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Die grüne Revolution oder der Zauber aus den Bäumen

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Dirk Böttcher<br />

Wellness für Mutter Erde<br />

Es geht für die<br />

Landwirtschaft in <strong>der</strong><br />

Zukunft um einen<br />

Richtungswechsel. <strong>Die</strong><br />

Trennung von Wald<br />

und Landwirtschaft<br />

gilt es aufzuheben.<br />

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Lignin entpolymerisieren und Pfl anzensymbiosen eingehen, setzen<br />

sie im Bo<strong>den</strong> Nährstoffe frei. <strong>Die</strong> Weißfäule-Pilze bereiten <strong>den</strong> Bo<strong>den</strong>lebewesen<br />

die Futterkrippe, wie zum Beispiel vielen Bakterien, ein<br />

weiterer höchst wichtiger Trupp. Wie eine Art Bo<strong>den</strong>-Pipeline leiten<br />

die Basidiomyceten Nährstoffe wie Phosphor und vor allem Wasser<br />

weiter, was zu einer besseren Wasserverfügbarkeit für Pfl anzen führt.<br />

<strong>Die</strong>ser Grundprozess des Humusaufb<strong>aus</strong> beeinfl usst laut Lemieux<br />

die Mineralisierung und Fruchtbarkeit <strong>der</strong> Bö<strong>den</strong>.<br />

Lemieux entschlüsselte diesen Nährstoff-Transport und Aust<strong>aus</strong>ch<br />

anhand <strong>der</strong> Vorgänge in <strong>der</strong> menschlichen Niere. <strong>Die</strong> Prozesse<br />

scheinen hier ähnlich. Das Organ wälzt täglich 200 Liter Blut<br />

um, wovon es dann nur einen Liter Wasser <strong>aus</strong>scheidet. Mechanismen<br />

und Zusammenhänge, die in <strong>der</strong> Erde bis heute weitgehend<br />

unbekannt sind. Astholz kann dem Bo<strong>den</strong> alle nötigen Materialien<br />

zuführen, um die biologische Entwicklung des Bo<strong>den</strong>s (Pédogénèse)<br />

anzutreiben, also die biologische Gesundung des Bo<strong>den</strong>s zu för<strong>der</strong>n.<br />

Als Folge nimmt die Biodiversität zu und damit steigen die Werte<br />

des verfügbaren Stickstoffs, Phosphors <strong>o<strong>der</strong></strong> Calciums. Eine Zufuhr<br />

ist nicht nötig. <strong>Die</strong> Äste trägt Lemieux als Chips in Mixturen <strong>aus</strong> verschie<strong>den</strong>en<br />

Laubholzarten auf <strong>den</strong> Bo<strong>den</strong> auf. Nadelhölzer eignen<br />

sich nur minimal. Deren Harze und Terpenen wirken bakterizid und<br />

eliminieren wichtige Bo<strong>den</strong>lebewesen. Bis zu 40 Tonnen Häckselgut<br />

verteilt er in seinen Anwendungen auf einem Hektar Erde, das<br />

er <strong>aus</strong> nahen natürlichen Bestän<strong>den</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> eigens angelegten Spen<strong>der</strong>bäumen<br />

gewinnt.<br />

Es geht für die Landwirtschaft in <strong>der</strong> Zukunft um einen Richtungswechsel.<br />

<strong>Die</strong> Trennung von Wald und Landwirtschaft gilt es aufzuheben.<br />

Wir müssen <strong>den</strong> Wald als System und nicht nur als Ressource<br />

<strong>o<strong>der</strong></strong> gar Holz ansehen. „Unser Welt- und Wissenschaftsbild muss<br />

sich völlig umkehren“, sagt Joachim Milz. Der deutsche Diplom-Landwirt<br />

arbeitete zwölf Jahre für <strong>den</strong> Entwicklungshilfedienst ded. „Ich<br />

dachte jahrelang, ich wäre erfolgreich. Bis ich merkte, dass überhaupt<br />

nichts funktionierte.“ Es war Ernst Götsch, <strong>der</strong> ihm die Augen<br />

öffnete und <strong>den</strong> Job kostete. Als Milz seinen Arbeitgeber auf seine<br />

Fehler hinwies, wurde er entlassen. Gerade, als er wusste, wie<br />

es funktionieren könnte. Er betreibt jetzt eine eigene Farm in<br />

Bolivien. Er baut Orangen an, im Wald natürlich. „Ich bin zu <strong>der</strong><br />

Erkenntnis gelangt, dass alles, was ich an <strong>der</strong> Universität gelernt<br />

habe, im Ansatz falsch ist.“ Immer etwas bekämpfen müssen,<br />

Unkräuter, Schädlinge, Pilze – richtig wäre, alles zu integrieren.<br />

„<strong>Die</strong> Annahme, dass <strong>aus</strong>gerechnet wir die Natur managen können<br />

ist absurd. Wir betreiben Hokuspokus, komplizieren die Dinge<br />

und schaffen so Abhängigkeiten.“ <strong>Die</strong> Entwicklungshilfe-Organisationen<br />

sieht er eher Probleme suchen <strong>den</strong>n lösen.<br />

Warum die Landwirtschaft nicht auf die Erfolgsstory <strong>der</strong> Äste<br />

reagiet, erklärt Milz mit einem Zitat von Albert Einstein: „Das<br />

Denken, das ein Problem verursacht hat, kann es nicht lösen.“ <strong>Die</strong><br />

Äste von Lemieux <strong>o<strong>der</strong></strong> die Wäl<strong>der</strong> von Ernst Götsch bedeuten ein<br />

neues Denken. Es könnte eine <strong>Revolution</strong> sein. Geld verdienen<br />

lässt sich damit nicht. Es würde einen gesamten Industriezweig<br />

in die Krise stürzen und eine Menge Lehrbücher müssten neu<br />

gedruckt wer<strong>den</strong>. Ernst Götsch glaubt, dass es irgendwann so<br />

kommen wird. Er setzt auf ein altes keltisches Sprichwort: „<strong>Die</strong><br />

Wahrheit hat Zeit, sich durchzusetzen.“<br />

Text und Fotos © Dirk Böttcher<br />

Dirk Böttcher<br />

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Wellness für Mutter Erde<br />

Biografi e<br />

Dirk Böttcher<br />

Dirk Böttcher arbeitet als<br />

freier Journalist für Print<br />

und TV für die Frankfurter<br />

Rundschau, die Welt,<br />

Tageszeitung, Stern,<br />

Ostseezeitung, das ZDF<br />

und arte. 2002 hat er das<br />

Pressenetzwerk north<br />

east press (nep) gegründet,<br />

ein Netzwerk, in dem<br />

Journalisten <strong>aus</strong> Skandinavien,<br />

Osteuropa und<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

zusammenarbeiten.<br />

1999 war er Chefredakteur<br />

des Kulturspiegels<br />

Mecklenburg- Vorpommern.<br />

Dirk Böttcher lebt<br />

in Rostock und Kanada.

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