenkonferenz<br />

im Rahmen von HarmoS zielen in<br />

diese Richtung; sie müssen nur umgesetzt<br />

werden.<br />

Die Sprechverweigerung der Deutschschweizer<br />

Von Peter Rothenbühler*<br />

Von Zeit zu Zeit beschweren sich Westschweizer, dass es für sie<br />

schwierig sei, Deutsch korrekt zu erlernen, solange man ihnen in<br />

Bern und Zürich dauernd auf <strong>Schweizer</strong>deutsch oder auf Englisch<br />

antwortet. Wo es doch einfacher wäre, man würde sich in einer<br />

Landessprache unterhalten, zum Beispiel auf Hochdeutsch oder<br />

auf Französisch.<br />

Eigentlich logisch. Dialekte sind eine schöne Sache, aber eher<br />

für den privaten Gebrauch bestimmt. Sobald man mit Menschen<br />

aus andern Landesteilen (oder Ländern) verkehrt oder in elektronischen<br />

Medien Konversation treibt, sollte man sich in einer allgemein gültigen Verkehrssprache<br />

verständigen. Wie überall auf der Welt.<br />

Leider scheint dies ausgerechnet in einem Land, das weltweit für seine Mehrsprachigkeit<br />

bekannt ist, nicht möglich zu sein. Das Problem sind nicht so sehr die Schwierigkeiten der<br />

Welschen mit dem <strong>Schweizer</strong>deutsch.<br />

Das Problem ist eher, dass die Deutschschweizer ein Riesenproblem mit dem Hochdeutsch<br />

haben, sich weigern, die erste Landessprache auch zu sprechen. Ein weltweit einmaliges Phänomen.<br />

Eine richtige Trotzhaltung, die erst noch von Sprachwissenschaftlern unterstützt wird.<br />

So erklärt Professor Iwar Werlen im nebenstehenden Interview, dass der Deutschschweizer halt<br />

zwei Formen der gleichen Sprache pfl ege: «Das <strong>Schweizer</strong>deutsch ist unsere gesprochene Muttersprache,<br />

das Hochdeutsch ist die Muttersprache, die wir lesen und schreiben.» Wer sich mit<br />

Deutschschweizern verständigen wolle, müsse eben <strong>Schweizer</strong>deutsch lernen, wenigstens verstehen<br />

lernen.<br />

Es gibt also laut Professor Werlen zwei halbe Muttersprachen, eine für den mündlichen und<br />

eine für den schriftlichen Gebrauch. Hochdeutsch SPRECHEN kommt bei ihm nicht vor.<br />

Natürlich kann man es «u-geil» fi nden, dass die Zürcher Jugend (bis sechzig) Zürialbanisch<br />

spricht, eine Art Züritütsch mit albanischer Betonung, das zwar kein neuer Dialekt ist, dafür<br />

ein Ethnolekt! Ja, so nennt man das, «s’bescht wo häts gits», linguistisch!<br />

Und natürlich kann man die Entwicklung mit Interesse verfolgen, dass Deutschschweizer<br />

heute SMS irgendwie schreiben, nur nicht deutsch, und in einer Konversation automatisch<br />

zum Englischen wechseln, nicht etwa, weil der andere (der Westschweizer zum Beispiel) das<br />

besser verstehen würde, sondern weil sie sich auf Hochdeutsch blamieren würden.<br />

Nur hat die zunehmende Weigerung der Deutschschweizer, ihre Kultursprache mündlich zu<br />

praktizieren, auch gravierende Folgen. Nicht für die Westschweizer, nein, für die Deutschschweizer<br />

selbst: Sie beherrschen ihre eigene Sprache nicht mehr. Und verlieren damit auch<br />

die Fähigkeit, sie korrekt zu schreiben. Längerfristig führt das unweigerlich zum Vorrücken<br />

des Englischen als wichtigste Verkehrssprache. Und damit werden gleich zwei Landessprachen<br />

abgewertet: Deutsch und Französisch. Frage an die Politiker: Wollen wir das?<br />

Diese Entwicklung hat übrigens die SRG, die sich bis vor kurzem noch «Idée Suisse» nannte,<br />

massiv gefördert. In wichtigen Informationssendungen wird immer noch (konzessionswidrig)<br />

Mundart geredet und damit die sprachliche Regression der Einheimischen gefördert.<br />

Doch, o Wunder, Rettung naht. Einmal mehr aus dem Ausland: Ausgerechnet die zahlreich<br />

immigrierenden Deutschen, von denen wir uns mit unserer Dialekttümelei abzugrenzen versuchten,<br />

führen bei uns den mündlichen Gebrauch unserer «Muttersprache» Hochdeutsch<br />

wieder ein. Kleiner Tipp an die Westschweizer: In Zürich gibt’s schon Cafés, wo alle miteinander<br />

Hochdeutsch sprechen. Und die «Arena» wird bald Untertitel haben, nicht englische oder<br />

russische, nein: deutsche!<br />

*Der in Biel aufgewachsene, zweisprachige Journalist Peter Rothenbühler, 61, lebt heute in Lausanne. Er war von<br />

1984 bis 2000 Chefredaktor von «SonntagsBlick» und «<strong>Schweizer</strong> Illustrierte» und bis 2008 Chefredaktor von «Le<br />

Matin». Heute ist er stellvertretender publizistischer Direktor von Edipresse und schreibt Kolumnen.<br />

19


20<br />

SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

Foto: Keystone<br />

POLITIK<br />

Die UBS stürzte sich und die Schweiz in die Krise<br />

In einem Staatsvertrag mit den USA hat die Schweiz das Bankgeheimnis für<br />

4500 amerikanische UBS-Kunden rückwirkend aufgehoben. Damit konnte sie<br />

die Bank aus dem Schussfeld der US-Justiz nehmen. Innenpolitisch hat die<br />

Affäre zu heftigen Auseinandersetzungen geführt. Insbesondere der Bundesrat<br />

