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Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang<br />
Berlin 0 . Der Fünfte Abschnitt des Parteiengesetzes<br />
1994 habe nicht lediglich die nackte Form<br />
eines formelle Rechtssicherheit gewährenden<br />
Zahlenwerks verbürgen wollen, damit irgendwelche<br />
Berechnungen eine bestandskräftige<br />
Grundlage finden. Vielmehr habe es die Transparenz<br />
der tatsächlichen Parteienfinanzierung sicherstellen<br />
wollen und müssen 0 . Anderenfalls<br />
könne jede in eine hinreichende Form gebrachte<br />
„Lüge“ in vollem Umfang zum Bezug staatlicher<br />
Mittel berechtigen 0 .<br />
Der Bundestagspräsident als mittelverwaltende<br />
Stelle wird durch den Beschluss des BVerfG in<br />
seiner Stellung ausdrücklich gestärkt. Das Prüfungsrecht<br />
des Bundestagspräsidenten sei nicht<br />
im Individualinteresse einzelner Parteien, sondern<br />
im Allgemeininteresse um der Verwirklichung<br />
des Transparenz- und Publizitätsgebots<br />
0 Im Schrifttum wurden zwei entgegengesetzte Meinungen<br />
vertreten. Die eine Auffassung geht davon aus,<br />
dass § 19 IV 3 PartG 1994 im Gegensatz zu § 23 IV 3<br />
PartG 1994 nicht um Vorschriften des Fünften Abschnitts<br />
handele mit der Folge, dass für den Anspruch<br />
auf staatliche Mittel nur darauf ankomme, dass bis zum<br />
Stichtag überhaupt ein Rechenschaftsbericht eingereicht<br />
wurde. Das BVerfG verweist auf<br />
Depenheuer/Grzezick, Zwischen gesetzlicher Haftung<br />
und politischer Verantwortlichkeit, DVBl. 2000, 736<br />
(738); Koch, Verlust der Teilhabe an staatlicher Parteienfinanzierung<br />
bei fehlerhaftem<br />
Rechenschaftsbericht?, NJW 2000, 1004 (1005);<br />
ders., Rechtsfolgen unzureichender Rechenschaftslegung<br />
politischer Parteien, AöR <strong>12</strong>7 (2002), 165 (175<br />
ff, 189 ff.; Huber, Das parteienrechtliche Transparenzgebot<br />
und seine Sanktionierung, DÖV 2000, 745 (748<br />
f.). Die Gegenmeinung sieht dagegen die §§ 19 IV 3,<br />
23 IV PartG 1994 in einem engen Zusammenhang und<br />
nimmt mithin an, dass unter dem Bergriff des Rechenschaftsberichts<br />
einheitlich nur ein solcher verstanden<br />
werden kann, der bezüglich seiner inhaltlichen Richtigkeit<br />
und Vollständigkeit den gesetzlichen Anforderungen<br />
entspricht. Das Gericht verweist hier auf<br />
Heinig/Streit, Die direkte staatliche Parteienfinanzierung:<br />
Verfassungsrechtliche Grundlagen und<br />
parteiengesetzliche Rechtsfragen, JURA 2000, 393<br />
(396); Morlok, Spenden – Rechenschaftsberichte –<br />
Sanktionen, NJW 2000, 761 (766); Masing, Auslegung<br />
oder Auslegungsverweigerung?, NJW 2001, 2353<br />
(2355); Merten, Gesetzmäßige Parteienfinanzierung,<br />
MIP 9 (1999), Sonderbeilage, S. 11 (14 f.).<br />
0 BVerfG, Beschluss vom 17.06.2004 – 2 BvR 383/03 –<br />
in: NJW <strong>2005</strong>, <strong>12</strong>6 (<strong>12</strong>8).<br />
0 BVerfG, Beschluss vom 17.06.2004 – 2 BvR 383/03 –<br />
in: NJW <strong>2005</strong>, <strong>12</strong>6 (<strong>12</strong>8).<br />
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willen gegeben. Der Bundestagspräsident sei<br />
nicht lediglich auf eine Plausibilitätskontrolle<br />
beschränkt. Dies bedeute im Umkehrschluss<br />
aber auch nicht, dass jeder Rechenschaftsbericht<br />
im Detail zu prüfen sei. Vielmehr bestimme die<br />
Bundestagsverwaltung gemäß § 24 I, 1.<br />
Halbs. VwVfG Art und Umfang ihrer Ermittlungen<br />
selbst 0 .<br />
Das Gericht setzte sich ausführlich mit der Zulässigkeit<br />
der Unterscheidung zwischen wesentlichen<br />
und unwesentlichen Fehlern eines Rechenschaftsberichts<br />
auseinander. Das<br />
verfassungsrechtliche Transparenz- und Publizitätsgebot<br />
aus Art. 21 I 4 GG und die einfachgesetzliche<br />
Ausgestaltung in § 19 IV 3 PartG 1994<br />
enthielten keine „pauschale Alles- oder Nichts-<br />
Lösung“ 0 . Eine Verletzung sei nur bei wesentlichen<br />
Fehlern gegeben. Die Grenzziehung sei Sache<br />
der mittelverwaltenden Stelle und ggf. der<br />
zuständigen Gerichte im konkreten Einzelfall.<br />
Dem Bundestagspräsidenten stehe bei seiner<br />
Entscheidung weder ein Beurteilungs- noch ein<br />
Ermessensspielraum zu, so dass eine voll umfängliche<br />
gerichtliche Prüfung möglich sei. Es<br />
könne im gegebenen Fall bei einer Summe von<br />
18,2 Mio DM, die nicht in Rechenschaftsbericht<br />
aufgeführt wurden, jedenfalls nicht ernstlich<br />
bezweifelt werden, dass ein wesentlicher Fehler<br />
gegeben sei.<br />
Das Gericht stellt insbesondere klar, dass § 19<br />
IV 3 PartG 1994 keinen Sanktions- oder gar<br />
Strafcharakter habe, sondern eine von Amts<br />
wegen zu berücksichtigende rechtshindernde<br />
Einwendung darstelle, die das entgültige Entstehen<br />
des Anspruchs hindere.<br />
Durch den mit der Anwendung des § 19 IV<br />
PartG 1994 verbundene Umverteilungseffekt zugunsten<br />
der anderen Parteien werde das Grundrecht<br />
der Partei auf Chancengleichheit aus Art 3<br />
I GG i.V. m. Art. 21 I GG nicht verletzt 0 . Der<br />
Grundsatz der Chancengleichheit verlange nicht,<br />
vorgegebene Unterschiede auszugleichen mit<br />
0 BVerfG, Beschluss vom 17.06.2004 – 2 BvR 383/03 –<br />
in: NJW <strong>2005</strong>, <strong>12</strong>6 (<strong>12</strong>9).<br />
0 BVerfG, Beschluss vom 17.06.2004 – 2 BvR 383/03 –<br />
in: NJW <strong>2005</strong>, <strong>12</strong>6 (<strong>12</strong>9).<br />
0 BVerfG, Beschluss vom 17.06.2004 – 2 BvR 383/03 –<br />
in: NJW <strong>2005</strong>, <strong>12</strong>6 (132).