26.11.2012 Aufrufe

Phantastik in der Postmoderne: David Lynchs `twin Peaks´

Phantastik in der Postmoderne: David Lynchs `twin Peaks´

Phantastik in der Postmoderne: David Lynchs `twin Peaks´

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

In <strong>der</strong> Folge sieht jedoch auch Broß <strong>in</strong> <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne den Tod <strong>der</strong> <strong>Phantastik</strong>, da diese<br />

das mo<strong>der</strong>ne Bestreben nach e<strong>in</strong>er Überw<strong>in</strong>dung des Schwebezustands bedrohe:<br />

„Dieser so notwendige Reiz wird nun <strong>in</strong> dem Maße fortfallen, <strong>in</strong> dem den Texten über die Ambiguität die<br />

Vermittlung e<strong>in</strong>er Haltung glückt, die sich durch die Bejahung des [...] Wi<strong>der</strong>sprüchlichen auszeichnet.<br />

Sollte dies [...] gel<strong>in</strong>gen, wäre letztlich die Vorraussetzung für <strong>Phantastik</strong> bzw. <strong>der</strong>en Lektüre – die<br />

Bestrebung, e<strong>in</strong>en une<strong>in</strong>deutigen Zustand zu überw<strong>in</strong>den – nicht mehr gegeben; phantastische Literatur<br />

wäre obsolet.“ 87<br />

Durst kritisiert, „Broß´ These, die <strong>Phantastik</strong> helfe mit, e<strong>in</strong>e postmo<strong>der</strong>ne Akzeptanzhaltung<br />

e<strong>in</strong>zuüben, ignoriert den Skandalcharakter des Nichtsystems.“ 88 Betrachtet man die<br />

empörten Reaktionen auf das Ende von `Tw<strong>in</strong> <strong>Peaks´</strong> (o<strong>der</strong> Jerslevs frommen Wunsch nach<br />

e<strong>in</strong>em Happy End (s.o.)), kann man dem nur zustimmen.<br />

Anne Jerslev deutet die Grenzenlosigkeit <strong>in</strong> den Filmen <strong>Lynchs</strong> als Kritik an e<strong>in</strong>er Kultur, „<strong>der</strong><br />

je<strong>der</strong> Begriff von Werten abhanden gekommen ist, und <strong>in</strong> <strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e glaubwürdige<br />

Autoritäten, die die geme<strong>in</strong>samen Gesetze legitimieren könnten, mehr existieren.“ 89<br />

`Tw<strong>in</strong> <strong>Peaks´</strong> deutet sie als seriellen Ausdruck des Kulturpessimismus:<br />

„Tw<strong>in</strong> Peaks handelt von dem Verwischen <strong>der</strong> Grenzen zwischen Gut und Böse; [...] Die spirituellen<br />

Ersche<strong>in</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Serie, [...] s<strong>in</strong>d bildliche Übersetzungen e<strong>in</strong>es Mangels an jeglicher kulturell<br />

tragfähiger Moral und zugleich Visualisierungen <strong>der</strong> Sehnsucht nach ihrer Reetablierung.“ 90<br />

Jürgen Lehmann dagegen spricht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Engführung von <strong>Phantastik</strong> und Postmo<strong>der</strong>ne<br />

nicht von e<strong>in</strong>er von Broß kritisierten Bejahung des Wi<strong>der</strong>sprüchlichen, viel mehr hilft se<strong>in</strong>er<br />

Me<strong>in</strong>ung nach die <strong>Phantastik</strong> durch die Verunsicherung des Rezipienten dabei,<br />

Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten überhaupt erst e<strong>in</strong>mal zu erkennen und erhält dadurch e<strong>in</strong>en<br />

emanzipatorischen Impetus:<br />

„Erst wenn nicht nur dargestellte Personen, son<strong>der</strong>n auch die Leser verunsichert werden, wenn die<br />

ihnen zur Verfügung stehenden Deutungsmöglichkeiten sich als unzureichend erweisen, zeigt sich die<br />

<strong>Phantastik</strong> nicht nur als ästhetisches Pr<strong>in</strong>zip, son<strong>der</strong>n auch als e<strong>in</strong> gesellschaftlich relevantes, historisch<br />

bedeutsames Phänomen. Erst dann erhält sie e<strong>in</strong>e emanzipatorische Funktion, kann sie als Anstoß<br />

verstanden werden, die von e<strong>in</strong>er durch die herrschende Gesellschaft gelenkte und kontrollierte<br />

logozentrische Erfahrung <strong>der</strong> Welt zu überschreiten, für Neues, bislang nicht Wahrgenommenes<br />

empfänglich zu werden, fähig und willens zu se<strong>in</strong>, die ganze Vielfalt und Differenziertheit <strong>der</strong> Wirklichkeit<br />

zu ergreifen.“ 91<br />

87<br />

Broß, S.148f, zitiert bei Durst, S.240.<br />

88<br />

Durst, S.240.<br />

89<br />

Jerslev, S.197.<br />

90<br />

Jerslev, S.185.<br />

91<br />

Lehmann, S.33.<br />

30

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!