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Bernoulli und Gesell - Städtebau als politische Kultur. Hans ...

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<strong>Hans</strong><strong>Bernoulli</strong>


Werner Schmid<strong>Hans</strong><strong>Bernoulli</strong>StädtebauerPolitikerWeltbürger1914Verlag Peter Meili+Co Schaftbausen


. ijHerausgegeben von derUber<strong>als</strong>ozialistischen Partei der Schweiz© Copyright beim HerausgeberJSBN 3-85805-044-XVerlagPeter Meili +Co SchaffhausenUmschlag Fred Stolle1974Buchdruckerei W. SondereggerWeinfeldenDie Zelt ist aus den Fugen,Seilmach <strong>und</strong> Gram,dass ich zur Welt,die einzurichten, kam.Shakespeare, Harnlet 1. Akt


InhaltsverzeichnisVonvort 9Die Ahnen 11Der Nachfahre 16Auf eigenen Wegen 19<strong>Bernoulli</strong> <strong>und</strong> <strong>Gesell</strong> . 27Der Lehrer 31Der Berufswechsel 33Dle grosse Wirtschaftskrise 36Der Brief. 43Der Ard:tivar 49Politiker wider Willen 52Der Städtebauer . 63Der Blick in die Zukunft . 65Die Fussgängerstadt . 67Mit Feder <strong>und</strong> Stift 71Der Basler 77Die Familie 78Zwei Begegnungen 87Sein Credo 93Der Abschied 96Margrit Gutknecht: <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> 101


~ ·~--~--------==========-~-=~. IIVorwortDie GesChäftsleitung der Liber<strong>als</strong>ozialistischen Partei derSc'hweiz bat mich, eine Broschüre von 30 bis 40 Selten überLeben <strong>und</strong> Werk von <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> zu schreiben. Ichnahm den Auftrag gerne entgegen, war mir doch die langjährigegemeinsame Tätigkeit <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schaft ein unver·gessliches Erlebnis.Als iCh dann mit der Arbeit begann, merkte ich bald,dass es mir nicht gelingen würde, auf 30 odar 40 Seiten eineinigermassen gültiges Bild <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>s zu zeichnen.Es wäre eine ungenügende Arbeit geworden. So kümmerteiCh mich denn auch nicht me'hr um die vorgesehenen Seitenzahlen<strong>und</strong> schrieb statt der Broschüre dieses kleineBuch. Auch dieses Buch gibt kein erschöpfendes Bild. Daskönnte nur in einem grossen <strong>und</strong> umfangreichen Werkegeschehen. Das wird hoffentlich einmal durch einen jüngerenAutor geschaffen. Meine Kräfte reichen dazu nichtmehr aus. Ich habe versucht, Wesen <strong>und</strong> Werk dieseswahrhaft grossen Mannes so darzustellen, wie es mir erschien<strong>und</strong> wie es auch dem Aussensteilenden nahe gebrachtwerden kann. <strong>Bernoulli</strong> war kein Volkstribun, sondernein grosser Gelehrter, der sich der Wahrheit verpflichtetfü'hlte <strong>und</strong> ihr in uneigennütziger Weise diente.Er war ein grosser Architekt, dessen Werke noch heuteihre volle Gültigkeit haben. Er war ein grossar Künstler<strong>und</strong> beherrsc'hte Wort <strong>und</strong> Schrift gleichermassen.Seine schriftstellerische Begabung kam ebenso zu ihremRecht wie seine zeichnerische. Einem solchen Manne ge-9


--------------~--~---------------genüber muss die Darstellung seines Lebens <strong>und</strong> Wirkensnotwendig fragmentarisch bleiben, wenn sie nur den Umfangdieses Buches hat.Wenn ich es trotzdem wage, diese Arbeit der Oeffent­Iichkeit zu unterbreiten, so deshalb, weil es höchste Zeitist, das Werk <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>s wieder einmal zu würdigen<strong>und</strong> seinem Genius zu huldigen.Ich benütze gerne die Gelegenheit, Bemoullis beidenSöhnen Lucas <strong>und</strong> Paul für die tatkräftige Unterstützungzu danken, die sie mir zuteil werden liessen, indem sie mirwertvolle Unterlagen zur Verfügung stellten. Gleichzeitigdanke ioh meinem Fre<strong>und</strong>e Arthur Fässler für seine minuziöseArbeit <strong>als</strong> Korrektor sowie dem Grafiker Fred Stollefür die Gestaltung des Umschlags.Zürich, im September 197310Werner SchmidDieAhnenDie Vergangenheitist immer gegenwärtig.Maeterlink«Eine der ersten .Anstandsregeln, aie ein Vater in Baselseinem Sohne gab, war, auf der Strasse Herrn <strong>Bernoulli</strong> zugrüssen», weiss Gustav Adolf Wanner in seiner Arbeitüber die Familie <strong>Bernoulli</strong> zu berichten. Se non e vero, eben trovato. Der Ausspruch legt auf alle Fälle Zeugnis abvon dem Ansehen, das die Familie <strong>Bernoulli</strong> in Basel genoss.Die Familie <strong>Bernoulli</strong> ist holländischen Ursprungs<strong>und</strong> lebte in Amsterdam. Da sie sich zum Protestantismusbekannte, verliess sie ihr Vaterland <strong>und</strong> siedelte nachBasel über, ·in die Stadt, in der Erasmus von Rotterdam gewirkt·hatte <strong>und</strong> deren humanistische Tradition die Familiefortsetzen sollte. Am 13. Mai 1622 wurde der Stammvaterder Familie, Jakob <strong>Bernoulli</strong>, ins Basler Bürgerrechtaufgenommen. Zwei Jahre zuvor war er <strong>als</strong> Ladendienerbeim Spezierer Heinrich Frey eingetreten, dessen Nachfolgerer wurde. Er gelangte rasch zu Ansehen <strong>und</strong> Reichtum.Kurz nach seiner dritten Heirat - die beiden erstenFrauen hatte er durch den Tod verloren- starb er an derPest. Sein einziger Sohn aus erster Ehe übernahm dasGeschäft des Vaters. Er begann sich auch öffentlich zubetätigen <strong>und</strong> wurde Mitglied des Ehegerichtes <strong>und</strong> desKirchenvorstandes. Seine Frau Margareta, die Tochterdes Handelsmannes <strong>und</strong> Ratsherrn Emanuel Schönauer­Herwagen, gebar ihm elf Kinder, darunter deren zwei, dieden Ruhm der Familie begründen sollten: Jacob <strong>und</strong>Johann.11


Nach dem Wunsche des Vaters sollte der Aelteste,Jacob, Geistlicher werden. Der Sohn gehorchte <strong>und</strong> absolviertedas Studium, betrat aber nie eine Kanzel. Denn erhatte durch die Betrachtung geometrischer Figuren seineLiebe zur Mathematik entdeckt <strong>und</strong> begann mathematischeBücher zu lesen. «


-rilität, immer nur aussetordentlich begabte Menschen hervorg-ebrachthat.>>Es ist eine Gelehrtendynastie, wi e sie nur ganz seltenvorkommt. <strong>Hans</strong> Bemoulli war bestimmt, einer grossenTradaion gerecht zu werden. Auf der nachstehenden Ahnentafelerkennen wir die Stellung <strong>Hans</strong> BernoulUs in derillustren Ahnenreihe.In einem im Jahre 1799 erschienenen, von HeinrichPfenninger, Mahler <strong>und</strong> Leonhard Meister herausgegebenenBuch o:Helvetiens berühmte Männer», finden wirauch Darstellungen über Daniel <strong>und</strong> Jakob <strong>Bernoulli</strong>, indenen die Schriften <strong>und</strong> Ehrenernennungen der beiden zufinden sind.t.C-.Q -·-0 ·c;~ C:l....., C)V~'1+10 0.... ....0..0......~:::1C:l~z~ -t:;§ §..C:---~-------~ .....,---....~-;;.Q...C:l ..... 0..c;l:!~0 tj 0-,Q....,dQ)'C'iil:


Der NachfahreWas einer für ein Mann gewesen ist,das findet sich in seinen Nachkommen.Jesus Sirach<strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> wurde am 17. Februar 1876 in Basel geboren.Er war das dritte der fünf Kinder. Er sprach wenigüber seine Jugendzeit, die nicht besonders heiter gewesenzu sein sCheint. Sein Vater, der offenbar sein Jusstudiumnicht beendigen konnte, weil er durchs Examen fiel, betätigtesich im Notariatsbüro seines Bruders <strong>und</strong> litt offenbaran schweren Minderwertigkeitsgefühlen. Mit seiner Familiesprach er kein Wort. Er erschien zum Essen, sprachdas Tischgebet, dann wurde stumm gegessen <strong>und</strong> <strong>als</strong>dannverschwand er wieder in sein Büro. Dass das nicht geradeeine erheiternde Atmosphäre ergab, versteht sich vonselbst. Das Familienleben begann immer erst, wenn derschweigsame Vater nicht anwesend war. Heiteren Charakterswar dagegen seine Frau, eine geborene Bider aus derFamilie des berühmten Fliegers Oskar Bider. Sie nahm inden Achtzigerjahren einen Zeichenkurs - was dam<strong>als</strong>äusserst ungewö·hnlich war - , um ihren Kindern dasZeichnen beibringen zu können. Ihr Sohn <strong>Hans</strong> sowohl <strong>als</strong>auch sein Bruder Rudolf haben davon sehr profitiert. Letztererwurde Professor für Kunstgeschichte an der ETH.Es scheint in den Familien <strong>Bernoulli</strong> Tradition zu sein,dass d·ie Väter ihre Söhne in einen Beruf drängen, der ihnennicht liegt. Die Eltern <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>s hatten ihrenSohn offenbar zu einer akademischen Laufba:hn bestimmt<strong>und</strong> schickten ihn deshalb ins humanistische Gymnasium.Dort scheint es ihm aber· nicht sonderlich behagt zu haben.Gemälde von A. H. PeJJegrilliStaallicher Kunstkredit. Kunsthalle Basel16


-==...c~:..:....:.:.==:......;.._.:.....:;;· ''''-'-"'. -~· ·•;...;.;..·.•. ~ .........-----..;..·..;...;··~··-·--=...:....;··=··-= · . ==· ==· "-"'-.::"' -..-....... --·- .. .rIGeschäftshäuser Scllililände Basel 1914Wohnkolonie in Basel


---------~~~----~·~~~--~--~·-···=······-~-·-=·-~----~-------~~~--.. ·~--~-··=·==·=·= -----Villa am Lindenweg, BaselBernouliJ in der KarikaturLassen wir ihn selbst erzählen: «Und nun sollte ichdankbar berichten, wie ich die Schulen meiner Vaterstadtgenoss. ACh nein, ich habe sie gar nicht genossen; ich warzwar beliebt bei meinen Kameraden um der Allotria willen,die sich in den Klassenbüchern missbilligend aufgezeichnetfinden. Um die Zahl meiner Klassengenossen zuverdoppeln, bin kh sogar einmal sitzen geblieben. Aberüber die erste Hälfte des zweiten habe ich es dann niC'hthinausgebracht- die Sache mit dem Griechischen wurdemir denn do~h zu ernsthaft, <strong>und</strong> auch ·das Lateinische,wenigstens so, wie es einem das infame Lehrbuch vonBusch entgegenbrachte, konnte mich nicht fesseln. Immerhinbefähigen mich meine sauer erworbenen Kenntnisseder toten Sprachen, nationalökonomis~he Traktate zu kopieren.Auch erkenne ich unter dem fadenscheinigenDeutsch der Schriftgelehrten aller Fakultäten mit Vergnügenhalb verschollene lateinische Satzkonstruktionen -'Cäsar, nachdem er'.Wenn man in der Schule scheitert, wird man Kaufmann.Wenigstens in Basel ist es so.Ich wurde <strong>als</strong>o 'Kaufmann'. Das heisst, ich genoss einmalzuerst ein halbes Jahr die Ecole commerciale in Lau·sanne (die doppelte Buchhaltung habe ich zwar nie begriffen,aber die nombres rouges amüsierten mich). Nachm<strong>als</strong>habe ich in einem Kolonial.warengesohäft (engros natürlich,bitte!) dürre Zwetschgen verkauft <strong>und</strong> Würfelzucker,Kaffee, roh wie geröstet, <strong>und</strong> dergleichen liebliche Dinge.Aber das ist ja kein Lebenszweck! Nach anderthalb Jahrenerklärte ich -meinem bestürzten Vater, ich wolle Architektwerden.Nun folgen die w<strong>und</strong>ervollen Jahre lebhaftester Tätigkeitim selbstgewählten Beruf, drei Jahre Lehrzeit <strong>und</strong>dann Studium in Münc'hen, Karlsruhe, Darmstadt UmExamina habe ich mich konsequent gedrückt, zeitlebens(einzig der Rekrutenprüfung konnte ich nicht entgehen).Ich war überall der merkwürdig fleissige Outsider: Ichwar fleissig, weil es ja wirklich keinen Sinn gehabt hätte,diese heiss ersehnten Vorlesungen über Architektur <strong>und</strong>11


--- - - ---·····-.·-··--·-- ·····-·--··- ··--·-·---=-:- · _-'---..;......::.;:..:...;;:---"....___;...;.._ _:__.::======·:=;·"'...-:-"" . ...::::=··===.:··,_",-=.:-:::;-·::.:··-:::.·-=·-· ....--~was dazu gehört <strong>und</strong> auch nicht dazugehört zu schwänzen.Die letzten zwei Semester vermochte ich sogar mit selbstverdientem Geld zu finanzieren. Faulheit wäre da Selbstbetruggewesen.» Dass er froh war, selber zu verdienen, verstehenwir besonders gut, wenn wir wissen, dass ihm sein ·Vater, den er um ein Darlehen gebeten hatte, es ihm mitder Bemerkung übersandte: «Den Jahreszins habe ichschon abgezogen. Dein Vater Theodor <strong>Bernoulli</strong>.»Es war der Künstler <strong>Bernoulli</strong>, der zum Durchbruchkam <strong>und</strong> sich verwirklichen wollte. Er hätte auch Malerwerden können oder Musiker. Er war in beiden Spartenbefähigt <strong>und</strong> spielte gut <strong>und</strong> gerne Klavier. Dass er Architektwerden wollte, war wohl keine zufällige Erscheinung,sondern entsprang der mathematischen Begabung, die er<strong>als</strong> Erbstück seiner Ahnen mitbekommen hatte. So ver·band sich" seine Exaktheit mit der Phantasie zu einer Einheit,die ihn befähigte, seine baulichen Kunstwerke zuschaffen, sein Künstlerturn zu erfüllen <strong>und</strong> zu verWirklichen.18Auf eigenenWegenWas sagt dein Gewissen? ·Du sollst der werden, der du bist.Nletzsche<strong>Bernoulli</strong> fährt dann in seiner launigen Selbstbiographie,die im «Freien Volk» zu seinem Siebzigsten am 17. Februar1946 erschien, fort: «Was ich dann in Berlin, Basel <strong>und</strong>Zürich gebaut habe, <strong>und</strong> von meiner Le'hrtätigkeit aro BerlinerKunstgewerbemuseum <strong>und</strong> an der EidgenössischenTechnischen Hochschule in ZüriCh, das kann. man dann allesin meinem Nekrolog lesen. Der Leser möge sich fre<strong>und</strong>licherweisenoch ein wenig gedulden.» Das soll nun in denkommenden Kapiteln erzählt werden.Zunächst ist zu melden, dass <strong>Bernoulli</strong> sich offenbarschon <strong>als</strong> Student durch seine besonderen Leistungen auszeichnete.Deshalb nahm ihn sein Lehrer, F. von Thiersch,auf sein Büro <strong>und</strong> übertrug ilhm die Bauführung einer Kirche.Und ein Studienfre<strong>und</strong> übertrug ihm den Bau seinesHauses in Lindau am Bodensee. Nach zwei Semestern inKarlsruhe arbeitet er in Darmstadt auf einem Architekturbüro.Dann aber lockt ihn Berlin, wo er wiederum in einemArchitekturbüro Arbeit findet. Aber <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> istnicht zum Angestellten geboren. Er muss selbständig werden,muss aus dem Eigenen gestalten, muss schöpferischtätig sein. Im Jahre 1903 - <strong>Bernoulli</strong> ist noch kaum sieben<strong>und</strong>zwanzigJahre alt - wagt er den grossen Schritt<strong>und</strong> eröffnet ein eigenes Architekturbüro. Er tut es im vollenVertrauen auf seine Fähigkeiten, <strong>und</strong> das Wagnis gelingt.Ja, es gelingt so gut, dass er bald nicht mehr weiss,wie er seine Aufgaben bewältigen soll. Er beteiligt sich anWettbewerben <strong>und</strong> gewinnt einen nach dem andem. Er ist1~


······---..schriftstellerisch tätig <strong>und</strong> publiziert Aufsätze, die grosseBeachtung finden, Schon dam<strong>als</strong> hatte er seinen eigenenStil, der anders war <strong>als</strong> alle andern <strong>und</strong> der den Schriften<strong>Bernoulli</strong>s einen eigenen Reiz verleiht. Die Aufträge mehrensich: er baut Geschäftshäuser an der Jerusalemerstrasse,das Hotel Baltic, Wohnhäuser an der Fasanenstrasse<strong>und</strong> in Dalblem, kurzum, er setzt sich nicht nur durch, sondernwird zu einem berühmten Manne. Die K<strong>und</strong>e von seinenaufse'henerregenden Erfolgen dringt natürlich audhnach Basel. Dort gibt es eine sog. Baugesellschaft So nann·te sich ein Baugeschäft, das gleichzeitig auch ein Arctütekturbüroführte. Diese Gese)lschaft suchte einen neuenChefarchitekten, <strong>und</strong> dieses Inserat erreichte auch <strong>Hans</strong><strong>Bernoulli</strong>. Sollte er sich um die Stelle bewerben <strong>und</strong> Berlinwieder verlassen, wo er sioh in den 15 Jahren seiner Tätig·keit eine glänzende Existenz aufgebaut <strong>und</strong> einen bedeu·tenden Namen gemacht hatte. Er beschloss, es zu tun. EineVeränderung ist immer gut <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>. Neue Aufgabenhalten den Menschen jung <strong>und</strong> erhöhen seine Spannkraft,sagte er sich. Einmal wird er sogar seinen Beruf wechseln,um nicht der Geleisekrankheit zu verfallen. Seine Bewer·bung .hatte Erfolg, er wurde Chefarchitekt der Baugesell·schaft Basel. Das war im Ja'hre 1912. Er erfuhr später, dasssich um diese Stelle auch sein Fre<strong>und</strong> <strong>Hans</strong> Hindermannbeworben hatte. Er schickte ihm zum Trost anonym einenGeldbetrag.<strong>Bernoulli</strong> hat seine Berliner Fre<strong>und</strong>e nie vergessen, <strong>und</strong><strong>als</strong> er einmal während der Zeit der grossen Inflation nachStettin fahren musste, reiste er über Berlin <strong>und</strong> lud seinealten Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bekannten zu einem guten Nachtessenzusammen. Es waren r<strong>und</strong> 60 Personen <strong>und</strong> kostete einigeMilliarden Mark, die dam<strong>als</strong> für wenige SC'hweizerfrankengekauft werden konnten.<strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> stürzte sich mit grossem Elan in seineneuen Aufgaben. Paul Artaria schildert im <strong>Bernoulli</strong>-Buchhöchst anschaulich, wie er zur Mitarbeit kam. Er bewarbsich um eine Stelle bei der Baugesellsohaft <strong>und</strong> erhieltprompt eine Absage. Nun wandte er sich direkt an den20neuen Chefarchitekten, <strong>und</strong> dieser bestellte ihn zu sichnach Hause. Dort legte er ihm seine Arbeiten vor. <strong>Bernoulli</strong>durchging sie, ohne sich zu äussern <strong>und</strong> bestellteArtaria auf den nächsten Vormittag ins Büro. Dort wurdeer von einem andem grossen Tier der <strong>Gesell</strong>schaft ebenfallsins Verhör genommen <strong>und</strong> <strong>als</strong>dann gefragt, ob er einenrichtigen Bauplan zeichnen könne. Man stellte ihm eineverzwickte Aufgabe, die er offenbar zur Zufriedenheitlöste. So hatte er denn gewonnen <strong>und</strong> konnte nun unterdem neuen Chef arbeiten.«Für unsern Chef» schreibt nun Artaria in seinemArtikel weiter, «war die folgende Zeit eine nicht abreissendeKette von Erfolgen. Er baute Wohn- <strong>und</strong> Land'häu"­ser, Volkswohnungen <strong>und</strong> Industriebauten, er brachte dasbei uns bis dahin noch kaum bekannte kleine <strong>und</strong> billigeEinfamilien·haus nac'h Basel. Inneneinrichtungen allerGradewurden entworfen, für die Arbeiterwohnung wie für denaristokratischen Salon, die Geschäftshauser an der Schiff~lände<strong>und</strong> die Frauenarbeitssdhule. Für die beim Weggangvon Berlin unvollendeten Bauten mussten die letzten Plänegeliefert werden, für Frankfurt a.O. <strong>und</strong> andere deutscheStädte Vorschläge für Stadterweiterungen, für deutscheIndustriebetriebe <strong>und</strong> Wohngenossenschaften Sied~lungsproje'kte. Nebenher lief die bedeutende wissensCh.aft~liehe Arbeit, die Vorbereitung von Kongressen, die Leitungder -städtebaulichen Abteilun!J an der Landesausstel·lung in Bem 1914, <strong>und</strong>, von 1913 an, seine Lehrtätigkeit <strong>als</strong>Dozent für Städtebau am Polytechnikum in Zürich.An diesem Schaffen durften ·Wir, seine allmahliCh redhtzahlre·ich gewordenen Mitarbeiter <strong>und</strong> Sdhüler, teilhaben<strong>und</strong> lernen. Mit Verständnis für die Eigenart eines jedenleitete BernouUi das grosse Atelier <strong>und</strong> koordinierte dieArbeit der einzelnen. Manchmal versteckt, manChmal offenwurden dabei heftige Kämpfe ausgetragen zwischenden technischen <strong>und</strong> kommerziellen Bonzen <strong>und</strong> unsermkünstlerisch denkenden <strong>und</strong> konsequenten, von uns mitBehagen <strong>und</strong> mit ·allen erlaubten <strong>und</strong> unerlaubten Mittelnunterstützten Chef. Mit grosser Geduld <strong>und</strong> mit einem21


