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Staatliches Wettmonopol – ohne ökonomische LegitimationDr. Jörn Quitzau, Frankfurt am MainDas Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht hat <strong>de</strong>n Gesetzgeber aufgefor<strong>de</strong>rt, <strong>de</strong>n BereichSportwetten bis zum 31.12.2007 neu zu regeln. Dem Gesetzgeber wur<strong>de</strong> dabeifreigestellt, am bestehen<strong>de</strong>n Glücksspielmonopol festzuhalten und diesesweiterzuentwickeln o<strong>de</strong>r aber <strong>de</strong>n Markt kontrolliert zu öffnen. Die ökonomischeAnalyse zeigt, dass ein staatliches Glücksspielmonopol nicht gerechtfertigt wer<strong>de</strong>nkann, son<strong>de</strong>rn dass <strong>de</strong>r Markt – gesetzlich normiert und kontrolliert – geöffnetwer<strong>de</strong>n sollte.Dr. Jörn Quitzau ist Senior Economist im Referat Wirtschafts- und Europapolitik vonDeutsche Bank Research. Bevorzugte Forschungsgebiete: Steuer- und Finanzpolitik,Sportökonomie.1. Ausgangslage und Urteil <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichtsAm 28. März 2006 fällte das Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht ein Urteil zum staatlichenGlücksspielmonopol (vgl. Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht 2006). Mit <strong>de</strong>m Urteil wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>rGesetzgeber aufgefor<strong>de</strong>rt, <strong>de</strong>n Bereich Sportwetten bis zum 31.12.2007 neu zu regeln.Das Verfassungsgericht hat es <strong>de</strong>m Gesetzgeber freigestellt, private Anbieter gesetzlichnormiert und kontrolliert zuzulassen, o<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>m bestehen<strong>de</strong>n Monopol – das faktischwegen verschie<strong>de</strong>ner Anbieter mit Glücksspiel-Lizenzen aus <strong>de</strong>r ehemaligen DDR undwegen <strong>de</strong>r ausländischen Konkurrenten keines war – festzuhalten und dieses konsequentweiterzuentwickeln. Voraussetzung für ein Staatsmonopol wäre nach Auffassung <strong>de</strong>sVerfassungsgerichts eine konsequente Ausrichtung an <strong>de</strong>r Bekämpfung von Wettsucht.Eine Voraussetzung dafür wäre, dass staatliche Anbieter von Glücksspielen auf Werbungfür die eigenen Produkte verzichten.Die Politik hat sich gegen die Marktöffnung und für ein staatliches Glücksspielmonopolentschie<strong>de</strong>n. Sukzessive wur<strong>de</strong>n zunehmend schwere Geschütze aufgefahren, diepünktlich zum Start <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sligasaison 2006/2007 in Stellung gebracht wur<strong>de</strong>n.Zunächst sprachen einige Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r ein Verbot aus, das Fußballmannschaften


untersagte, in Trikots mit Werbung für Glücksspielunternehmen aufzulaufen. Dazu gehörtebeispielsweise <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche Vizemeister Wer<strong>de</strong>r Bremen, aber auch Amateurvereinewaren von <strong>de</strong>m Verbot betroffen. Einen vorläufigen Höhepunkt stellte <strong>de</strong>r Lizenzentzug für<strong>de</strong>n Wettanbieter bwin durch <strong>de</strong>n Freistaat Sachsen dar. Die Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r beabsichtigennun, das staatliche Monopol mit Hilfe eines neuen Staatsvertrages aufrecht zu erhalten(vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2006, S. 12).2. Praktische Hür<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r Durchsetzung eines MonopolsSehr schnell wur<strong>de</strong> jedoch <strong>de</strong>utlich, dass diese Maßnahmen im Zeitalter <strong>de</strong>s Internet sehrstumpfe Waffen sind. Sowohl für die Anbieter von Glücksspiel <strong>als</strong> auch für die Teilnehmeram Glücksspiel macht es kaum einen Unterschied, ob die Wettangebote aus <strong>de</strong>m