musste sich harte Kritik gefallen lassen. Von René Lenzin<br />

Gleich zweimal hat die Schweiz ihre<br />

grösste Bank, die UBS, innerhalb von<br />

weniger als zwei Jahren vor dem drohenden<br />

Untergang gerettet. Per Notrecht<br />

hat der Bund die Bank im Oktober 2008<br />

mit sechs Milliarden Franken unterstützt,<br />

nachdem sie in den Strudel der<br />

Hypothekenkrise in den USA geraten<br />

war. Gleichzeitig übernahm die <strong>Schweizer</strong>ische<br />

Nationalbank von der UBS<br />

faule US-Wertpapiere im Umfang von<br />

40 Milliarden Dollar. Diese Aktionen<br />

seien nötig, weil der Konkurs der UBS die<br />

ganze Volkswirtschaft in den Abgrund gerissen<br />

hätte, argumentierte die Landesregierung.<br />

Die UBS sei so genannt systemrelevant<br />

und «too big to fail» – zu gross, um scheitern<br />

zu können. Faktisch heisst das, dass die beiden<br />

Grossbanken UBS und Credit Suisse<br />

Staatsgarantie geniessen.<br />

In der gleichen Logik hat der Bund auch<br />

eingegriffen, als der UBS in den USA juristisches<br />

Ungemach drohte. Einige Kundenberater<br />

der Bank hatten Amerikanern geholfen,<br />

Steuern zu hinterziehen, weshalb die<br />

Steuerbehörde Ermittlungen wegen Steuerbetrug<br />

aufnahm. Die USA drohten der UBS<br />

Ende 2008 mit einer Anklage und verlangten<br />

die Herausgabe von 52 000 Kunden daten.<br />

Im August 2009 einigten sich die Schweiz<br />

und die USA auf einen Vergleich. Die USA<br />

DER BUNDESRAT MUSS SICH HARSCHE KRITIK ANHÖREN<br />

Mit ihrem Geschäftsgebahren in<br />

den USA hat die UBS sich selbst<br />

an den Abgrund manövriert und<br />

der Schweiz grosse politische<br />

Probleme verursacht. Bei der<br />

Bewältigung dieser Krise hat sich<br />

der Bundesrat alles andere als<br />

optimal verhalten. Zu diesem<br />

Schluss kommen zumindest die<br />

Geschäftsprüfungskommissionen<br />

(GPK) des National- und des Ständerats.<br />

Am Ursprung des Problems<br />

stehe natürlich die Bank<br />

Mit Vuvuzelas demonstrierten linke Politiker vor dem<br />

Bundeshaus gegen das Ja des Parlamentes zum Amtshilfegesuch<br />

USA – UBS.<br />

verzichteten auf eine Zivilklage und auf die<br />

Herausgabe der 52 000 Kundendaten.<br />

Gleichzeitig übermittelten sie der Schweiz<br />

ein neues Amtshilfegesuch, das 4450 UBS-<br />

Kundendaten betraf. Die Schweiz verpfl ichtete<br />

sich, innerhalb eines Jahres Fälle von<br />

Steuerbetrug und schwerer Steuerhinterziehung<br />

herauszufi ltern und den amerikanischen<br />

Behörden zu übergeben. Diese Abmachung<br />

sei nötig, um die wirtschaftlich<br />

immer noch angeschlagene UBS vor einem<br />

kaum verkraftbaren Prozess in den USA zu<br />

retten, sagte der Bundesrat.<br />

Gericht stoppt den Bundesrat<br />

Für die betroffenen Kunden bedeutet das<br />

Abkommen, dass die Schweiz das Bankgeheimnis<br />

in ihrem Fall rückwirkend aufhebt.<br />

Doch der Bundesrat hatte die Rechnung<br />

selber, halten die Kommissionen<br />

in einem 370-seitigen Bericht<br />

fest. Aber sehr vieles sei anschlies<br />

send auch bei den Behörden<br />

schief gelaufen.<br />

Schockiert zeigte sich die GPK<br />

darüber, «dass der Bundesrat offenbar<br />

nicht in einem Klima des<br />

Vertrauens und der Vertraulichkeit<br />

arbeiten kann». So habe der<br />

damalige Bundespräsident Pascal<br />

Couchepin im September 2008<br />

aus Angst vor Indiskretionen an-<br />

geordnet, die bundesrätlichen<br />

Diskussionen zum Fall UBS seien<br />

nicht zu protokollieren. Dieses<br />

Symptom für das gegenseitige<br />

Misstrauen in der Landesregierung<br />

war immer noch in Kraft, als<br />

sie sich Anfang 2009 mit der<br />

Steueraffäre der UBS in den USA<br />

befassen musste.<br />

Aber nicht nur das Gremium<br />

habe versagt, sondern auch dessen<br />

einzelne Mitglieder. Am<br />

schlechtesten kommt Finanz-<br />

ohne das Bundesverwaltungsgericht gemacht.<br />

Dieses erklärte die Herausgabe<br />

der Kontendaten an die US-Behörden<br />

für rechtswidrig und stoppte die Auslieferung.<br />

Für Amtshilfeleistungen bei<br />

Steuerhinterziehung fehle die Rechtsgrundlage,<br />

die das Parlament zuerst<br />

schaffen müsse. In der Tat hatte die<br />

Schweiz zwar auf internationalen Druck<br />

hin beschlossen, ausländischen Behörden<br />

neu auch bei begründetem Verdacht<br />

auf Steuerhinterziehung Amtshilfe<br />

zu leisten (siehe «<strong>Schweizer</strong> <strong>Revue</strong>»<br />

2/2010). Aber die entsprechenden Abkommen<br />

sind noch nicht in Kraft.<br />

In der Folge beschloss der Bundesrat, den<br />

UBS-Vergleich mit den USA dem Parlament<br />

als Staatsvertrag zur Genehmigung zu<br />

unterbreiten. Im dringlichen Verfahren<br />

haben National- und Ständerat diesen Vertrag<br />

in der Sommersession verabschiedet.<br />

Damit dürfte die termingerechte Abwicklung<br />

des Amtshilfeverfahrens gesichert sein,<br />

was die UBS zumindest vorläufi g vor weiteren<br />

juristischen Schwierigkeiten in den USA<br />

bewahren sollte. Allerdings hat die Genehmigung<br />

des Vertrags innenpolitisch zu einem<br />

ziemlich wüsten und unübersichtlichen<br />

Hickhack unter den Parteien geführt.<br />

Zunächst hatten sich drei Lager herausgebildet:<br />

Die Freisinnig-Liberalen (FDP) und<br />

minister Hans-Rudolf Merz weg.<br />

Die Aufsichtsbehörden und sein<br />

Departement hätten ihn gut über<br />

die Probleme der UBS informiert,<br />

doch er habe diese Informationen<br />

nicht in hinreichendem Mass<br />

an den Gesamtbundesrat weitergegeben<br />

– insbesondere aus<br />

Furcht vor Indiskretionen, heisst<br />

es im Bericht. Eine Mitschuld am<br />

Informationsmangel tragen laut<br />

GPK aber auch Aussenministerin<br />

Micheline Calmy-Rey und Justiz-


SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

die Christlichdemokraten (CVP) erachteten<br />

das Abkommen zwar als unschön, aber<br />

notwendig, um Unbill von der UBS und der<br />

<strong>Schweizer</strong> Wirtschaft abzuhalten. Die<br />

<strong>Schweizer</strong>ische Volkspartei (SVP) lehnte<br />

das Abkommen grundsätzlich ab, weil sie das<br />

Bankgeheimnis nicht preisgeben wollte.<br />

Sozialdemokraten (SP) und Grüne machten<br />

ihre Zustimmung von Sondersteuern auf<br />

Boni und einer strengeren Regulierung der<br />

Banken abhängig. Da FDP und CVP allein<br />

keine Mehrheit im Parlament haben, schien<br />

ein Ja nur mit Zugeständnissen an die Linke<br />

möglich. Doch im letzten Moment rückte<br />

die SVP von ihrem Nein ab. Um eine Bonisteuer<br />

zu verhindern, wie sie selbst sagte –<br />

auf Druck der Wirtschaft, wie ihre Kritiker<br />

meinten.<br />

Verkehrte Welt im Parlament<br />

So ergab sich eine ziemlich paradoxe Situation:<br />

Die SVP als vehemente Verteidigerin<br />

des Bankgeheimnisses half mit, dieses aufzuweichen;<br />

und die SP, die es seit Jahren kritisiert,<br />

hat es als einzige verteidigt. Allein<br />

schon dies zeigt, wie stark die Debatte von<br />

parteipolitischem Kalkül geprägt war. Zum<br />

Schluss setzten sich schliesslich diejenigen<br />

Kräfte durch, die den Vertrag ohne Bedingungen<br />

verabschieden wollten. Allerdings<br />

sind damit die Diskussionen um hohe Boni<br />

und eine strengere Bankenregulierung noch<br />

nicht vom Tisch. Im Prinzip sind sich alle<br />

Parteien einig, dass die «too big to fail»-Problematik<br />

zu lösen ist. Es soll nie mehr zur<br />

staatlichen Rettung einer Grossbank kommen<br />

müssen. Am ehesten dürfte dies über<br />

höhere Eigenkapitalquoten der Banken zu<br />

erreichen sein. Über die konkrete Ausgestaltung<br />

entsprechender Massnahmen herrscht<br />

jedoch (noch) keine Einigkeit.<br />

ministerin Eveline Widmer-<br />

Schlumpf. Neben dem Klima des<br />

Misstrauens leide der Bundesrat<br />

auch noch an Gärtchenwirtschaft,<br />

was zu Lasten der Gesamtsicht<br />

gehe, schreiben die Geschäftsprüfer<br />

weiter.<br />

Lob und Tadel setzt es im Bericht<br />

für die Finanzmarktaufsicht<br />

(Finma) ab. Sie habe das milliardenschwere<br />

Rettungspaket für<br />

die UBS vom Oktober 2008 zusammen<br />

mit der Nationalbank gut<br />

Die Arbeitslosenversicherung ins fi nanzielle<br />

Gleichgewicht bringen. Die Krise liess das Defi zit der Arbeitslosenversicherung<br />

weiter steigen. Bundesrat und Parlament<br />

wollen sie mit Mehreinnahmen und Leistungskürzungen sanieren.<br />

Gewerkschaften und Linke haben das Referendum ergriffen.<br />

Von René Lenzin<br />

Die aktuelle Finanzierung der schweizerischen<br />

Arbeitslosenversicherung (ALV) ist<br />

auf durchschnittlich 100 000 erwerbslose<br />

Personen ausgerichtet. Zurzeit beträgt ihre<br />

Zahl jedoch gut 150 000, und der anvisierte<br />

Durchschnittswert war nicht einmal in der<br />

Hochkonjunktur unterschritten worden.<br />

Daher hat die ALV Schulden von neun Milliarden<br />

Franken angehäuft. Diese sind nicht<br />

nur auf die aktuelle Krise zurückzuführen,<br />

sondern auf ein strukturelles Defi zit, das<br />

heisst auf ein permanentes Ungleichgewicht<br />

zwischen Einnahmen und Ausgaben. Mit einem<br />

Mix aus höheren Prämien und Leistungskorrekturen<br />

sollen die Schulden abgebaut<br />

und die Versicherung wieder ins<br />

fi nanzielle Gleichgewicht gebracht werden.<br />

Vorgesehen sind folgende Massnahmen:<br />

Mehreinnahmen (646 Millionen Franken<br />

pro Jahr): Die Abzüge auf den versicherten<br />

Einkommen (bis 126 000 Franken) werden<br />

von 2 auf 2,2 Prozent erhöht. Auf dem Lohnanteil<br />

von 126 000 bis 315 000 Franken wird<br />

neu ein Prozent erhoben.<br />

Einsparungen (622 Millionen Franken pro<br />

Jahr): Arbeitslose ohne Kinder sind künftig<br />

verpfl ichtet, auch eine Arbeit anzunehmen,<br />

die ihren Qualifi kationen nicht entspricht.<br />

Unter 25-Jährige ohne Unterhaltspfl ichten<br />

haben nur noch Anrecht auf 200 statt wie<br />

vorbereitet und durchgeführt.<br />

Auch die Tragweite des US-Steuerkonfl<br />

ikts habe die Finma früh<br />

erkannt. Bei dessen Untersuchung<br />

habe sie sich aber massgeblich<br />

auf einen von der UBS<br />

selbst in Auftrag gegebenen Bericht<br />

gestützt, was ihre Unabhängigkeit<br />

in Frage stelle.<br />

UBS soll ihr Verhalten auf arbeiten<br />

Am Schluss des Berichts fi nden<br />

sich 19 Empfehlungen, 5 Motio-<br />

nen und 2 Postulate. Im Zentrum<br />

stehen dabei die Führungsdefi -<br />

zite des Bundesrats. Die GPK will<br />

die Landesregierung verpfl ichten,<br />

auch bei geheimen Geschäften in<br />

jedem Fall Protokolle anzufertigen.<br />

Weiter soll sie ein System zur<br />

strategischen politischen Steuerung<br />

sowie ein Überwachungs-<br />

und Frühwarnsystem einrichten,<br />

um die Handlungsfähigkeit in<br />

Krisensituationen zu verbessern.<br />

Obwohl die parlamentarische<br />

bisher auf 400 Taggelder. Arbeitslose, die<br />

höchstens zwölf Monate lang Beiträge geleistet<br />

haben, erhalten nur noch 260 anstelle<br />

von bisher 400 Taggeldern. Schul- oder Studienabgänger<br />

müssen 120 Tage warten, bis<br />

sie ALV-Leistungen beziehen können. Staatliche<br />

Beschäftigungsprogramme werden<br />

nicht mehr als Beitragszeit angerechnet.<br />

Der Nationalrat hat die Vorlage mit 91 zu<br />

64 Stimmen verabschiedet, der Ständerat<br />

mit 32 zu 12. Der Bundesrat und die bürgerlichen<br />

Parteien erachten die Revision als ausgewogenen<br />

Kompromiss. Die <strong>Schweizer</strong>ische<br />

Volkspartei und die Freisinnigen<br />

wollten zwar beim Leistungsabbau noch weiter<br />

gehen, haben der Revision aber schliesslich<br />

mit Blick auf eine mögliche Volksabstimmung<br />

zugestimmt. Zur Abstimmung wird es<br />

kommen, weil Gewerkschaften, Sozialdemokraten<br />

und Grüne das Referendum ergriffen<br />

haben. Sie sprechen von einem Sozialabbau,<br />

der jene Personen bestrafe, die sowieso<br />

schon am meisten unter Krise litten.<br />

Lehnt das Volk die Revision ab, muss der<br />

Bundesrat die Lohnabzüge per Anfang 2011<br />

erhöhen, weil die ALV die gesetzlich zulässige<br />

Verschuldungsquote überschritten hat.<br />

Ohne Sparmassnahmen würde diese Prämienerhöhung<br />

allerdings höher ausfallen, als<br />

es mit der Revision geplant ist.<br />

Aufsicht nicht die Kompetenz hat,<br />

das Verhalten der UBS zu untersuchen,<br />

gab sie auch der Bank<br />

Empfehlungen ab. Insbesondere<br />

forderte die GPK die UBS auf, ihr<br />

eigenes Verhalten im Verlaufe der<br />

Krise aufzuarbeiten. RL<br />

21


SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

22 AUSLANDSCHWEIZER-ORGANISATION<br />

www.<strong>swiss</strong>community.org: chatten, suchen, fi nden<br />

Welches ist die Rolle der ASO im Zeitalter der elektronischen Kommunikationsplattformen?<br />

