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Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang<br />
len erzielten, erfahren künftig eine erhebliche finanzielle<br />
Schlechterstellung gegenüber Konkurrentinnen,<br />
die das „Drei-Länder-Quorum“ erreichten<br />
0 . Diese „Ungleichbehandlung“ müsse<br />
sich verfassungsrechtlich rechtfertigen lassen 0 .<br />
Das Gericht untersucht sodann die fünf vorgebrachten<br />
Rechtfertigungsgründe. Der in den<br />
Gesetzesmaterialien genannte Regelungsgrund,<br />
kleine Parteien hätten sich bewusst in Ländern<br />
mit einer geringen Anzahl Wahlberechtigter zur<br />
Wahl gestellt, um bundesweit den Zuwendungsanteil<br />
gewinnen zu können 0 , wird als durch die<br />
zurückliegenden Wahlen nicht bestätigt zurückgewiesen.<br />
Nach eingehender Analyse der Wahlergebnis<br />
stellte das BVerfG fest, dass die Zahl<br />
der kleinen Parteien, die seit In-Kraft-Treten der<br />
neu ausgestalteten Parteienfinanzierung in den<br />
Stadtstaaten zu den Landtagswahlen angetreten<br />
seien, unterschieden sich nicht wesentlich von<br />
der in anderen Ländern. Gleiches gelte hinsichtlich<br />
der Anzahl der Parteien, die nach der Wahl<br />
an der Parteienfinanzierung teilnehmen konnten.<br />
Darüber hinaus ergäben sich aus den Wahlergebnissen<br />
in den Stadtstaaten keine Anhaltspunkte<br />
dafür, dass das bislang geltende Mindeststimmenquorum<br />
selbst im Falle unterstellter<br />
Missbrauchstendenzen der Parteien, unzureichend<br />
gewesen sei, um einer missbräuchlichen<br />
Inanspruchnahme staatlicher Zuwendungen von<br />
Parteien wirksam begegnen können.<br />
Im Anschluss daran befasst sich das Gericht mit<br />
einer möglichen Rechtfertigung durch die Absicht,<br />
den Wählerstimmen- und den Zuwendungsanteil<br />
bei der Ausgestaltung der staatlichen<br />
Teilfinanzierung einander anzugleichen.<br />
Das BVerfG stellt zunächst fest, dass sich für<br />
das genannte Ziel in den Gesetzesmaterialien<br />
keine Bestätigung fände. Sodann wird geprüft,<br />
ob die Regelung des „Drei-Länder-Quorums“<br />
überhaupt geeignet sei, einen unterschiedlich hohen<br />
Wählerstimmen- und Zuwendungsanteil<br />
anzugleichen. Da es im Sinne eines „Alles-oder-<br />
0 BVerfG, Urteil vom 26.10.2004 – 2 BvE 1/02 u.a. –<br />
in: NvWZ 2004, 1473 (1474).<br />
0 Siehe dazu Michael Sachs, in: JuS <strong>2005</strong>, 167 (169),<br />
der darauf hinweist, dass das BVerfG die beiden unterschiedlichen<br />
Formen von „Rechtfertigung“ nicht klar<br />
unterscheidet.<br />
0 BT-Drucks. 14/8778, S. 13,20.<br />
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Nichts-Prinzips“ wirke, sei es schon konzeptionell<br />
nicht in der Lage, ein bestehendes Missverhältnis<br />
angemessen auszugleichen. Das<br />
Gericht stellte außerdem fest, dass das „Drei-<br />
Länder-Quorum“ die grundgesetzlich gewährleistete<br />
Offenheit des politischen Prozesses in<br />
verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigender<br />
Weise beschränke Der dogmatische Standort<br />
dieser Kernaussagen des Urteils erschließt sich<br />
dabei nicht ohne weiteres 0 . Die Offenheit des<br />
politischen Prozesses sei durch die Möglichkeit<br />
gekennzeichnet, jederzeit neue Parteien zu<br />
gründen, um neuen politischen Vorstellungen<br />
die Chance zu eröffnen, im Prozess der politischen<br />
Willensbildung des Volkes wirksam zu<br />
werden. So werde einer Erstarrung des<br />
Parteiwesens vorgebeugt. Für den in der<br />
Verfassung angelegten politischen Wettbewerb<br />
bedürfe es chancengleicher Bedingungen, vor<br />
allem einen für alle offenen Zugang zum politischen<br />
Markt 0 . Betont wird die Bedeutung<br />
kleiner Parteien für den politischen Prozess und<br />
die politische Landschaft. Der Wettbewerb zwischen<br />
den Parteien könne auf Dauer nur wirken,<br />
wenn er nicht auf die Konkurrenz zwischen den<br />
bereits existierenden und erfolgreichen<br />
beschränkt bliebe, sondern durch das Hinzutreten<br />
neuer Wettbewerber und die anhaltende Herausforderung<br />
durch die kleinen Parteien erweitert,<br />
intensiviert und gefördert werde. Kleine<br />
Parteien seien, wegen der „Resonanzen bei den<br />
Parlamentsparteien“, für das Mehrparteiensystem<br />
bedeutsam und für den Wettbewerb förderlich<br />
0 . Schon die potentielle Konkurrenz, d.h. die<br />
Chance neuer Wettbewerber, für überzeugende<br />
Lösungskonzepte bei Wahlen belohnt zu<br />
werden, zwinge die etablierten Parteien zu einer<br />
Rückkoppelung mit dem Volk. Daher dürfe das<br />
Recht der Parteienfinanzierung das Entstehen<br />
neuer Parteien und deren Zutritt zum politischen<br />
Wettbewerb nicht über Gebühr erschweren.<br />
0 Siehe dazu auch Michael Sachs, in: JuS <strong>2005</strong>, 167<br />
(169) und Martin Morlok, Das BVerfG als Hüter des<br />
Parteienwettbewerbs, in: NVwZ <strong>2005</strong>, 157 (159).<br />
0 Vgl dazu bereits Martin Morlok, Parteienrecht als<br />
Wettbewerbsrecht, in: Peter Häberle/Martin<br />
Morlok/Vassilios Skouris (Hrsg.), Festschrift für Dimitris<br />
Th. Tsatsos, Baden-Baden 2003, S. 408 (432 ff.).<br />
0 BVerfG, Urteil vom 26.10.2004 – 2 BvE 1/02 u.a. –<br />
in: NVwZ 2004, 1473 (1475).