Inlando<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Ausland erfolgen, wenn die Wettabschlüsse via Internet getätigt wer<strong>de</strong>n.Aus diesem Grund leitete die Politik die nächste Eskalationsstufe ein und for<strong>de</strong>rte dieSperrung <strong>de</strong>r Seiten von Glücksspielunternehmen durch die Internet-Provi<strong>de</strong>r sowie von<strong>de</strong>n Kreditinstituten die Nichtabwicklung von Überweisungen an Glücksspielunternehmen.Der Staat muss <strong>als</strong>o offenkundig erheblichen Aufwand treiben, wenn er einGlücksspielmonopol tatsächlich umzusetzen beabsichtigt.Das Vorgehen <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r gegen die privaten Wettanbieter wird die Gerichte in nächsterZeit weiter beschäftigen. Interessant wird dabei am En<strong>de</strong> sein, wie sich die EuropäischeUnion in <strong>de</strong>r Frage verhält und ob sie ein staatliches Monopol zum Beispiel <strong>als</strong> Verstoßgegen die Nie<strong>de</strong>rlassungsfreiheit wertet. Mit <strong>de</strong>m Gambelli-Urteil hat <strong>de</strong>r EuGH bereitsein Signal gegeben, das darauf hin<strong>de</strong>utet, dass ein staatliches Glücksspielmonopol von<strong>de</strong>r EU kritisch gesehen wird (vgl. Europäischer Gerichtshof, 2003).3. Ökonomische Rechtfertigung – Allokatives MarktversagenBei aller Ungeklärtheit juristischer Fragen bedarf es zunächst <strong>de</strong>r ökonomischen Analyse<strong>de</strong>s Glücksspielmarktes. Wäre ein staatliches Monopol ökonomisch gerechtfertigtbeziehungsweise wünschenswert? Wie ist die Situation auf <strong>de</strong>m Wettmarktwettbewerbspolitisch zu beurteilen?


Die außergewöhnliche Konstellation, dass trotz <strong>de</strong>s staatlichen Glücksspielmonopolsfaktisch Wettbewerb im Rahmen eines Oligopols herrschte, hat bereits wichtige Einsichtenermöglicht. Dass <strong>de</strong>r Markt für Sportwetten in einer Situation mit mehreren Anbieterngrundsätzlich funktioniert, haben die letzten Jahre bereits bewiesen. Der staatlicheAnbieter Oddset konkurrierte – neben <strong>de</strong>n Wettbüros, die aus <strong>de</strong>m Ausland operieren –insbeson<strong>de</strong>re mit <strong>de</strong>n privaten Anbietern, die im Besitz von Lizenzen aus <strong>de</strong>rehemaligen DDR waren. In dieser Konstellation funktionierten bereits sowohl <strong>de</strong>rPreiswettbewerb <strong>als</strong> auch <strong>de</strong>r Qualitätswettbewerb. So kann man seit langem im Prinzipauf fast alles wetten, was bei einem Fußballspiel überhaupt <strong>de</strong>nkbar ist. Damit hat diePraxis schon bewiesen, dass Wettbewerb zur Zufrie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r Verbraucher möglich ist.Doch auch aus theoretischer Perspektive wirkt es – zumin<strong>de</strong>st auf <strong>de</strong>n ersten Blick – so,<strong>als</strong> wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wettmarkt kein Fall für umfassen<strong>de</strong> Regulierung sein. Die üblichenKategorien <strong>de</strong>s Marktversagens – die notwendige Bedingung für staatliche Eingriffe –treffen auf <strong>de</strong>n Wettmarkt nach einer ersten groben Einschätzung kaum zu. Von <strong>de</strong>n vierKategorien <strong>de</strong>s allokativen Marktversagens – Natürliches Monopol (Sinken<strong>de</strong>Durchschnittskosten), Öffentliche Güter, Externe Effekte und AsymmetrischeInformationsverteilung – schei<strong>de</strong>n das Natürliche Monopol und das Vorliegen einesÖffentlichen Gutes a priori aus. Das Vorliegen einer asymmetrischenInformationsverteilung sowie das Vorliegen externer Effekte sollen hingegen nachfolgendgenauer untersucht wer<strong>de</strong>n.3.1 Asymmetrische InformationsverteilungAnalog zum Vorschlag <strong>de</strong>s Verfassungsgerichtes ließe sich aus ökonomischerPerspektive begrün<strong>de</strong>n, private