Diese Frage beantworten wir mit einem globalen Netzwerk für Auslandschweizerinnen<br />

und Auslandschweizer oder anders ausgedrückt: mit einer weltweiten virtuellen<br />

Community für alle <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong>, die im Ausland leben.<br />

SwissCommunity wurde durch die Auslandschweizer-Organisation<br />

(ASO) gegründet<br />

und ist eine Internet-Plattform für unsere<br />

Mitbürger im Ausland. Es ist ein wenig wie<br />

Facebook, Xing oder Linked-In, aber eben<br />

doch nicht das Gleiche. Der neue Auslandschweizerclub<br />

wird eine exklusive Kommunikationsplattform<br />

sein, spezifi sch auf die<br />

Bedürfnisse unserer Landsleute im Ausland<br />

zugeschnitten. SwissCommunity soll in erster<br />

Linie den Kontakt der Auslandschweizer<br />

untereinander und zur Schweiz erleichtern.<br />

Zugleich soll mit www.<strong>swiss</strong>community.org<br />

auch die Kommunikation zwischen der<br />

ASO und den Auslandschweizer-Gemeinschaften<br />

gefördert werden.<br />

Zentrales Instrument wird dabei eine<br />

Online-Plattform sein, die es <strong>Schweizer</strong>innen<br />

und <strong>Schweizer</strong>n im Ausland sowie interessierten<br />

Stellen und Institutionen im Inland<br />

gestattet, gezielt miteinander in<br />

Kontakt zu treten. Beispielsweise wollen<br />

wir den Kontakt zwischen den <strong>Schweizer</strong>innen<br />

und <strong>Schweizer</strong>n im Ausland und<br />

ihrem Herkunfts- oder Heimatkanton und<br />

umgekehrt erleichtern.<br />

Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer,<br />

welche ihre alte Heimat besuchen,<br />

erhalten per www.<strong>swiss</strong>commu nity.org<br />

touristische Informationen, Tipps und Angebote.<br />

<strong>Schweizer</strong>vereine und schweizerische<br />

Institutionen im Ausland können die<br />

neue Plattform und die SwissCommunity<br />

für Veranstaltungshinweise und damit auch<br />

für die Mitgliederwerbung nutzen, und wer<br />

als Ausland-Berner im Ausland mit einem<br />

anderen Ausland-Berner Erfahrungen austauschen<br />

will, kann dies ebenfalls auf<br />

www.<strong>swiss</strong>community.org tun. Wir hoffen<br />

auch, dass durch das neue Netzwerk die<br />

Dienstleistungen der ASO und die Angebote<br />

ihrer Partner einem breiteren<br />

Publikum bekannt und zugänglich gemacht<br />

werden können.<br />

Ganz generell möchten wir mit<br />

www.<strong>swiss</strong>community.org die Kommunikation<br />

über alle Landesgrenzen hinaus verstärken<br />

und intensivieren.<br />

Über www.<strong>swiss</strong>community.org kann<br />

man zum Beispiel gute Adressen und Ratschläge<br />

austauschen, neue Bekanntschaften<br />

schliessen oder von Spezialangeboten<br />

profi tieren. Wer mit anderen die Freizeit<br />

teilen will oder soziale Kontakte sucht,<br />

kann dies über SwissCommunity besorgen<br />

– von Auslandschweizer zu Auslandschweizer.<br />

Ein Veranstaltungskalender wird über<br />

Ereignisse informieren, die vor allem für<br />

Auslandschweizer von Interesse sind, vom<br />

kulturellen Programm der <strong>Schweizer</strong> Botschaft<br />

in London bis zum Fondue-Abend in<br />

New York oder dem Networking-Cocktail<br />

in Shanghai. Mitglieder können auch<br />

eigene Veranstaltungen eintragen und ihre<br />

Kontakte dazu einladen.<br />

Die Online-Community der ASO ist<br />

vollumfänglich auf die Bedürfnisse der<br />

<strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong> im Ausland<br />

ausgerichtet – egal, ob sie erst seit kurzem<br />

aus der Heimat weggezogen sind oder<br />

schon lange im Ausland leben. www.<strong>swiss</strong>community.org<br />

ist ein umfassender Link<br />

zur Schweiz und zu allen <strong>Schweizer</strong> Bürgern<br />

auf allen Kontinenten – einfach per<br />

Mausklick und ohne Kosten. Die neue<br />

Plattform ist jedoch auch für alle Rückkehrer<br />

wichtig, die weiterhin mit ihren Freunden<br />

in aller Welt den Kontakt aufrecht erhalten<br />

möchten.<br />

Die Auslandschweizer-Organisation hat<br />

die neue Internet-Plattform zusammen mit<br />

ihren Partnern <strong>swiss</strong>info, Schweiz Tourismus,<br />

Mediaparx und ManRey aufgebaut.<br />

EC


SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

«Der Standort Schweiz<br />

braucht <strong>swiss</strong>info»<br />

«<strong>swiss</strong>info muss auf alle Fälle erhalten<br />

bleiben», fordert der Tessiner Journalist<br />

und Ständerat Filippo Lombardi. Er erinnert<br />

den Bundesrat zudem an seine gesetzlichen<br />

Pfl ichten und an die Bedeutung<br />

der Auslandsinformation für den Standort<br />

Schweiz. Interview Heinz Eckert<br />

«schweizer revue»: <strong>swiss</strong>info ist einmal<br />

mehr in Gefahr. Kann es sich die globalisierte<br />

Schweiz überhaupt leisten, auf eine mediale<br />

Auslandspräsenz zu verzichten?<br />

fi lippo lombardi: Für mich ist die Antwort<br />

klipp und klar: NEIN! Es wäre wirklich<br />

ein Eigengoal, genau in dieser Zeit, mit<br />

dem zunehmenden internationalen politischen<br />

und medialen Druck auf die Schweiz,<br />

diesen privilegierten Kanal fallen zu lassen.<br />

Worin sehen Sie die besonderen Leistungen<br />

von <strong>swiss</strong>info?<br />

Als Journalist schätze ich einerseits die Auswahl,<br />

Einordnung und synthetische Darstellung<br />

der Themen, die für ein internationales<br />

Publikum selbstverständlich anders sein müssen<br />

als für Inländer. Andererseits ist für mich<br />

die redaktionelle Unabhängigkeit des Portals<br />

ein Vorbild im internationalen Vergleich: Wir<br />

können stolz sein, eine angesehene «Stimme<br />

der Schweiz» zu haben, die kein staatliches<br />

Sprachrohr ist. Letztlich sind auch die neun<br />

Sprachen von <strong>swiss</strong>info eine weltweite Rarität,<br />

die es unbedingt zu erhalten gilt. Mir fehlt<br />

nur noch Russisch im Angebot.<br />

Wie wichtig ist <strong>swiss</strong>info für das Image der<br />

Schweiz im Ausland?<br />

Unverzichtbar. Ich stelle immer mehr fest,<br />

in meinen Beziehungen zu Freundes- und<br />

Familienkreisen im Ausland, dass sie wirklich<br />

auf <strong>swiss</strong>info angewiesen sind, um ihre Beziehung<br />

mit der Schweiz lebendig zu halten.<br />

Swissinfo erklärt dem Ausland – auch den<br />

ausländischen Journalisten – die Schweiz und<br />

ihr politisches System. Das war wichtig bei<br />

der Minarett-Abstimmung und auch im Zusammenhang<br />

mit dem Bankgeheimnis und<br />

dem Finanzplatz.<br />

Würde es nicht genügen, wenn <strong>swiss</strong>info nur<br />

in unseren Landessprachen und in Englisch<br />

informieren würde?<br />

Sicher nicht! Wie gesagt, befürworte ich<br />

im Gegenteil die Ausweitung auf Russisch.<br />

Dass man auch nur auf die Idee einer Kürzung<br />

kommt – in einem Land wie der Schweiz,<br />

das genau weiss, dass man alles Mögliche<br />

übersetzen muss, um gut verstanden zu werden<br />

und den Zusammenhalt zu fördern –<br />

fi nde ich einfach unverständlich.<br />

Sollten nicht Organisationen wie Pro Helvetia,<br />

economiesuisse, Osec oder Präsenz Schweiz<br />

alles Interesse haben, dass <strong>swiss</strong>info erhalten<br />

bleibt und sich entsprechend einsetzen?<br />

Ja, sie alle brauchen <strong>swiss</strong>info. Die Zusammenarbeit<br />

muss allerdings noch intensiviert<br />

und verbessert werden, im Interesse des<br />

Standortes Schweiz.<br />

Die SRG hat fi nanzielle Probleme und muss<br />

sparen. Wo sehen Sie Sparpotenzial?<br />

Sicher nicht bei <strong>swiss</strong>info. Wenn die SRG<br />

ein Prozent ihrer Gebühreneinnahmen für<br />

die Auslandsinformation einsetzt, entspricht<br />

das genau dem «Service Public». Oder ist<br />

«Service Public» nur eine Legitimation für<br />

das Gebühreninkasso? Zudem ist der Bund<br />

gemäss Radio- und Fernsehgesetz aus dem<br />

Jahr 2007, basierend auf einer Motion Lombardi,<br />

verpfl ichtet, die andere Hälfte von<br />

<strong>swiss</strong>info zu fi nanzieren. Es ist doch merkwürdig,<br />

wenn der Bundesrat in seiner Sparwut<br />

bereits drei Jahre später wieder mit einer<br />

Aufhebung seiner gesetzlichen Pfl icht<br />

droht.<br />

ASO Ratgeber<br />

frage: Ich lebe im Ausland, kann ich mir<br />

meine Pensionskassengelder der 2. Säule als<br />

Kapital auszahlen lassen?<br />

antwort: Das kommt darauf an, ob Sie<br />

nun in einem EU-/EFTA-Staat leben oder<br />

nicht:<br />

Bei einem Wohnsitz in einem EU-/<br />

EFTA-Staat ist die Kapitalauszahlung der<br />

2. Säule grundsätzlich nicht mehr möglich,<br />

wenn man in seinem neuen Wohnsitzland<br />

der obligatorischen Versicherung gegen die<br />

Risiken Alter, Invalidität und Tod untersteht.<br />

Selbständigerwerbende können sich<br />

also die 2. Säule auszahlen lassen, sofern ihr<br />

Wohnsitzland keine obligatorische Versicherung<br />

gegen die oben erwähnten Risiken<br />

für Selbständige vorsieht.<br />

Wer hingegen ausserhalb eines EU- oder<br />

EFTA-Staates Wohnsitz nimmt, kann die<br />

Kapitalauszahlung seiner Pensionskassengelder<br />

der 2. Säule verlangen. Es ist empfehlenswert,<br />

sich diesbezüglich frühzeitig<br />

bei seiner Pensionskasse zu erkundigen.<br />

Diese kann eine Barauszahlung nämlich<br />

verweigern, wenn die betreffende Person<br />

bereits ein Alter erreicht hat, für das ihre<br />

Pensionskasse die Möglichkeit einer vorzeitigen<br />

Pensionierung vorsieht.<br />

Die Gelder der 2. Säule können auch<br />

weiterhin für die Finanzierung, den Bau<br />

oder die Renovation von selbst genutztem<br />

Wohneigentum oder für die Amortisation<br />

einer Hypothek verwendet werden. Dies<br />

gilt auch dann, wenn sich die Liegenschaft<br />

in einem der EU- oder EFTA-Land befi ndet.<br />

Die Auszahlung des überobligatorischen<br />

Teils der 2. Säule bleibt weiterhin möglich.<br />

Bei einer Kapitalauszahlung der Pensionskassengelder<br />

wird empfohlen, eine Versicherung<br />

für die Risiken Invalidität und<br />

Tod abzuschliessen.<br />

Sarah Mastantuoni, Leiterin des Rechtsdienstes der ASO<br />

Jugendangebote und Projekte<br />

der Auslandschweizer-<br />

Organisation<br />

Die ASO bietet jungen Auslandschweizern<br />

ein vielfältiges Angebot, um die Schweiz<br />

kennenzulernen und Jugendliche aus<br />

der ganzen Welt zu treffen.<br />

Ein einmaliges Projekt fi ndet diesen<br />

Herbst gesamtschweizerisch statt. Tausende<br />

von Jugendgruppen machen mit,<br />

wenn am 9. September der Startschuss zur<br />

«Aktion 72 Stunden» fällt. Auch die Auslandschweizer<br />

werden teilnehmen und das<br />

ihnen zugeteilte gemeinnützige Projekt<br />

hoffentlich erfolgreich im Wettlauf gegen<br />

die Zeit umsetzen können. Informationen<br />

zur «Aktion 72 Stunden – und die Schweiz<br />

steht Kopf» gibts auf www.72h.ch.<br />

Seminar zur Eidgenössischen Jugendsession,<br />

09. – 15.11.2009<br />

Die Jugendlichen in der Schweiz nehmen<br />

Einfl uss auf die Politik des Landes. Im<br />

November ist es wieder so weit. Das<br />

Jugendparlament tagt im Bundeshaus.<br />

200 Jugend liche erhalten die Chance, sich<br />

zu aktuellen politischen Themen zu äussern.<br />

Die ASO bietet Auslandschweizern<br />

die Möglichkeit, an diesem Anlass teilzunehmen.<br />

Wir bereiten die Jungparlamentarier<br />

auf die Session vor und begleiten sie<br />

eine Woche lang.<br />

23


SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

24 AUSLANDSCHWEIZER-ORGANISATION<br />

Heute schon können sich Auslandschweizer<br />

für die Winterlager 2011 anmelden.<br />

Neujahrsskilager in Sedrun (GR)<br />

27.12.2010 – 05.01.2011<br />

60 Jugendliche aus über 20 Ländern treffen<br />

sich in den Bündner Bergen. Das Skigebiet<br />

von Sedrun ist schneesicher und attraktiv.<br />

Die Unterkunft ist gemütlich und<br />

liegt direkt im Dorf. Eine rauschende Silvesterparty<br />

gehört selbstverständlich dazu.<br />

Schneesportwoche in Wengen (BE)<br />

26.02. – 05.03.2011<br />

Ein ganz besonderes Lager fi ndet im<br />

Berner Oberland statt. Die Teilnehmer der<br />

Schneesportwoche sind älter als 18 Jahre.<br />

Viele Stammgäste treffen sich regelmässig<br />

in der Schweiz und geniessen die internatio<br />

nale Stimmung im Lagerhaus und im<br />

Skigebiet. Neue Gesichter sind herzlich<br />

willkommen.<br />

Osterlager in Fiesch (VS)<br />

16.04. – 24.04.20011<br />

In Sportzentrum in Fiesch nutzen die<br />

Auslandschweizer eine fabelhafte Infrastruktur<br />

mit Turnhallen, Sportplätzen und<br />

Hallenbad. Natürlich sind die Bedingungen<br />

für Schneesport auch im April auf der<br />

Fiescheralp noch ideal. Skifahren in der<br />

Frühlingssonne gilt als aussergewöhnlicher<br />

Spass.<br />

Auskünfte und Informationen zu den genannten<br />

Angeboten unter<br />

Auslandschweizer-Organisation<br />

Jugenddienst, Tel.: +41 (0)31 356 61 00<br />

youth@aso.ch, www.aso.ch<br />

Winterlager für Kinder von<br />

8 bis 14 Jahren<br />

Ob Skifahrer oder Snowboarder, Anfänger<br />

oder Fortgeschrittener, in unseren Winterlagern<br />

können 8 bis 14jährige Auslandschweizer-Kinder<br />

eine tolle Zeit verbringen!<br />

Winterlager Tschierv (GR)<br />

Datum: Montag, 27. Dezember 2010 bis<br />

Mittwoch, 5. Januar 2011<br />

Anzahl Teilnehmende: 36<br />

Kosten: CHF 900.– Lagerbeitrag<br />

Ski- od. Snowboardmiete: ca. CHF 150.–<br />

Anmeldeschluss: 30. Oktober 2010<br />

TALON FÜR AUSLOSUNG JUSKILA LENK (2.–9.1.2011):<br />

Bitte in gut lesbarer Druckschrift ausfüllen.<br />

Vorname: Name:<br />

Strasse: PLZ, Ort:<br />

Land: Geburtsdatum:<br />

Name der / des Erziehungsberechtigten:<br />

❑ Mädchen / ❑ Knabe Telefon:<br />

Heimatgemeinde in der Schweiz (siehe Pass / ID):<br />

E-Mail Eltern:<br />

Sportart: ❑ Ski alpin / ❑ Langlauf / ❑ Snowboard<br />

(Nur ein Feld ankreuzen! Nach der Verlosung kann die Sportart nicht mehr gewechselt werden.)<br />

Sprache Kind: ❑ Deutsch / ❑ Französisch / ❑ Italienisch<br />

Unterschrift der / des Erziehungsberechtigten:<br />

Unterschrift des Kindes:<br />

Einsendung des Talons zusammen mit einer Kopie des <strong>Schweizer</strong> Passes eines Elternteils oder des Kindes bis<br />

