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2005, Heft 12, S. 87–88 - PRuF

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Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang<br />

len erzielten, erfahren künftig eine erhebliche finanzielle<br />

Schlechterstellung gegenüber Konkurrentinnen,<br />

die das „Drei-Länder-Quorum“ erreichten<br />

0 . Diese „Ungleichbehandlung“ müsse<br />

sich verfassungsrechtlich rechtfertigen lassen 0 .<br />

Das Gericht untersucht sodann die fünf vorgebrachten<br />

Rechtfertigungsgründe. Der in den<br />

Gesetzesmaterialien genannte Regelungsgrund,<br />

kleine Parteien hätten sich bewusst in Ländern<br />

mit einer geringen Anzahl Wahlberechtigter zur<br />

Wahl gestellt, um bundesweit den Zuwendungsanteil<br />

gewinnen zu können 0 , wird als durch die<br />

zurückliegenden Wahlen nicht bestätigt zurückgewiesen.<br />

Nach eingehender Analyse der Wahlergebnis<br />

stellte das BVerfG fest, dass die Zahl<br />

der kleinen Parteien, die seit In-Kraft-Treten der<br />

neu ausgestalteten Parteienfinanzierung in den<br />

Stadtstaaten zu den Landtagswahlen angetreten<br />

seien, unterschieden sich nicht wesentlich von<br />

der in anderen Ländern. Gleiches gelte hinsichtlich<br />

der Anzahl der Parteien, die nach der Wahl<br />

an der Parteienfinanzierung teilnehmen konnten.<br />

Darüber hinaus ergäben sich aus den Wahlergebnissen<br />

in den Stadtstaaten keine Anhaltspunkte<br />

dafür, dass das bislang geltende Mindeststimmenquorum<br />

selbst im Falle unterstellter<br />

Missbrauchstendenzen der Parteien, unzureichend<br />

gewesen sei, um einer missbräuchlichen<br />

Inanspruchnahme staatlicher Zuwendungen von<br />

Parteien wirksam begegnen können.<br />

Im Anschluss daran befasst sich das Gericht mit<br />

einer möglichen Rechtfertigung durch die Absicht,<br />

den Wählerstimmen- und den Zuwendungsanteil<br />

bei der Ausgestaltung der staatlichen<br />

Teilfinanzierung einander anzugleichen.<br />

Das BVerfG stellt zunächst fest, dass sich für<br />

das genannte Ziel in den Gesetzesmaterialien<br />

keine Bestätigung fände. Sodann wird geprüft,<br />

ob die Regelung des „Drei-Länder-Quorums“<br />

überhaupt geeignet sei, einen unterschiedlich hohen<br />

Wählerstimmen- und Zuwendungsanteil<br />

anzugleichen. Da es im Sinne eines „Alles-oder-<br />

0 BVerfG, Urteil vom 26.10.2004 – 2 BvE 1/02 u.a. –<br />

in: NvWZ 2004, 1473 (1474).<br />

0 Siehe dazu Michael Sachs, in: JuS <strong>2005</strong>, 167 (169),<br />

der darauf hinweist, dass das BVerfG die beiden unterschiedlichen<br />

Formen von „Rechtfertigung“ nicht klar<br />

unterscheidet.<br />

0 BT-Drucks. 14/8778, S. 13,20.<br />

96<br />

Nichts-Prinzips“ wirke, sei es schon konzeptionell<br />

nicht in der Lage, ein bestehendes Missverhältnis<br />

angemessen auszugleichen. Das<br />

Gericht stellte außerdem fest, dass das „Drei-<br />

Länder-Quorum“ die grundgesetzlich gewährleistete<br />

Offenheit des politischen Prozesses in<br />

verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigender<br />

Weise beschränke Der dogmatische Standort<br />

dieser Kernaussagen des Urteils erschließt sich<br />

dabei nicht ohne weiteres 0 . Die Offenheit des<br />

politischen Prozesses sei durch die Möglichkeit<br />

gekennzeichnet, jederzeit neue Parteien zu<br />

gründen, um neuen politischen Vorstellungen<br />

die Chance zu eröffnen, im Prozess der politischen<br />

Willensbildung des Volkes wirksam zu<br />

werden. So werde einer Erstarrung des<br />

Parteiwesens vorgebeugt. Für den in der<br />

Verfassung angelegten politischen Wettbewerb<br />

bedürfe es chancengleicher Bedingungen, vor<br />

allem einen für alle offenen Zugang zum politischen<br />

Markt 0 . Betont wird die Bedeutung<br />

kleiner Parteien für den politischen Prozess und<br />

die politische Landschaft. Der Wettbewerb zwischen<br />

den Parteien könne auf Dauer nur wirken,<br />

wenn er nicht auf die Konkurrenz zwischen den<br />

bereits existierenden und erfolgreichen<br />

beschränkt bliebe, sondern durch das Hinzutreten<br />

neuer Wettbewerber und die anhaltende Herausforderung<br />

durch die kleinen Parteien erweitert,<br />

intensiviert und gefördert werde. Kleine<br />

Parteien seien, wegen der „Resonanzen bei den<br />

Parlamentsparteien“, für das Mehrparteiensystem<br />

bedeutsam und für den Wettbewerb förderlich<br />

0 . Schon die potentielle Konkurrenz, d.h. die<br />

Chance neuer Wettbewerber, für überzeugende<br />

Lösungskonzepte bei Wahlen belohnt zu<br />

werden, zwinge die etablierten Parteien zu einer<br />

Rückkoppelung mit dem Volk. Daher dürfe das<br />

Recht der Parteienfinanzierung das Entstehen<br />

neuer Parteien und deren Zutritt zum politischen<br />

Wettbewerb nicht über Gebühr erschweren.<br />

0 Siehe dazu auch Michael Sachs, in: JuS <strong>2005</strong>, 167<br />

(169) und Martin Morlok, Das BVerfG als Hüter des<br />

Parteienwettbewerbs, in: NVwZ <strong>2005</strong>, 157 (159).<br />

0 Vgl dazu bereits Martin Morlok, Parteienrecht als<br />

Wettbewerbsrecht, in: Peter Häberle/Martin<br />

Morlok/Vassilios Skouris (Hrsg.), Festschrift für Dimitris<br />

Th. Tsatsos, Baden-Baden 2003, S. 408 (432 ff.).<br />

0 BVerfG, Urteil vom 26.10.2004 – 2 BvE 1/02 u.a. –<br />

in: NVwZ 2004, 1473 (1475).

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