Anbieter nur gesetzlich normiert und kontrolliertzuzulassen. Dies wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Schutz <strong>de</strong>r Verbraucher vor unseriösen Anbietern dienen,weil mit Hilfe einer soli<strong>de</strong>n Konzessionierung <strong>de</strong>r Wettanbieter die Informationskosten fürdie Verbraucher <strong>de</strong>utlich gesenkt wer<strong>de</strong>n können. Am gegenwärtigen Zustand ist jedochzu kritisieren, dass <strong>de</strong>r Marktzutritt für potentielle Anbieter nicht möglich ist. Lediglich dieInhaber alter DDR-Lizenzen sind berechtigt, Sportwetten in Deutschland anzubieten. DerStaat sollte <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>n Markt öffnen und die Vergabe von Konzessionen ausschließlichan qualitativen Merkmalen festmachen. Allein <strong>de</strong>r Markt sollte darüber entschei<strong>de</strong>n, für wieviele Anbieter Platz ist.


3.2 Externe EffekteExterne Effekte (Externalitäten) sind Nutzenbeeinflussungen, die vom Preissystem nichterfasst wer<strong>de</strong>n. Die tatsächlichen Knappheiten wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>shalb nicht korrekt abgebil<strong>de</strong>t –es kommt zur Fehlallokation <strong>de</strong>r Ressourcen. Zu unterschei<strong>de</strong>n sind Konsum- undProduktionsexternalitäten. Konsumexternalitäten im engeren Sinne – <strong>als</strong>oNutzenbeeinflussungen, die durch die Teilnahme an Sportwetten entstehen – sind kaumzu konstatieren.Die Bewertung von Produktionsexternalitäten – <strong>als</strong>o Nutzenän<strong>de</strong>rungen bei Dritten durchdas Angebot von Sportwetten – ist weniger einfach. Die Vergangenheit hat gezeigt, dassSportwetten genutzt wer<strong>de</strong>n können, um Sportereignisse zu manipulieren. In Deutschlandwur<strong>de</strong> die Problematik in <strong>de</strong>r Saison 2004/05 durch <strong>de</strong>n so genannten Schiedsrichter-Skandal offenkundig. In Anlehnung an <strong>de</strong>n maßgeblich beteiligten Schiedsrichter RobertHoyzer wur<strong>de</strong> auch vom „Hoyzer-Skandal“ gesprochen. Die so genannte Wettmafia hattemin<strong>de</strong>stens einem Schiedsrichter Geld gezahlt, damit dieser Spiele, auf <strong>de</strong>ren Ausgangdie Wettmafia im Vorfeld erhebliche Geldbeträge gesetzt hatte, in ihrem Sinne beeinflusst.In mehreren Fällen war die Wettmafia erfolgreich und hat so – neben <strong>de</strong>n aus ihrer Sichtgewünschten Wettgewinnen – unlauteren und unerwünschten Einfluss auf <strong>de</strong>n sportlichenWettbewerb genommen und die sportliche Integrität <strong>de</strong>s Profifußballs erschüttert.Durch konsequentes juristisches Vorgehen gegen die beschuldigten Personen und dierelativ schnelle Aufklärung konnten negative Auswirkungen auf die Nachfrage nach <strong>de</strong>mProdukt Profifußball in engen Grenzen gehalten wer<strong>de</strong>n. Wenn die Integrität <strong>de</strong>s Sportsjedoch nachhaltig zerstört wür<strong>de</strong>, wäre mit erheblichen Nachfragerückgängen undfinanziellen Einbußen für die am Fußball-Business beteiligten Personen zu rechnen – sosank <strong>de</strong>r Zuschauerschnitt nach Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sliga-Bestechungsskand<strong>als</strong> imSommer 1971 von 21.000 auf 16.000 pro Spiel (vgl. Gärtner/Pommerehne, 1978, S. 97).Durch wettinduzierte Spielmanipulationen wür<strong>de</strong>n negative Produktionsexternalitäten von<strong>de</strong>r Wettbranche auf <strong>de</strong>n Profifußball ausgehen. Dies wür<strong>de</strong> umso schwerer wiegen, weilumgekehrt vom Profifußball massive positive Produktionsexternalitäten auf dieWettbranche ausgehen, o<strong>de</strong>r präziser: <strong>de</strong>r Profifußball ist die Vorbedingung dafür, dassdie Wettbranche überhaupt Wettangebote für diese Fußballspiele machen kann.