15. Oktober 2010 (Datum des Eingangs) an: Stiftung für junge Auslandschweizer, Alpenstrasse 26, CH-3006 Bern,<br />

Tel. +41 31 356 61 16, Fax +41 31 356 61 01, E-mail: sjas@aso.ch<br />

Winterlager Arolla (VS)<br />

Datum: Montag, 27. Dezember 2010 bis<br />

Mittwoch, 5. Januar 2011<br />

Anzahl Teilnehmende: 36<br />

Kosten: CHF 900.– Lagerbeitrag<br />

Ski- od. Snowboardmiete: ca. CHF 150.–<br />

Anmeldeschluss: 30. Oktober 2010<br />

Anmeldung<br />

Die genauen Angaben zu den Winterlagern<br />

und das Anmeldeformular fi nden Sie<br />

ab 15. September 2010 unter www.sjas.ch<br />

(«unsere nächsten Lager»). In berechtigten<br />

Fällen werden Beitragsreduktionen gewährt.<br />

Das entsprechende Formular kann<br />

auf dem Anmeldeformular bestellt werden.<br />

Auf Anfrage stellen wir Ihnen unsere Informationsbroschüre<br />

gerne auch per Post zu.<br />

JUSKILA Lenk<br />

Auslosung für eine Teilnahme am Jugendskilager<br />

(JUSKILA) in der Lenk für 13- und<br />

14-jährige Auslandschweizer-Kinder.<br />

600 <strong>Schweizer</strong> Kinder, darunter eine<br />

Anzahl Auslandschweizer-Kinder mit Jahrgang<br />

1996 und 1997, können kostenlos am<br />

grossen Skilager des <strong>Schweizer</strong>ischen Skiverbandes<br />

in der Lenk teilnehmen. Dieses<br />

fi ndet vom 2.–9. Januar 2011 statt. Um am<br />

Juskila teilnehmen zu können, sollten die<br />

Auslandschweizer-Kinder sich wenigstens<br />

in einer der drei schweizerischen Landessprachen<br />

(Deutsch, Französisch oder Italienisch)<br />

verständigen können. Gewonnen<br />

werden kann lediglich die Teilnahme am<br />

Lager (Schneesportunterricht, Essen, Unterkunft).<br />

Die Organisation sowie die Finanzierung<br />

der Hin- und Rückreise liegt in<br />

der Verantwortung der Eltern. Informiert<br />

wird Ende Oktober, wer dabei sein kann.<br />

Auskünfte und Informationen:<br />

Stiftung für junge Auslandschweizer (SJAS),<br />

Tel. +41(0)31 356 61 16, sjas@aso.ch, www.sjas.ch<br />

AUSLANDSCHWEIZER-ORGANISATION<br />

Unsere Dienstleistungen:<br />

■ Rechtsdienst<br />

■ Jugenddienst<br />

■ AJAS<br />

Der Verein zur Förderung der Ausbildung junger Auslandschweizer<br />

■ KSA<br />

Das Komitee für <strong>Schweizer</strong> Schulen im Ausland<br />

■ SJAS<br />

Die Stiftung für junge Auslandschweizer<br />

ASO, Auslandschweizer-Organisation, Alpenstrasse 26, CH–3006 Bern,<br />

Telefon +41 31 356 61 00, Fax +41 31 356 61 01, www.aso.ch


AUSLANDSCHWEIZER-ORGANISATION<br />

SwissCommunity Partner<br />

«Die Internet-Plattform SwissCommunity<br />

vernetzt <strong>Schweizer</strong> weltweit»<br />

Ursula Deplazes<br />

Forscherin<br />

Bündnerin in Rom<br />

«Ein Netzwerk unter<br />

Auslandschweizern<br />

aufzubauen spielt eine<br />

wichtige Rolle – sowohl<br />

privat wie auch beruflich.»<br />

Urs Steiner<br />

Direktor <strong>Schweizer</strong> Schule<br />

Berner in Peru<br />

«Andere Auslandschweizer<br />

kennenlernen, gute<br />

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mich über die Schweiz<br />

informieren – das kann<br />

ich alles auf SwissCommunity!»<br />

Vernetzen Sie sich mit anderen Auslandschweizern<br />

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26 DICHTER AUF SCHWEIZERREISE<br />

SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

Foto: Keystone<br />

Auf den Spuren Byrons in der Schweiz<br />

Von Mai bis Oktober 1816 hielt sich der englische Dichter Lord<br />

Byron (1788–1824) in der Schweiz auf. Segelfahrten auf<br />

dem Genfersee und Ausfl üge in die Alpen inspirierten ihn zu<br />

zwei seiner Hauptwerke. Unterwegs auf den Spuren eines<br />

der ersten Romantiker. Von Alain Wey<br />

Wer ist Lord Byron? Der Rockstar unter den<br />

englischen Literaten des beginnenden<br />

19. Jahrhunderts. Er wurde durch die Veröffentlichung<br />

der ersten beiden Canti von<br />

Childe Harolds Pilgerfahrt (Childe Harold's<br />

Pilgrimage, 1812) über Nacht berühmt. Diese<br />

Gesänge erzählen von den Abenteuern und<br />

Eindrücken seiner Reise nach Portugal,<br />

Spanien, Griechenland und in die Türkei.<br />

Byron ist denn auch derjenige Autor, der im<br />

berühmten Film von Robin Williams Der<br />

Club der toten Dichter (Dead Poets Society,<br />

1989) am häufi gsten zitiert wird. 1816 sah<br />

sich der wohlhabende Verführer mit Sitz im<br />

House of Lords gezwungen, nach dem Skandal<br />

um seine inzestuöse Beziehung zu seiner<br />

Halbschwester und einer ebenfalls skandalumwobenen<br />

Scheidung ins Exil<br />

zu gehen. Er war zu diesem Zeitpunkt<br />

28 Jahre alt. Der Vorreiter<br />

der Romantikwelle in der<br />

Literatur hielt sich von Mai bis<br />

Oktober in der Schweiz auf und<br />

schrieb den 3. Gesang von<br />

Childe Harolds Pilgerfahrt sowie<br />

Der Gefangene von Chillon<br />

(The Prisoner of Chillon).<br />

Drehen wir die Zeit zurück, und<br />

zeichnen wir die Spur dieses<br />

Poeten nach, der nie ohne seinen<br />

Stockdegen ausging.<br />

Die Villa Diodati<br />

Byron reist über Flandern und<br />

Deutschland in die Schweiz,<br />

denn die französische Regierung<br />

verweigerte ihm die Durchreise.<br />

Er wird von seinem Kammerdiener<br />

Fletcher, zwei Dienstboten,<br />

dem Kurier Berger und dem<br />

Arzt Polidori begleitet. Am<br />

17. Mai 1816 durchquert der<br />

Dichter Luzern, am 23. Mai betritt<br />

er bernischen Boden. Über<br />

Avenches und Lausanne erreicht<br />

er Genf und bezieht im Hôtel d'Angleterre<br />

im Stadtteil Sécheron Quartier. Bei der Anmeldung<br />

gibt er sein Alter mit sagenhaften<br />

hundert Jahren an. Er trifft den Dichter<br />

Percy Shelley (1792-1822), der von seiner<br />

Frau Mary sowie von Claire Clairmont, der<br />

späteren Geliebten Byrons, begleitet wird.<br />

Von nun an nehmen die beiden Schriftsteller<br />

ihre Mahlzeiten gemeinsam ein und verbringen<br />

die Abende mit Bootsfahrten auf<br />

dem Genfersee, denn beide lieben das Wasser.<br />

Am 10. Juni bezieht Byron die Villa<br />

Diodati in Cologny auf der Südseite des Sees,<br />

wo auch Shelley ein Haus mietet. Die Gegend<br />

ist eine Oase der Ruhe und des Friedens.<br />

Manchmal setzt sich Byron morgens<br />

auf den grossen Balkon der Villa und arbei-<br />

Der englische Dichter Lord George Byron (1788-1824)<br />

tet an Childe Harolds Pilgerfahrt oder am<br />

Gedicht Darkness (Dunkelheit). Er wird der<br />

Träumereien am See und der Spaziergänge<br />

über die Hügel niemals müde. Es kommt<br />

auch vor, dass Byron mit seinem Boot mit<br />

englischem Kiel mitten in der Nacht und<br />

während eines Sturms auf den Genfersee<br />

hinausfährt, ungeachtet der Gefahr, die ihm<br />

dort droht. Als er an einem Morgen mit sehr<br />

heftigem Wind ganz alleine auf dem See<br />

segelt, wird zu seiner «Rettung» Alarm<br />

geschlagen. Am Ufer angekommen, bedankt<br />

sich Byron mit einer schrecklichen Szene bei<br />

seinen armen Rettern, und wirft ihnen vor,<br />

sie hätten mit ihrer Aktion seine Meditationen<br />

gestört!<br />

Die Geburt Frankensteins<br />

Sintfl utartiger Regen, düstere Nächte und<br />

die Lektüre deutscher Volksmärchen: Das<br />

Wetter steigert die Vorstellungskraft und<br />

den Hang zum Fantastischen. Byron schlägt<br />

Shelley, dessen Frau und Polidori vor, eine<br />

Schauergeschichte zu schreiben. Er skizziert<br />

eine Vampirgeschichte ... aber ohne rechte<br />

Überzeugung. Im Kopfe der Frau jedoch<br />

reift die Idee heran. Nach einem fürchterlichen<br />

Alptraum hat Mary Shelley das Thema<br />

ihrer Gruselgeschichte gefunden. Gleich am<br />

nächsten Tag beginnt sie mit der<br />

Niederschrift von Frankenstein,<br />

erst in Form einer kurzen Novelle,<br />

schliesslich wird aber ein<br />

ganzer Roman daraus.<br />

Am 22. Juni machen Byron und<br />

Shelley eine Bootsfahrt dem<br />

Savoyer Ufer entlang. Evian,<br />

Tour ronde, Lugrin und Meillerie<br />

ziehen vorbei. Dann, am<br />

24. Juni, erleben sie in Saint-<br />

Gingolph einen Sturm, der fast zu<br />

ihrem Schicksal wird. Nachdem<br />

sie an dem am Fusse einer Felswand<br />

gelegenen Dorf Villeneuve<br />

vorbeigesegelt sind, erscheint<br />

schliesslich die Silhouette von<br />

Schloss Chillon, der heiligen<br />

Stätte Jean-Jacques Rousseaus,<br />

die Kulisse für Die neue Heloise<br />

(La Nouvelle Héloïse ). Die beiden<br />

Dichter dringen in die Tiefen<br />

des Schlosses vor und erreichen<br />

das unterhalb des Seespiegels liegende<br />

Verlies mit seinen sieben<br />

Säulen. Dort entdeckt Byron die<br />

Geschichte des Priors François<br />

Bonivard, der von 1530 bis 1536 im


SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

Foto: Keystone<br />

Schloss Chillon eingekerkert war,<br />

weil er sich dem Herzog von Savoyen<br />

widersetzte, der versuchte sich die<br />

Stadt Genf anzueignen. Weiter den<br />

Spuren Rousseaus folgend, gelangen<br />

die beiden Dichter nach Clarens.<br />

Schliesslich erreichen sie Ouchy<br />

(Lausanne), wo Byron am 28. Juni in<br />

ungemein kurzer Zeit das Gedicht<br />

The Prisoner of Chillon schreibt. Die<br />

literarische Ausbeute dieser Seerundreise<br />

wird überhaupt enorm sein.<br />

Zurück in Cologny verbringt Byron<br />

die Monate Juli und August in der<br />

Villa Diodati: Er schreibt, spaziert,<br />

segelt und beherbergt manchmal<br />

Gäste aus England. Häufi g besucht<br />

er auch die Schriftstellerin Madame<br />

de Staël in Coppet, die ihm mit dem<br />

Ausruf schmeichelt: «Der Genfersee<br />

schuldet Ihnen Anerkennung,<br />

Mylord.» Am 29. August verlassen<br />

die Shelleys Cologny Richtung England,<br />

und Byron reist nach Chamonix<br />

und zum Mont-Blanc.<br />

Reise in den Alpen<br />

Am 17. September unternimmt Byron mit<br />

zwei englischen Freunden eine Reise ins Berner<br />

Oberland. Über Les Avants (oberhalb<br />

Montreux), den Jaman-Pass, das Simmental,<br />

Thun und Interlaken gelangt er nach Lauterbrunnen,<br />

einem zwischen hohen Bergspitzen<br />

liegenden Dorf, wo in schwindelerregenden<br />

Schluchten tosende Bäche ins Leere fallen.<br />

Die Staubbachfälle fesseln seine Aufmerksamkeit<br />

lange: «The torrent is in shape curving<br />

over the rock, like the tail of a white<br />

«... yonder Alpine snow, Imperishably<br />

pure beyond all things below.»<br />

«Lake Leman woos me with its crystal face,<br />

The mirror where the stars and mountains<br />

view<br />

The stillness of their aspect in each trace<br />

Its clear depth yields of their far height and<br />

hue:<br />

There is too much of man here, to look<br />

through<br />

With a fi t mind the might which I behold;<br />

But soon in me shall Loneliness renew<br />

Thoughts hid, but not less cherished than<br />

of old...»<br />

Childe Harold's Pilgrimage, 3. Gesang,<br />

67.-68. Strophe<br />

Anne Isabella Noel Byron (1792–1860), die Gattin Lord<br />

Byrons<br />

horse streaming in the wind.»* Auf der<br />

Wengernalp verweilt der Dichter kontemplativ<br />

vor dem Dreigestirn Eiger, Mönch und<br />

Jungfrau, das hier die ganze Pracht seiner<br />

4000 Meter entfaltet. Die bis in die Wälder<br />

reichenden Gletscherzungen, die Lawinen,<br />

die Eisfälle – all das fasziniert Byron. Er<br />

steigt nach Grindelwald hinunter und weiter<br />

an den Brienzersee, von wo aus er nach<br />

Interlaken zurückkehrt. In Freiburg kauft<br />

der Dichter einen «scheusslichen» Hund<br />

ohne Schwanz namens Mutz, der alle beisst.<br />

«And Jura answers, through her misty<br />