'I ljIGeschick, das <strong>als</strong> Hexerei bestaunt wurde, wusste Ber·naulH meist die sturen Einwä-nde der Nur-Techniker durc.'hhervorragende Lösungen zu überwinden.»In dieser Darstellung seines Mitarbeiters tritt uns nichtnur die Person des grossen Architekten, sondern auch ·dessen künstlerische Begabung <strong>und</strong> Verantwortung <strong>und</strong>seine menschliche Haltung entgegen. Diese Eigenschaftenhaben sich in jeder Phase seines Lebens offenbart. Klarheit<strong>und</strong> Wahrheit waren bei ihm Selbstverständlichkeiten.Daran liess er nicht rütteln, auch wenn sie ihm schadeten.Im Jahre 1918 verliess er die Baugesellschaft 'Ulld machtesich selbständig. Auf Aufträge brauc'hte er nicht langezu warten, denn sein Ruf war der beste, den man sich denkenkonnte. So beschäftigte er zeitweise bis 20 Angestellte.Er war ein strf'..nger Chef, der von seinen Mitarbeitern etwasverlangte. Bei ihm wurde gearbeitet <strong>und</strong> nicht gefaulenzt.Alljährlich veranstaltete er mit seinen Leuten einFest. Da war er von einer fröhlichen Ausgelassenheit, so·dass die Leute ihn kaum wiedererkannten. War das ihrgestrenger <strong>und</strong> ernster Chef? Er war es. Er war ernst <strong>und</strong>war heiter, beides gehörte bei ihm zusammen.Seine Leistungen <strong>als</strong> Architekt würdigte Peter Meyeranlässlich des achtzigsten Geburtstages i·n der «NeuenZürcher Zetitung» wie folgt: «Noch nie hat ein bedeutenderArchitekt das Detail vernachlässigt; es ist wenigerGeschmacks- <strong>als</strong> Charaktersache. Bei <strong>Bernoulli</strong>s Bautendarf man jede, auch die unscheinbarste Einzelheit ansehen:alles ist hier bis zur vollkommenen Durchsichtigkeit überdacht<strong>und</strong> auf die einfachste Form gebracht, wie nur beiganz wenigen Architekten - dam<strong>als</strong> wie heute. <strong>Bernoulli</strong>hat auch kleine Aufgaben wie Brunnen, Grabsteine usw.nie gering geachtet, <strong>und</strong> seine w<strong>und</strong>erschönen Skizzenbücherzeigen, mit welch wacher ästhetischen Intelligenzer Reiseeindrücke verarbeitete. Nichts, was <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>je gebaut hat, ist Bluff, nichts ist schon in der Planung aufdie effektvolle Publikation berechnet, wie so vieles heute,<strong>und</strong> seine spätere Hauptarbeit, die Beratung städtischerBehörden in verantwortungsschweren Sanierungs- <strong>und</strong>22Wiederaufbaufragen, hat sich überhaupt ohne Publizitätvollzogen. Im Ausland ist <strong>Bernoulli</strong> bekannter <strong>als</strong> in derSchweiz.»Dann folgt eine für <strong>Bernoulli</strong>s Charakter massgebendeFeststellung: «Es ist grossartig zu sehen, wie sich diesergeborene <strong>und</strong> erfolgreiche Architekt aus sozialem Verantwortungsgefühleinem Gebiet zuwendet, auf dem keinespektakulären Lorbeeren zu ernten sind: dem Wohnungs<strong>und</strong>Siedlungswesen, <strong>und</strong> zwar seiner ganzen Problematik,auch der juristischen <strong>und</strong> finanziollen. Dass hier, in derFrage, wo die Willkür des Bodenbesitzes an den Interessender Allgemeinheit ihre Grenze findet, ungelöste Problemeerster Ordnung liegen, um die man am liebsten einengrossenBogen macht, wird jeder eingestehen müssen,der auch nur einigen Einblick in Bauangelegenheiten hat,auch der, der <strong>Bernoulli</strong>s Gedanken ablehnt, die auf derLinie der Freiwirtschaft liegen. <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> ist rücksichtslos<strong>und</strong> kompromisslos für das eingestanden, wasnach seiner Ueberzeugung richtig war, <strong>und</strong> er hat seinenStandpunkt mit Witz <strong>und</strong> jener Schärfe formuliert, die demBasler zugleich Vergnügen macht <strong>und</strong> die ihm <strong>als</strong> Gebotintellektueller Redlichkeit erscheint.»Und in seinem Nachruf auf <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> schreibt PeterMeyer u. a.:Der An:hi tekt <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>«Es ist mit Bedacht gesagt, wenn w.Jr Prof. Dr. h.c. <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong><strong>als</strong> den einzigen schweizerischen Architekten seinerGeneraflion bezeiohnen, der internationale Bedeutung <strong>und</strong>eine nioht wegzudenkende Stelle in der Entwicklung desmodernen Stadtbaus hat - Aufträge im AllSland hattenauoh andere. <strong>Bernoulli</strong> war eine elementare Architektenbegabungwie die vor ihm V'erstorbenen Theodor Fischer,Heinrich Tessenow, Auguste Perret <strong>und</strong> noch zuletzt FrankLloyd Wright, ein Mann «inwendig voller Figur», wJeDü:rer sagte, bei dem alles, was er sah <strong>und</strong> in die Hand23-~ . - --


nahm, von selbst Form bekam. Im Zeitalter des Spezialistentumshaben solche Begabungen kein Wirkungsfeldmehr. Bernou1li verschloss sich dem Neuen nioht, fast aohtzigjährigbaute er noch, zusammen mit Kollegen, das BaslerRealgymnasii.um, unter Anwendung aller modernenKonstruktionsweisen. Wie die Züroher Gehrüder Pfistergehörte er noch einer Generation an, die ihr-e Bauten bisin die letzte Türklinke selbst entwerfen durfte; für <strong>Bernoulli</strong>bed•eutete die handwerklich-technische wie.ästhetisch-eDurcharbeitung der Haustür eines Siedlungshäuscihenseine genau so ernsthafte Aufgabe wi·e der Entwurfdes Basler KWlstmuseums, der le'ider nicht zur Ausführungkam.1912 berief die Basler Baugesellsohaft <strong>Bernoulli</strong> <strong>als</strong>Chefarchitekten, s-eit 1918 war er wieder selbständig. Indiesen Ja'hren entstanden eine Reihe von Land- <strong>und</strong> Schulhäusern.,Fabriken, ein Silo am Rhailllhafen, die Frauenarbeitsschule,alles Bauten, deren Qualität durch die seitherigenStilwechsel nicht berührt wird. Daneben entstandein Bebauungsplan der Stadt Luzcm <strong>und</strong> eine Reihe vonKleinbaus-Si-edlungen in Basel <strong>und</strong> Zürich, die zu den bestenihrer Art gehören, die je irgendwo gebaut wurden.Es ging dam<strong>als</strong> noch dantm, den Typus der «Mietskaserne»,des v:ielseitig geschlossenen Blocks vier- bis sechsstöck1-ger Bauten mit sonnenlosen Binnenhäfen, durch Einfamtilien-Kleinhäuserin Zeilenbau mit Vorgärten zu ersetzen,<strong>und</strong> dies unter finanziell tragbaren Bedingungen.Dieses Interess~ an d~r sozialen Sffite der Architekturteilte <strong>Bernoulli</strong> mit Franz Lloyd Wright, nur dass jener vonvorne.herein im Utopischen bli~b, wo er nicht in Gefahrkam, sich die Binger an heisseu Problemen zu verbrennen.Die konkreten Planungsarbeiten grosS'e'JJ. Stils hatten <strong>Bernoulli</strong>früher <strong>als</strong> and er~ vor die unausweichlichen Fragendes Rechtes an Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden geführt, zur Erkenntnis,dass ohne Einschränkung der privaten Ve.yfügungsgewaltüber den Bod€n sine umfassende Stadt-, Regional- <strong>und</strong>Landesplanung von vornehere~n unmöglich ist. Er kam damitin den Bereich der Freiland-Freig~ld·Bewegung, für24die er sich leidenschanlieh einsetzte - was ihn allerdlingsin Konfliktsituationen mit der Umwelt brachte. Von 1927bis 1939 war er <strong>als</strong> Lehrer für Städtebau an der Eidgenös·sischen Teebrutsehen Hochschule tätig. - <strong>Bernoulli</strong> schriebgut <strong>und</strong> gern, von 1927 bis 1930 machte es ihm Spass, dieMonatszeitschrift «Das Werk» zu redigieren, <strong>und</strong> wer lesenkonnte, spürte auch aus seinen humoristischen Schnaken,welch grosser Ernst dahinter stand.<strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> war ein unbequemer, oft unberechenbarerZeitgenosse. Er konnte zuweilen einen fast prophetischenBlick annehmen, e'S fehlte nidht an querköpfigenZügen, ohne dass das sein Ansehen bei den Sachverständi·gen je hätte erschüttern könn-en. Vielleicht sah man imAusland, aus der Distanz, seine wirkliche Grösse deutlich-er<strong>als</strong> aus der Nähe - so wurde er nach dem Krüegvon der polnischen Regierung für den Wiederaufbau Vvarschaus<strong>und</strong> zur Ausarbeitung einer Baugesetzgebung zugezogen,auoh von anderan in- <strong>und</strong> ausländischen Städtenzur Beratung in sclhwi·erigsten Fragen. Wie sehr es diesemumstrittenen, hochbedeutenden Mann letztlieb immer umden Menschen ging, wird V'ielleicht nirgends eindeutiger<strong>und</strong> riihrenrler sichtbar <strong>als</strong> in seinen Skizzenbüchern, d·Leihn in allen Situationen begleiteten- aus über 120 Heftenhaben Fre<strong>und</strong>e 1943 eine Auswahl Zeichnungen v-eröffentlicht:Bauten, historische <strong>und</strong> moderne Details, mit eingeschriebenenMasszahlen, dazwisch-en Figuren, Figurenszenen,Landseihaften, glänzend gezeichnet, aber ganz ohneden <strong>als</strong> Selbstzweck leerlaufenden Schmiss so vieler Architektenzeiohnungen.Hoi,er z~ igt sich eine zarte, feingldedrigeBegabung ohne polemischen Pfeffer, jene Bescheiden·heit, die die Grösse dieses Mannes bestätigt.»Peter Meyer(NZZ: Nr. 2792 vom 17. 9. 59)<strong>Hans</strong> B~rnoulli ging auch in andern Dingen se1ne eigenenWege, Als Prof. von Bungen im <strong>Bernoulli</strong>anum seineAntrittsvorlesung über die Gefahren des Alkoholismushielt, erregte er grosses Aufsehen. Solche Töne hatte man25


isher in der Schweiz nicht gehört. Unter seinen Zuhörernbefanden sich auch <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>, Edi Gräter, der nach·malige Redaktor der Nationalzeitung, der spätere B<strong>und</strong>esrichterBlocher, <strong>Hans</strong> Iselin, nachm<strong>als</strong> Prof. der Chirurgie,ferner Felix Moeschlin. Sie waren entschlossen, keinenAlkohol mehr zu trinken <strong>und</strong> blieben diesem Gr<strong>und</strong>satztreu. Das war zu jener Zeit ein kühnes Unterfangen.<strong>Bernoulli</strong> <strong>und</strong> <strong>Gesell</strong>Die Geister brauchen Freiheit,aber keine Gleichheit -indes auch einige A:tigkeit gegeneinander.Jean PaulNach dem Ersten Weltkrieg- in der ersten Deflationskrise- geriet das Architekturbüro <strong>Bernoulli</strong> an den Randdes Konkurses. «Wieso bin ich, der ich mich <strong>als</strong> ehrlicherGeschäftsmann betrachten darf, im Begriff, den Konkursanmelden zu müssen», fragte sich Bemoulli verzweifelt.Dem nach Erklärungen suchenden <strong>Bernoulli</strong> gab seinFre<strong>und</strong> <strong>Hans</strong> Hindermann die «Natürliche Wirtschaftsord·nung» in die Hand.Man kann sich leicht vorstellen, wie <strong>Bernoulli</strong> diesesBuch las, wie er vergnüglich vor sich hin brummte, wenner <strong>Gesell</strong>s spitze Formulierungen <strong>und</strong> ironische Bemerkungenlas, wie er seinen Bleistift zückte, um besondereStellen anzuzeichnen <strong>und</strong> mit einer <strong>Bernoulli</strong>schen Randglossezu versehen. Aus dem Nachlass des zu früh verstorbenenDr. Th. Christen bekam Bemoulli ein Exemplar derNWO, das mit weissen Blättern durchschossen war. Daraufzeichnete <strong>Bernoulli</strong> Illustrationen zum Text <strong>und</strong> schufdamit ein einzigartiges Werk, an dem niemand mehr Freudegehabt hätte <strong>als</strong> <strong>Gesell</strong>.Vor allem aber kann man sich leicht vorstellen, wie erbeglückt war durch die Kapitel über den Boden. Das warja die Lösung des Bodenproblems, die seinen Ideen entsprach:Der Boden der Allgemeinheit, das Haus den Privaten.Das war die Lösung. Schon dieses Bodenproblem allein,so wie <strong>Gesell</strong> es formulierte, musste ihn faszinieren.Und dazu gesellte sich nun noch die Geldfrage, die allebisherigen Vorstellungen über das Geld hinter sich liess,2627


<strong>als</strong> gänzlich überlebt erledigte <strong>und</strong> auf völlig neue Wegehinwies. Auch das musste einem Manne einleuchten, dermit offenen Augen durch die Welt ging <strong>und</strong> dem dieschweren Schäden unserer Zivilisation <strong>und</strong> des kapitaUstischenWirtschaftssystems niCht verborgen bleiben konnten.Alle seine Bedenken, die ihm sicher auch auftauchten,wurden durch die kristallklaren Darlegungen Silvio<strong>Gesell</strong>s widerlegt. <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>, der kritische, ist vonder Lehre <strong>Gesell</strong>s überzeugt <strong>und</strong> wird fortan für sie einstehen<strong>und</strong> kämpfen. Er wird nicht nur seine eigene Ueberzeugungbekennen, sondern er wird in Wort <strong>und</strong> Schriftfür sie eintreten <strong>und</strong> seine Mitmenschen dafür zu gewinnentrachten, denn es ist ihm nicht gegeben, eine derartwichtige, ja revolutionäre Erkenntnis für sieh zu behalten,es erscheint ihm vielmehr <strong>als</strong> seine grosse Pflicht,diese weiterzugeben. Er ist dieser Pflicht in hervorragenderWeise gerecht geworden. Der Name Bernoum wirdhinfort stets mit der Freiwirtschaft verb<strong>und</strong>en sein. Seinschrankenloser <strong>und</strong> kompromis-sloser Einsatz für die freiwirtschaftlichenIdeen hat ihm manche Schwierigkeitenbereitet, <strong>und</strong> viele seiner Zeitgenossen konnten nioht verstehen,dass ein so kluger <strong>und</strong> gescheiter <strong>und</strong> bedeutenderMann einer solChen Irrlehre anhangen konnte. Denn<strong>als</strong> Phantasten <strong>und</strong> gutgläubige Narren wurden dam<strong>als</strong> di:eVertreter der Freiw·irtschaft betraehtet, <strong>und</strong> insbesonderedie Akademiker machten sie lächerlich. Das aber konnte<strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> nicht davon abhalten, für seine HeberzeugungeinZ'Utreten, wo immer er konnte.BernouHi hatte ein ausgesprochenes Verständnis fü rden sog. kleinen Mann. Darum war der Gedanke des kleinenEinfamilienhauses ihm ein ganz besonderes Anliegen.In Basel kaufte er aus eigenen Mitteln Land, um daraufKleinwohnhäuser zu bauen, die den Bewolmern möglichstviel Raum einräumten <strong>und</strong> mit einem Vorgarten versehenwaren, in dem die Kinder spielen konnten. DasseHre tat erin ZüriCh. Die Bernoullrhäuser sind heute noch begehrt<strong>und</strong> erfüllen ihre Aufgabe bestens. Diese Untevnehmungenhätten ihm beinahe den finanziellen Ruin gebracht. Er hat-28rtesozusagen sein ganzes Kapital in diese Projekte investiert<strong>und</strong> ·nun verweigerten ihm die Grassbanken denKredit. In seiner Not wandte er sich an Silvio <strong>Gesell</strong> <strong>und</strong>bat ihn um seinen Rat. <strong>Gesell</strong> riet ihm, statt zu den Grosskopfetenzu gehen, den Kredit bei den kleineren Lokalbankenzu suchen. Was <strong>Hans</strong> Bemoulli denn auch tat. Erreiste durch das ganze Land, klopfte bei allen Banken <strong>und</strong>Bänklein an <strong>und</strong> bekam auf diese Weise tatsächlich dennötigen Kredit, um die Bauten zu einem guten Ende zubringen.Dass die Bodentheorie <strong>Bernoulli</strong> einleuchtete, hatteseinen ganz besondern Gr<strong>und</strong>. BernouUi war nicht nurArchitekt, er befasste sich auch eingehend mit den Problemendes Städtebauoos. Als solcher war er bald eineinternationale Kapazität. Städtebau war eine schwierigeAufgabe, solange die einzelnen Gr<strong>und</strong>stücke in den HändenPrivater waren. Wenn man irgendeine planmässigeUeberbauung durchführen wollte, dann musste man zuerstmit einer Unzalhl privater Bodenbesitzer verhandeln,um sie -aUe unter einen Hut zu bringen. Das aber schränktedie Möglichkeit sinnvoller Planung in unerträglicher Weiseein. Wenn aber der Boden der Gemeinde gehörte, dannwar die Planung, die grasszügige <strong>und</strong> weitgreifende Planungmöglich. Also musste man darnach trachten, sovielLand wie möglich in den Besitz der Gemeinden zu bringen.Boden, der ei-nmal im Besitze der Stadt war, solltenicht mehr verkauft werden, sondern nur noc.1l im Baurechtan die Baulustigen abgetreten werden. Das bot nichtnur dem Bauwilligen den grossen Vorteil, dass er ledig­Nch den Baurechtszins aufbringen musste <strong>und</strong> nicht mehrden teuren Boden zu kaufen gezwungen war. Für die Gemeindeaber war nunmehr das Planen auf weite Sichtmöglich. Sie musste nur darauf achten, dass die abgeschlossenenBaurechte ungefähr zum gleichen Zeitpunktabliefen, dann standen ganze Quartiere zur Neubebauungzur Verfügung, dann erst war ein sinnvolles Planen möglich.<strong>Bernoulli</strong> wird bald einmal ein Buch schreiben über«Die organische Erneuerung unserer Städte». Darin wird29