3.2.1 Internalisierung externer EffekteDas gängigste Instrument zur Internalisierung negativer externer Effekte ist die Pigou-Steuer. Mit Hilfe <strong>de</strong>r Pigou-Steuer versucht <strong>de</strong>r Staat, die allokativ korrektenKnappheitspreise, die sich auf <strong>de</strong>m freien Markt wegen <strong>de</strong>r externen Effekte nicht bil<strong>de</strong>n,zu simulieren. Im vorliegen<strong>de</strong>n Fall ist die Pigou-Steuer jedoch ungeeignet, <strong>de</strong>nn es gehtnicht darum, ein „allokationseffizientes Manipulationsniveau“ zu erreichen, son<strong>de</strong>rn esgeht darum, Manipulation vollständig zu unterbin<strong>de</strong>n. Das wird mit einer Steuer nichtgelingen.Eine <strong>de</strong>nkbare Möglichkeit besteht darin, die Art <strong>de</strong>r Wettangebote massiv zu regulieren.So könnten Wettunternehmen die Auflage bekommen, nur bestimmte Wetten anzubieten,d.h. solche Wettangebote zu unterlassen, die sich in beson<strong>de</strong>rer Weise für Manipulationeneignen. Dazu gehören beispielsweise Wetten, die sich auf bestimmte einzelne Vorfällewährend eines Spiels beziehen und vom Schiedsrichter leicht zu beeinflussen sind. So istzum Beispiel das Wettangebot, „Welche Mannschaft erhält <strong>de</strong>n ersten Freistoß <strong>de</strong>sSpiels?“, für Manipulationen vergleichsweise gut geeignet, weil <strong>de</strong>r Schiedsrichter indieser Frage einen relativ großen Entscheidungsspielraum hat. Auch Live-Wetten, <strong>als</strong>oWettangebote, auf die während <strong>de</strong>s laufen<strong>de</strong>n Spiels gesetzt wer<strong>de</strong>n kann („WelcheMannschaft erhält die nächste Gelbe Karte?“), sind manipulationsanfällig.Sehr weit reichend wäre die Maßnahme, keine Wetten mehr auf einzelne Spielezuzulassen, son<strong>de</strong>rn nur noch auf die Kombination mehrerer Spiele. Wenn für einenWettgewinn gleich mehrere Ergebnisse in Kombination korrekt getippt wer<strong>de</strong>n müssen,steigt <strong>de</strong>r nötige Manipulationsaufwand erheblich. Die Regulierung bzw. Beschränkung<strong>de</strong>s Wettangebots ist <strong>als</strong>o eine – in Grenzen – Erfolg versprechen<strong>de</strong> Maßnahme gegenetwaige Manipulationen von Sportereignissen. Gleichwohl gilt es, <strong>de</strong>n darausresultieren<strong>de</strong>n Spannungsverlust für die Teilnehmer an Sportwetten wohlfahrtsökonomischabzuwägen gegen die Eindämmung <strong>de</strong>r oben skizzierten Externalitäten. Zu<strong>de</strong>m lässt sichdamit kein Staatsmonopol rechtfertigen, son<strong>de</strong>rn lediglich die Regulierung <strong>de</strong>sWettangebotes insgesamt, z.B. in <strong>de</strong>r Form, dass alle Anbieter von Sportwetten nur nochKombinationswetten anbieten dürfen.


