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Die grüne Revolution oder der Zauber aus den Bäumen

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„Für die meisten Menschen ist Erde nur Sand,<br />

dem man nach Bedarf Nährstoffe zugibt.“<br />

Wenn das Dirk nicht Böttcher mehr wirkt, erhöht man eben die Dosis.<br />

Wellness für Mutter Erde<br />

„Groß sind nur die<br />

Gewinne <strong>der</strong> chemischen<br />

Industrie, die<br />

Millionen Tonnen<br />

Dünger produzieren,<br />

von dem die Welt<br />

immer noch glaubt, er<br />

könne Erde fruchtbar<br />

machen.“<br />

80<br />

Grüne <strong>Revolution</strong>en sind keine seltenen Verheißungen. Schon<br />

als <strong>der</strong> deutsche Chemiker und Nobelpreisträger Justus von Liebig<br />

Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts dem Kunstdünger <strong>den</strong> Weg bereitete,<br />

sprachen die Menschen von einer <strong>grüne</strong>n <strong>Revolution</strong> und sagten<br />

das Ende des Hungers in <strong>der</strong> Welt vor<strong>aus</strong>. Der <strong>Revolution</strong> folgten<br />

weitere <strong>Revolution</strong>en: Pestizide, Fungizide, momentan revolutioniert<br />

die Gentechnologie. Der Hunger in <strong>der</strong> Welt ist geblieben und Mutter<br />

Erde geht es schlechter als je zuvor. Einige <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong>en waren<br />

nur getarnte Restekübel <strong>der</strong> Industrie. So ließ sich Stickstoff-Dünger<br />

nach dem ersten Weltkrieg billig produzieren, da die hoch entwickelte<br />

Stickstoff-Industrie zur Munitionsherstellung nicht mehr gebraucht<br />

wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es die Nervengase, die<br />

zu Pestizi<strong>den</strong> verfriedlicht wur<strong>den</strong>. 40 Prozent <strong>der</strong> weltweiten Agrarfl<br />

ächen sind heute verödete Bö<strong>den</strong>. Mutter Erde geht vielerorts am<br />

Stock und <strong>aus</strong>gerechnet dort, wo <strong>der</strong> Hunger am größten ist, sind<br />

fruchtbare Bö<strong>den</strong> so knapp wie sauberes Wasser. <strong>Die</strong> Tomaten darauf<br />

so mickrig, dass sich nicht einmal die Affen die Mühe machen, sie<br />

zu stehlen. Groß sind nur die Gewinne <strong>der</strong> chemischen Industrie, die<br />

Millionen Tonnen Dünger produziert, von dem die Welt immer noch<br />

glaubt, er könne Erde fruchtbar machen.<br />

„Glauben sie, Einstein wäre klüger gewor<strong>den</strong>, nur weil wir seinem<br />

Gehirn noch etwas Kalium, Natrium <strong>o<strong>der</strong></strong> Phosphor zugegeben<br />

hätten? O<strong>der</strong> Goethe vielleicht?“, fragt Gill Lemieux und lacht amüsiert,<br />

dass sein massiger Körper rhythmisch zuckt. Der Professor<br />

für Forstwirtschaft steht hinter <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>der</strong> Äste. Er sieht <strong>aus</strong><br />

wie ein fülliger Waldschrat mit Seemannsbart. Trotz seiner 75 Jahre<br />

Gill Lemieux, Professor für Forstwirtschaft, ist <strong>der</strong> Meinung<br />

„Würde <strong>der</strong> Mensch intakte Erde sich selbst überlassen,<br />

entstünde darauf irgendwann auch wie<strong>der</strong> Wald.“<br />

leuchten seine Augen wie die eines frechen Jungen. Eingekesselt<br />

von Papierbergen, sitzt er in seinem engen Büro in <strong>der</strong> Universität<br />

