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MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang Thilo Streit – Rechtsstellung kommunaler Wählervereinigungen Aufsätze<br />
nahmslos. Selbstverständlich gibt es in einzelnen<br />
Bundesländern Dachverbände der Rathausparteien.<br />
Zu Wahlen treten freie Wählergemeinschaften<br />
jedoch nur in zwei Bundesländern an.<br />
Als Einschub ist hier festzuhalten, dass diese<br />
landesweit agierenden und kandidierenden Wählervereinigungen<br />
trotz ihres Selbstverständnisses<br />
als Nichtparteien – denn dieses prägt die<br />
„freien“ Wählergemeinschaften – selbstverständlich<br />
Parteien nach § 2 I 1 PartG darstellen.<br />
Gegenteilige Lippenbekenntnisse spielen, auch<br />
wenn Selbstverständnis in vielen Bereichen,<br />
etwa bei Religionsgemeinschaften, ein<br />
Rechtskriterium darstellt 10 , für die Einordnung in<br />
die Parteienlandschaft keine Rolle, denn das<br />
Selbstverständnis, Politik auch auf Landes- bzw.<br />
Bundesebene betreiben zu wollen, führt eben zur<br />
Parteieigenschaft 11 .<br />
In jüngerer Zeit wurde immer häufiger das Kriterium<br />
der Beteiligung an der politischen Willensbildung<br />
auf Bundes- und Landesebene durch<br />
verschiedene juristische Autoren als Element des<br />
verfassungsrechtlichen Parteienbegriffs in Frage<br />
gestellt. Man kann heute davon ausgehen, dass<br />
die weit überwiegende Meinung in der Rechtswissenschaft<br />
es für die Parteieigenschaft für ausreichend<br />
hält, dass eine Beteiligung an der politischen<br />
Willensbildung des Volkes und den entsprechenden<br />
Wahlen auf irgend einer politischen<br />
Ebene vorliegt <strong>12</strong> .<br />
Das Bundesverfassungsgericht hingegen differenziert<br />
nach wie vor zwischen politischen<br />
Parteien und Wählervereinigungen und hält an<br />
10 M. Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium,<br />
1993, insb. S. 431 ff.<br />
11 S. auch Streinz (Fn. 8), Art. 21 Rn. 49.<br />
<strong>12</strong> A. Arndt, Anmerkung zu BVerfGE 11, 266 ff., JZ<br />
1961, 88 (88); H. Plate, Parteienfinanzierung und<br />
Grundgesetz, 1965, S. 22; H.-R.. Lipphardt, Die<br />
Gleichheit der politischen Parteien vor der öffentlichen<br />
Gewalt, 1975, S. 658 ff.; U. K. Preuß, in: AK-GG I, 2.<br />
Aufl. 1989, Art. 21 Rn. 27; K. Hesse, Grundzüge des<br />
Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland,<br />
20. Aufl. 1995, Rn. 168; M. Morlok, in: Dreier, GG II,<br />
1997, Art. 21 Rn. 36; Ph. Kunig, Parteien, in HStR II,<br />
2. Aufl. 1998, § 33 Rn. 52; Streinz (Fn. 8), Art. 21 Rn.<br />
47, 59, 201; Gusy (Fn. 8) Art. 21 Rn. 56; Ph. Kunig,<br />
in: v. Münch/Kunig, GG II, 5. Aufl. 2001, Art. 21 Rn.<br />
<strong>12</strong>, 19 f.; H. Jarass/B. Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002,<br />
Art. 21 Rn. 7; Ipsen (Fn. 8), Art. 21 Rn. 19 f.<br />
seiner – nicht unbedingt anhand konkreter<br />
verfassungsrechtlicher Kriterien gewonnenen –<br />
Unterscheidung fest. Es akzeptiert mithin bis<br />
zum heutigen Tage die Regelung des § 2 I 1<br />
PartG, die die kommunalen Wählervereinigungen<br />
eben gerade ausschließt. Dies geschieht<br />
in der Rechtsprechung nicht explizit – da das<br />
Gericht jedoch immer wieder auf Gleichbehandlungsgrundsätze<br />
des Wahlrechts abstellt, um zur<br />
Gleichbehandlung der Wählervereinigungen zu<br />
gelangen, geht es nach wie vor von deren grundsätzlicher<br />
Unterscheidbarkeit von den politischen<br />
Parteien aus 13 . Für diese Rechtsprechung<br />
findet das Bundesverfassungsgericht auch nach<br />
wie vor vereinzelt Unterstützung 14 .<br />
Wegen der weitgehenden rechtlichen Gleichbehandlung<br />
der kommunalen Wählervereinigungen<br />
spielt die Parteieigenschaft auch nicht die entscheidende<br />
Rolle, wobei darauf im weiteren<br />
noch einzugehen sein wird.<br />
Wenn man nun die Argumente der divergierenden<br />
Ansichten vergleicht, zeigt sich<br />
folgendes Bild:<br />
1. Die Argumente für die Parteieigenschaft<br />
Hauptargument der Befürworter des Parteienstatus<br />
der Wählervereinigungen ist insbesondere,<br />
dass auch auf kommunaler Ebene Politik stattfindet,<br />
dass auch in den kommunalen Vertretungen<br />
Willensbildung des Volkes vonstatten<br />
geht, weshalb das wesentliche Parteienelement,<br />
die Mitwirkung an der Willensbildung des<br />
Volkes, bestehe 15 . Das Bundesverfassungsgericht<br />
hatte dies in einer alten Entscheidung<br />
13 BVerfGE 6, 367 (372 f.); 11, 266 (276); 69, 92 (104,<br />
110), 78, 350 (358 f.); 85, 264 (328); 87, 394 (398 f.);<br />
99, 69 (78); std. Rspr.<br />
14 H.-C. Jülich, Chancengleichheit der Parteien, 1967,<br />
S. 85 f.; W. Henke, in: Bonner Kommentar, Art. 21 Rn.<br />
38 (Stand September 1991); G. Leibholz/H.-J.<br />
Rinck/D. Hesselberger, GG II, Art. 21 Rn. 17 (Stand<br />
November 1995); H. H. Klein, in Maunz-Dürig, GG<br />
III, Art. 21 Rn. 238 ff. (Stand März 2001). S. a. BVerwGE<br />
35, 344 (348).<br />
15 Plate (Fn. <strong>12</strong>), S. 22; Preuß (Fn. <strong>12</strong>), Art. 21 Rn. 27;<br />
Hesse (Fn. <strong>12</strong>), Rn. 168; Kunig, HStR II (Fn. <strong>12</strong>), § 33<br />
Rn. 52; ders., in: v. Münch/Kunig (Fn. <strong>12</strong>), Art. 21<br />
Rn. 20; Jarass/Pieroth (Fn. <strong>12</strong>), Art. 21 Rn. 7.<br />
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