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Aufsätze Thilo Streit – Rechtsstellung kommunaler Wählervereinigungen MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang<br />
anders gesehen 16 . Diese Ansicht sieht sich insbesondere<br />
auch durch zwei Entscheidungen des<br />
Bundesverfassungsgerichts 17 aus dem Jahre 1990<br />
bestätigt, in denen das Gericht auch auf kommunaler<br />
Ebene von Volkswillensbildung sprach,<br />
um so letztlich nur Mitgliedern des Staatsvolkes<br />
die Beteiligung an Kommunalwahlen zu<br />
gestatten, während Ausländer (mit Ausnahme<br />
der EU-Bürger) von den Wahlen ausgeschlossen<br />
blieben 18 .<br />
2. Die Argumente gegen die Parteieigenschaft<br />
Die Gegenseite, soweit man davon sprechen<br />
kann, denn das Bundesverfassungsgericht ist auf<br />
diese Argumente in keiner Entscheidung eingegangen,<br />
argumentiert, dass die verfassungsrechtlichen<br />
Pflichten der öffentlichen Rechnungslegung<br />
sowie das Parteiverbotsverfahren des<br />
Art. 21 II GG schlicht unpassend für die kommunalen<br />
Wählervereinigung seien 19 .<br />
Dem Bundesverfassungsgericht ist in seiner Differenzierung<br />
Recht zu geben: Neben dem Argument,<br />
dass die Normen des GG nicht auf die<br />
Wählervereinigungen passten, ist der Begriff der<br />
Volkswillensbildung entscheidend – damit ist in<br />
Art. 21 I GG eben auf die Willensbildung eines<br />
Volksganzen, sei es nun des Staatsvolkes eines<br />
Landes oder des Bundes, abgestellt. Dies erscheint<br />
auch systematisch und historisch die<br />
sinnvollere Auslegung des Art. 21 I GG. Darüber<br />
hinaus negiert diese Ansicht nicht, dass<br />
auch auf kommunaler Ebene Willensbildung des<br />
Volkes stattfindet, aber eben nur die eines Ausschnittes<br />
aus dem Volk 20 .<br />
Mithin ist den kommunalen Wählervereinigungen<br />
der verfassungsmäßigen und parteienge<br />
16 BVerfGE 2, 1 (76), zustimmend dazu BVerwGE 6, 96<br />
(99). Vgl. zur damals überwiegend zustimmenden Literatur<br />
U. Dübber, Parteienfinanzierung in Deutschland,<br />
S. 45 m.w.N.<br />
17 BVerfGE 83, 37 ff.; 37, 60 ff.<br />
18 Streinz (Fn. 8), Art. 21 Rn. 59.<br />
19 Klein (Fn. 14), Art. 21 Rn. 239.<br />
20 So auch bereits W. Grundmann, Die Rathausparteien,<br />
1960, S. 4. Vgl. auch Henke (Fn. 14), Art. 21 Rn. 37,<br />
der eine Differenzierung zwischen Kommunal- und<br />
Staatspolitik vornimmt.<br />
82<br />
setzlichen Status der politischen Partei zu versagen.<br />
III. Rechtsstatus der kommunalen Wählervereinigungen<br />
Die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht<br />
die kommunalen Wählervereinigungen<br />
nicht als Parteien anerkennt, hat allerdings<br />
keineswegs dazu geführt, dass diese etwa rechtlos<br />
gestellt würden, im Gegenteil. In ständiger<br />
Rechtsrechung hat das Bundesverfassungsgericht<br />
den Status der Wählervereinigungen<br />
demjenigem der Parteien auf kommunaler Ebene<br />
angenähert und gleichgestellt. Dies ist insbesondere<br />
für die Aufstellung von Kandidatenlisten<br />
(A.), die steuerliche Begünstigung von Zuwendungen<br />
durch die Bürger (B.), sowie die<br />
steuerliche Gleichbehandlung (C.) mit den<br />
Parteien der Fall.<br />
A. Die Listenprivilegierung der kommunalen<br />
Wählervereinigungen im Kommunalwahlrecht<br />
Die wichtigste Frage ist, inwiefern das bei<br />
Parlamentswahlen auf die politischen Parteien<br />
beschränkte Listenprivileg auf kommunaler<br />
Ebene auch den kommunalen Wählervereinigungen<br />
aus verfassungsrechtlichen<br />
Gesichtspunkten heraus zuzugestehen ist.<br />
Das Bundesverfassungsgericht hat hier sehr<br />
frühzeitig Regelungen, die das Listenprivileg auf<br />
die ein oder andere Weise auf die Parteien<br />
beschränken wollten, für verfassungswidrig erklärt.<br />
und einer Benachteiligung der Wählervereinigungen<br />
einen Riegel vorgeschoben. Die<br />
wesentlichen Entscheidungen dazu ergingen im<br />
Jahre 1960 21 .<br />
In seiner wichtigsten Entscheidung zu dieser<br />
Fragestellung hielt das Bundesverfassungsgericht<br />
die Regelung eines Landes, die das Listenprivileg<br />
auf kommunaler Ebene auf politische<br />
Parteien begrenzte, für verfassungswidrig 22 . Eine<br />
solche Regelung sei nur „in der logischen<br />
21 BVerfGE 11, 266 ff., 11, 351 ff.<br />
22 BVerfGE 11, 266 ff.