shroud,<br />

Back to the joyous Alps, who call to her<br />

aloud!»<br />

3. Gesang, 92. Strophe<br />

«Clarens! sweet Clarens! birthplace of<br />

deep Love!<br />

Thine air is the young breath of passionate<br />

thought;»<br />

«Clarens! by heavenly feet thy paths are<br />

trod, -<br />

Undying Love’s, who here ascends a throne<br />

To which the steps are mountains;»<br />

Am 29. September ist er wieder zurück<br />

in der Villa Diodati. Byron will<br />

den Winter in Italien verbringen<br />

und muss unverzüglich reisen, bevor<br />

die Pässe zugeschneit werden. Er<br />

glaubt zu der Zeit nicht, dass es sich<br />

dabei um einen endgültigen Abschied<br />

handelt, denn er behält sein<br />

Segelboot und macht es im Hafen<br />

von Genf fest.<br />

Am 5. Oktober eilt er Richtung<br />

Wallis, macht in Saint-Maurice halt,<br />

durchquert das Rhonetal, bewundert<br />

den Wasserfall von Pissevache<br />

und führt seine Reise Richtung<br />

Martigny, Sitten, Siders, Leuk und<br />

Visp fort. Von Brig aus bringt ihn<br />

die Überquerung des Simplons nach<br />

Italien. Lord Byron kehrt nicht<br />

mehr in die Schweiz zurück und<br />

wird auch England niemals wiedersehen.<br />

Er engagiert sich im griechischen<br />

Unabhängigkeitskampf gegen<br />

die türkische Herrschaft und stirbt<br />

1824 im Alter von 36 Jahren an<br />

Malaria. In einem so kurzen Leben<br />

sind diese fünf Monate, die er in der Schweiz<br />

verbrachte, also recht bedeutsam. Und in seinen<br />

Versen von Childe Harolds Pilgerfahrt<br />

klingt die Begeisterung noch mit: «Once<br />

more upon the waters! yet once more! / And<br />

the waves bound beneath me as a steed /<br />

Welcome to their roar!»**<br />

Byron et Shelley en Suisse et en Savoie, von Claire-<br />

Eliane Engel, Librairie Dardel, Chambéry, 1930<br />

* A Journal, 23. September, Letters and Journals,<br />

Lord Byron.<br />

** Childe Harold's Pilgrimage, 3. Gesang, 2. Strophe<br />

«T’was not for fi ction chose Rousseau<br />

this spot,<br />

Peopling it with affections; but he found<br />

It was the scene which passion must allot<br />

To the mind’s purifi ed beings;»<br />

3. Gesang, 99., 100. und 104. Strophe<br />

«Here are the Alpine landscapes which<br />

create<br />

A fund for contemplation; to admire<br />

Is a brief feeling of a trivial date;<br />

But something worthier do such scenes inspire,<br />

Here to be lonely is not desolate.»<br />

Epistle to Augusta, 8. Strophe, 1.-5. Vers<br />

27


SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

28 MODERNE SENNEN<br />

Das Sennentum des 21. Jahrhunderts<br />

Die Bergkäser und -hirten haben sich der neuen Zeit<br />

angepasst, die Sennenkultur lebt auch auf den Alpweiden<br />

und nicht nur in den Museen weiter. Begegnung mit<br />

dem Senn Michel-Joseph Braillard. Von Alain Wey<br />

Wer sind die heutigen Sennen? Alpkäser,<br />

Hirten, Viehhüter, Melker, die folkloristischen<br />

Vertreter par excellence der Schweiz*,<br />

hätten in den 70er Jahren sang- und klanglos<br />

verschwinden können, wenn nicht die<br />

alternative Jugend der Städte zu ihrer Verstärkung<br />

geeilt wäre. Die Geschichte des<br />

Alp käses hat noch viele Jahrzehnte vor sich.<br />

Der Senn Michel-Joseph Braillard kommt<br />

auf eine tausendjährige Geschichte zu sprechen.<br />

«Die <strong>Schweizer</strong> Messe für Land- und<br />

Milchwirtschaft, die Olma in Sankt Gallen,<br />

spiegelt ein wenig die Schweiz des modernen<br />

Sennentums wider, das sich der heutigen<br />

Zeit enorm angepasst hat. Dank dem Gesetz<br />

über Bodenverbesserungen war es möglich,<br />

Zugangsstrassen zu den Alpweiden zu bauen.<br />

Die heutigen Sennen besitzen fast alle einen<br />

Wagen mit Vierradantrieb. Auf die steilsten<br />

Alpen führen Seilbahnen oder sogar Einschienenbahnen<br />

(Monorails). In der Schweiz<br />

werden die Alpen seit rund 1000 Jahren bewirtschaftet,<br />

das Know-how für die Herstellung<br />

des Caseus helveticus, des Hartkäses,<br />

für den die Schweiz so berühmt ist, steuerten<br />

die Mönche bei.» Bei Michel-Joseph<br />

Braillard sprudeln die Geschichten und Anekdoten<br />

nur so hervor. «Als im 16. Jahrhundert<br />

die Überquerungen des Atlantiks gang<br />

und gäbe wurden, erlebte der Gruyère seinen<br />

ersten Boom, weil er sehr proteinreich<br />

und gut haltbar ist. Die Spuren reichen aber<br />

noch weiter zurück: In der Nähe von Bern<br />

liegt ein Ort namens Chäs u Brot. Dieser<br />

Name geht auf das Jahr 1339 zurück. Als sich<br />

die Deutschschweizer nach Laupen begaben,<br />

um gegen den hochburgundischen Adel zu<br />

kämpfen, wurden sie an diesem Ort mit Käse<br />

und Brot verpfl egt.»<br />

Im 16., 17. und 18. Jahrhundert brachte der<br />

Käse der Schweiz einen gewissen Wohlstand,<br />

es war die Zeit der so genannten Käsebarone,<br />

als auf dem Markt von Lyon jedes Jahr Tausende<br />

von Laibe verkauft wurden. Dieses<br />

goldene Zeitalter endete mit dem ausgehenden<br />

19. Jahrhundert. Erst mit dem Zurückzur-Natur<br />

der 1970er Jahre wuchs die Nach-<br />

frage nach regionalen Produkten und<br />

Alpkäsen wieder und führte beim Sennenvolk<br />

zu einer «Blutauffrischung» durch junge<br />

«Alternative» aus der Stadt, die in Kursen der<br />

landwirtschaftlichen Schulen das Käsen<br />

erlernten. Heutzutage gibt es auch eine<br />

Internetsite, www.zalp.ch, mit einer Sammlung<br />

von Ratschlägen für Sennerinnen und<br />

Sennen und einer Stellenbörse.<br />

Laut Michel-Joseph Braillard ist der Aufschwung<br />

des Sennentums aber auch mit der<br />

Zusammenlegung der Alpen und der Modernisierung<br />

der Ausrüstung und Sennhütten<br />

verbunden. Das ist beispielsweise im<br />

Simmental (BE) so. «Ich denke, dass mit der<br />

grösseren Nachfrage nach regionalen Produkten<br />

für einige Jahrzehnte auch wieder ein<br />

gewisser Wohlstand in die Berglandwirtschaft<br />

zurückgekehrt ist. L'Etivaz aus dem<br />

Pays-d'Enhaut (ebenfalls ein Gruyère) ist<br />

ein gutes Beispiel für die neue Blüte der Alp-<br />

DER ABENTEUERLUSTIGE<br />

SENN<br />

Im Alter von fünf Jahren beginnt<br />

der heute 66-jährige<br />

Senn Michel-Joseph Braillard<br />

nach und nach alle mit dem<br />

Alpleben in den Freiburger<br />

Voralpen verbundenen Arbeiten<br />

zu erlernen. Er, der aus<br />

einer seit vier Jahrhunderten<br />

in der Viehzucht tätigen Familie<br />

stammt, absolviert die<br />

landwirtschaftliche Schule,<br />

treibt Kalberhandel zwischen<br />

der Deutsch- und der Welschschweiz,<br />

wird Stallmeister in<br />

einer grossen Reitschule in<br />

Genf und später Reitlehrer in<br />

St. Moritz (GR). Er arbeitet in<br />

der Versuchsstation für Kreuzungen<br />

von Nutzvieh der ETH<br />

Zürich und am Tierspital als<br />

Techniker für Tierproduktion.<br />

Es folgen der Besuch von<br />

Zuchtbetrieben in Kanada<br />

und Studien in Newcastle,<br />

England: Im Verlaufe der<br />

Jahre wird der Greyerzer zu<br />

einem ausgezeichneten Viehkenner.<br />

Während zwölf Jahren<br />

betreibt er in Zollikon<br />

Mutterkuhhaltung und produziert<br />

auf diese naturnahe<br />

Weise das unter dem Namen<br />

Natura-Beef bekannte Fleisch.<br />

Danach hat er auf einer Alp<br />

im Molésongebiet (FR) eine<br />

Viehzucht, bis er 1985 in die<br />

sennerei. Dieser Käse ist das erste Produkt<br />

überhaupt, das in das schweizerische Register<br />

der geschützten Ursprungsbezeichnungen<br />

(AOC) eingetragen wurde, und die<br />

L'Etivaz-Käser arbeiten mit nur rund 60<br />

Käsekessi.»<br />

Was das Sennenvolk betrifft, so ist dieses international<br />

geworden: Unter den Sennen sind<br />

heute so unterschiedliche Nationen wie Polen,<br />

Kosovo, Paraguay und Libyen vertreten.<br />

Das Sennentum hat heute auch eine neue<br />

Funktion als Hüter der Natur. «Es ist die<br />

Verbindung zwischen Himmel und Erde.<br />

Diese Magie gilt es zu bewahren. Der Käse<br />

ist wie eine gute Flasche Wein, wie ein Clos<br />

de Vougeot oder ein Château Pétrus. Man<br />

verkostet ihn mit Respekt.» Tatsächlich<br />

wirkt sich die Lage der Weiden und das, was<br />

die Kühe oder die Ziegen fressen, direkt auf<br />

den Käse aus. Genauso wie der Rauch des<br />