er in bezwingender Logik <strong>und</strong> in einem hervorragendenStil seine Gedanken entwickeln, Es ist eine faszinierendeLektüre auch für den Laien, der sich mit solchen Fragenselten befasst. Die Logik, die bei seiner Darstellung zutagetritt, ist unwiderstehlich <strong>und</strong> nicht widerlegbar. Das Buchist bei Benno Schwabe in Basel erschienen. 1946 folgte ihmein zweites, ebenso überzeugendes <strong>und</strong> fesselndes Buchüber denselben Gegenstand: «Die Stadt <strong>und</strong> ihr Boden)}.Bs ist im Architektur-Verlag in Erlenbach ZH erschienen.Beide Bücher sind richtungweisend für den modernenStädtebau.Aber auch die Währungsfrage, die <strong>Gesell</strong> entwickelt,leuchtete dem aufgeschlossenen <strong>und</strong> allem Neuen zugänglichen<strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> sofort ein. Er ist vermutlich einerder wenigen, die auf Gr<strong>und</strong> der Lektüre der «NatürlichenWirtschaftsordnung» zur freiwir~schaftlichen Bewegungkamen. Die meisten andern Freiwirtsohafter sind durch einenVersammlungsbesuch oder durch die Lektüre einerkleinen BrosChüre zur Bewegung gekommen <strong>und</strong> habendie NWO erst später gelesen.<strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> trat dann bald einmal der «Freiland<strong>und</strong>Freigeldhewegung» bel, die später zum FreiwirtsChaftsschaftsb<strong>und</strong><strong>und</strong> noch später zur Liber<strong>als</strong>ozialistischenPartei wurde. Diese ernannte ihn zum ersten Ehrenpräsidenten.30DerLehrerEs ist nichts schrecklicher <strong>als</strong> ein Lehrer, ·der nicht mehr weiss,<strong>als</strong> seines Schüler allenfalls wissen sollen.GoetheSchon in Berlin war <strong>Bernoulli</strong> <strong>als</strong> Lehrer an der TechnischenHochschule Charlottenburg <strong>und</strong> <strong>als</strong> Assistent <strong>und</strong>Lehrer im Städtebauseminar von Brix <strong>und</strong> Genzmer tätig.Das Lehren, das Weitergeben von Erkenntnissen war ibmausserordentlich wichtig. Es kann daher nicht verw<strong>und</strong>ern,dass er sich im Jahre 1912 an der EidgenössischenTechnischen Hochschule <strong>als</strong> Privatdozent für Städtebauhabilitierte. Im Jahre 1919 erhielt er den Professortitel,zum Danke dafür, dass er einen Ruf an die TechnischeHochschule von Hannover ablehnte. Seine Lehrtätigkeitdauerte bis zum Jahre 1939, <strong>als</strong> sie ein plötzHches <strong>und</strong>unerwartetes dramatisches Ende fand, von dem noch zureden sein wird.<strong>Bernoulli</strong> war ein hochbegabter Lehrer <strong>und</strong> wurde vonden Studenten hoch verehrt. Er hat eine ganze Generationvon Architekten betreut, die ihn <strong>als</strong> Meister priesen. «Füruns Studß'Il.ten war <strong>Bernoulli</strong> kein Unbekannter, <strong>als</strong> wiranfangs der zwanziger Jahre seine Vorlesungen <strong>und</strong> Uebungenbesuchten. Sein Aeusseres wurde dam<strong>als</strong> charakterisiertdurch eine unbezähmbare, blonde Haarsträ'hne,die ihm fortwährend in die Stirne fiel <strong>und</strong> die er dann jeweilsmit einer eleganten Handbewegung an ihren Platzzurückstrich», schreibt Robert Wink:ler in seinem Aufsatzim Bemoullibuch, das Fr-iedrich Salzmann zum 75. Geburtstag<strong>Bernoulli</strong>s herausgab. Er erschien ihnen, neben denandern Professoren, wie ein Jüngling, berichtet er weiter,«<strong>und</strong> sein fliessendar freier Vortrag fesselte die Hörer.31


Dabei kam <strong>Bernoulli</strong> seine grosse Begabung zum Freihandzeichnense'hr zugut, denn er skizzierte rasch an die Tafel,wenn dii.es 2lum bessern Verständnis notwendig war.»<strong>Bernoulli</strong> behandelte Fra!Jenkomplexe, die seinen Hörernzumeist noch unbekannt waren <strong>und</strong> postulierte Dinge, diefast revolutionär wirkten. So forderte er an Stelle derWohnblöcke den Zeilenbau, der senkrecht zur Strasse zuerstellen wäre, wie da~ bei den BernouUihäusern in Zürichder Fall war. Sodann vertrat er den Standpunkt, dass derBoden der Allgemeinh-eit gehören müsse, das Land dannaber im Baurecht an die Häuserbesitzer abzutreten sei. Ergehörte zu den Pionieren eines modernen Bodenrecttts, wiees sich heute <strong>als</strong> dringlidhe Aufgabe stellt.<strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> hat seine grosse Fähigkeit der klarenDarstellung <strong>und</strong> des logischen Aufbaues seiner VorträgeauCh in der freiwirtschaftliehen Bewegung immer wiederunter Beweis gestellt. Er gab Einführungskurse in dieFreiwirtschaftslehre, die keine Wünsche offen Hessen. Erbrauchte dazu eine Wandtafel, auf der er ebenfalls skizzierte,was er für nötig fand, was oft ganz verblüffendwirkta <strong>und</strong> eine scheinbar komplizierte Materie einfachdarzustellen vermochte. Seine A'USführungen waren ausserordentlichgründlich <strong>und</strong> oft mit geistreichen Zwischenbemerkungengespickt. Sie waren überzeugend <strong>und</strong> brachtender Bewegung immer neue Fre<strong>und</strong>e.32Der BerufswechselNichts ist dauernd <strong>als</strong> der Wechsel,nichst beständig <strong>als</strong> der Tod.BörneIn seiner launigen kurzen Selbstbiographie, die ich bereitszitiert habe, schrieb BernoulJ.i über seinen Berufswechsel:«Damit mir nichts Menschliches fremd sei, habe ich danneines Tages den Zeichenkittel an die Wand gehängt <strong>und</strong>ein Redaktionstschöpli angezogen: Ich bin von Basel nachZürich gezogen <strong>und</strong> habe dort bei Gehrüder Fretz, Buchdruck,Lithographie, Kupferdruck, die Redaktion des«Werk» besorgt. Es war erfrischend. Wer sich's leistenkann <strong>und</strong> si~h getraut, einmal den Beruf zu wechseln, demkalUl i~h nur zuraten. Ich hatte in der Setzerei sogar einenMann., der meine Handschrift lesen konnte.»Seinen Lesern stellte er sich mit folgenden Bemerkungenvor: «Die schöne offene Zustimmung von vielen Kollegen<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en zu meiner Wahl <strong>als</strong> Redaktor des«Werk» hat me-inen raschen Entschluss gutgeheissen <strong>und</strong>ist mir für die jetzt anih.ebende Arbeit von grösstem Wert.Mit Versprechungen möchte ich diese neue Situation nichtantreten. Ich denke meine bisherige Art zu arbeiten nichtzu verlassen; ich denke nach wie vor dem Bauwesen, inweiterem Sinn der Kunst, zu dienen in eifrigem, unablässigemMühen um das Echte <strong>und</strong> Wahrhaftige. Der Segender Schönheit hat der Wahrhaft4gkeit nooh nie gefehlt.Aber eine Bitte muss ich meiner Arbeit voranstellen, dieBitte um die Mitarbeit der Zustimmung, der Kritik, derAnteilnahme. Damit diese Zeitschrift nicht zur einsamenKanzel, zum Katheder wird; dass sie vielmehr das bleibt,33


~------------;..;;....~;,.;_;";;···"·" ·c....·:.;..·...;·""··.;;.-~=.;,.;;:___;;,;:_---=--.:::.::........:..was sie unter meinem verehrten Vorgänger <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>Dr. Gantner gewesen, ein von lauten, frö'hlichen Stimmendurchkreuzter Sprechsaal; ein lauterer Spiegel, der dasschöpferische Leben unseres Landes •heiter <strong>und</strong> unverfälschtreflektiert.»Man dad diese Worte vom Mühen um das Echte <strong>und</strong>Wahrhaftige <strong>als</strong> Motto über BemouUis Leben setzen.Das «Werk» ist das offizielle Organ des B<strong>und</strong>es Schwei·zer Arohitekten. Es ist eine gediegene Zeitschrift, in dersich die verschiedenen Kapazitäten der ArchitekturStelldichein geben. <strong>Bernoulli</strong> hatte sich im Nu in seine Beschäftigungeingelebt <strong>und</strong> führte diese massgebende Zeit·sehr1ft mit grosser Sachkenntnis <strong>und</strong> Ueberlegenheit. Aus-6er den vielen Artikeln aus seiner Feder, meist mit b sig·niert, schrieb er die «Letzte Seite», später <strong>als</strong> «Die Brille>>bezeichnet, wo er <strong>als</strong> Josua Fensterriegel zeichnete. Eskonnte aber nicht lange verborgen bleiben, dass sich hinterdiesen Aufsätzen niemand anders <strong>als</strong> der witzige <strong>und</strong>geistreiChe Redaktor versteckte. Er schreibt keine langfädigenwissenschaft:lidten Ab-handlungen. Er schreibt farbigeFeuilletons, l-eicht ironisch, aber doch ernsthaft <strong>und</strong>sachlich <strong>und</strong> richtig. So etwa beginnt er einen Art·ikel überdie erlaubte Höhe der Zimmer: «


pDie grosse WirtschaftskriseDas ist die schwere Zeit der Not,Das Ist die Not der schweren Zeit,Das ist die schwere Not der Zeit,Das ist die Zeit der schweren Not.ChamissoDie bereits mehrfach zitierte kurze Selbstbiographieschliesst mit folgenden Ausfilhrungen:


;--------------·--·-···-·---· ·--·-- .chen. Er verstand es aber auch vortrefflich, wirtschaftlicheSituationen in Gleichnissen klarzulegen. So schilderteer etwa die lächerliche Abhängigkeit unserer Geldpolitikvom vorbandenen Gold durch folgendes Gedicht:Das Niggerbabyoder die Gr<strong>und</strong>festen der GoldwährungIn Afrika so schwarz <strong>und</strong> herissDa spielt ein NegerkindMit Steinehen grau <strong>und</strong> Steinehen weiss,Wie eben Kinder sind.An einem sChönen Sommertag,Da kommt ihm in die QuerEin Stelnchen, das dazwischen lag,Ein Steinehen gelb <strong>und</strong> schwer.Der Niggervater sieht den Stein,Gibt seinem Kind 'nen Klaps,Kehrt dann im «Elephanten» einUnd kauft sich einen Schnaps.Der Schnapsbudiker fährt zur StadtUnd tauscbt sich für den SteinUnd für den F<strong>und</strong>ort gut <strong>und</strong> glattEin klein Vermögen ein.Ein Sturm geht durch die ganze Welt,Dem letzten TrunkenboldEs um die tauben Ohren gellt:Man findet wieder Gold!Und weil man Gold gef<strong>und</strong>en hat,So hat man wieder Geld,Und weil dem Gelde folgt die Tat,Regt sich die ganze Welt.38·Was stockt' <strong>und</strong> harzte, kommt in Schuss,Wer Geld <strong>und</strong> Mut verlor,Schwimmt wieder auf dem goldneo Fluss.Die ganze Welt im FlorlNun geht der Handel flott <strong>und</strong> stolz,Nun wird auf Mord gebaut,Nun macht die Arbeit wieder Holz,Die Kunst erblüht <strong>als</strong> Braut.Und wenn sich nun ein Mensch besinnt,Der solches W<strong>und</strong>er sah:«Das kam von einem NiggerkindIm dunklen Afrika!»«Und wenn das schwarze Baby nunDen gelben Stein nicht fand?»«So hätten wir halt nichts zu tunIm Heben Vaterland!»Auc'h über die Zinstbeorie, nach der das Geld sich vermehrt,machte er sich lustig.Vom KlapperstorchWenn die Mädchen <strong>und</strong> die BubenIn das siebte Jahr gekommen,Hat man immer noch die FrageSchon seit Adams Z-eit vernommen:«Wir möcllten wissen, wie das wär':Wo kommen die kleinen Kinder her?»Etwas quer <strong>und</strong> ungelegenSind den Eltern diese Fragen,Sie entschliessen sich nic


;~----------------------·-- --~--~---~---~--~---···~---~--~-~-=--~-~---~------p1Wenn die Volkswirt-schaftstudentenSteuern gegen das Examen,Gibt's doch manche, die inzwischenAuf die dumme Frage kamen:Das Kapital vermehrt sich ·sehr,Wo kommt denn dieser Zins nur her?»Etwas quer <strong>und</strong> ungelegenKommt die Frage dem Professor,Und er red't sich aus (vielleicht auchWeiss er's überhaupt nicht besser):«


Ich·sagt' es oben schon: sein GoutWar etwas sehr geradezu-Er läg' an einem BauzaunspaltB~m Bürklip·Iatz im HintathaltDerTell<strong>Bernoulli</strong>Der BriefWehe <strong>und</strong> wohl dem Menschen,der an keine Ungerechtigkeit mehr glaubt.Christion Morgenstern(Erschienen in der «Freiwirtschaftlichen Zeitung», imNovember 1930, Nr. 45.Dieses Gedicht- von 19301- gab den Anlass zur Massregelungvon <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>. Das Gedicht erschien 1933in einer heute vergriffenen Sammlung, wurde damit allennamhaften Zeitungen zugestellt <strong>und</strong> - nirgends beanstandet!)Dieses Gedicht wird ihn einmal seinen Lehrstuhl kosten.Zwischen Weihnachten <strong>und</strong> Neujahr 1938 fragte mich<strong>Bernoulli</strong> telefonisch an, ob er bei mir vorbeikommenkönnte, er hätte etwas mit mir zu besprechen. Ich merkteschon am Telefon, dass es sich nicht um eine erfreulicheAngelegenheit handelte. So war es dann auc'h. Als <strong>Bernoulli</strong>sich gesetzt hatte, zog er einen Brief aus der Tasche<strong>und</strong> reichte ihn mir wortlos. Ich las ihn mit steigenderEmpörung, ja mit Entsetzen. Folgendes las ioh:Am 26. September 1936 wurde endlich durch den B<strong>und</strong>esratdie Abwertung des Frankens beschlossen. VonSt<strong>und</strong> an kam die Wirtschaft wieder in Schwung, die Arbeitslosigkeitnahm rasch ab, <strong>und</strong> man konnte wieder atmen.Die Abwertung verursaChte nicht nur keine Katastrophe,wie die Gegner behauptet hatten, sondern siezeitigte die wohltuenden Folgen, die die Befürworter vorausgesagthatten.Die bisherigen «Sachverständigen», die sich mit allerKraft gegen eine Wechs"elkursänderung gewehrt hatten,blieben weiterhin die Berater des B<strong>und</strong>esrates <strong>und</strong> galtenweiterhin <strong>als</strong> Autoritäten, obschon sie sich gründlich blamierthatten. Sie entschuldigten sieh mit der Behauptung,die Verhältnisse seien ganz anders gewesen <strong>und</strong> der wirtschaftlicheAufschwung wäre auch sonst gekommen, weildas Ausland einen zunehmenden wirtschaftlichen Auf·schwung genommen habe.42Eidgenössische Technische HochschuleDer Präsident des Schweiz. SchulratesHerrn Titularprofessor H. BernouUi,Rieben-BaselBettingerweg 22Zürich, den 23. Dezember 1938SeJhr geehrter Herr,Ich nehme Bezug auf die Besprechungen <strong>und</strong> den Briefwechsel,den wir in bezug auf Ihre Aussentätigkeit imInteresse der Freiwirtschaftslehre gehabt haben. Seit demJahr 1933 hat diese Aussentätigkeit wiederholt Anfragenbei uns veranlasst darüber, ob fure Angriffe gegen verantwortlichsteB<strong>und</strong>esstellen mit Ihrer Lehrtätigkeit an einereidgenössischen Anstalt zu vereinbaren seien. Sie gel-43


======·::::"•.:::. •:.__:...•_=,"-'-' · --·~.-·.o.·· · ..•ten allgemein <strong>als</strong> Dozent der ETH. At~sserhalb unsererHochschule beachtet man weniger den Umstand, welchenCharakter Ihre Dozentur besitzt.Nachdem sich der Schweizerische Schulrat schon wie·derholt mit Ihrer Aussentätigkeit befasst hat <strong>und</strong> Immerwieder versuchte, einen Trennungsstrich zu ziehen zwischendem hervorragenden Fachmann der Städtebaukunst<strong>und</strong> dem Freiwirtschafter, so glaubt er jedodh heute dieseAuffassung nicht weiter aufrecht erhalten zu dürfen, ansonstdas Ansehen <strong>und</strong> der gute Ruf der Eidg. TechnischenHochschule leiden müssten.Der Schweizerische Schulrat hat daher in seiner letztenSitzung beschlossen, die Ihnen auf dem Gebiete desStädtebaues erteilten Lehraufträge nach Schluss diesesWintersemesters nicht zu erneuern.Wir bedauern, dass unsere Hochschule infolge IhrerBetätigung auf wirtschaftlichem Gebiete in eine Situationgelangt ist, die es ihr verunmöglicht, die Dienste eines h ervorragendenFachmannes weiter zu beanspruchen.Mit vorzüglicher HochachtnngDer Präsidentdes Schweizerischen Schulrates:sig. RohnMan beaC'hte auch das Datum des Briefes. In sinnigerWeise legte man <strong>Bernoulli</strong> diesen Brief unter den Weihnachtsbaum.Meine erste Reaktion war: Krach schlagen,die Oeffentlichkeit über diese ungeheuerliche Massnahmegegen ein-en verdienten Mann aufklären <strong>und</strong> mobilisieren.<strong>Bernoulli</strong> l>itt unter diesem Schock aufs schwerste. Er hingan seiner Lehrtätigkeit <strong>und</strong> erklärte, dass seit zehn Jahrenkeine Aussprache mit ihm stattgef<strong>und</strong>en 'hätte. Bei ruhigererBetrachtung der Sachlage wurden wir dann rätig, dieSache vorlliutig noch geheim zu halten <strong>und</strong> nach 'dem RatschlagRösselmanns im «Tell» zu verfahren: Sind alle sanf·ten Mittel auch versucht? <strong>Bernoulli</strong> sollte versuchen, beim44obersten Herrn, dem Vorsteher des Departementes desJnnern, um eine Rückgängigmachung des Beschlussesnadhzusuchen. Wir gaben uns dabei keiner grossen Hoffnunghin. Am 18. Januar 1939 schrieb <strong>Bernoulli</strong> einen ausführlichenBrief an den Vorsteher des Departementes, B<strong>und</strong>esratEtter. Am 24. März endlich geruhte Philipp der Kahlefhm zu antworten. Die Antwort entsprach genau meinenErwartungen. Der Finsterling Etter verkündete, dass derSchulrat zuständig sei <strong>und</strong> der B<strong>und</strong>esrat keine Möglichkeithabe zu einer Intervention. Der <strong>Kultur</strong>wahrer derSchweiz liess es <strong>als</strong>o zu, dass ein im Inland <strong>und</strong> Auslandhoch angese'hen·er <strong>und</strong>, wie der Sc'hulrat selber feststellte,ein hervorragender Fachmann entlassen wurde, weil ersich erlaubt hatte, eine andere <strong>politische</strong> Meinung zu haben<strong>und</strong> sie auch zum Ausdrucke zu bringen.Nun war die Veröffentlichung dieser Angelegenheitnicht mehr zu vermeiden. Die Reaktion war denn aucheine äusserst heftige. Fast einhellig - die NZZ ausgenommen- kommentierten die Zeitungen den Fall sehrsc'harf <strong>und</strong> bezeichneten ihn <strong>als</strong> Skandal. Was er ja wirklichauch war. An öffentlichen Versanunluogen wurdedieser Geniestreich des Schulrates <strong>und</strong> des Departementesdes Innern scharf verurteilt. Resolutionen wurden gefasst,die die Wiedereinsetzung <strong>Bernoulli</strong>s verlangten.Dem Protest schloss gic'h auch der B<strong>und</strong> schweizerischerArchitekten an, sowie die Schüler der ETH, die ihren Lehrernicht verlieren wollten. Aber das galt alles nichts.Weder der Schulrat noc'h das Departement reagierten.Was galt ihnen denn auch die öffentliche Meinung? Manhatte einen <strong>politische</strong>n Gegner erledigt, <strong>und</strong> das war ihnendie Hauptsache. Ja, man setzte dem Ganzen noch dieKrone auf. In einem weiteren Br-ief erhielt Bernoulll nochm<strong>als</strong>einen Fusstritt. Er lautete:45