Schließlich bleibt die Frage, wie wirksam eine nationale Regulierung wäre, wenn Wettenauf inländische Sportereignisse auch im Ausland angeboten wer<strong>de</strong>n. Denn selbst wenn imInland die Manipulationsgefahr eingedämmt wer<strong>de</strong>n könnte, bliebe Kriminellen dieMöglichkeit, ein Spiel aus <strong>de</strong>m Ausland zu manipulieren. Die Wettabschlüsse wür<strong>de</strong>n <strong>als</strong>oim Ausland bei ausländischen Anbietern getätigt, die Manipulation wür<strong>de</strong> dagegen imInland – z.B. durch Bestechung von Schiedsrichtern o<strong>de</strong>r Spielern – vorgenommen.Wenngleich dadurch eine effektive nationale Regulierung beeinträchtigt wür<strong>de</strong>, wäre sienicht vollkommen unnütz. Denn Manipulationen fallen anhand <strong>de</strong>r getätigten Wettumsätzeumso eher auf, je kleiner <strong>de</strong>r Markt ist, je kleiner <strong>als</strong>o die regulären Umsätze sind.3.2.2 Marktendogene InternalisierungVieles spricht dafür, dass <strong>de</strong>r Staat gar nicht regulierend einzugreifen braucht, weil <strong>de</strong>rMarkt selbst Lösungen für das Problem bereitstellt. Denn Wettbetrug im großen Stil solltekaum möglich sein, wenn die Fußballliga mit <strong>de</strong>n Buchmachern bzw. Unternehmen, dieFrühwarnsysteme anbieten, Informationen austauscht (vgl. z.B. Bertram, 2006 undSelbach, 2006). Buchmachern und Quotenanalysten fallen größere Unregelmäßigkeitenauf. Um zu verstehen, woran Buchmacher Unregelmäßigkeiten aufspüren können, ist einBlick auf die Funktionsweise von Wettmärkten nötig.Wettmärkte gelten <strong>als</strong> weitgehend informationseffizient – so das Ergebnis zahlreicherwissenschaftlicher Untersuchungen verschie<strong>de</strong>ner Sportwettmärkte in <strong>de</strong>n USA (vgl. etwaBrown/Sauer, 1993). Informationseffizienz be<strong>de</strong>utet, dass die Wettquoten alle relevantenInformationen <strong>de</strong>r Marktteilnehmer über <strong>de</strong>n erwarteten Ausgang <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>nSportereignisses enthalten. Selbst etwaige Schiedsrichter-Fehlentscheidungen undan<strong>de</strong>re Unwägbarkeiten, die während eines Spieles auftreten können, sind imDurchschnitt von <strong>de</strong>n Buchmachern bereits antizipiert. Da informationseffizienteWettquoten die Eintrittswahrscheinlichkeiten <strong>de</strong>r möglichen Ergebnisse korrekt abbil<strong>de</strong>n,sind systematische Wettgewinne nicht möglich (vgl. dazu ausführlich Quitzau (2003), S.176 ff.; Quitzau (2006), S. 201 f.).Welche Schlüsse können daraus für etwaige Spielmanipulationen gezogen wer<strong>de</strong>n?Wichtig ist, dass es sich bei Wetten auf <strong>de</strong>n Spielausgang im Regelfall um festeWettquoten han<strong>de</strong>lt. Die Quoten wer<strong>de</strong>n <strong>als</strong>o einmalig festgelegt und verän<strong>de</strong>rn sich –


