26.11.2012 Aufrufe

2005, Heft 12, S. 87–88 - PRuF

2005, Heft 12, S. 87–88 - PRuF

2005, Heft 12, S. 87–88 - PRuF

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang Thilo Streit – Rechtsstellung kommunaler Wählervereinigungen Aufsätze<br />

Konsequenz eines radikal zu Ende gedachten<br />

Parteienstaates“ zulässig 23 . Einem solchen<br />

Parteienstaat widersprächen jedoch andere<br />

verfassungsrechtliche Normen, wie der repräsentative<br />

Status der Abgeordneten aus Art. 38<br />

I 2 GG und eben auch die Garantie der Selbstverwaltung<br />

des Art. 28 II GG 24 . Das Bundesverfassungsgericht<br />

sah in einem Ausschluss der<br />

Wählervereinigungen vom Listenprivileg eine<br />

Verletzung des Gleichheitsrechts der Kläger in<br />

deren aktivem und passiven Wahlrecht sowie in<br />

deren Wahlvorschlagsrecht. Aus der Garantie<br />

der Selbstverwaltung des Art. 28 II GG schloss<br />

das Bundesverfassungsgericht, dass diese auch<br />

das Recht umfassen müsse, die Kandidaten für<br />

die kommunalen Wahlkörperschaften örtlich zu<br />

bestimmen. Deren Aufstellung dürfe daher nicht<br />

ausschließlich den mehr am Staatsganzen<br />

orientierten Parteien überlassen werden. Daher<br />

müsse, auch aus einer Tradition, die bereits auf<br />

die Zeit der Kommunalreform des 19. Jahrhunderts<br />

zurückgeht und sich auch in der Zeit<br />

der Weimarer Republik fortsetzte, ortsgebundenen,<br />

lediglich kommunale Interessen verfolgenden<br />

Wählergruppen das Wahlvorschlagsrecht<br />

und deren Kandidaten eine chancengleiche<br />

Teilnahme an den Kommunalwahlen gewährleistet<br />

sein. 25 Das Gericht hielt im Weiteren an<br />

seiner Rechtsprechung fest, dass Differenzierungen<br />

im Bereich des Wahlrechts besonderer<br />

rechtfertigender Gründe bedürfen 26 . Als<br />

einen solchen Grund hat das Gericht nicht anerkannt,<br />

dass eine dadurch eventuell entstehende<br />

Stimmenzersplitterung die Funktionsfähigkeit<br />

der kommunalen Selbstverwaltung gefährden<br />

könnte. Damit sei auf anderem Wege umzugehen<br />

27 .<br />

Diese Entscheidung bestätigte das Bundesverfassungsgericht<br />

im gleichen Jahr, als es ausdrücklich<br />

festhielt, dass auf der kommunalen<br />

Ebene die Wählervereinigungen den politischen<br />

Parteien grundsätzlich gleichgestellt sind 28 .<br />

23 BVerfGE 11, 266 (273).<br />

24 Ebd.<br />

25 BVerfGE 11, 266 (276).<br />

26 So schon BVerfGE 1, 208 (249); 4, 375 (382 f.); 6, 84<br />

(94); 6, 104 (<strong>12</strong>0).<br />

27 BVerfGE 11, 266 (277).<br />

28 BVerfGE 11, 351 (361).<br />

Wiederum betonte das Bundesverfassungsgericht,<br />

dass es zum Leitbild der kommunalen<br />

Selbstverwaltung gehöre, dass sie von der Mitwirkung<br />

angesehener, mit den heimischen<br />

Verhältnissen besonders vertrauter Bürger getragen<br />

wird. Zwar seien die Parteien keineswegs<br />

ortsfern, aber sie neigten zur Verquickung der<br />

Interessen der verschiedenen Ebenen, es müsse<br />

aber eben auch Gruppierungen geben, die ausschließlich<br />

die kommunale Ebene im Auge<br />

haben 29 . Die durchaus bestehende Vorherrschaft<br />

der Parteien dürfe wegen des Kernbestandes an<br />

Selbstverwaltung auf der kommunalen Ebene<br />

nicht durch wahlrechtliche Regelungen noch zementiert<br />

werden 30 . Da der Staat über die Machtmittel<br />

verfüge, verfassungswidrige Vereinigungen<br />

auch auf kommunaler Ebene zu bekämpfen,<br />

darüber hinaus auch kommunale Wählervereinigungen<br />

über ein Programm verfügten,<br />

sei es das Beste, den Wähler entscheiden zu<br />

lassen, wer die kommunalen Interessen am besten<br />

vertritt 31 .<br />

Auch in weiteren Entscheidungen schloss das<br />

Bundesverfassungsgericht jedwede Benachteiligung<br />

der Wählervereinigungen gegenüber den<br />

Parteien bei der Listenaufstellung und im Wahlgang<br />

aus 32 . Insbesondere können von bereits<br />

länger in der Kommune vertretenen Wählervereinigungen<br />

keine Unterstützungsunterschriftensammlungen<br />

verlangt werden, wenn diese nicht<br />

gleichermaßen auch von den politischen Parteien<br />

verlangt werden 33 .<br />

Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass das<br />

Bundesverfassungsgericht wegen des<br />

Verfassungsgrundsatzes der kommunalen<br />

Selbstverwaltung aus Art. 28 II GG die Begrenzung<br />

des Listenprivilegs auf Parteien auf der<br />

kommunalen Ebene ablehnt und ihnen die völlige<br />

Gleichbehandlung mit politischen Parteien<br />

bei der Wahlvorbereitung und im Wahlakt einräumt.<br />

29 BVerfGE 11, 351 (363 f.).<br />

30 BVerfGE 11, 351 (365).<br />

31 BVerfGE 11, 351 (366).<br />

32 BVerfGE <strong>12</strong>, 10 ff.; 13, 1 ff.<br />

33 BVerfGE <strong>12</strong>, 10 ff.<br />

83

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!