- ~- ,..Eidg. Technische J-IochschuleAm MorgartenDer Schweizerische Schulrat anHerrn Prof. H. <strong>Bernoulli</strong>, Architekt,Riehen b. Basel, BetUngerweg 22Sehr geehrter Herr,Wir haben dem B<strong>und</strong>esrat beantragt·, es möchte Art. 59,Absatz 4, des Reglements für die ETH. (vom 16. April1924)ergänzt werden durch einen Satz folgenden Wortlautes:«Mit dem endgültigen Ausscheiden eines Titularpro~fessors aus der Le'hrerschaft erlischt das Recht zur Führungdes Titels eines Professors der ETH.>>Der B<strong>und</strong>esrat hat unserm vorerwähnten Antrag mitBeschluss vom 27. März 1939 zugestimmt. Diese Ergänzungdes Reglements tritt sofort .in Kraft.Nachdem Sie mit Ende des Wintersemesters 1938/39,d. 'h. mit Ende März des Jahres, endgültig aus der Lehrer~schaft der ETH, ausscheiden, erlischt somit gleichzeitig Ihrbisheriges Recht zur Führung des Titels eines Professorsder ETH. (Titularprofessor).Zür.ich, den 29. März 1939Mit vorzüglicher Hochachtung,Im Namen des Schweiz. Sdbulrates,der Präsident: sig. Rohnder Sekretär: sig. H. BosshardtMit dieser Lex <strong>Bernoulli</strong> gab man dem hervorragendenFachmann noch einen besonderen Fusstritt. <strong>Bernoulli</strong> hättenatürlich zu Kreuze kriechen <strong>und</strong> erklären können, erwerde sich von der fre'iwirtschatUiohen Bewegung trennen<strong>und</strong> auf weit-ere <strong>politische</strong> Tätigkeit verzichten. Aber erdachte keinen Augenblick daran. Er blieb seiner Ueberzeugungtreu <strong>und</strong> zog es vor, auf seinen geliebten Lehrstuhlzu verzichten. In einem Gedicht gab er seiner Haltungin der ganzen Sac'he Ausdruck:46Sie haben mich schmählich hinausgesetzt,Das kostet mich einige Mittel,Und was mich vielleicht noch am meisten verletzt,Sie verweigerten mir ·nun auch den Titel.Spuck' aus, me·in Herzchen, du Delinquent,Und lass' es dich weiter nioht kränken:Es ist nicht gerade der rechte Moment,An solcherlei Krempel zu denken.Wir denken <strong>und</strong> trachten nichts anderes heutAls scharfgeladene Waffen,Jetzt, wo das Gewitter am schärfsten dräut,Und wie wir es irgendwie schaffen.Es passierte schon einmal in früherer Zeit:Da standen die LandesverbanntenDicht ausser der Grenze dem Landfeind bereit,Den sie <strong>als</strong> die ersten berannten.Das ist auch für mioh der gegebene Platz,Da ich nun gebannt <strong>und</strong> geächtet:Ich besbelhe da draussendie blutige HatzDerweil ihr im Inneren fechtet.Emoanuel Kupferb'lechIm Jahre 1947 korrigierte die Basler Un'iversität die ungerechtfertigte<strong>und</strong> kleinliche Massnahme des Schulrates<strong>und</strong> verlieh <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> die Würde •eines Ehrendoktors.In der Ehl'enpromotion 'he>isst es, die Universität verleiheden Doktorti~ ·honoris causaeinem Manne, der a1s «hodh~begabter wrd feingebildeter Architekt mit seinen Bauwerkensowohl in seiner Heima~stadt, wie in zahlreichenStädten der Schweiz <strong>und</strong> Deutschlands zur Verbesserung<strong>und</strong> Bereicherung des architektonischen Bildes beigetragen;der in fünfzigjähriger Arbeit die künstlerischen,47


technischen <strong>und</strong> wirtschaftlic·hen Voraussetzungen desStädtebaues erforscht, in zahlreichen Schriften dargestellt<strong>und</strong> an der obersten technischen Anstalt ,unseres Landesunsern jungen Architekten mit höchstem Erfolg vermittelthat; der in uneigennütziger Weise seine grossP.n Kenntnisse<strong>und</strong> Erfahrung den Behörden vieler zerstörter StädteEuropas 2lUr Verfügung gestellt <strong>und</strong> dadurch mitgeholfenhat, die schweren W<strong>und</strong>en des Krieges zu he'ilen.»Dieser schöne Akt hat die skandalöse Entlassung vonder ETH wieder etwas ausgeglichen, aber den verlorenenLehrstu'hl vermochte er nicht zu versetzen. Die Stadt Baselfügte diesem Akt der Anerkennung noch einen grossenAuftrag bei: den Bau des Realgymnasiums. Bs warsein letzter <strong>und</strong> grösster Auftrag, den er von der Stadtbekam. Das war sein letztes grosses Werk, das er erfüllenkonnte.Der ArchivarDer <strong>politische</strong> Gesetzgeberkann den Wahrheitsfre<strong>und</strong> ächten,aber die Wahrheit besteht,er kann den Künstler erniedrigen,aber die Kunst kann er nicht verfälschen.SchillerIm Jahre 1941 beginnt eine neue Zeitschrift zu erscheinen,die den Titel trägt «Das Arch'iv, Schriftabreibe für einenatürliche Wirtschaftsordnung», 'herausgegeben vom Verlagfreiwirtschaftlicher Schriften. Als Redaktor zeichnet<strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>. Sie trägt auch h<strong>und</strong>ertprozentig sein Gepräge,seine besondere Art, an die Probleme heranzugehen<strong>und</strong> sie zu schildern. Er wird bald einmal das ganze Heftallein schreiben. Und er tut es mit hohem Genuss <strong>und</strong> inüberlegener Weise. Man spürt bei jedem seiner Artikel,wie er sie schmunzelnd schreibt. In seinem Geleitwort zurersten Nummer umreisst er klar <strong>und</strong> bestimmt die Aufgabe,die die Zeitschrift zu erfüllen hat.Zum GeleitDie WirtsChaftsordnung, der unsere Folge, das Archiv,dienen .will, ist die Ordnung, wie sie von Silvio <strong>Gesell</strong> <strong>und</strong>TJl. Christen aufgestellt worden ist; eine natürliche Ordnunginsofern, <strong>als</strong> sie «der Natur des Menschen angepasst»ist.Wir leben in Unsicherheit dahin. In Sorge <strong>und</strong> Verzweiflung.Es geht nicht um den «höheren Lohn» - esgeht heute um Arbeiten- <strong>und</strong> Verdienen-Können überhaupt,<strong>und</strong> damit um das nackte Leben.Nun ist die Frage, wie alles, was arbeiten will, in Arbeit<strong>und</strong> Brot gesetzt werden körmte, schon h<strong>und</strong>ert- <strong>und</strong> tausendfachhin- <strong>und</strong> hergewendet worden,4849


. ·-··-···-··--- -.; - :::::.:··Aber :z:wisohen Wirtschaftswissenschaft <strong>und</strong> wirtschaftlicherPraxis besteht eine tiefe Kluft: Während die Wissenschaftsich ängstlich davor 'hütet, den glühenden Kreis zuüberschreiten, der da heisst: darstellen was ist, <strong>und</strong> sichin die peinlichsten Untersuchungen vergräbt, greift diePraxis, von der Not des Augenblicks getrieben, bedenkenloszu den rohesten Mitteln, die gerade eben noch vomOberflächlichsten <strong>als</strong> Weg <strong>und</strong> Hilfe angesprochen werdenkönnen.Was uns dringend not tut <strong>und</strong> was uns fe'hlt, das ist dieAuswertung der Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungzu handlichen, brauchbaren Instrumenten. Das scheint unseine der vornehmsten Aufgaben des Archivs.Dass diese Auswertung heute fehlt, oder doch gar zuvorsichtig <strong>und</strong> verklausuliert vorgetragen wird, rührtwahrscheinlich daher, dass die Lösung des Problems Arbeitslosigke'.ltan die Fragen des Zinses <strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong>renteheranführt: Die Vollbeschäftigung muss erkauft werdendurch das Sinken des so zäh <strong>und</strong> hartnäckig verteidigtenarbeitslosen Einkommens, des Zinses. Sie wird erkauft- wie sich Keynes ausdrückt - durch den sanftenTod des Rentners.Und wenn der Zins fällt- das ist klar- so muss auchder Zoll fallen. Und die Gr<strong>und</strong>rente, die der Nutzniesserbisher, kaum angefochten, im kühlen, dichten Schatten desHerkommens sich zu Gemüte geführt bat, die muss demZugriff Einzelner entzogen werden: Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden <strong>und</strong>damit die Gr<strong>und</strong>rente gehören nicht in Privathände; siegehören der Allgemeinheit zugeführt.An dieser Schwelle pflegt die zünftige Wissenschaft -aus begreiflichen, allzu begreiflichen Gründen - raschvorüberzugehen. Es sei eine besondere Aufgabe unsererunter dem Sammelnamen «Archiv» zwangslos erscheinendenSchriftenreihe, hier folgerichtig vorzugehen <strong>und</strong> unbekümmertvorwärtszuschreiten, einer von allem arbeitslosenEinkommen befreiten Wirtschaft entgegen.Bloss Wirtschaft?Nicht doch!50Die Wirtschaftsfragen sollen überw<strong>und</strong>en werden.Für das Arclüv gilt, was Walter Rathenau einer seinerArbeiten vorangesetzt hat: dies Buch, so heisst es da,handelt von materiellen Dingen,jedooo um des Gei·stes willen.Er vertritt hier die reine Lehre <strong>Gesell</strong>s in ihren zahlre-ichenAspekten. Und er deckt die Irrtümer auf, denendie Menschen immer wieder verfallen.Leider ging das Archiv 1952 wegen finanziellen Schwierigkeitenein. Die vorhandenen Nummern bieten aber heutenoch grossen Genuss, wenn man sie liest. Die Zeit hat<strong>Bernoulli</strong> Recht gegeben <strong>und</strong> er musste nichts zurücknehmenvon dem, was er geschrieben hat. Seine Artikel sindnoch jetzt von grosser Aktualität.51


.-r____ _ ....,;.....;;;======-=·~..::: ··~;:;:.·.;::: ···:::..:.:;.:."•.:... · .-;;::;·"'" • .......·--·· ..._,------··-=------==--~=:==~~===-=-=··=·~-·~-~-~-="~"-~-------=-~·~.. ,~..-=..··~4Politiker wider WillenGott sei Dank,Ich habe meine Pflicht getan/Lord Nelson auf seinem SterbebettIm Jahre 1935 wurde <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> erstm<strong>als</strong> in den GrossenRat des Kantons Baselstadt gewählt. Und zwar auf derfreiwirtschaftliehen Liste. Sie erreichte knapp das nötigeQuorum für einen Sitz. Beim nächsten Wahlgang erlittendie Freiwirtschafter wieder Schiffbrudh <strong>und</strong> erst imnächstfolgenden :wurde <strong>Bernoulli</strong> wieder gewählt. SeinSohn Lukas wurde gleichzeitig -auf der Liste des LandesringsMitglied d-es Grossen Rates, sodass in einem andernWahlkreis Vater <strong>und</strong> Sohn gemeinsam wirken konnten.Wa-s aber konnte Harrs <strong>Bernoulli</strong>, der so an eine exakteArbeit gewöhnt war , veranlassen, sich auf diesen Jcrhrmarktder Interessen zu begeben, den das Parlament nuneinmal darstellt? Es w&r wohl gerade dieser Umstand, derihn lockte <strong>und</strong> der ihn veranlasste, das schlüpfrige Parketteines Parlamentes zu betreten. Er wollte die Interessendes ganzen Volkes vertreten. Ihm ging es um die Sache,nicht nur einer Gruppe des Volkes, sondern um diejenigedes ganzen Volkes. Und er vertrat sie mit Ueberzeugung<strong>und</strong> in gediegener Weise. So gediegen <strong>und</strong> sachlich, d·assauch die Gegner seine Ehrlidb.keit spüren <strong>und</strong> anerkennenmussten, auch wenn es sie nicht dar-an hinderte, dasGegenteil dessen zu tun, was <strong>Bernoulli</strong> i-hnen zu tunempfahl. Leider führt der Basler Grossrat kein Protokoll,sodass man die Reden Bemoullis nicht nachlesen kann.Nur eine einzige, aber für <strong>Bernoulli</strong> selhr charakteristische,ist uns erhalten geblieben. Sie mag hier ihrenPlatz finden:52Herr Präsident, meine Herren!Votum, 23. Mai 1941Der vorliegende Ratschlag ist verständl'ich, selbstverständlich:Unsere Beamten sind festbesoldete Beamte, Mit denPensionsbeträgen sind bestimmte Einkommen gedacht,nicht nomineJJe Besoldungen <strong>und</strong> Pensionen.Die unter der Aufsicht des Eidg. Finanzdepartementesvon der Notenbank durchgeführte Politik ist eine Inflationspolitik,cli'e alle Geldverträge fälsdht.Wir alle sind aber der Mcinung, Verträge müssen gehaltenwerden, daher der Ratschlag.Es sind aber da noch andere auf bestimmte Summenlautende Vea.-träge, für die der Kanton eine Garantie übernommen!hat, <strong>und</strong> zwar eine sehr ausdrückliche Staatsgarantie,in Bronce auf Gran1t: Dio Sparkassenguthabenbei der Kantonalbank gen1essen Staatsgaranüe. Und dochwrYhl auch di-e Obligationen der Kantonalbank, die Staatsanleihen.Sollen diese Beträge, Spareinlagen, Guthaben derSl!aatsgläubiger nnd der Gläubiger der Kantonalbank, sollendiese vertragHeb festge·Jegten Summen nur nominelloder sollen sie real garantiert sein? Gilt auch diesen Mitbürgerngegenüber der Satz: Verträge sind zu halten?Was dem einen recht ist, ist dem andern billig.Die sogenannten Teuerungszulagen an die städtischenBeamten sind ein Ver~uoh, die Folgen der Inflation füreine Mitbürgerkategorie abzuwehren. Bin Pflaster. DerAussatz bricht an anderen Stt?llen aus <strong>und</strong> verwüstet denganzen Körper.Bs ist logisch <strong>und</strong> vernünftig, es ist unsere Pflicht, gegendie Inflation <strong>als</strong> solche vorzugehen,bei den B<strong>und</strong>esbehörden vorstellig zu werden.Das Volk~wirtschaftsdep·artement <strong>und</strong> damit der B<strong>und</strong>esratist aufs allerbeste orientiert:Vor einem Jahr, im April 1940, haben Kommission fürKonJunkturbeobachtung <strong>und</strong> Preisbildungskommission53'- - I ••• '


~ -·-.. ··-"''Seine nicht sehr zahlre'ichen Voten, in denen e·r sich zurHauptsache zu Währungs- <strong>und</strong> Bodenpolitik äusserte, wurdenvom Rate stets mit Achtung <strong>und</strong> Aufmerksamkeit angehört.Aber man lehnte sie ab <strong>und</strong> w<strong>und</strong>erte sich, dassein so gesaheiter Mann wie <strong>Bernoulli</strong> es ja sicher war,sich noch immer mit solch abstrusen Ideen befasste. Dabeiwaren seine Voten, wie das ja nicht anders zu erwartenwar, klar <strong>und</strong> logisch aufgebaut <strong>und</strong> hätten jeden unvoreingenommenenZuhörer überzeugen müssen. Aber . dieZeit war für diese Ideen noch nicht reif.Eine seiner Reden sei hier im Wortlaut wiedergegeben.Er begründete am 29. 6. 49 eine Motion zur Wohnbaufrage,die leider nicht angenommen wurde, trotzdem sioe einengangbaren Weg aus der Wohnungsnot aufzeigte.Motion Bemoulli W ohnungsmarktDer B<strong>und</strong>esrat wird eingeladen, den Plan eines stufenweisenUeberganges von der 'heutigen Praxis des Mieterschutzes<strong>und</strong> der Bausubventionen zum freien Wohnungsmarktauszuarbeiten <strong>und</strong> den gesetzgebenden Räten vorzulegen.Bemoulli: «


ist aber unmöglkh, die «Förderung» zu streichen, ohneauch mit den Hemmungen aufzuräumen-:-- nicht p-lötzlich,wie das gern gesagt wird, sondern stufenweise, ailmählich<strong>und</strong> sorgfältig.Wir sind in einer sehr bedenklichen Situation, di~ unsHerr Eggeoberger deuU.ich genug geschildert hat. Es istganz <strong>und</strong>enkbar, dass wir von heute auf morgen eine Lösungdurchführen können. Wir würden furchtbare Zu·stände heraufb eschwören, aber Sie müssen sich klar seindarüber, dass der Vorschlag gernäss Botschaft des B<strong>und</strong>es·rateseine Verschiebung der Lösung um ein Jahr bedeutet,nachdem wir Anno 1947 bereits die Lösung um zwei Jahre,bis Ende 1949, aufgeschoben hatten. Diese Verschiebunge~ner Lösung macht die Sache nur immer schwieriger, dieVerhältnisse verhärten sich, stabilisieren sich <strong>und</strong> machendie Inangriffnahme der sukzessiven Abstufung ausserordentllchschwierig. Eine Hinausschiebung der Lösung bedeuteteine ausserordentHche Erschwerung derselben.Nun welss 'ich wohl, es ist s·ehr leic-ht zu kritisieren; icherlaube mir deshalb, Ihnen zu skizzieren, wie eine Lösungdenkbar ist, die versucht, die Härten, die jeder Uebergangmit sich bringt, auf ein Miruimum herabzusetzen. Ich glaube,dass es drei Kategorien von Wohnung-en gibt, die manins Auge fassen muss <strong>und</strong> deren verschiedene Arten derLösung angepasst werden müssen. Es sind erstens einmaldie nicht-subvenMonierten Wohnungen, ältere <strong>und</strong> neue,dann d\e subventionierten Wohnungen <strong>und</strong> schliesslichdiejenigen Wohnungen, die in der Uebergangszeit gebautworden sollen, denn dlie Wohnungsnot kann nur durcbBauen überw<strong>und</strong>en werden.Für die nichtsubventionierten Wo'hnungen wäre grossomodo folgendes vorzusehen: der Mietpreis darf gesteigertwerden, jährlich um höchstens 10 °/o, solange, J:ji:g in derbetreffenden Gemeinde der Leerwohnungsstand von 1 °/oerreicht wird; dann werden in der betreffenden Gemeindedie Höchstpreise aufgehoben. Die Hälfte dreser Zuschlägewäre in die Gemeindekasse abzuführen, damit die GemeindenIn der Lage sind, in Härtefällen ausgleichend zu war-58ken; nach zehn Jahren wäre diese Abgabepflicht erloschen.Dies für die Wohnungen, die n'icht subventioniertsind.Für die subventiolliierten Wohnungen würde siwtgemässfolgendes Vorgehen richtig sein: der Mietp~s darfjährlich um höchstens 10 °/o gesteigert werden, solange,bis in der betreffenden Gemeinde der Leerwohnungsstandvon 1 0/o orrelicht ist; dann werden die Höchstpreise aufgehoben,genau wie das bei den nichtsubventionier~enWohnungen der Fall ist. Zugunsten der Gemeinde wirddiesen Wohnungen eine Hypothek auferlegt in der Höhevon einem Fünftel der genossenen Subvention, <strong>und</strong> dieseHypothek wäre zinsfrei <strong>und</strong> innert dreissig Jah11en zu tilgen.[)ie dritte Kategorie, die Neubauten, die während dieserUebergangszeit gebaut werden wollen <strong>und</strong> sollen. Wirdürfen uns nicht darauf verlassen, dass der Knoten sichvon selber löst, er wird nur durch den Bau von neuen Wohnungengelöst. Diese Leute, die in der Uebergangszeitbauen, haben ein Anrecht auf ein zinsfreies Darlehen von10 °/o <strong>und</strong> eine Subvenf:ion a fonds perdu von 10 Ofo derausgewiesenen Baukosten. Das Darlehen ist vom Momentean, da der Leerwohnungsstand 1 Ofo erreicht bat, in 30Jahreszahlungen der Geme