Holzfeuers unter dem Kessi, das dem Käse<br />

einen ganz bestimmten Geschmack verleiht.<br />

Und «manchmal kann ein Gewittertief den<br />

Teufel in das Kessi treiben!»<br />

* Die Alpsennen tragen insbesondere in Appenzell,<br />

im Toggenburg, im Emmental und im Greyerzerland<br />

besondere traditionelle Kleidung.<br />

www.olma-messen.ch<br />

www.zalp.ch<br />

www.alporama.ch<br />

Dominikanische Republik<br />

auswandert. 1998 übernimmt<br />

er dort 400 Schafe und baut<br />

eine Molkerei-Käserei auf.<br />

2005 kehrt der Senn in die<br />

Schweiz zurück und arbeitet<br />

im Oberwallis, in Graubünden<br />

und im Pays-d'Enhaut (VD).<br />

Heute lebt er mit einer Herde<br />

Ziegen in der Alphütte La<br />

Chetta, im Greyerzerland. Er<br />

mischt der Käsemasse würzige<br />

Alpkräuter bei. «Ich<br />

habe eine Pfl ückerin kennengelernt,<br />

meine Lebensgefährtin,<br />

und daraus ist ein Käse<br />

entstanden, Le Liberta. Solange<br />

ich gesund bin, will ich<br />

zur Alp gehen.»<br />

L'armailli aventurier, Michel-Joseph<br />

Braillard, Editions de l'Aire, 2010.


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im Hotel Hannigalp in<br />

Grächen im Wallis.<br />

Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Schweiz Tourismus und der<br />

Auslandschweizer-Organisation (ASO)<br />

Skaten am Fluss.<br />

Über den Asphalt auf dem<br />

Rheindamm und dem<br />

Bodensee entlang – eine<br />

ideale Route auch für weniger<br />

geübte Skater. Dank<br />

der konsequenten Trennung<br />

vom motorisierten<br />

Verkehr auch für Familien<br />

mit Kindern ein uneingeschränktesSkatevergnügen.<br />

Biketour Sion–Visp.<br />

Biken Sie von den Weinbergen<br />

zu den Skigebieten,<br />

von grossen Tourismuszentren<br />

zu kleinen, beschaulichen<br />

Bergdörfern<br />

und über malerische Alpenpässe<br />

mit kühlen Bergbächen<br />

und herrlichen<br />

Wegen. Und das alles mit<br />

imposanter Aussicht aufs<br />

Rhonetal.<br />

Mittelland-Kanufahrt.<br />

Die Aare, der längste<br />

Fluss der Schweiz, führt<br />

quer durchs Mittelland.<br />

Von Biel in den Aargau über<br />

Solothurn, die schönste<br />

<strong>Schweizer</strong> Barockstadt,<br />

ist diese Reise begleitet<br />

von erstaunlicher Ruhe<br />

und Abgeschiedenheit.<br />

Tipp 1<br />

Weitere Informationen:<br />

541<br />

Tipp 2<br />

Weitere Informationen:<br />

531<br />

Tipp 3<br />

Weitere Informationen:<br />

316354


30 SCHWEIZER PARTEIEN – INTERNATIONALE SEKTIONEN<br />

SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

Foto: pd<br />

«Echte Chancen für die Auslandschweizer»<br />

Die SP Schweiz International wurde 1999 gegründet. Zweck:<br />

den vielen Auslandschweizern, die sich mit den Zielen und<br />

Wertvorstellungen der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz<br />

(SPS) identifi zieren können, eine politische Heimat ausserhalb<br />

unserer Landesgrenzen zu bieten. Walter Suter präsidiert die internationale<br />

Sektion der SPS seit 2007. Interview Heinz Eckert<br />

«schweizer revue»: Welche Bedeutung haben<br />

die Auslandschweizer für die SP Schweiz?<br />

walter suter: Als Gemeinschaft von über<br />

700 000 Mitbürgern im Ausland, von denen ca.<br />

130 000 sich in die Wahlregister der Heimat<br />

eingetragen haben, sind die Auslandschweizerinnen<br />

und Auslandschweizer schon rein numerisch<br />

von beträchtlicher Bedeutung. Die<br />

SPS ist der Auffassung, dass die Auslandschweizer<br />

ein legitimes Anrecht darauf haben, sich an<br />

Wahlen und Abstimmungen zu beteiligen und<br />

als Parlamentarier und Parlamentarierinnen in<br />

der Bundesversammlung gemeinsame Anliegen<br />

der Fünften Schweiz direkt auf politischer<br />

Ebene zu vertreten. Deshalb haben im Jahre<br />

2007 auch die beiden SP-Nationalräte Mario<br />

Fehr und Carlo Sommaruga Motionen eingereicht,<br />

die zum Ziele hatten, gesetzliche Massnahmen<br />

einzuführen, die den Auslandschweizern<br />

bei den Wahlen konkrete Chancen<br />

eröffnen sollten, mit ihrer Kandidatur einen<br />

Sitz im Bundesparlament zu erringen.<br />

Welches sind für Sie die dringendsten Anliegen<br />

im Interesse der Auslandschweizer?<br />

Die Schaffung von gesetzlichen Voraussetzungen,<br />

damit die <strong>Schweizer</strong>innen und<br />

<strong>Schweizer</strong> im Ausland echte Chancen erhalten,<br />

in den National- und/oder Ständerat gewählt<br />

zu werden.<br />

Welche Bedeutung haben die Beschlüsse des<br />

Auslandschweizerrats für die SP Schweiz?<br />

Die SP Schweiz ist mit ehemaligen und<br />

aktiven Bundesparlamentariern wie Remo<br />

Gysin und Carlo Sommaruga im Auslandschweizerrat<br />

vertreten. Sie trägt auch dessen<br />

Beschlüsse mit. Damit verleihen die<br />

Resolutionen des ASR den Vorstössen der<br />

Inserat<br />

Walter Suter ist seit Januar 2008 Botschafter<br />

im Ruhestand und lebt in Bern.<br />

SPS in National- und Ständerat in Fragen<br />

der Auslandschweizerpolitik erhöhtes Gewicht<br />

und Glaubwürdigkeit.<br />

Das Budget der «<strong>Schweizer</strong> <strong>Revue</strong>» wurde gekürzt,<br />

<strong>swiss</strong>info ist in Gefahr, am Vertretungsnetz<br />

wird laufend gespart: Wie beurteilen Sie<br />

diese Entwicklung?<br />

Die SP Schweiz und die Internationale<br />

Sektion verfolgen die Entwicklung mit grosser<br />

Sorge und möchte jeglichen Abbau stoppen.<br />

Nächstes Jahr sind wieder eidgenössische Wahlen:<br />

Weshalb sollte ein <strong>Schweizer</strong> oder eine <strong>Schweizer</strong>in<br />

im Ausland die SP wählen?<br />

Die SP Schweiz tritt seit jeher für eine offene<br />

Schweiz ein, die sich souverän<br />

und mit gesundem Selbstbewusstsein<br />

solidarisch und kooperativ in<br />

die Staatengemeinschaft einbringt.<br />

Wir wollen auf der Grundlage sozialer<br />

Gerechtigkeit offensiv, dauernd<br />

und aktiv zu einem friedlichen<br />

Zusammenleben unter den Völkern dieses<br />

Planeten beitragen. Dies entspricht auch den<br />

langfristigen Interessen der Auslandschweizergemeinschaft.<br />

In allen Fragen der Auslandschweizerpolitik<br />

hat die SP Schweiz stets<br />

eine kohärente und konsequente Haltung<br />

eingenommen. Sie wird das auch in Zukunft<br />

tun. Beim Bundesrat und im Parlament vertritt<br />

sie ohne Wenn und Aber die berechtigten<br />

Anliegen der Auslandschweizer.<br />

Wird jemals ein Auslandschweizer oder eine<br />

Auslandschweizerin die Wahl in den Nationalrat<br />

schaffen?<br />

Unter den gegenwärtigen Bedingungen,<br />

bei denen sich Landsleute im Ausland als<br />

Kandidaten um einen Platz auf einer Liste<br />

ihrer Partei im Wahlkanton bemühen müssen,<br />

stehen die Chancen ausgesprochen<br />

schlecht. Ich bin überzeugt, dass es mit beharrlicher<br />

Ausdauer und Überzeugungsarbeit<br />

gelingen kann, die notwendigen verfassungsmässigen<br />

und gesetzlichen<br />

Änderungen für ein passives Wahlrecht der<br />

Auslandschweizer eines Tages zu verwirklichen.<br />

Dann wird sich auch die Frage nach<br />

den Wahlchancen, wie sie heute gestellt werden<br />

muss, erledigt haben. Auf dem Wege zu<br />

einem verbesserten direkten Mitspracherecht<br />

der Mitbürgerinnen und Mitbürger im<br />

Ausland soll nach Meinung der SP Schweiz<br />

International inzwischen die Rolle des Auslandschweizerrates<br />

gestärkt werden, damit<br />

er als echter und demokratisch legitimierter<br />

Repräsentant der Auslandschweizer bei den<br />

politischen Behörden auftreten kann.<br />

Wie pfl egen Sie den Kontakt mit den Auslandschweizerinnen<br />

und Auslandschweizern?<br />

Was unsere Mitglieder angeht, so fi ndet der<br />

Kontakt auf elektronischem Wege statt. Ein<br />

Internet-Anschluss ist denn heute auch Voraussetzung,<br />

um bei der Internationalen<br />

Sektion der SP Schweiz Mitglied<br />

werden zu können.<br />

Gezielten Kontakt zu den Auslandschweizern<br />

pfl egt die Sektion<br />

über ihre Beteiligung am Auslandschweizerkongress.<br />

Gleichzeitig nehmen<br />

die im Auslandschweizerrat vertretenen<br />

SP-Parlamentarier die Gelegenheit wahr, um<br />

mit den aus dem Ausland angereisten Ratsmitgliedern<br />

und vielen anderen Kongressteilnehmern<br />

intensiv Gedanken auszutauschen.