Laval, im frankokanadischen Québec. „Für die meisten Menschen<br />

ist Erde nur Sand, dem man nach Bedarf Nährstoffe zugibt.“ Wenn<br />

das nicht mehr wirkt, erhöht man eben die Dosis. Wie eine Droge,<br />

von <strong>der</strong> <strong>der</strong> Bo<strong>den</strong> immer mehr verlangt, bis es ihn nach kurzer Zeit<br />

danie<strong>der</strong> rafft. <strong>Die</strong> Bauern ziehen dann weiter.<br />

Übrig bleibt tote Erde und damit Erosion, Schädlinge,<br />

Dürre und Hunger.<br />

<strong>Die</strong>se Flecken sind die Patienten von Gill<br />

Lemieux. Mit seinen Ästen hat er schon Salzbö<strong>den</strong><br />

in Australien <strong>o<strong>der</strong></strong> Sanddünen im Senegal<br />

wie<strong>der</strong> begrünt. „Ramial chipped Wood“ (RCW)<br />

nennt Lemieux sein geheimnisvolles Häckselgut,<br />

zu deutsch „fragmentiertes Zweigholz“. Der<br />

Kanadier ist eine Institution auf seinem Gebiet.<br />

Über Jahrzehnte beriet Lemieux die Weltbank,<br />

Hilfsorganisationen und Regierungen in aller Welt.<br />

Gehört wurde er kaum, verstan<strong>den</strong> schon gar<br />

nicht. Lemieux behauptet, die Erde lebt – ein<br />

gigantischer Organismus, <strong>der</strong> unseren Planeten<br />

umspannt. <strong>Die</strong> magische Haut unseres Planeten,<br />

in <strong>der</strong> Samen zu meterhohen <strong>Bäumen</strong> gedeihen.<br />

Man muss die Erde daher biologisch betrachten.<br />

Sie allein mit chemischen Formeln und Analysen<br />

zu erklären, wirkt nur an <strong>der</strong> Oberfl äche.<br />

Dass sich Lemieux als Forstwissenschaftler<br />

so <strong>aus</strong>giebig mit <strong>der</strong> Erde unter unseren Füßen<br />

und <strong>der</strong> Landwirtschaft befasst, ist für ihn nur<br />

logisch, schließlich ist je<strong>der</strong> landwirtschaftliche<br />

Bo<strong>den</strong> <strong>aus</strong> Wäl<strong>der</strong>n hervorgegangen. Zwischen<br />

Wald und Mutter Erde spinnt sich ein inniger<br />

Kreislauf. Der bei <strong>den</strong> Wurzeln im Bo<strong>den</strong> beginnt<br />

und mit <strong>den</strong> herabfallen<strong>den</strong> Blättern und Ästen<br />

endet. Wald und Ackerbau gehören für Lemieux<br />

zusammen. Der Mensch hat nur getrennt, was<br />

zusammen gehört. Weil uns <strong>der</strong> Bo<strong>den</strong> unter<br />

unseren Füßen frem<strong>der</strong> als die Rückseite des<br />

Mondes <strong>o<strong>der</strong></strong> die Tiefen <strong>der</strong> Ozeane ist. Will <strong>der</strong><br />

Mensch <strong>den</strong> Hunger besiegen, muss er <strong>den</strong> Wald<br />

als produktives Element und nicht als Wi<strong>der</strong>spruch<br />

in <strong>der</strong> Landwirtschaft begreifen.<br />

Doch <strong>der</strong> Wald ist dem Menschen nicht<br />

geheuer. Das Problem ist ein Generelles, nicht<br />

Dirk Böttcher<br />

81<br />

Wellness für Mutter Erde<br />

„Will <strong>der</strong> Mensch <strong>den</strong><br />

Hunger besiegen, muss er<br />

<strong>den</strong> Wald als produktives<br />

Element und nicht als<br />

Wi<strong>der</strong>spruch in<br />

<strong>der</strong> Landwirtschaft<br />

begreifen.“<br />

Gill Lemieux

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