""'::;:!ll_______...iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii;..;; -;.,;;,;; -···-·--·-·-··· ;;;.·";.;,;"·-·..;;··-. ·;.,;·.;.;.··.;.-·;;;;-..;·-;;....,;--;.::-·..;·:.;;···-:;..·- -"-=-··_:,:;_____-·-_.;;::.:..._,___""""'= == ===..,.,.......=Mit den eben gemachten Ansführungen habe ich meineMotion, die ich am 22. Dezember 1948 eingere1cht habe,begründet <strong>und</strong> ich hoffe, da-s Lob des Herrn Prä'S'identcneinzuheimsen, der im Sinne der Zteitel'ISparnis alles begrüsst,was :z;ur Entlastung der Tagesordnung beiträgt. Ichmöchte den Vertreter des B<strong>und</strong>esrates bitten, zu erklären,ob -er diese Motion entgegennehmen kann. Falls er daskann, würde die Fraktion des Landesrings für Eintretenst1mmen 1 im Falle der Ablehnung dieser Motion werde ichpersönlich dieser Vorlage nicht zustimmen können, weilsie die Lösung ins Unbestimmte verschiebt.)>Bemoulli war ein Einsamer im Parlament. Ihm ging esum die Wahrheit, er dachte gr<strong>und</strong>sätzlich <strong>und</strong> war gegendie vielen Kompromisse, die da geschlossen wurden. Ihninteressierten die taktischen Manöver so wenig wie Kurissengespräche,er hatte keine Ambitionen. Die Fragen, mitdenen er sich beschäftigte, waren klar <strong>und</strong> einfach. Er vertratsie <strong>und</strong> hoffte, mit seinen Reden <strong>und</strong> Argumenten etwaszu erreichen. Er daohte nicht daran, sie durch irgendwe'lcheAbmachungen durchzubringen: Gibst du mir dieWurst, so lösch ich dir den Durst. Er sagte, was ·er für richtigfand, während v·i•ele im Saal nicht das sagten, was siedachten, sondern das, was die Fraktion beschlossen hatteoder was ihr nüt7ien könnte. Er war immer wieder sshr erstaunt,wenn er merkte, dass da vor seinen Augen sicheigentliche Händel abspielten. Er war alles andere, nurkein Intrigant. Er passte nicht recht in diese <strong>Gesell</strong>schaftder Sekretäre <strong>und</strong> Interessenvertreter, zu den schlauenFüdhsen, die sich in Kulissengesprächen eine grosse Fertigkeiterrungen hatten. Seine Voten Z€ic'hneten sich ausdurch eine grosse Konzüianz gegenüber den Gegnern, aberebenso durch scharfe Formuli'erungen <strong>und</strong> e'ine gepflegteSprache. Leider war ihm das Wahlglück bei der Wiederwahlim Jahre 1951 nicht mehr ho-ld. Der Landesring wollteihn nicht mehr auf seiner Liste, wegen seinem Alter, vorallem aber wohl deswegen, weil er keinen Vertreter mehrwollte, der elne ~·hm fernstehende Politik vertrat. Er kandidierteauf einer freiwirtschaft'lichen Liste, ging aber leer aus.60Bemoolli nahm auch oft an den Aktionärversammlungender Nationalbank teil <strong>und</strong> ergriff da:s Wort. Am 6.März 1948 begründete e


- ···-···· ··-·· ......... - ." ". --·.-·-- ...... ""'"'="'·"-= -----=:~.jjjjii;==merksam gemacht werden, e'in neuer Zielpunkt unsererWährungspolitik: Zur Behandlung solch weitschichbigerMaterie ist die Generalversammlung kein geeignet-es Gremium.Der Antrag geht denn auch dahin, es möchte unserAnliegen einem Ausschuss vorgelegt W'OO'den zur ernsthaftenBehandlung. Das erspart uns auoh hier eine ausführlicheAuseinanders-etzung. Einzig auf ein·en Punkt möchteich Sie aufmerk()am machen:Am eJISten Januar dieses Jahres 1st der ungeheure Appar-ateiner allgemeinen <strong>und</strong> obligatorischen Alters· <strong>und</strong>Hinterbtiebenen-Versicherung in Gang gesetzt worden.Diese Instiitution sucht nun mit peinlicher Genauigkeit allden tausendfältigen V:erhältn'issen gerecht zu werden. Sieregelt auf Jahrzehnte hinaus Pflichten <strong>und</strong> Berechtigungen,Prämienzahlungen <strong>und</strong> Bezüge von H<strong>und</strong>erttausenden.·Sie ist gedacht, nticht blass <strong>als</strong> nominelle, sondern <strong>als</strong>reelle Siche.rung für die alten Tage. Sie rechnet selbstverständlich,ebenso wie alle Versicherten, damit, dass derSohweizerfranken, dass die zusammenströmenden Millionen<strong>und</strong> schliesslich Milliarden inbezug auf ihre Inlandkaufkraftgesichert sind.Bis zum heulligen Tag ist das nicht der Fall. Dies Vertrauenbesteht nicht zu Recht. Seitdem sie auf einen fe·sben Goldpreis verpflichtet ist, seit 1936, schwankt die Inlandskaufkraftunserer Wä-hrungseinheit um 30 Prozent.Das ist keine Gr<strong>und</strong>lage für ein Versicherungswerk vonsolchem Umfang <strong>und</strong> von solcher Bedeutung.Dies <strong>als</strong> ein Bai-spiel für die Wichtigkeit der zur Entscheidunggestellten Altemative.Artikel 17 unseres B<strong>und</strong>esgesetzes über die Nationalbank.erklärt nun ausdrückliCh, dass fiir die ausgegebenenBanknoten (<strong>und</strong> damit <strong>als</strong>o für die Währungseinheit, denFranken!) die Nationalbank «einzig <strong>und</strong> alleJin die Verantwortungträgt.»So empfehle ich Ihnen, Sie möchten dem vorgelegtenAntrag zustimmen.Der StädtebauerIch habe unter meinen Papierenein Blatt gef<strong>und</strong>en,wo lch die Baukunst ein erstarrte Musik nenne.GoetheMit sieb:zrig Jahren war <strong>Bernoulli</strong> in den Nationalrat gewähltworden. Man sah ihm sein Alter nicht an, <strong>und</strong> wenner zur Rednertr:ibüne schritt, dann tat er es mit jugendli~eben Schllitten. Er überstand die Strapazen des Parlamentsbetriebeserstaunlich gut. Er war aber nicht nur Parlamentarier,sondern eben auch noch immer berufstätiger Arctlitekt.Nach dem Kriegsende erwuchs ~hm eine neue Aufgabe.Za'hlreiche Städte in Deutschland standen vor derungeheuren Aufgabe des Wiederaufbaues. Mit jugendHchemElan widmete er sich dieser Aufgabe <strong>und</strong> bereisteganz Deutschland, hielt Vorträge <strong>und</strong> Besprechungen ab.Dem Städtebauer standen nun neue Möglichkeiten zurVerfügung. Er konnte über grosse FHiohen verfügen <strong>und</strong>den Aufbau nach neuen Gesichtspunkten betreiben. WererfaJhren 'hat, wie anstrengend solche Reisen sind, der kannermessen, was es h!ioss, mit 71 Jahren noch -solche Strapazenzu unternehmen. Das nachstehend abgedruckt!e Reis·e·programm gibt uns eine Ahnung von den Strapazen, dieBcrnoulli auf sich nahm. Dazu gese'llte sich der Umstand,dass da:s Bahnfahren in Deutschland dam<strong>als</strong> alles andere<strong>als</strong> komfortabel war.6263... _ .......


-Vortragsreise in Deutschland Mai 1948Mittwoch 19. 5. 11.40 ab Basel19.30 an KarlsruheDonnerstag 20.5.7.05 ab Karlsruhe13.52 an Müchen VortragTec'h. HochschuleFreitag 21. 5. München VortragSamstag 22. 5. München Th. Fischer Ges.Sonntag 23. 5. MünchenMontag 24.5. nach Ulm Vortrag'Dienstag 25.5. nach Ulm VolkshochschuleMittwoch 26. 5. nach Stuttgart Vortrag'Donnerstag 27. 5. nach Stuttgart Tech. HochschuleFreitagSamstagSonntagMontagDienstagMittwochAdressen:München:Stuttgart:Pforzheim:Tübingen:28.5. nach Pforzheim Vortrag29.5. nach Pforzheim30. 5. nach Tübingen31. 5. nach Tübingen Vortrag ander Universität1. 6. nach Freiburg2. 6. nach Basel<strong>Hans</strong> Eckstein, Locham-München, Erlenstr. 2Prof. Doecker, Techn. HochschuleWittelsbacherhofBaurat Karl Blunck, Stauffenbergstr. 49BernoulU brachte auch Gesetzesentwürfe mit, die denStadtbehörden <strong>als</strong> Gr<strong>und</strong>lage für die neue Bauordnung <strong>und</strong>die Bodenpolitik dienten. So gibt es in Warschau, in Freiburgi. Br. <strong>und</strong> in andern Städten eine Lex <strong>Bernoulli</strong>. Erwar eine ·international anerkannte Grösse des Städtebaues.Die Stadt Wien gab aus Dankbarkeit für seine Diensteeinem Strassenzug seinen Namen: «<strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>strasse»,<strong>und</strong> auf der Tafel, die den Namen erklärt, heisst es: «<strong>Hans</strong><strong>Bernoulli</strong>, Schwe>izer Architekt <strong>und</strong> Städtebauer».64Der Blick in die ZukunftIch erfuhr es, wie der Mensch nicht in derGegenwart lebt, oder, um es besser zu sagen,wie das Leben in der Gegenwart ihm eigentlichnur Nebensache ist, das Leben, das er inZukunfl hofft, dle Hauptsache Ist.Jeremlas GotthellBemouUis Bl~ck war stets auf die Zukunft gerichtet. Erhatte keine Zeit, der Vergangenheit nac.hzutrauern. Daszeligte s'ich in schönster Weise bei der Abstimmung überdie Kaufkraft-Initiative, deren geistiger Vater er war. Esmag im Jahre 1948 gewesen sein, <strong>als</strong> <strong>Bernoulli</strong>, FriedrichSalzmann <strong>und</strong> •ioh eines Abends nach der Sitzung des Na·tionalrates uns •im Restaurant «De la Pa·ix>> •in Bern trafen.<strong>Bernoulli</strong> maohte den Vorschlag, die Partei sollte ~ine Initiativefür die Stablil'i&.ierung des Geldwertes lancieren.Wir beiden Jüngeren hatten Bedenken. Eine Initiative lancierenkoste Geld <strong>und</strong> nochm<strong>als</strong> ·Geld. Wo W'ir das hernehmensollten. Aussecdem seli eine solche Initiative hoffnungslos,da sie keine Aussicht 'habe, angenommen zuwerden. Aber <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> hess sich nicht so leichtwnstimmen. Dass -die ln1tiative keine C'hancen habe in derVolksabstimmung, sei ihm auch klar. Aber wir -sollten bedenken,dass der B<strong>und</strong>esrat verpflichtet soei, unsem InitiativtextsämtUchen Stimmbürgern zuzustellen. Und das ser.ischon ein wicht'iger Schritt <strong>und</strong> eine wesentliche Propaganda.Das mussten wir zugeben. Und nun nahm <strong>Bernoulli</strong>eine Papierserviette zur Hand <strong>und</strong> begann auszurechnen,wieviele Unterschriften unsere Partei wohl zusammenbringenwerde. Wir begannen zu rechnen <strong>und</strong> kamen zumSchluss, dass es möglich sein werde, mehr <strong>als</strong> 50 000 Unterschriftenzu samme'in, sodass am Zustandekommen derAbstimmung nicht gezw·eifelt werden könne. Und wa•s dienötigen Finanzen anbelangte, so rechneten wir mit 100 00065


-r-_.;;;-Franken, angesichts der steten Spendefreudigkeit unsererMitglieder. Das war freilich eine bescheidene Summe füreinen eidgenössischen AbsHmmungskampf. Aber was unsa11 Geld fehlte, wird die Aktivität unserer Mitglieder ersetzen.Der Parteitag beschloss einhellig <strong>und</strong> mit Begeisterung,die Initiative zu starten, <strong>und</strong> setzte sich mit unerhörter Energiefür sie ein. Der Kampf der ungleichen Kräfte endete miteiner Niederlage; di-e Zahl der Ja-Stimmen erreichte nichte'i.nma1 ganz die Zahl der Unterschriften. Das entmutigtev:iele unserer Mitglieder. Nicht aber <strong>Hans</strong> BernoulH. Ineinem Kommentar·im «Freien Volk» machte er darauf auf·roerksam, dass ·sich immerhin achtzigtausend Stimmbürgerfür die Initiative ausgesprochen hätten: «Es war dererste Schritt in der OeffenUichkeit, ein grosser Schritt, einSchritt von null auf aohtzigtausend. Von diesem Punkt auslasst uns marschieren. Wir haben einen hohen Ausgangspunktgewonnen <strong>und</strong> befestigt.» Diesem Tenor entsprachenauch die Kommentare der übrigen Mitglieder des Parteivorstandes.Auch sie Iiessen sich durch das Abstimmungsergebnisnicht entmutigen. Und die Zukunft gab ihnenrecht. Heute ist die Stabüität der Kaufkraft des Geldes daserste Anliegen der B<strong>und</strong>esbehörden, ja des ganzen Volkes,<strong>und</strong> die monetären Massna:hmen zur Erreichung diesesZieles entsprechen immer deutlicher den freiwirtschaftliehenForderungen.Aber auch auf andern Gebieten sah <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>weiter <strong>als</strong> seine Mitbürger <strong>und</strong> Kollegen.Die FussgängerstadtSchutzgeist des Landes, donnere lautdie ewige Wahrheit, dass die Freiheit allerin dem Schutz der Rechte von allen besteht.Heinrich PestalozziIn der ersten Nummer 1954 des «Plan», der Zeitschrift fürLandes·, Regional- <strong>und</strong> Ortsplanung, erschien ein Artikelvon <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> über die «Fussgängerstadb>. Zwanzigprominente Architekten erklärten sich ansohllessend mitden Ausführungen <strong>Bernoulli</strong>s einverstanden. <strong>Bernoulli</strong>, derseine Vaterstadt sehr liebte, sah mit grosser Sorge, wie derrasch zunehmende Verkehr, der sich durch die engen Gas·sen•der Innenstadt wälzte, diese ruinieren musste. Der Fussgängerwurde m6hr <strong>und</strong> mehr buchstäblich an die Wandgedrückt. Die engen Ga:ssen füllten sich m-It dem Gestankder Abgase, <strong>und</strong> von einem genussreichen Flanieren durchd'i·e Stadt war nachgerade keine Rede mehr. Was sollte ge·schehen? <strong>Bernoulli</strong> fand die richtige Antwort: man musstedas Auto aus der Stadt entfernen <strong>und</strong> damit die Stadt wiederdem Fussgänger überlassen. In einem Artikel imo:Werk» erklärt er in seiner laumgen Art, was die Fussgängerst-adtsein soll:Der empllndsame Reisende, auch Fre<strong>und</strong> einer subtilenArchitektur, bringt sich In Erinnerung.Der empfindsame Re·isende - er ist erst gestern spätangekommen - schlendert durch die Gassen der «neuen»Stadt, 1n den silbernen Morgen hinaus. Er lässt sich Zelt.Er mustert die Häuser rechts <strong>und</strong> links. Aus der düsterenEnge tritt er auf einen freien lichten Platz. Ein Monument.Er legt den Kopf ein wenig schief. Er spa21iert langsam umdas Ding .herum. Er liest - ja wahrhaftig! - er liest die6667


1langatmige Inschrift, die noch kein Eingeborener je zurKenntn-is genommen.All das, so sagt man i.thm, ist nun vorbEri. Endgültig.Nämlich von ·wegen des Verkehrs. Wegen Strassenbahn,Autobus, Trolleybus, Autos. Für den beschaulichen Reisenden,für den beschaulichen Fussgänger sei kein Platzmehr 'in der Sltadt. Auch für eine sozusagen subtile Architekturnicht, <strong>und</strong> noch weniger für Monumente <strong>und</strong> garzwecklose Plastik. Wegen der Kandelaber, der Strassenbahnmasten,der Telcfondrähte, der Oberleitungen, derZeitungskrioske <strong>und</strong> der notwendigen Häuschen.Der Fre<strong>und</strong> der schönen Künste bedauert das. Er läSistsioh nicht gern hinauskomplimentieren aus der modernenStadt. Sein Reisepass lautet n!icht auf einen versehentlicham Leben gebliebenen kleri.nen Spitzweg. Er ist e'in modernerMensch so gut wie andere.Aber wohl ist's ihm auch nicht bei der heutigen Situation.Er winkt den Ingenieur heran, dessen Profil soebenaufgetaucht ist.«Wie wär's, lieber Fre<strong>und</strong>», beginnt er, «wenn ihr <strong>und</strong>euresgleichen endlich einmal die Finger lassen wolltet vonden Altstadtbezirken. Die euch im Gr<strong>und</strong> ja gar nicht interessieren,<strong>und</strong> von denen ihr ja auch, s. v. v., gar nichtsversteht?! Wo's nötig ist für den Verkehr, da schlagt nurruhig eine Schneise durch all die Herrlichk-eit. Zwanzig,dreissig, meinetwegen auch viei11ig Meter br-eit. Aber dasmerkwürdige Gewirr von Gassen <strong>und</strong> Gässchen, was daübrig ble'ibt zwischen den grossen Maschen, das überlasstihr uns! Den Menschen, die zu Fuss gehen; <strong>als</strong> Fussgän·gerbezlrke ll>c


mündenden Nebenstrasse .stolpern würde! Und dann, wasbesonder-s hübsah wäre: wenn ihr in euren Verkehrsstrassenmal -die Fahrbahn um einen halben oder dreiviertelMeter absenken wolltet gegen die Trottoirs. Und längs derTrottoirs Geländer. Wie hübsch, wenn ihr euch dergleichenmal durch den Kopf gehen lassen wolltet!»Er ist niCht mehr zu halten, der Vielgewandte; er hate'ine dringende Verabredung.So spaziert unser Fre<strong>und</strong> weiter, um-nachdem er sichge·hörig gesiohert, links <strong>und</strong> rechts <strong>und</strong> ll'inten <strong>und</strong> vorne- um den Blick leise über die Profile seines Ldeblingsbauesgleiten zu lassen <strong>und</strong> träumerisch zu verwe~ilcm dort,wo über dem See die letzten Bergketten ·im Dämmer verschwinden.Es war zu erwarten, dass dieser Vorsehlag nicht eitelFreude auslösen würde. Es gab sofort Sachverständige, dieeine solche Lösung des Verkehrsproblems strikte ablehnten<strong>und</strong> sie <strong>als</strong> utopisch bezeichneten. Man könne denAutomobiHsten nicht zumuten, dass ·Sie dhren Wagen ander Peripherie der Stadt stehen Hessen <strong>und</strong> mit einem öffentlichenVerkehrsmittel ins Stadtzentrum fahren sollten.Man Hess den Dingen ihren Lauf. Der Verkehr nahm immermehr zu, da sich die Zahl der Automobilisten ja fortwährendvermehrte. Die Städte wurden zu Lärm- <strong>und</strong>Gestankzentren, die Innenstädte begannen sich zu entvölkern<strong>und</strong> die City verwandelte sich in eine Büro- <strong>und</strong>Geschäftsstadt, die am Abend verödete.Heute ist die Fussgängerstadt salonfähig. In denStädten werden grosse Anstrengungen gemacht, um sri.ezu verwirkHchen. Man hat eingesehen, da·ss es keine QlldereLösung gibt, um die Städte vor dem Ruin zu schützen.Einmal mehr wurde eine zuvor <strong>als</strong> unmöglich bezeichneteLösung .sehliessi:idh doch anerkannt. <strong>Hans</strong> BemouHi hat <strong>als</strong>erster den nötigen Weitblick gezeigt <strong>und</strong> ist <strong>als</strong> Pionieraufgetreten.?0Mit Feder <strong>und</strong> StiftNur ein Künstler kann denSinn des Lebens erraten.Novalis<strong>Hans</strong> Bemoulli hat zahllose Gedichte gemacht. Sozusagenin allen Nummern der «Freiwirtschaftlichen Zeitung»<strong>und</strong> des «Freien Volkes» erschienen sie unter dem PseudonymEmanuel Kupferblech. Es waren Glossen zum Zeitgeschehen,in denen der Polemiker zu Worte kam, scharfe<strong>und</strong> unmissverständliche Angriffe <strong>und</strong> Ketzerelen einesMannes, der das W esentHche vom Unwesentlichen zu trennenvermocihte, der zum Gr<strong>und</strong>sätzlichen vorzudringensuchte <strong>und</strong> daher aller Mittelmässigkeit abhold war. Aberes handelte sich bei diesen Gedichten nicht einfach umschnell hingeschmetterte Verse, wie man sie oft bei Tendenzgedichtenfindet, sondern um feingeschliffene kleineKunstwerke, die in Ton <strong>und</strong> Rhythmus vollendet sind. Ess>ind P~eile, dre stets ins Sahwarze treffen. Oft sehr witzig,oft aber auch von tiefem Ernst erfüllt. Es stehen diesemDichter alle Töne zur Verfügung, die scharfen, aber auchdie milden <strong>und</strong> innigen. So etwa das Gedicht, das er seinerFrau in das Skizzenbuch schreibt, das er ihr schenkt:<strong>Hans</strong> seinem lieben AnniSetbander haben wir cl!i:e ReiseDurch diesen Lebenskreis gemacht -Bald treten wir gefasst <strong>und</strong> leiseHinaus in jene dunkle Nacht.71......... ~~.. _ .