zumin<strong>de</strong>st bis zum Spielbeginn – durch die im Anschluss getätigten Wettabschlüsse nichtmehr. Wer<strong>de</strong>n ungewöhnlich hohe Summen auf einen bestimmten Spielausgang gesetzt,hat das <strong>als</strong>o keinen Einfluss auf die Quoten. Dies ist ein wichtiger Unterschied zuKapitalmärkten, bei <strong>de</strong>nen ungewöhnliche Marktbewegungen sofort an <strong>de</strong>nKursän<strong>de</strong>rungen auffallen.Obwohl die Öffentlichkeit <strong>als</strong>o keine Möglichkeit hat, von ungewöhnlichen Wetteinsätzenanhand <strong>de</strong>r Quotenbewegungen Notiz zu nehmen, wird es Buchmachern nicht verborgenbleiben, wenn Ungewöhnliches in größerem Stil geschieht. Die Buchmacher müssenWoche für Woche die Quoten so setzen, dass die Quoten dieEintrittswahrscheinlichkeiten <strong>de</strong>r einzelnen Ergebnisse möglichst korrekt abbil<strong>de</strong>n.Wenn dies gelingt – die Buchmacher verfügen hier über große Erfahrung – und dieQuoten folglich informationseffizient sind, be<strong>de</strong>utet das für die Wettteilnehmer, dass dieGewinnerwartungswerte für die Ereignisse Heimsieg, Unentschie<strong>de</strong>n und Auswärtssiegi<strong>de</strong>ntisch sind. Dementsprechend sollten auch die eingesetzten Wettsummen auf die dreimöglichen Spielausgänge ungefähr gleich hoch sein. Wenn dies nicht so ist, dann könntendie Quoten nicht gut genug gesetzt wor<strong>de</strong>n sein – <strong>de</strong>r Markt hätte <strong>als</strong>o an<strong>de</strong>reErwartungen <strong>als</strong> die Buchmacher. Bis zu einem gewissen Ausmaß mögenFehleinschätzungen <strong>de</strong>r Buchmacher solche Abweichungen erklären. Bei gravieren<strong>de</strong>nAbweichungen ist dagegen Misstrauen angebracht.Es ist <strong>als</strong>o nicht nur die absolute Höhe <strong>de</strong>r Wetteinsätze, die ein Spiel verdächtig machen,son<strong>de</strong>rn insbeson<strong>de</strong>re die Konzentration <strong>de</strong>r Wetteinsätze auf einen bestimmtenSpielausgang. Beson<strong>de</strong>rs attraktiv für Manipulationen sind grundsätzlichAußenseiterwetten, weil sie hohe Quoten haben. Zu<strong>de</strong>m dürfte es attraktiv sein, Spieleunterhalb <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sliga zu manipulieren, weil diese nicht so sehr im Blickpunkt <strong>de</strong>rÖffentlichkeit stehen und weil sie im Gegensatz zu Bun<strong>de</strong>sligaspielen nicht vonzahlreichen Kameras aufgezeichnet wer<strong>de</strong>n. Der Nachweis einer Unregelmäßigkeit imSpielverlauf ist in unterklassigen Ligen <strong>de</strong>shalb schwieriger zu erbringen. An<strong>de</strong>rerseitsdürften hohe Wetteinsätze hier beson<strong>de</strong>rs stark auffallen.3.3 Zwischenfazit


Externe Produktionseffekte und Informations<strong>de</strong>fizite behin<strong>de</strong>rn zunächst die optimaleAllokation auf <strong>de</strong>m Wettmarkt. Trotz<strong>de</strong>m lässt sich eine staatliche Monopolisierung <strong>de</strong>sWettmarktes damit nicht begrün<strong>de</strong>n. Produktionsexternalitäten lassen sich marktendogendurch <strong>de</strong>n Einsatz von Quotenanalysten weitgehend beseitigen und bedürfen keinerstaatlichen Eingriffe. Informations<strong>de</strong>fizite sind dagegen am besten dadurch zu beheben,dass <strong>de</strong>r Staat nur solche Unternehmen konzessioniert, die bestimmteQualitätsanfor<strong>de</strong>rungen erfüllen. Ein funktionieren<strong>de</strong>r, seriöser inländischer Markt fürSportwetten ist gleichzeitig <strong>de</strong>r beste Schutz vor unseriösen Anbietern aus <strong>de</strong>m Ausland.4. MeritorikDamit ist die ökonomische Analyse im engeren Sinne