SCHWEIZER REVUE August 2010 / Nr. 3<br />

Foto: Keystone<br />

ECHO<br />

■ Am 1. Mai 2010 trat das<br />

schweizweite Rauchverbot in<br />

öffentlichen Räumen in Kraft.<br />

In der Schweiz ist der Anteil<br />

der Raucherinnen und Raucher<br />

zwischen 2001 und 2009 von<br />

33 % auf 27 % gesunken. Der<br />

Kampf der Organisationen gegen<br />

Lungenkrankheiten hat<br />

einen grossen Fortschritt erzielt,<br />

und es haben sich noch<br />

mehr der früher genossenen<br />

Freiheiten in Luft aufgelöst.<br />

■ Seit am 1. Mai die Weltausstellung<br />

in Shanghai eröffnet<br />

wurde, ist der <strong>Schweizer</strong> Pavillon<br />

ein Renner. Die Besucher<br />

müssen fast drei Stunden warten,<br />

bis sie das Gebäude betreten<br />

können, über welchem eine<br />

Seilbahn mit Sechsersesseln<br />

schwebt. Auf einer Fläche von<br />

4000 m 2 setzt sich die Schweiz<br />

mit dem Thema «Interaktion<br />

zwischen Stadt und Land» auseinander.<br />

Ein Abenteuer, das<br />

noch bis zum 31. Oktober andauert.<br />

■ Laut einer Studie der Eidgenössischen<br />

Technischen Hochschule<br />

Zürich (ETHZ) erbringt<br />

die Schweiz die weltweit<br />

höchste Innovationsleistung.<br />

Sie erweist sich als die innovativste<br />

Volkswirtschaft, und<br />

zwar in der Industrie wie im<br />

Dienstleistungssektor. Auch<br />

bei der Innovationskraft der<br />

KMU liegt die Schweiz zusammen<br />

mit Schweden und Finnland<br />

vorn – noch vor Israel, den<br />

USA und Japan.<br />

■ Die Panini-Bilder der Fussballweltmeisterschaft<br />

haben<br />

eine originelle Konkurrenz bekommen:<br />

Das Sammelalbum<br />

«Der König» zeigt die besten<br />

Schwinger der Schweiz, die am<br />

Eidgenössischen Schwing- und<br />

Älplerfest vom 20. bis 22. August<br />

2010 in Frauenfeld teilnehmen.<br />

Es wurden mehr als<br />

eine Million Bilder verkauft.<br />

■ Der Bundesrat empfi ehlt die<br />

Volksinitiative «6 Wochen Ferien<br />

für alle» zur Ablehnung.<br />

Der Gewerkschaftsdachver-<br />

«Als ich mich in der Uno vorstellte, sagte ich, ich sei präzis wie eine<br />

<strong>Schweizer</strong> Uhr und vielseitig wie ein <strong>Schweizer</strong> Sackmesser.»<br />

Joseph Deiss, früherer Bundesrat, neuer Präsident der<br />

Generalversammlung der Vereinten Nationen<br />

«Beim Vulkanausbruch auf Island war niemand schuld. Also<br />

konnten die Zeitungen keine Rücktritte verlangen, ausser vielleicht<br />

gegenüber Petrus.» Moritz Leuenberger, Bundesrat<br />

«Grenznahe Regionen wie das Elsass, Aosta, Bozen, Vorarlberg,<br />

Savoyen, Baden-Württemberg, Varese und Como müssen als neue<br />

<strong>Schweizer</strong> Kantone erleichtert integriert werden.»<br />

Ernst gemeinte Motion vom SVP-Nationalrat Dominique Baettig<br />

«Die Schweiz ist zu klein für Schnellbahnen. Bis ein Zug zwischen<br />

Bern und Zürich auf Tempo 300 beschleunigt hat, muss er schon wieder<br />

bremsen.» Max Friedli, abtretender Direktor des Bundesamtes für Verkehr<br />

«Fachleute sagen, dass mittlerweile 600 bis 900 Milliarden Franken unversteuerte<br />

Gelder bei unseren Banken gehütet werden.»<br />

Werner Messmer, Thurgauer FDP- Nationalrat<br />

«Es ist nicht einzusehen, warum die <strong>Schweizer</strong> so viel Zeit und<br />

Energie für den Staat aufwenden, während Ausländer weder Militärdienst<br />

noch Wehrpfl ichtersatz leisten.»<br />

Bruno S. Frey, früherer Professor an der Universität Zürich<br />

«Die Schweiz muss sich überlegen, wie sie künftig verfährt. Sonst<br />

kommen gute Musiker mit ihren Guarneris und Stradivaris nicht<br />

mehr hierher.» Patricia Kopatchinskaja, Geigerin mit Wohnsitz in Bern,<br />

deren kostbares Instrument am Zürcher Zoll konfi sziert wurde<br />

«Europaweit sind die <strong>Schweizer</strong>innen mit 30 Prozent Anteil im untersten<br />

Drittel, wenn es um die Vertretung der Frauen in der Politik geht.»<br />

Patricia Schulz, Chefi n des Eidgenössischen Büros für Gleichstellung<br />

«Man müsste die Rassisten daran erinnern, dass auch die Schweiz ein<br />

Auswanderungsland war. Mir glaubt keiner, dass meine Grosseltern<br />

1928 aus Armut emigrierten.»<br />

Melissa Auf der Maur, Kanadaschweizerin und internationaler Rockstar<br />

Der ehemalige Bundesrat Joseph Deiss(Amtszeit 1999–2006) wurde zum Präsidenten<br />

der Uno-Generalversammlung gewählt. Er tritt am 14. September die Nachfolge<br />

des Libyers Ali Treki an und wird das Amt für ein Jahr innehaben. Als Aussenminister<br />

war er federführend am Uno-Beitritt der Schweiz 2002 beteiligt gewesen.<br />

band Travail.Suisse hat die dafür<br />

erforderlichen Unterschriften<br />

im Juni 2009 eingereicht<br />

und das Volk wird 2011 oder<br />

2012 darüber entscheiden.<br />

■ Die Luftverschmutzung ist<br />

in der Schweiz immer noch zu<br />

hoch. 2008 erreichte der Ausstoss<br />

an Treibstoffgasen 53,2<br />

Millionen Tonnen, das sind<br />

0,5 % mehr als 1990 und<br />

4,6 Tonnen mehr als im<br />

Kyoto-Protokoll festgelegt.<br />

■ Der aufgrund der Affäre um<br />

Hannibal Gaddafi entstandene<br />

Konfl ikt zwischen Libyen und<br />

der Schweiz hat endlich ein<br />

Ende gefunden. Die beiden in<br />

Libyen festgehaltenen <strong>Schweizer</strong><br />

wurden freigelassen, Rachid<br />

Hamdani im Februar, nach<br />

19 Monaten Gefangenschaft,<br />

und Max Göldi im Juni, nach<br />

fast 700 Tagen. Die Aussenministerin<br />

Micheline Calmy-Rey<br />

hofft nun auf eine «Normalisierung»<br />

der Beziehungen der<br />

Schweiz mit Tripolis.<br />

■ Gemäss einer Umfrage surfen<br />

in der Schweiz mehr als<br />

die Hälfte der Bevölkerung<br />

(55 %) täglich im Internet, in<br />

Österreich sind es 51 % und in<br />

Deutschland 43 %. Eine Studie<br />

von Pro Senectute ergab, dass<br />

lediglich 38 % der über 65-Jährigen<br />

online sind.<br />

■ Der Beschäftigungsindikator<br />

der Konjunkturforschungsstelle<br />

(KOF) ist in den positiven<br />

Bereich zurückgekehrt und<br />

erreichte im April einen Wert<br />

von 2,9 Punkten gegenüber<br />

-14,2 Punkten im April 2009.<br />

Das deutet auf eine Rückkehr<br />

in die Wachstumszone und<br />

eine Wende auf dem Arbeitsmarkt<br />

hin.<br />

■ Die Armee wird über eine<br />

Milliarde Franken für die<br />

Sanierung von Altlasten aufwenden<br />

müssen, die vor allem<br />

bei Schiessübungen hinterlassen<br />

worden sind. Im Visier stehen:<br />

die Schwermetalle und die<br />

Rückstände von Flammenwerfern,<br />

die an rund 1500 Orten<br />

die Böden verschmutzen und<br />

das Grundwasser gefährden.<br />

■ Das Bundesverwaltungsgericht<br />

(BVG) hat die 333-Millionen-Busse<br />

aufgehoben, welche<br />

die Wettbewerbskommission<br />

(Weko) gegen Swisscom verhängt<br />

hatte, weil diese ihren<br />

Konkurrenten auf dem Mobilfunkmarkt<br />

zu hohe Terminierungsgebühren<br />

verrechnet<br />

haben soll. Dem blauen Riesen<br />

droht jedoch noch eine weitere<br />

Busse in Höhe von 220 Millionen<br />

Franken, welche die Weko<br />

im Juni 2009 ausgesprochen<br />

hat, weil die Swisscom ihre<br />

Marktposition im Bereich der<br />

Breitband-Internetanschlüsse<br />

ausgenutzt habe.<br />

31


Die Qualität einer <strong>Schweizer</strong> Uhr<br />

gibt es nur bei einer Airline.<br />

–<br />

Es sind die kleinen Dinge, die eine Airline gross machen. Wir bei SWISS achten beim Service auf alles. Die persönliche<br />

Betreuung, die Küche und das Unterhaltungsprogramm an Bord: Alles spielt zusammen. Und mit jedem Flug<br />

werden wir nochmals einen Tick besser. Damit Sie die Zeit an Bord geniessen können.<br />

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