In unsren Kindern mag verschweben,Was uns bekümmert', was uns brennt'­Es bleibt von unserm ErdenlebenDies Büchlein <strong>als</strong> ein Dokument.Ist <strong>als</strong> dann dies Papier z-erfallenNach den Gesetzen der Natur,Erlischt von unserm ErdenwallenAuch diese letzte schwache Spur.Und von welchem Ernst <strong>und</strong> weloher Eindringlichkeitist das folgende Gedicht, ·das er am 24. September 1938schreibt:Wenn es wirklich dahin kommen sollte,Dass das Wetter, das ·in Wolken schwieg,Und nun näher, immer näher grollte,Dass es, losgebrochen, heulte: «Krieg!» -Was auch in dem schrecklichen GeschehenEuch ein dunkles Schicksal ~ubemisst,dass in dem Verderben <strong>und</strong> GeschehenKeiner von euch das vergisst:Mitl!en in der W'irrnj.s der Gemüter,Mitten in dem Sturm des WeHgerichtsSeid ihr alle b;ngestellt <strong>als</strong> HüterEines kleinen, leisen, reinen Lichts.Dieses Ldohtlein durch den Sturm zu tragen,Dazu seid <strong>als</strong> Hüter ihr bestellt,dass es dann, in spätem schönem Tageneine neue, schönre Welt erhellt.So kann nur ein Mann schreiben, der erfüllt ist vonseiner Aufgabe <strong>und</strong> zugleich die Gabe des Wortes besitzt<strong>und</strong> sie in vollendeter Weise zum Ausdruck bringen kann.72In diesem prachtvollen Gedicht ist zugleich der ganze<strong>Bernoulli</strong> zu ·finden: der Mann, der von einem tiefen <strong>und</strong>unersohüttHchen Glauben an das Gute im Menschen <strong>und</strong>an die Zukunft der Völker glaubt. Sein ganzer Optimismus,seine Leidenschaft für den Frieden, an den er bis zurletzten St<strong>und</strong>e glauben wird, der nie verzweifelt, wie grau<strong>und</strong> trostlO'S die Welt auch scheinen mag, ein Mann auch,der willens ist, das Gute nicht nur zu fordern, sondern auchzu üben. Bernouni beherrscht aber nicht nur die Gedichtform,sondern in gleichem Masse die Prosa. In seinem Irrgartendes Geldes hat er historische Miniaturen geschaffen,die höchsten Anforderungen zu genügen vermögen.Uebrigens schrieb <strong>Bernoulli</strong> seine Godiohte mit Vodiebein der Bahn zum Takt der Räder.In seinem Nac-htass fand sich ein «Nachspiel» zu BernardShaws Komö-diie «Die Häuser des Herrn Sartorius».In diesem Stück werden bekanntHeb die Gr<strong>und</strong>stückhändler,die die Mieter rücksichtslos ausbeuten, aufs Korn genommen.Shaw hat es aber unterlassen, aus dem Betrugd'ie Konsequenzen klar <strong>und</strong> deutlich zu ziehen. Nunschrieb <strong>Bernoulli</strong>i ein Nachsp'iel, an dem Shaw ganz gewi·ssseine helle Freude gehabt hätte. Die Szene ist genauim Stile Shaws geschrieben. Der Schluss <strong>Bernoulli</strong>s istaber schärfer, indem eine Grossgr<strong>und</strong>besitzerin, die bisheute über dieses Problem gar nicht nachdachte, sondernnur die Zinsen einkassffirte, in dem Augenblick, da sie sichüber dlie ganze Geschichte klar wüd <strong>und</strong> sich anschckt,ihr Land der Gemeinde zu übergeben, von Ihren liebenVerwandten oins Irrenhaus gebracht wird. Leider bat nochke:ine Bühne dieses lebendige Nachspiel aufgeführt. Abervielleicht kommt das noch. Ein anderes Spiel, das LeuenhergerSpiel, wurde in der Krisenzeit von einem Laienensemblemehrm<strong>als</strong> aufgeführt, denn es handelte sich dabeium den Bauern'krieg, um den Betrug, der an den Bauemverübt wurde. Es war <strong>als</strong>o ein höchst aktuelles Thema,da:s zeigte, dass die Baustellung des Bauernstethens wie inder Krise von 1929-1936 schon früher ein he'isses Eisen\V'ar. Schliesslich hat BernouUi auch e'inige Opern-Librettis73


-=-=-........,--=--=== ==== ..... ~-·- -- ..._.,.,_"......... " .geschrieben, die e;n Fre<strong>und</strong> zu komponieren versprach.Offenbar wurde nichts aus diesem Plan.<strong>Bernoulli</strong> .war aber nicht nur ein hervorragender Meisterder Sprache - nicht zufällig schätzte er die Werkevon R:icarda Huoh - er führte auch einen glänzenden Stift.Seine dichterischen FäMgkeiten zeigten siC'h schonfrüh. Als Gymnasiast verfasste er ein gewaltiges Epos, indem die ganze Weltgeschichte in Versform dargestelltwurde. Wenn er auf Reisen g·ing- <strong>und</strong> das tat er oft 'l;lndgerne -, nahm er stets sein Skizzenbuch mit <strong>und</strong> brachtees mit zahllosen Skizzen wieder heim. <strong>Bernoulli</strong> war einscharfer Beobachter <strong>und</strong> sah die Schönheiten einer Land~sohaft, entdeckte die schönen Städte <strong>und</strong> Dörfer, die er inder Skizze festhielt, er sah auch alle Einzelheiten einesBauwerkes, die dem Auge des Laien unsichtbar bleiben <strong>und</strong>an denen er achtlos vorübergeht. Mit wenigen Str-ichenvermag er einen Gegenstand oder einen Menschen zu charakterisieren.Auch diese Skizzenbücher, die gedrucktwurden, legen Zeugnis ab für se'in unverkennbares Künst·lertum.Umso erstaunlicher ist es, dass <strong>Bernoulli</strong> 60 Jahre altwerden musste, bis er das erste Mal nach Rom kam. DasSkizzenbuch zeigt, welchen Eindruck die herrliche Stadtmit 'ihrem grossen, überwältigenden Reichtum an schönerArchitektur auf ihn machte. Sein letzter grosser WWlschwar eine Amerikareise. Aber vor lauter Arbeit verpassteer diese Gelegenheit.Diese Skizzen sind umso erstaunlicher, <strong>als</strong> sie mit einerHand, von elinem unbeweglichen Handgelenk <strong>und</strong> ·einemgelähmten Daumen gezeichnet wurden. Er war bei denGenietruppen, wie es sich für einen Architekten gebührt.Einmal wollte er eine Stütze aufhalten, die ausgeglittenwar, <strong>und</strong> genet damit unter die einstürzende Brück-e. Ertrug einen komplizierten Oberarmbruch davon <strong>und</strong> mussteviele Monate im Spital von Liestal verweilen <strong>und</strong> sich ge·gen die Amputation des rechten Armes wehren, d1e dieAerzte vornehmen wollten. Zum Glück für ihn <strong>und</strong> für unskonnten sie ihre Absicht nicht verwirklichen.74Das gle«i.che ist von se'iner Handschrift zu sagen, diemunter daher fließst wie ein Bächlein <strong>und</strong> auf eine St<strong>und</strong>eweit den Künstler verrät. Sie ist freilich nicht le·icht zuentziffern <strong>und</strong> die Redaktoren <strong>und</strong> Setzer, die sie erhielten,hatten oft Mühe, S'ie zu lesen. Wonn man sich aber einmaleingelesen hatte, ging es verhältnismässig mühe'los. Bernoul11schrieb geme von Hand, es salb pel'Sönlicher aus <strong>als</strong>die Maschinenschrift.~...:-....... ~~~~c.-~ fo


Liebe Hildegard,Es vergeht kaum ein Tag, da Anni nicht sagt: Wenn wirdoch Hildegard noch einmal sehen könnten. Ich denke esbloss. Wir kratzen unsere Erinnerungen zusammen, umdaraus Vorträge, Kurse, alles mögliche zu entwickeln; daman nicht mehr reisen kann. Auch die schöne Universitätsbibliothekmuss aushelfen, Luft vor die Nase zu bekommen.Habe mü da Grimms Geschichte der deutschen Sprachebeigebogen, Ric. Hucbs Städtebilder, Huizingas Erasmus<strong>und</strong> seine Studien über die Entwicklung des National·gedankens. Dann viel engl. llll.d franz. Literatur, die aberden Nachteil hat, dass das Vorlesen nioht ge·ht. Amüsantimmer J erome K. J erome, geistreich Maurois, weltweitGladstones Lebensbild. Man h'ilft sich.Viele Grüsse!Anmerkung von L. <strong>Bernoulli</strong>:<strong>Hans</strong>Obiger Brief richtet sich an Hildegard Wegsohe'ider, dieälte'Ste Scbwe\Ster meiner Mutter. Offenbar waren die ersten-sieben Bogen von m~ner Mutter geschrieben, sindaber nicht mehr da. Es handelte sich um die Zeit kurz nachdem Zweiten Weltkrieg, <strong>als</strong> die Grenzen noch hermetischgeschlossen waren. Hildegard Wegscheider war Magistratsobersohulrätinvon Preussen, Mitglied des preussischenLandtags (Wahlkreis Schlesien).Der BaslerWie ist die Heimat liebden gutgebornen Herzen.Voltaire<strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> war ein waschechter Basler. Er besass einenherrlichen Humor, wie er nur bei Menschen vorkommt,die überlegen sind. Dazu gesellte sich sein Witz,der sehr spitzig <strong>und</strong> satirisch sein konnte.Als ich zum ersten Male mit ihm zusammen das Parlamentsgebäudebetrat, sagte er von den drei ÜberlebensgrossenEidgenossen, die im Vestibül sich die Hände zumSchwur reichen, sie sähen aus, wi:e wenn man ihnen geraded·as Zigarrenleistlein weggenommen hätte. Von einemRatskollegen sagte er, er sehe aus wie ein Halbaffe <strong>und</strong>von einem B<strong>und</strong>esrat, der käme ihm vor wie ein Droschkenkutscher,der kein Trinkgeld bekommen habe.Binmal ging er während des Krieges mit Fritz Schwarzin die Stadt. Dabei kamen sie an einer Anlage vorbei, inder man eine Wiese umgegraben hatte <strong>und</strong> auf ihr Lauchpflanzte. Fritz Schwarz sagte zu ihm, an diesen Platz kommeeinmal das Denkmal für B<strong>und</strong>esrat Motta. Darauf <strong>Bernoulli</strong>:


DieFamilieDie Fam11ie ist die Quelle des Segens<strong>und</strong> Unsegens der Völker.Martin LutherDieser vielbeschäftigte <strong>und</strong> stark engagierte Mann hatteaber auch noch eine Familie <strong>und</strong> man fragt sieb, ob dieFamilie auch ihn hatte oder ob sie ihm lediglich <strong>als</strong> Schlafgelegenheitdiente. Aber das war keineswegs der Fall <strong>und</strong>hätte dem Charakter <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>s nicht entsprochen.Er war mit seiner Familie eng verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> fand in ihrimmer wieder die nötige Kraft für alle seine Unternehmungen.Sie war für i'hn der ruhende Pol in der ErscheinungenFlucht.Frau <strong>Bernoulli</strong> stammte aus der Pfarrerfamilie Ziegler.Ihr Vater hatte oft Schwierigkeiten, weil er ein reformerischerRevolutionär war. Die Mutter Ziegler war eine geboreneKempf, die Schwester des ersten deutschen Reichstagspräsidenten.Sie war eine sehr energische Frau. Wennihr Mann auf der Kanzel einen epilept.i'Schen Anfall hatte,was öfters vorgekommen sein soll, eilte sie hurtig auf dieKanzel <strong>und</strong> beendigte die Predigt, bei deren Abfassung siemitgeholfen hatte. Frau <strong>Bernoulli</strong> brachte dieselbe Energiemit. Sie war Krankenschwester <strong>und</strong> Hebamme. Sie musssehr beliebt gewesen sein, denn mit manchen Wöchnerinnenverband sie eine gute Fre<strong>und</strong>schaft. Sie hatte dreiSchwestern. Alle vier Kinder sagten zu Vater <strong>und</strong> Mutternoch «Sie>> <strong>und</strong> Herr Vater <strong>und</strong> mussten beim Essen stehen.«Meine Mutter unterstützte meinen Vater lebhaft»,schreibt der Sohn Lucas, «indem sie ihm jede Störung vomH<strong>als</strong>e hielt <strong>und</strong> andererseits ein sehr gastliches Haus führte.Es gab kaum eine Woche, ohne dass wir einmal Gäste78;lUm Abendessen hatten. Und die Verwandten meiner Mutter,aber auch Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> ihre Kinder- <strong>als</strong>o meine Vet·tern <strong>und</strong> Kusinen - waren oft wochen- <strong>und</strong> monatelangbei uns zu Gast. Namentlich des Biderhüsli in Langenbruckwar der Aufenthaltsort solcher Gäste. Mein Vaterhatte unser Ferienhaus in Langenbruck am obern Hauenstein1914 gebaut, im Dorf seiner mütterlichen VorfahrenBider. Einmal führte er dort auch einen Referentenkurs fürFreiwirtschafter durch».Lucas <strong>Bernoulli</strong> bezeichnet seinen Vater in einem Aufsatzüber ihn <strong>als</strong> «fürsorglichen Familienvater». Das konnteauch gar nicht anders sein, denn jede VernachUissigungder Familie wäre ihm ein Greuel gewesen <strong>und</strong> hätte seinemCharakter völlig widersprochen. «Etwas vom herrlic-hstenwar es», sohrieb Lucas BernoulH in einem Aufsatzim ''f.elos',


........... - ......ter, .was der Gr<strong>und</strong> dieser Besuche sei. «Er bespricht mitmir Entscheidungen, die er in s~inem Leben zu treffen h'at)),bekam er zur Antwort, «er wird <strong>als</strong> Jude oft übers Ohrgehauen. Bei mir waliss er ja, dass es für mich ein Plus bedeutet,wenn jemand Jude ist.»Auf welch reizende Art er mit seinen Enkelkindernverkehrte, zeigt das vierseitlige kleine ßrieflein, mit dem ereinmal eines seiner Enkelkinder zu einem Besuche bei derGroosmutter einlud.<strong>Bernoulli</strong> war ein frommer Mann. Vor dem Essensprach er das Tischgebet. Aber sein Christentum bestandnicht nur aus einem Bekenntnis, sondern es war an Christentumder Tat. Er war kaum ein eifriger Kirchgänger<strong>und</strong> übte oft scharfe Kritoik an der Kirche. Aber er kümmertesich um die Mitmenschen, die der Hilfe bedurften, fürdie er e1n Dach über dem Kopf besorgen konnte, für die erum eine bessere, von der Ausbeutung durch Zins, Währungsschwankungenbefreite Wirtschaftsordnung <strong>und</strong> einneues Bodenrecht kämpfte.Bemoulli spricht80


Nationalrat <strong>Hans</strong> Bemoulli


·._.,..,--1Es ist schon lange herEs ist schon lange her, dass unser Herr Ch:ristAm Gastmahl jenen reichen Herrn verletzte,Und dass er sich - wie 1i-hr ja alle wi-sst­Stets zu den allerärmsten Teufeln setzte.Es ist schon lange her, dass Thomas von Aquin,Den Z.ins <strong>als</strong> Armenwürger jäh verdammte,dass skh ein Lurher, dass sich Calvin<strong>als</strong> Fe'ind des Zinses öffentlich bekannte.Das Ehepaar ist älter gewordenBüste W. SchwerzmannDerweilen k:alt es heut die Kirchen lässt -von jeder Konfession die würdigen Barden­Dass man dem armen Volk bei uns erpresstper anno zweieinhalb bis drei Milliarden.Es lässt sie kalt, sie findet nichts dabei,Im Gegenteil, es scheint ihr angemessen,dass ihre Fre<strong>und</strong>e ohne viel Geschrei,Mit Appetit der Witwen Häuser fressen.Die beiden Söhne wurden ebenfalls Architekten. «Istes et'staunlich,» fragt Lucas <strong>Bernoulli</strong> in dem bereits zitierten'Telos'-Artikel, wenn mein Bruder <strong>und</strong> ich, dies gross·artige Vorbild vor Augen, auch seinen Beruf ergriffen?Doch war der Vater so gross, dass man in seiner Nähe nurSohn <strong>und</strong> nicht man selbst kein konnte, - mein Bruderwanderte nac'h Finn·Iand aus, <strong>und</strong> ich kehrte neun Jahrelang Basel den Rücken.» Es bewahrheitet sich auch hier:Es ist schwer, der Sohn eines berühmten Vaters zu sein.<strong>Bernoulli</strong>s So:hn Paul schilderte mir die nachfolgenden,für <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> sehr charakteristischen Erlebnisse mdtseinem Vater.«1923. Meine Eltern luden Gertrud Heidrich <strong>und</strong> ihre dreiKdnder ein, zusammen die Sommerferien in Diewenow ander Ostsee zu verbringen. Der Kunsthistoriker Prof. Heid·81


....rieb war eng befre<strong>und</strong>et mit <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>. Als Deutschermusste er 1914 einrücken <strong>und</strong> fiel sehr bald vorDixmuiden. Seitdem stand die Hsidrich-Familie uns amnächsten. Mit der praktisch auf Null zusammengeschmolzenenSoldatenrente konnten sich die in ännlichen Verhältnissenin Landsberg lebende Witwe natürlich keineFerien leisten. Papa wollte den 'starken' Franken ausnützen,um ein Zusammensein zu ermöglichen. Er wollteaber kein lnflationsgewinnler sein. So zahlte er der Pensionin D. in Franken. Der Besitzer schrieb uns später, dasser <strong>und</strong> seine Familie dank diesen Franken durch denWinter 1923/24 gekommen sei, besser <strong>als</strong> viele andere.Papa bestärkte der Anschauungsunterricht des Welttheaters- Deflation von Bachmanns Gnaden, Inflation ala Havenstein - sshr in seinen volkswirtschaftlichen Ansichten.Seine Aktivität in Sachen Freiwirtschaft war beinahegrenzenlos. Anfang 1923 wurde ja die 'FreiwütschaftlicheZeitung' gegründet. Neben Schwarz, der dieHauptlast der Redaktion trug, waren Fürsprech Roth <strong>und</strong>er die Redaktoren im zweiten Rang. Papa besorgte dasFeuilleton <strong>und</strong> «brünzelte» regelmässig sein Gedicht, aufdas wir Buben uns jeden Freitag mit Begierde stürzten -falls nicht einer von uns <strong>als</strong> Tippmamsel dienen <strong>und</strong> PapasManuskJilpt mit der Maschine rein'Schreiben durfte, so dasser schon alle>(Stoffbeutel), um das viele Geld transportieren zukönnen. Der Besichtigungspreis betrug Millionen Mark.Mama zahlte mit 10 000-Mark-Scheinen. Der Mann, der unsgeführt hatte, zähUe wohl eine Viertelst<strong>und</strong>e das Geld.Vom Stettiner Bahnhof aus fuhren wir nach Hermsdorf,um Fre<strong>und</strong>e zu besuchen.Zu dem erwä'hnten Vortrag, der im gestossen vollen<strong>Bernoulli</strong>anum vor sich ging, hatte Papa auc'h den deutschenKonsul eingeladen, Freiherrn von Weizsäcker (des·sen Sohn Carl Friedrich hat sich <strong>als</strong> Physiker <strong>und</strong> vor allem<strong>als</strong> Philosoph einen Namen gemacht). Weizsäck{!r war beeindrucktvon Papas Gedankengängen, <strong>und</strong> die beiden trafensich am Tag nach dem Vortrag.- 1942 bat diese loseBekanntschaft es ermöglicht,


