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Goldhaubenzeitung 2010/2 - Goldhaubengemeinschaft

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die goldhaube 02/<strong>2010</strong>11sam eingesickert. Es war damals möglich, ein Kleid ein Lebenlang zu tragen, ohne darin lächerlich zu wirken.Wenn ich das 18. Jahrhundert anspreche, dann fällt mir eingeschichtliches Ereignis ein, das sich in Oberösterreich abgespielthat. In der Zeit der Gegenreformation haben vieleunserer Landsleute die Heimat verlassen müssen, weil sieihrem evangelischen Glaubensbekenntnis nicht abschwörenwollten, man hat sie zwangsdeportiert.Die Familien der Landler wurden aus den Salzkammergutgemeindenzur Donau auf die Schiffe gebracht und konnten nursehr wenig ihrer Habseligkeiten in das neue Siedlungsgebietin Rumänien mitnehmen.Nach der Zerreißung des eisernen Vorhanges war ich zusammenmit meinem Mann in diesen Landlergemeinden inRumänien. Bei diesem Besuch hat man mir eine Tracht geschenkt,eine Tracht, die mehr als 250 Jahre überdauert hat,und ich habe in ihr noch die „Landlfesttracht“ erkannt. JeneFesttracht, die ich auch daheim in meinem Kleiderkastenhabe, aber natürlich schon ganz ganz anders. Es war ein sehrberührender Moment für mich, wie ich diese Tracht anprobierthabe.„Natürlich ist die Tracht auch Veränderungenunterworfen, Veränderungen, die wir akzeptierenund zulassen müssen, denn alles was lebt,ändert sich.“Natürlich ist die Tracht auch Veränderungen unterworfen,Veränderungen, die wir akzeptieren und zulassen müssen,denn alles was lebt, ändert sich, und uns ist es wichtig, dassdie Tracht lebt. Noch etwas ist mir damals klar geworden –und ich habe mich auch zurückerinnert in das letzte Kriegsjahr-, dass die Flüchtlinge, die damals aus Siebenbürgen unddem Banat zu uns gekommen sind, auch ihre Trachten mitgebrachthaben. In einer Notsituation, in der man nur das Lebensnotwendigemitnehmen darf, nimmt man seine Trachtmit, denn die Tracht ist ein Stück Heimat zum Mitnehmen.Von der Heimat mussten diese Menschen alles zurücklassen,die Landschaft, das Haus, die Existenz, die Geborgenheit,aber die Tracht ist immer ein Stück Heimat, das man auch inder Fremde noch mit den Händen greifen kann.In der Mitte des 19. Jahrhunderts hat eine Lockerung derstarren Regeln der Volkstrachten, ein heftiges Abschüttelnder Tracht durch einen politischen Paukenschlag begonnen.1848 hat Hans Kudlich im Reichstag den Antrag auf Aufhebungder bäuerlichen Untertänigkeit gestellt. Dieser Bauernbefreiungfolgte auch eine Befreiung von althergebrachtenKleidersitten. Man lockerte die steifen, üppigen, bewegungsfeindlichenStücke, befreite sich vor allem von den mühsamenund behindernden Kopfbedeckungen. Das Kopftuch,das bisher zur Arbeit zur Schonung der Haare getragen wurde,oder unter dem Hut gebunden war, kam unter dem Huthervor und entwickelte in den weiteren Jahren ein fantasievollesEigenleben.„Man kann nicht oft genug betonen, dassdas Kopftuch, mit den sich besonders kunstvollentwickelten Bindearten der legitimeNachfolger der Goldhaube ist.“Man kann nicht oft genug betonen, dass das Kopftuch, mitden sich besonders kunstvoll entwickelten Bindearten der legitimeNachfolger der Goldhaube ist. Selbsternannte Expertenbehaupten immer wieder, dass das Kopftuch die älteretrachtliche Kopfbedeckung wäre. Das stimmt nicht.Die Männer legten den steifen Zylinder ab und setzten sichein weiches Hütel auf den Kopf. Die Taille rutschte wiederdort hin, wo die Natur sie angesiedelt hatte. Die Bäuerin griffnach dem Kleid der Bürgersfrau und die Damen des WienerHofes gefielen sich auf einmal im Dirndlkleid der Sennerin,wenn sie auf Sommerfrische waren. Die prachtvolle Goldhaubeverschwand in Kästen und Truhen. All die großen Festtrachtenzogen sich zurück in den Schutz von Vereinen undGemeinschaften.Es gab natürlich auch zu dieser Zeit die engagierten Liebhaberder Tracht, die sich gegen die allzu großzügige Lockerunggewehrt haben. Sie haben festgehalten an den Gesetzmäßigkeitenund so entstanden gerade zu Beginn des 20. Jahrhundertsviele Gruppen, in denen Brauchtum und Tracht gehegtund gepflegt wurden. Die Trachtenpflege in diesen Vereinenerfolgte natürlich mit allen Irrtümern und Unzulänglichkeiten,die einen zum Teil fehlgeleiteten Fanatismus entstehenließ. Fanatismus schleicht sich ja nur allzu leicht ein, wennman in eine Außenseiterrolle gedrängt wird. Trotzdem müssenwir die positiven Werte aller Heimat- und Trachtenvereine,die damals entstanden sind, immer wieder betonen unddürfen sie ja nicht unterschätzen. Sie haben nämlich wirklichHeimat gegeben. Sie haben Heimat gegeben, den vielen, die

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