been<strong>de</strong>t. Tatsächlich beruft sich <strong>de</strong>rGesetzgeber bei <strong>de</strong>r Durchsetzung <strong>de</strong>s Glücksspielmonopols auch nicht hauptsächlich aufdie beson<strong>de</strong>ren „Produktionsbedingungen“ auf <strong>de</strong>m Wettmarkt. Ihm geht es – neuerdings– um die Begrenzung von Spiellei<strong>de</strong>nschaft und Verhin<strong>de</strong>rung von Spielsucht. Durchdas Monopol sollen die Bürger <strong>als</strong>o vor sich selbst geschützt wer<strong>de</strong>n. Diese Absichtentspricht <strong>de</strong>m ökonomischen Konzept <strong>de</strong>r Meritorik (vgl. Musgrave, 1959), wonach <strong>de</strong>rStaat in die Entscheidungsfreiheit <strong>de</strong>s Einzelnen eingreifen kann o<strong>de</strong>r sollte, wenn <strong>de</strong>ssenInformationen mangelhaft und/o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ssen Präferenzen verzerrt sind. Falls <strong>de</strong>n Bürgern<strong>als</strong>o nicht klar ist, welche (Sucht-) Gefahren mit <strong>de</strong>r Teilnahme am Glücksspiel verbun<strong>de</strong>nsind, wäre <strong>de</strong>r Staat nach diesem Konzept zum Han<strong>de</strong>ln aufgerufen.Unter Ökonomen ist das Konzept <strong>de</strong>r Meritorik gleichwohl heftig umstritten. Wie wollteman feststellen, ob die Informationen und Präferenzen bei <strong>de</strong>n – ansonsten mündigen –Bürgern tatsächlich mangelhaft beziehungsweise verzerrt sind. Und wie lässt sichgewährleisten, dass sich die han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Politiker ihrerseits nur am Gemeinwohlorientieren und keine eigenen Interessen verfolgen? Diese grundsätzlichen Zweifel amKonzept <strong>de</strong>r Meritorik sind tatsächlich auch bei <strong>de</strong>r Durchsetzung <strong>de</strong>sGlücksspielmonopols angebracht. Wie glaubwürdig ist eine Politik, die bis vor wenigenMonaten mit massiver Werbung auf Kun<strong>de</strong>nfang für <strong>de</strong>n eigenen Anbieter vonSportwetten gegangen ist, und nun mit <strong>de</strong>m Argument <strong>de</strong>r Suchtprävention privatenWettunternehmen die Lizenzen entzieht? Dass <strong>de</strong>r Wettmarkt inzwischen einMilliar<strong>de</strong>nmarkt mit weiterhin hohen Wachstumsraten ist (vgl. Leinert, 2005 und Hornuf,


2006) und fiskalische Interessen eine erhebliche Rolle spielen, bedarf in diesemZusammenhang kaum einer geson<strong>de</strong>rten Erwähnung.Doch selbst wenn man <strong>de</strong>m Gesetzgeber ausschließlich gute Absichten unterstellt und diepotentielle Suchtgefahr bei <strong>de</strong>n einzelnen Teilnehmern an Sportwetten akzeptiert, ist dasstaatliche Monopol ein ungeeignetes Instrument. Milton Friedman sagte einmal über dieProblematik staatlicher Regulierungen, dass die Politik auf ein Problem, das fünf Prozent<strong>de</strong>r Bevölkerung betrifft, mit einem Gesetz für hun<strong>de</strong>rt Prozent <strong>de</strong>r Bevölkerung reagiert.So wäre es auch bei <strong>de</strong>n Sportwetten: Für einen kleinen Prozentsatz potentiellsuchtgefähr<strong>de</strong>ter Personen wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Staat <strong>de</strong>n gesamten Markt vom Wettbewerbausnehmen.Ohnehin wird es immer möglich sein, das staatliche Monopol zu umgehen. Der Staatmüsste