«Comite-Schntltzelbänke» an der Fasnacht im Februar oderMärz 1924 in den Basler Wirtschaften diese Schnitzelbankaufzuführen, zusammen mit dreli Freiwirtschaftern, unterdenen bestimmt der «Goldmüller» gewesen ist.«Goldmüller» - da steigen Erinnerungen auf, die nichtnur mit der deutschen Inflation zusammenhängen. VieleJahre hindurch veranstaltete auf Papas Initiative (er zahltedie teure Saalmiete) der B-asler Freiwirtschaftsb<strong>und</strong> einWeihnachtsfest im Schützenhaus, im ersten Stock. Da ~urdenPapas Stückli aufgeführt, u. a. «Der Goldschwindel»,in dem d'ie Schauspielerbegabung MüUer den «Goldmül­Ier» spielte. - Einmal schrieb er einen Prolog «Di·e Armuteü>;darin versuchte er den krassen Gegetrsatz irgendwiezu überbrücken, der zwischen diesem behaglichen Zusammenseinmit gutem Nachtessen <strong>und</strong> Unterhaltung bestand<strong>und</strong> der billlern Armut, die ein Hellhöriger überall spürte.Dies Gedicht sollte die Halb-Berufsschauspielerin X. rez·itieren,angetan mit einer Pelerine, barfuss, eben die Armuteidarstellend. Es war ihr sehr schwer, dies zu tun, dennsie war ~in schönes Mcnschenk•ind <strong>und</strong> wollte am liebstenihre Schönheit zur Geltung komrrnen lassen! Aber sie erfülltei'hre Aufgabe gut, denn .sie war Papa dankbar, dasser <strong>als</strong> Regisseur etc. sie für diese Aufführungen engagierthatte.Meine Schwester Clärli war Papas Loieblingskind, dieeinzige Tochter. Den Freiwirtschaftern ist sie bek-anntdurch das Gedicht «Ach wie niedlich~> (Schandfleck, Seite53).Papa wünschte sich für sie ~inen richtigen Phönix <strong>als</strong>Lobensgefälhrten. So war er einigermassen bestürzt, <strong>als</strong>Clärli eines Tages mit drei Theologiestudenten angezogenkam <strong>und</strong> sich bald herausstellte, dass derjenige mit Pokkennarb'enim Gesicht, in den verbrauchten Hosen <strong>und</strong>dem abgenutzten Pullover iihr bester Fre<strong>und</strong> war.Mir war bald klar, wie die Sache stand, <strong>und</strong> ich machte<strong>als</strong> erster Duzfre<strong>und</strong>schaft mit !hm. Und lie'h im meinenschwarZC'll. Anzug, <strong>als</strong> er die ers~e Predigt halten sollte.Er war bettelarm, besass nur eine Hose <strong>und</strong> keinen Kittel,84wohnte in einem winzigen Stüblein (knapp 4 m 2 ) im Alumneum.Die Predigt war gut, warmherzig <strong>und</strong> klug.Papa wollte Clärli auf andere Gedanken bringen, <strong>und</strong>so arrangierten meine Eltern eine Reise nach Paris, ClärHmit 2 Fre<strong>und</strong>innen, für eine Woche. Meine Eltern <strong>und</strong> ichwaren zum Abschied auf dem Perron. Als der Zug schonim Fahren war, erschien zwischen den drei MaitliMatthias; alle vier waren natürlich allerbester Laune!Papa liess aber nicht lugg. Bald darauf wurde Clärli fürlängere Zeit mit einer Fre<strong>und</strong>in naCh England geschickt


Als mein Vater seine Braut in Basel seinen Eltern vorstellte,musste meine Mutter durch den ringhörigen Fussbodenin Papas Geburtshaus St. Albanvorstadt 3 folgendeWorte ihrer zukünftigen Schwiegermutter hören, die Papadie Heirat mit ihr ausreden wollte: «Sie ist zu alt <strong>und</strong> hatkein Geld». Dies Erlebnis hat wohl mitgespielt, dass derEmpfang, den meine Mutter meiner Frau am TheodorsgrabenEnde April 1942 bereitete, an Herzlichkeit nicht zuüberbieten war <strong>und</strong> :wie ein Stern weiter leuchtet in meinemLeben. Wir waren schon ein gutes Jahr verheiratet.Der Krieg hatte es unmöglich gemacht, vorher nach Baselzu reisen.<strong>Bernoulli</strong> bat seinen Wohnsitz in Basel oft geändert. Eskam einem vor, <strong>als</strong> ob er jedesmaL wenn man ihn besuchte,an einem andern Orte wohne. Wir haben gehört, dasser auch in Basel auf eigene Rechnung <strong>und</strong> Gefahr eineWohnkolonie baute. Wenn nun ein Haus lange nicht verkauftwurde, bezog es <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> mH seiner Familie.Wurde es dann verkauft, dann zog man wieder in einnächstes, Einmal wohnte er an der Mittelstrasse, im gleichenHaus wie der Direktor der Nationalbank in Basel.Eines Tages nun, <strong>als</strong> es läutete, stand dieser vor der Türe<strong>und</strong> fragte, ob er störe. Natürlich nicht, antwortete Bernoum<strong>und</strong> liess den Mann eintreten. Er dachte natürlichnichts anderes, <strong>als</strong> dass jetzt ein ausführliches Gesprächüber die Währungspolitik einsetzen werde. Wie gross wardaher seine Enttäuschung, <strong>als</strong> es sich herausstellte, dassder gute Mann irgend etwas anderes wissen wollte.»86Zwei BegegnungenLasst uns Menschen werden,damit wir wieder Bürger,damit wir wieder Staaten werden können.J. H. PestalozziAlbert Schweitzer<strong>Bernoulli</strong> hatte im Auftrag eines Pfarrers einen Entwurffür ein Jugendhaus erstellt, das dann aber nicht gebautwurde. Er wusste, dass der Pfarrherr nun in einige Ver·legenheit geriet wegen seinem Honorar. Er wusste aberauoh, dass der Pfarrer mit Albert Schweltzer bekannt war.BernouUi erklärte seinem Auftraggeber, dass er auf dasHonorar verzichte, wenn er ihm einen Besuch bei AlbertSchweitzer vermittle. Was veranlasste wohl <strong>Bernoulli</strong> zudiesem Schritt? Nun, er hatte die Ansprache gelesen, dieAlbert Schweitzer anlässtich der Uebergabe des Friedens·preises an ihn in Frankfurt a.M. gehalten hatte. Darin fander eine Stelle, die ihn aufhorchen <strong>und</strong> ihn vermuten liess,Schweitzer kenne die Freiwirtschaft. Wenn dieser Mannsich allenfalls zu einem öffentlichen Bekenntnis zur Frei·wirt-sc'haft bewegen Uess, so argumenti·erte er mit Recht,dann war für die Sache sehr viel gewonnen.Ausserdem las er in Schweitzers Buch «ZwischenWasser <strong>und</strong> Urwald», dass Albert Schweltzer auf seineerste Reise Gold mitnahm <strong>und</strong> erzählte, wie er es guthabe brauchen können. <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>, ein Urleind desGoldes, wollte Schweitzer über die verheerende Bedeutungdes Goldes in unserer Geldpolitik aufklären. Ob eres tat <strong>und</strong> Albert Schweitzer von seinem Irrtum überzeugenkonnte, weiss man leider nicht.Am Tage vor dem Besuch fuhr Be:rnoulli bis Colmar,um ja den Tag des Besuches nicht zu kürzen. Die beidenMänner kamen sehr bald auf die Freiwirtschaft zu spre-87


--······r ·chen, die Schweitzer nicht unbekannt war, da er mit SilvioGeseU korrespondiert hatte. Schweitze.r war aber offenbarnicht gewillt, sich öffentlich zu äussern. Wahrscheinlichwollte er nicht noch in <strong>politische</strong> Diskussionen eingreifen,da er ja sonst schon Werg genug an seiner Kunkelhatte.Sahweitzer nahm dann seinen Besucher mit auf eine längereWanderung. In erster Linie wollte Schweitzer Bcrnoulliden Bauplatz zeigen, auf dem er sein Haus bauenwollte, das durch den Friedenspreis weitgehend finanziertwurde. Schweitzer erklärt-e, dass das Haus an geschüt.zterLage stehe, vor dem Geschützfeuer gesiohert, komme esvon Osten oder von West-en. <strong>Bernoulli</strong> war bestürzt überdie Sicherheit, mit der sein Gastgeber vom. na·henden Zwe·itenWeltkrieg sprach. Die Begegnung fand noch vor derMachtübernahme Hitlers statt.Dieser Besichtigung folgte ein Besuch in zwei benachbartenDörfern, in denen die Orgeln neu gebaut wurden,wozu der grosse Orgelspieler sein Urteil abgeben sollte.Am spätem Nachmittag versanunelte sich die Familiezu einer grösseren Mahlzeit. Oben am Tisch sass der Hausherr,der das Essen austeilte, neben ihm seine Gattin <strong>und</strong><strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>, <strong>und</strong> dann folgten die Dienstboten. Es war,so erzählte <strong>Bernoulli</strong>, wie in einem Berner Bauernhaus.Wenn <strong>Bernoulli</strong> auch nicht erreicht hatte, was erwollte, so war di(} Begegnung mit dieser grossen Persönlichkeitfür ihn doch eine grosse Bereicherung.Claudio BagliettoClaudio Baglietto war ein Emigrant. 1908 geboren. Erstand vor einer grossen Karriere. Er sollte zunächst dasSekretariat des Institutes für deutsche Studien in Rom88übernehmen. Er hätte aber, um diese Stelle antreten zukönnen, der Faschistischen Partei boitreten müssen. Er zoges aber vor, in die Emigration zu gehen, so bitter ihm dasauch fallen musste. Er ist nie mehr in die Heimat zurückgekehrt.Seine akademische Laufbahn, die ihn zweifelsohneauf einen Lehrstuhl der Universität gebracht hätt:e,konnte er nicht antreten. Er brachte sich durch Italienisch­Unterricht kümmerlich durchs Leben, arbeitete aber miteiserner Energie an seiner eigenen Weiterbildung <strong>und</strong>verfügte über ein enormes, ans Phantastische reichendesWissen. <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> fand in ihm den ebenbürtigen Partner<strong>und</strong> fühlte sich mit ihm in tiefer Fre<strong>und</strong>schaft verb<strong>und</strong>en.Er starb frühzeitig im Sommer 1940. <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>hat ihm eine Grabrede gehalten, die uns erhalten gebli-ebenist, <strong>und</strong> die für den Verstorbenen wie für den Rednerselbst io ihrer sprachlich <strong>und</strong> inhaltlich gleich vollendetenForm ergreift. Sie sei hier wiedergegeben. Der Leser wirdvon se-lbst empfinden, dass das Wesentliche darin auchauf den Redner <strong>Bernoulli</strong> zutrifft. Ein genialer Geist sprichthier zum andern.Zum Tod von Claudio BagliettoEs ist ein schöner Mensch an uns vorbeigegangen.Wir, die wir hier den letzten Schatten vorübergleiten s-ehen,:wohl jeder von uns darf sagen, dass Claudio Bagliettoihm etwas Besonderes gewesen.Denn wenn erbesonnen <strong>und</strong> gemessenein Wort sprach, so hatte das immer seine Bedeutungklug, hellsichtig, tief,schön, nach Schönheit strebend,feurig, leidenschaftlich,die Leidenschaft der Jugend in einem reifenMenschen.89' ,·.: ..


==-=-..=·~...==--=-·-·--···""""'-'-'...._ ______ _IntelligenzEine intelligente Persönlichkeit sprach zu unsnicht übersprudelndnicht stockend -gemessen, ruhig, genau.Da war nichts Unklaresnichts Unsauberesnichts nur halb zu Ende Ueberlegtes.:er hat sich selbst bewusst aufgebaut. Lektüre.fast kalt, fast unbarmherzig.Weit umspannte sein Intellektdie Geschichte der Menschheit,Philosophie.Humboldt, in der Verehrung dieses Antietatistenpar excel.haben wir uns getroffen. Aber er folgt ihm bis weit hinausin seine Philosophie der Sprachen.Kenntnisse-überraschendGesprächsweise eine Stelle aus Dante - er weiss genau<strong>und</strong> zitiert aus dem Gedächtnis eine gam:e Passage.Grüsse an Cantimori: Ein Fre<strong>und</strong> in RomDas war das Arbeitsfeld, das ihm bestimmt war: Leiter desrömischen Instituts für -deutsche Studien. Am Janiculus. Inherrlichem Garten mit weissen Pfauen. Er hat diesen w<strong>und</strong>erschönenArbeitsplatz nie zu sehen bekommen.WahrheitsliebeEr hat das Institut nie gesehen.Er hat seinem Vaterland den Rücken gekehrt: eine unerbittlichebis ans Fanatische streifende Wahrheitsliebe warin ihm wach.Er hätte nicht heucheln können.Er hätte nichts Wesentliches verschweigen können.90Von unbä-ndigem Freiheitswillen erfüllt <strong>und</strong> dem Glaubenan den hohen, den höchsten Wert der Persönlichkeit hater s.ein Vaterland verlassen<strong>und</strong> das bittere Brot der Fremde gegessen,<strong>als</strong> Emigrant.Wenn er davon sprach, war es spielend - im Restaurantsuc'hte er den Platz am hinteren Ausgang, mitdem Blick auf die Tür. Gehetztes W·iJd. Beschämend füruns - dass wir machtlos ihm gegenüberstanden.Er hat sein Emigrantenlos bis zur Neige gekostet.Er hat die Eltern nichts wissen Jassen von seinerKrankheit.Ist einS>am gestorben.!Einsam auf der harten Strasse der Wahrheit, W ahrhaftigkeitwandelnd, niedergeschlagen vom Tod.KonsequenzSeine unerbittliche Wahrheitsliebe hat ihn über das stilleGelehrtendasein hinausgetrieben. Er ist nicht in Bücherweisheitstecken g-eblieben.Eine eiserne Konsequenz trieb ihn, das <strong>als</strong> wahr, <strong>als</strong> richtig­Erkannte nun auch zu leben.Sein e Auffassung von der Bestimmung der Völker, vompolitisdlen Zusammenleben, führte ihn der Buropaunionzu.Durch eine meiner Vorlesungen vor Studierenden lernteer die Freiwirtschaft kennen. Er hat bald das Umfassendeder Silvio <strong>Gesell</strong>sehen Lehre erfasst <strong>und</strong> die Möglichkeiteiner demokratischen Wirtschaftsordnung <strong>als</strong> Gr<strong>und</strong>lageeiner wahrhaftigen Demokratie mit grosser Lebhaftigkeitbegrüsst. Ich hatte dem Vorzug, Jahre hindurch allwöchentlichzwei, drei St<strong>und</strong>en mich mit ihm zu unterhalten überThemen, die vor allem seinem Plan galten, die Freiwirtschaftin einem umfassenden Werk der italienischen Leserschaftdarzubieten. Noch bei einem der letzten Besuche hater mich gebeten, ich möchte dem Redaktor der «Freiwirt-91


...schaftliehen Zeitung» es erklären, wieso er das Blatt abgestellthabe: er sei durch äussel'ste Sparsamkeit dazu gezwungen.Den Mitgliederbeltrag werde er immer aufbringen.Derlei gebe man nicht auf.Unsere Bewegung dankt ihm viel an wertvol!en Anregungen.Es ist unscrm Fre<strong>und</strong> nicht vergönnt gewesen, sein Lebenauszuleben. Er hat viel Bitteres verarbeiten müssen. -Dieletzte Krankheit, die ihm schHesslich auch das Lesen <strong>und</strong>dann die ungehinderte Unterhaltung versagte, war ihmseihr schwer.Sein Leben war - unter kläglichsten Umständen - einschönes Dahinschreiten; für alle, die ihn gekannt ein Vorbild.Wir nehmen von ihm Abschied - reich beschenkt.92H. B .. 1. Juli 1940SeinCredoDasselbe wollen <strong>und</strong> dasselbe nicht wollen,das erst ist die feste Fre<strong>und</strong>schaft.SalustNach seiner Wahl in den Nationalrat wurde <strong>Bernoulli</strong> gefragt,welches wohl die wichtigste Aufgabe sei. Er antwortete,dass man in erster Linie die Kriegswirtschaftliquidieren <strong>und</strong> zur freien Marktwirtschaft zurückkehrenmüsse. Die Antwort ist aufschlussreich. Sie zeigt das unbedingteVertrauen in den Wettbewerb <strong>und</strong> in seine Freiheit.Er empfand einen Greuel vor der staatlich gelenkten Wirtschaft.Er lehnte die staatliche Planwirtschaft leidenschaftlichab, wesh·alb er auch ein überzeugter Antimarxist war.Seine Freiheitsliebe beschränkte sich aber nicht aufdie Wirtschaft, sondern umfasste das ganze Leben. Ihmstand eine <strong>Gesell</strong>schaft vor Augen, in der der Mensch sichfrei bewegen <strong>und</strong> Herr seines Schicks<strong>als</strong> sein konnte. Jedeunnöl!ige staatliche Bevorm<strong>und</strong>ung war ihm verhasst. Soforderte er konsequenterweise auch die freie Schule <strong>und</strong>die Abschaffung der Staatsschule.«


iebt erteilte. Glauben an die Jugend <strong>und</strong> auch an dieEltern. Aber dieses Zutrauen, dieser Glaube- es ist mög·lieh 1 - lassen dann dqe schönsten Früchte reifen.»Aber freilich, zuerst musste die Gr<strong>und</strong>lage für einesolche Freiheit geschaffen werden. Und diese Gr<strong>und</strong>lagesah er in einer Wirtschaftsordnung, die die Freiheit <strong>und</strong>die Gerecbtig'keit greiohermassen sicherstellte. In einersolchen Ordnung wollte er den Menschen sehen <strong>und</strong> ihmdann zugleic.h. auch die Verantwortung für sein eigenesSchicksal auferlegen. Der Bürger sollte aus eigener Kraftsein Schick:sal meistern <strong>und</strong> nicht von des Staat-es Gnadenabhängig sein. Der Staat sollte die Gr<strong>und</strong>lage, die Voraussetzungensdhaffen, auf denen die freien Bürger ihre Tätigkeitin voller Frei:heit ausüben konnten. Er lehnte daherden Wohlfartsstaat mit allen seinen bürokratischen Finten<strong>und</strong> Pfiffen ab. Der Bürger soll soV'iel verdienen, dass eraus eigener Kraft für sich <strong>und</strong> seine Familie in guten <strong>und</strong>sohlechten Tagen sorgen konnte.Mit grösster Sorge sah BernouUi die Diktaturen inEuropa gross werden. Die Vergewaltigung der Persönlichkeit,die diese mit sich brachten, waren ihm ein wahrer,ein entsetzlicher Greuel. Er erkannte in ihnen die Mörderder Freiheit, eben jener Freiheit, für die er sich ein L-ebenlang eingesetzt hatte. Er scheute sich auch keinesweg·s,seinen liberalen Standpunkt jederzeit zu vertreten. DieBasler Universität hatte <strong>als</strong> Nachfolger Edgar Salins ProfessorR•itschl berufen. Frau Ritschl war die Schülerin, sodass zwischen den beiden Familien ein gewisser Kontakthergestellt wurde, obschon Bernoull{ den Professor nichtbesonders schätzte, ihn <strong>als</strong> einen blassen Schatten seinesVorgängers bezeichnete. Bi:nes Tages nun folgten Bernoul­~is einer Einladung zu Ritsdhls <strong>und</strong> trafen dort eine grössere<strong>Gesell</strong>schaft von etwa 30 Personen an, ohne zu wissen,was diese grosse <strong>Gesell</strong>schaft bedeuten sollte.Sch:liesshch aber erhob sich der Hausherr <strong>und</strong> hielt eineRede <strong>und</strong> erklärte, sie seien zusammengekommen, «Um diegrossen Taten der deutschen Waffen zu feiern. Polen seiendgülttig besiegt <strong>und</strong> Deutschland gehe einer grossen Zeit94entgegen », usw. usw. Nachdem der Hausherr unter starkemApplaus der <strong>Gesell</strong>schaft, die aus Deutschen be.stand,geend,et hatte, erhob sich <strong>Bernoulli</strong> <strong>und</strong> erklärte scharf <strong>und</strong>unzweideutig, er betrachte Hitlers Ueberfall auf Polen al\5ein Verbrechen. Die Bombardierung von Warschau, daser von mehreren Besuchen sehr gut kenne <strong>und</strong> das nichtim geringsten befestigt sei, sei eine Schandtat. Die Tötungvon Zehntausenden unschuldiger Mitglieder des von ihmhochgeachteten Volkes schreie zum Himmel. Dass dieseScheusslichke'iten in diesem Hause gefeiert würden, seiunglaublich, weshalb er es verlassen müsse. Sprachs, nahmse:ine Frau an der Hand <strong>und</strong> liess die traurige Gese-llschaftverblüfft zurück.In einem seiner Gedichte «Der Hass der Nationen»heisst es zum Schluss: «Die Liebe ist es <strong>und</strong> der Spass, dieunsre Welt regieren.» Es war für <strong>Bernoulli</strong>, der stets aneine bessere Zukunft der Welt glaubte <strong>und</strong> Gewalt <strong>und</strong>Machtmissbrauoh aus tiefster Seele hasste, e!in schwererSohlag, dass die Sintflut des Nationalismus erneut dieHoffnung auf eine friedliche Entwicklung zerstörte. Er littunter den Greueitaten, die die Nazis vollbrachten <strong>und</strong> wartief beunruhigt, dass so etwas in unserer Zeit noch möglichwar.Diese Missetaten feuerten ihn aber auch an, alles zu tun,wn eine Wiederholung solcher Schrecknisse zu verhindern.Er kämpfte stets mit vollem Einsatz für die Wahrheit<strong>und</strong> die Freiheit. Er war ein überzeugter Uiberaler imbesten Sinne des Wortes. Nur eine liberale Ordnung empfander <strong>als</strong> menschenwürdig, <strong>und</strong> für sie setzte er sichZeit seines Lebens mit aller Kraft ein.95


