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Phantastik in der Postmoderne: David Lynchs `twin Peaks´

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Die meistdiskutierten Thesen Todorovs s<strong>in</strong>d die vom Tod <strong>der</strong> <strong>Phantastik</strong> im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />

Die erste lautet: „Die Psychoanalyse hat die fantastische Literatur ersetzt (und damit<br />

überflüssig gemacht).“ 13 Uwe Durst wendet sich gegen diese These und kritisiert Todorovs<br />

Konstruktion e<strong>in</strong>es kausalen Effekts fiktionsexterner Bed<strong>in</strong>gungen auf das literarische<br />

Element 14 . Todorovs zweite These, warum phantastische Literatur heute nicht mehr existent<br />

bzw., warum sie heute obligat ist, lautet:<br />

„Man kann aber heute nicht mehr an e<strong>in</strong>e unverän<strong>der</strong>liche äußerliche Realität glauben und<br />

ebensowenig an e<strong>in</strong>e Literatur, die die Transkription dieser Realität wäre. [...] Die fantastische Literatur<br />

selbst [...] hat dadurch den todbr<strong>in</strong>genden Stoß erhalten.“ 15<br />

Während Todorov die Transkription e<strong>in</strong>er unverän<strong>der</strong>lichen äußeren Realität durch die<br />

Literatur bestreitet, sieht Uwe Durst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er sich auf Todorovs Arbeit beziehenden<br />

Weiterentwicklung <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> phantastischen Literatur die „klug gewordenen, mo<strong>der</strong>nen<br />

Realismen des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts“ 16 an die Stelle des Realismus des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

getreten: „Mit <strong>der</strong> Fortentwicklung des Realismus (und des Wun<strong>der</strong>baren) wird auch e<strong>in</strong>e<br />

Evolution des Phantastischen erzielt, weil sich das Nichtsystem aus verän<strong>der</strong>ten Anteilen<br />

zusammensetzt.“ 17 Dursts Nichtssystem def<strong>in</strong>iert sich dabei wie folgt:<br />

„Das Phantastische [...] setzt sich aus Realitätssystemen zusammen, denen es sich gleichzeitig<br />

verweigert. Folglich zeichnet es sich durch se<strong>in</strong>e Inkohärenz aus und soll als Nichtsystem bezeichnet<br />

werden (N). In <strong>der</strong> Spektrumsmitte kann e<strong>in</strong> gültiges Realitätssystem nicht formuliert werden.“ 18<br />

Durst zeigt das Phantastische als „Deviation von Realitätssystemen [...], die bereits<br />

ihrerseits von realistischen Konventionen abgewichen s<strong>in</strong>d und so ke<strong>in</strong>esfalls mit <strong>der</strong><br />

Wirklichkeit zu verwechseln s<strong>in</strong>d“ 19 und bezeichnet diese Deviation als „das Wun<strong>der</strong>bare<br />

zweiter Ordnung“ 20 . Auch <strong>der</strong> Schriftsteller Italo Calv<strong>in</strong>o wendet sich gegen Todorovs These<br />

vom Tod <strong>der</strong> <strong>Phantastik</strong> und konstatiert:<br />

13 Todorov, S.143.<br />

14 vgl. Durst, S.235.<br />

15 Todorov, S.150. Ähnlich argumentiert Robert Stockhammer:<br />

„Wo die Wirklichkeit selbst so phantastisch geworden ist, bricht die Grundlage für e<strong>in</strong>e Unterscheidung<br />

zwischen `Phantastischem´, `Wun<strong>der</strong>barem´ und `Seltsamen´, ja zwischen `phantastischer´und<br />

`realistischer´ Literatur, <strong>in</strong> sich zusammen.“ (Robert Stockhammer: „Phantastische Genauigkeit“. Status<br />

und Verfahren <strong>der</strong> literarischen Phantasie im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t. In: Bauer und Stockhammer, 2000, S.25.)<br />

16 Durst, S.239. Gegen Todorovs Überzeugung, man könne nicht mehr an e<strong>in</strong>e unverän<strong>der</strong>liche äußere<br />

Realität glauben, ließe sich auch Luhmann <strong>in</strong>s Feld führen: „Were we to care for realities, we would not see<br />

any sharp break between a mo<strong>der</strong>n and a postmo<strong>der</strong>n society.“ (Niklas, Luhmann: Why Does Society<br />

Describe Itself as Postmo<strong>der</strong>n?. In: Cultural Critique 30 (1995) S.171. Zit. Bei Utz Riese: E<strong>in</strong>trag<br />

„Postmo<strong>der</strong>ne/postmo<strong>der</strong>n“. In: Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch <strong>in</strong> sieben Bänden.<br />

Hg. Von Karlhe<strong>in</strong>z Barck u.a.. Band 5: Postmo<strong>der</strong>ne – Synästhesie. Stuttgart Weimar 2003, S.1-41. Hier: S.2.<br />

17 Durst, S.239.<br />

18 ebd., S.101.<br />

19 ebd., S.241.<br />

20 ebd., S.241ff.<br />

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