einigen Aufwand treiben, um die Angebote ausländischer Wettunternehmen inDeutschland aus <strong>de</strong>m Internet zu verbannen. Aber selbst dann, wenn <strong>de</strong>r Staat – wiebereits vereinzelt angedroht – die Internetseiten ausländischer Wettbüros in Deutschlandsperren ließe, wird es noch Umgehungsmöglichkeiten geben. Und die dürften amehesten von <strong>de</strong>nen genutzt wer<strong>de</strong>n, die durch das Staatsmonopol eigentlich geschütztwer<strong>de</strong>n sollen – nämlich von <strong>de</strong>n Spielsüchtigen. Schließlich bleibt die Frage, weshalbman durch die Teilnahme an einer privatwirtschaftlich angebotenen Wette süchtig wer<strong>de</strong>nkönnen soll, durch eine staatlich angebotene dagegen nicht.5. FazitDie ökonomische Analyse <strong>de</strong>s Glücksspiel- bzw. Sportwettenmarktes hat ergeben, dassein staatliches Monopol nicht gerechtfertigt wer<strong>de</strong>n kann und lediglich eine Regulierung in<strong>de</strong>r Form sinnvoll ist, dass <strong>de</strong>n Anbietern von Glücksspiel und Sportwetten Konzessionennur unter Auflagen erteilt wer<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>m Schutz <strong>de</strong>r Konsumenten dienen. DasVerfassungsgericht hatte <strong>de</strong>n Weg für die ökonomisch sinnvolle Marktöffnung freigemacht. Der Gesetzgeber hat sich lei<strong>de</strong>r für die Alternative, nämlich für dasGlücksspielmonopol entschie<strong>de</strong>n – und muss zu <strong>de</strong>ssen Durchsetzung nun mit Kanonenauf Spatzen schießen.


LiteraturBertram, J.-E. (2006), Kampfansage an die Schieber, in: Financial Times Deutschlandvom 07.07.2006, Son<strong>de</strong>rbeilage Wettgeschäft, S. A6.Brown, W. O., Sauer, R. D., Fundament<strong>als</strong> or Noise? Evi<strong>de</strong>nce from the ProfessionalBasketball Betting Market, in: The Journal of Finance, Vol. 48 (1993, S. 1193-1209.Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht, Urteil vom 28.03.2006, 1 BvR 1054/01 (2006).Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 6. November 2003, Az. C-243/01.Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ausgabe 245 vom 21. Oktober 2006, S. 12.Gärtner, M. und Pommerehne, W., Der Fußballzuschauer – ein homo oeconomicus?, in:Jahrbücher für Sozialwissenschaft, 29, (1978), S. 88-107.Hornuf, L., Auswirkungen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichtsurteils zum Sportwettmarkt aufdie <strong>de</strong>utsche Volkswirtschaft, ifo Son<strong>de</strong>rschriften (bevorstehend), 2006.Leinert, J., Marktreport: Online Wetten 2005.Musgrave, R. A., The Theory of Public Finance, 1959.Quitzau, J. (2003), Die Vergabe <strong>de</strong>r Fernsehrechte an <strong>de</strong>r Fußball-Bun<strong>de</strong>sliga –Wohlfahrtsökonomische, wettbewerbspolitische und sportökonomische Aspekte <strong>de</strong>rZentralvermarktung.Quitzau, J. (2006), Zufall <strong>als</strong> Spielgestalter – Der übersehene Erfolgsfaktor im Profifußballund seine wettbewerbspolitischen Implikationen, in: WirtschaftswissenschaftlichesStudium (WiSt), Nr. 04/2006, S. 200-205.Selbach, D. (2006), Findiges Einsatz-Kommando, in: Financial Times Deutschland vom07.07.2006, Son<strong>de</strong>rbeilage Wettgeschäft, S. A7.

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