Der AbschiedWas gilt innerhalb der Ewigkeit des Lebensdie kurze Spanne eines Menschenlebens.Zeit, viel Zeit gehört zur Entwicklung,<strong>und</strong> wo man gegen alte, organisch verwachseneVorurteile zu kämpfen lwt,darf man die Jahre nicht zählen.Silvio <strong>Gesell</strong>Am 12. September 1959 ist <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>l nach längeremLeiden, das auoh noch zur Erblindung führte - gestorben.Seine Frau war .iihm im Tode vorangegangen. Bei einemmeiner letzten Besuche musste ich ihm versprech·en, nachder Rede des Pfarrers, den er cbenfaUs bestimmte , an seinerAbdankung zu sprechen. Ich habe selbstverstä.ndilchmein Versprechen gehalten <strong>und</strong> ve11sucht, in dieser Trauerrededem bedeutenden Manne <strong>und</strong> seinem Werk gerechtzu werden. Diese Abschiedsworte mögen diase kurze Biographiebeschlies


- zca ·-igerlieh auf das Problem des Eigentums an Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Bodenstossen <strong>und</strong> erkennen, dass der private Gr<strong>und</strong>besitznicht nur die Ausbeutung des Volkes durch die Gr<strong>und</strong>renteermöglichte, sondern gleichzeitig auch jede grasszügigePlanung illusorisch machte. Den Verwalter eines reichenhumanistischen Erbes, dessen Dasein in einer tiefen Gläubigkeitwurzelten, musste eine natürliche Wirtschaftsordnung,die den Menschen in die Freiheit <strong>und</strong> Selbstverantwortungstellte, um so mehr ansprechen, <strong>als</strong> sie den Gebotender Gerechtigkeit entsprach. Dem Architekten <strong>und</strong>Nachfahren des grossen Mathematikers end1ich musste diestrenge <strong>und</strong> unausweichliche Logik der Lehre imponieren.Den Kün-stler <strong>und</strong> Dichter schldesslich, der er war, musstedie grandiose Sohau einer freien Welt beglücken. Er Iiesssie immer <strong>und</strong> immer wieder in neuen Aspekten vor unsersrehen, <strong>und</strong> seine fein geschliffenen, historischen Miniaturen,in sprachlicher Vollendung dargeboten, gehören mitzum Besten seiner umfassenden literarischen Produktion.Sie legen, wie alles was er schrieb, Zeugnis ab von dergrossen Verantwortung des Künstlers gegenüber Stoff <strong>und</strong>Sprache. In Ricarda Huch verehrte er seine grosse literarischeLehrmeisterin.So wie der Architekt seine Pläne in die Wirklichkeitumsetzt, vom Zeichentisch auf den Werkp·latz schreitet, sotrat der Volkswirtschafter aus der Studierstube hinaus aufsFeld der Politik, um in die Tat umzusetzen, was seinePhantasie <strong>und</strong> seine Erkenntnisse ihn schauen Hessen. Damitfreilich begab sich <strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> auf ein Feld, dasschwer zu beackern war. In zahllosen Vorträgen, Schriften<strong>und</strong> Aufsätzen entwickelte er seine Lehren, angriffig, unerbittlich.Hier aber wurde er zum Aergernls aller Offiziellen,die aus Eigennutz oder Bequemlichkeit nur das Bestehende<strong>und</strong> Unvollkommene verteidigten <strong>und</strong> das Neue ablehnten.'<strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong> war kein Volkstribun. Er war k-eingrosser Volksredner. Alles Demagogische lag ihm völligfern. Klarheit <strong>und</strong> Wahrhelit, das waren seine Waffen.Dummheit <strong>und</strong> Unbelehrbarkeit der Gegner konnten ihn98entwaffnen <strong>und</strong> konsternieren. Sie konnten ihn aber auchhinreissen zu scharfen <strong>und</strong> bitteren Worten. Er Hebte dasklare, auch das harte Wort <strong>und</strong> schreckte nicht davorzurück, Trennungsstriche zu ziehen, wenn es notwend!igerschien.Diese Kompromisslosigkeit se-ines Wesens hat ihnschliesslloh seinen Lehrstuhl an der ETH gekostet. UnvergessLichbleibt mir jene St<strong>und</strong>e, da er mir in meinem ArbeitsZ'immerKenntnis gab von jenem Schreiben des Schul·rates - das man .i.hm sinnigerweise auf den Weihnachtstag1938 ins Haus geschickt hatte - <strong>und</strong> durch welchesman ihm Kenntnis gab von seiner Entloosung, wonach aufdie Dienste des hervorragenden Lehrers wegen seiner <strong>politische</strong>nTätigkeit verzichtet werden müsse. Dieser Blitz ausheiterem Himmel ·hat -ihn tief getroffen. Seine Lehrtätigkeitwar ihm Innerstes Anliegen. Es machte ihn aber auch deswegenbetroffen, weil man damit dem Hochschullehrer dieverbrieften Rechte des freien Bürgers absprach. Alle Pro·testversammlungen, alle Protestschreiben der Architektenschaft,alle Proteste der Presse nützten nichts. Der b<strong>und</strong>es·rätliche <strong>Kultur</strong>wahr·er <strong>und</strong> oberste Schirmherr der ETHblieb bei seinem <strong>und</strong>emokrabischen, allen freiheitlichenTraditionen des Landes hohnsprechenden Entscheid. Wirwollen es an der Bahre dieses Mananes, der sich der Wahr·heit <strong>und</strong> Freiheit tief verpflichtet fühlte, noch einmal of·fen aussprechen, dass dieser Akt unserer Behörden demLande zur Schande gereichte.So schmerzlich <strong>Bernoulli</strong> der Abschied von seinemLehramte wurde - nicht einen Augenblick dachte erdar an,· zu Kreuze zu kr·iechen.Er blieb der selbstgewählten Aufgabe treu. Dankbaraber wollen wir seiner Vaterstadt gedenken, die ihm inmehrfacher Hinsicht ·ihren Dank abstattete. Im Jahre 1947wählte ihn das Volk in den Nationalrat, wo er gewichtige<strong>und</strong> beachtete Voten abgab. Im Auftrag des LandesringesBasel, auf dessen Liste er ge-wählt wurde, sowie im Namender Nationalratsfraktion des Landesringes habe ich <strong>Hans</strong><strong>Bernoulli</strong> für seine Arbeit im Parlament herzlich zu dan-99


' I - ..ken. Einen Monat später verlieh ihm die Universität dieWürde eines ·Ehrendoktors, wobei sie in der Laudationachdrücklich darauf 'hinwies, dass er an der oberstenSchule des Landes mit höchstem Erfolg gelehrt habe.Sohliesslich <strong>und</strong> endlich anvertraute sie ~hm den Bau desneuen Realgymnas-iums, der zu seiner letzten grossen architektonischenAufgabe werden sollte.Nun ist der grosse Baumeister nicht mehr. Cross <strong>und</strong>mächtig aber wirkt die Fülle seines reichen Lebens auf.uns. Es ist ein Werk, dessen F<strong>und</strong>ament im Ewigen <strong>und</strong>Unvergänglichen ruht <strong>und</strong> deshalb unzerstörbar ist. EinWerk, zu dem wir immer wieder Zuflucht nehmen können<strong>und</strong> werden, so wie wir immer wieder Rat <strong>und</strong> Trost beimMenschen <strong>Bernoulli</strong> fanden. Wie oft doch hat er uns ermunterndzugerufen, wie oft hat sein Wort in den dunklenTagen des Krieges uns aufgerichtet.Die Arbeit für den künftgen Frieden,Die macht - wenn du es recht erwägst,Sei glücklich, dass sie dir beschieden! -Dass du das Leben noch erträgst.So s~hloss er einen Sllvesterspruch. Die Arbeit für denkünftgen Frieden - das war die grosse Arbeit <strong>Hans</strong> Berooullis.Der Architekt, er schuf den Menschen Heimstätten.Der Volkswirtschafter <strong>und</strong> Politiker, er baute an ein·erfreien <strong>und</strong> glücklichen Welt. Das Licht, das er uns vorantrug,heiteren Sinnes <strong>und</strong> in froher Zuversicht, wir wollenes übernehmen <strong>und</strong> dem Fre<strong>und</strong>, seine eigenen Worte ausden Augusttagen 1939leise wandelnd, es geloben:Dieses Lichtlein durch den Sturm zu tragen,Dazu sind <strong>als</strong> Hüter wir bestellt,Dass es dann in spätem, schönem Tagen,Eine neue, schönre Welt erohellt.<strong>Hans</strong> <strong>Bernoulli</strong>E-in blauer Herbst, der Morgen voller Sonne,Im heissen Strahl fällt trocken Blatt um Blatt;Nach einer letzten Nacht bist Du gestorben,Erschöpft vom Leiden, alt <strong>und</strong> lebenssattDu liegst, vor Deinem Ende schon entglitten,Bin klein geworden, aufgezehrter Leib;Die Züge fremd entstellt, von Dir verlassen.Den Toten bäte keiner, «bleib noch, bleibl l>Nein, alle danken, dass Dein Geist sidh lösteVon einem Körper, der i.hn qualvoll band:Dass er, <strong>als</strong> dem zu äussersten V'erbrauchten,In Gott entschlafen, seine Ruhe fand.Dein Leben war ein streng bewusstes Streben,D.ie reichen Gaben, vom Geschick beschert,Zur Förderung von Volk <strong>und</strong> Land zu nutzen;Zäh hast Du Dich für freies Recht gewehrt.Und warst doch Künstler, warst dazu geboren,Im Bild zu halten, was der Blick erschaut,Mit Worten, Schriften sprühend anzuregen,Und gross erstand, was Du geplant, gebaut.Nur wenige vermochten Dir zu folgen;Vor~us im Denken, wurdest Du veJJhöhnt,Warst Aergernis, verdächtig durch das Neue,Noch nicht b-ewä•hrt, dem Bürger nicht gewöhnt.Und imm~r hat sich, wie Du Dich aueth mühtest,Die Anerkennung feige abgewandt;Blieb des Befugten Urtedl unbeachtet,Sein Wirken übergangen, nicht genannt.100101


So bist Du schliesslich müde, alt geworden,Verstummte, was sich schöpferisclh versprach;Doch keine Bitterke·it verdarb Dein Lächeln,Es 'W'Urde milde, sah verze.ihend nach.Dem Nächsten bist Du Rat <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong> geblieben,Auch <strong>als</strong> das Alter Dir die Kräfte nahm;Dein sanft Bescheiden neigte sich dem Kleinen,Der scheu in Dein versunken Dämmern kam.Dann gabst Du, was Du ihm noch geben konntest,Warst dem Beglückten nahe Gegenwart;Er durfte nehmen, <strong>und</strong> er durfte fehlen,ein Beistand hob ihn auf <strong>und</strong> hat bewahrt.Ein blauer Herbst, Du bist von uns gegangen;Du liegst, vom Baum gefallen, wie das Blatt;Entseelt, erloschen, was von Taten glühte,Was über uns hinaus gewiesen hat.Nicht tot: Du hast es gläubig vorempf<strong>und</strong>en;Der Samen keimt, den Gott durch Dich gesät;So, wie Du treu warst, wird Dir Treue folgenWas tut's, kommt auch für Dich der Dank zu spät?-12. 9. 1959, Margrit Gutknecht102


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' I - -Wie berechtigt WSZs alias Leporellos legendärer Ruf <strong>als</strong>brillanter Redner vor dem Nationalrat gewesen sein mag,wo seine Voten stets <strong>als</strong> Höhepunkte parlamentarischerAuseinandersetzungen gewertet worden sind, beweist dieklare, anschauliche <strong>und</strong> immer an der richtigen Stelledurch einen Schuss Witz <strong>und</strong> Humor aufgehellte Aus·drucksweise dieses Buches. Es dokumentiert sowohl einStück bewegter Zeitgeschichte, <strong>als</strong> es Zeugnis ablegt voneinem nonkonformistischen Charakterkopf, der bei aller.Streitbarkeit den mazartsehen Charme eines Leporello insich vereinigt.(Peter Heisch im ccNebelspalter»)So möchte ich denn diesen Hinweis auf « WSZ, Erlebnisse<strong>und</strong> Begegnungen» mit dem Dank an meinen KollegenW crnerSchmid beschliessen: Dank für seinen goldlauterenCharakter, Dank für den Mut zu Kampf <strong>und</strong> Bekenntnis,Dank für die seltene Gabe der Unbestechlichkeit. Und dasBuch selbst sei den Lesern des Republikaners <strong>als</strong> Lektüreaufs Wärmste empfohlen.(Nationalrat James Schwarzenbach im ccRepublikanetll}Werner Schmid, seit seinen jungen Jahren ein <strong>politische</strong>rFeuerkopf, Idealist <strong>und</strong> Fanatiker für Gerechtigkeit <strong>und</strong>Wahrheit, ist seit fünfzig Jahren in unserem Lande einBegriff: Unabhängig im Denken, furchtlos im Sagen dessen,was 2lU sagen er für notwendig hält, immer im Angriff,wo er Recht <strong>und</strong> Freiheit gefährdet sieht, aber bei allerLeidenschaft auc'h mit einem versöhnlichen Humor ausgestattet,der es ihm erlaubt, zwar den faulen Kompromissabzulehnen, aber doch dem Gegner den guten GlaubenzuzubiJ:Iigen - bis zum Beweis des Gegenteils ... Er istein Zeitgenosse von grosser Ueberzeugungstreue <strong>und</strong> vonkritischem Verstand, ein Mensch von aufrechtem Gang,dem wir Bestes zu danken haben.(Al/red A. Häsler in der «Tat1))W erner Schmid ist ein Meister der Sprache. Mit welcherAnschaulichkeit <strong>und</strong> Lebendigkeit weiss er zu erzählen,Licht in verworrene Zusammenhänge zu bringen <strong>und</strong> auchanscheinend noch so schwere Gedankengänge klar <strong>und</strong>einfach darzustellen.(Nationalrat Heinrich Staehelinin der Zürichsee-Zeitung <strong>und</strong> lm Aargauer Tagblatt)Insbesondere auch Nationalökonomen, Historiker <strong>und</strong> diepolitisch aufgeschlossene Jugend hätten Anlass, begierignach diesem Buch zu greifen.(Johannes Merz lm «B<strong>und</strong>>l)106107


-----===:=!·"• .. ~~·===. } -- -~Fritz SchwarzLebensbild eines Volksfre<strong>und</strong>es130 Seiten <strong>und</strong> 12 Kunstdrucktafe'ln, Fr. 14.80.Schmid, ein Fre<strong>und</strong> des am 17. November 1958 Verstorbenen,entwirft ein lebendiges Bild des Verstorbenen, seinerungeheuren Arbeitskraft, &einer Vielseitigkeit, seinerZuversicht <strong>und</strong> seines Humors. Das Buch hätte es verdient,ein Volksbuch zu werden. Es hat allen Schichten unsererBevölkerung etwas zu sagen, weil dieser Bauernbub einwirklicher Volksfre<strong>und</strong> war, eiJller der bedeutendsten Bernerder letzten h<strong>und</strong>ert Jahre.(Eduard Burri,


Ich lese gerade Ihr Buch über Fritz Schwarz, <strong>und</strong> ich weissnidht, wer mir besser gefällt: der, von dem das Buch handelt- oder der es geschrieben hat I Ich lese es mit wahrerBegeisterung <strong>und</strong> dem Empfiooen, hier dem edeh:tenSchweizerturn in seiner neueren Geschichte begegnen zudürfen.Ganz herzliche Grüsse Ihr B. Wulf.(Berthold Wuli, Zürich)Schon seit langer Zeit hatte ich die Absicht, Ihnen zuschreiben <strong>und</strong> mich bei Ihnen aufs herzlichste zu bedankenfür das von Ihnen so w<strong>und</strong>erbar gezeichnete Bild unseresgrossen Vorkämpfers Fritz Schwarz. Auch für die Lebensbiographievon Silvio <strong>Gesell</strong> bin ich Ihnen noch zutiefstverb<strong>und</strong>en.(Dr. Kurt Seidler, Hamburg)Was ich las, ist mir zu Herzen gegangen <strong>und</strong> sitzt nochheute drin.(Arnold Kübler)Silvio <strong>Gesell</strong>Lebensgeschichte eines Pioniers366 Seiten, zahlreiche Fotos, Fr. 28.-.Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen nochm<strong>als</strong> zu sagen, wie sehrich mich Ihnen zu Dank verpflichtet fühle, durch dasschönste Ihrer schriftstellerischen Werke - die <strong>Gesell</strong>­Biographie. Voll tiefer Bewegung <strong>und</strong> aufrichtiger Bew<strong>und</strong>erungfür Ihr kaum fassbares Einfühlungsvermögen indie hinreissende Persönlichkeit Gese1ls, erstand beim völligentrückten Lesen der geliebte Fre<strong>und</strong> unserer Jugendzeitnahezu gre·ifbar aufs Neue vor mir.(Maria Rapp-Blumenthal)Carl J. Burckhardt94 Seiten, Fr. 1.80.Die verlorene Freiheit:25 Jahre WirtschaftsartikelMit dem <strong>Hans</strong>-<strong>Bernoulli</strong>-Preis 19?3 ausgezeichnet,24 Seiten, Fr. 2.-.Eine Schrift, die in vorzüglicher Weise die Problematikder nun bereits 25 Jahre ·bestehenden Wirtschaftsartikelaufzeigt <strong>und</strong> nicht zuletzt im Hinblick auf einen allfälligenKonjunkturartike-l heute von besonderem Interesse ist.(Wirlschaftslörderung)111

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