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2005, Heft 12, S. 87–88 - PRuF

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MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang Thilo Streit – Rechtsstellung kommunaler Wählervereinigungen Aufsätze<br />

Die Rechtsstellung der kommunalen<br />

Wählervereinigungen nach<br />

der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts<br />

1<br />

Thilo Streit, LL.M. (Texas) *<br />

I. Einleitung<br />

In der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere<br />

in den beiden südlichsten Bundesländern Bayern<br />

und Baden-Württemberg spielen neben den<br />

auch bundes- bzw. landesweit agierenden Parteien<br />

kommunale Wählervereinigungen, die auch<br />

als Rathausparteien oder Wählergemeinschaften<br />

bezeichnet werden, eine nicht unerhebliche<br />

Rolle in der Kommunalpolitik. Sie stellen Landräte,<br />

Bürgermeister, aber insbesondere auch Gemeinderatsmitglieder.<br />

Von den insgesamt<br />

51.356 Mitgliedern der Gemeinderäte in Kommunen<br />

mit über 10.000 Einwohnern stellen die<br />

Wählergemeinschaften 5.145, also etwas über 10<br />

%. Das ist immerhin fast ein Drittel der Anzahl,<br />

die die SPD und ein Viertel der Anzahl, die<br />

CDU/CSU stellen. Darüber hinaus ist es ein<br />

Vielfaches dessen, was die anderen im<br />

Bundestag vertretenen Parteien stellen 2 . Festzustellen<br />

ist darüber hinaus der Trend, dass der<br />

prozentuale Anteil der Wählervereinigungen in<br />

den Gemeinderäten zunimmt, je kleiner die Gemeinden<br />

sind. Am stärksten sind sie in Kommunen<br />

zwischen 10.000 und 20.000 Einwohnern<br />

repräsentiert. Besonders deutlich wird dies in<br />

1 Der Aufsatz stellt die schriftliche, leicht abgeänderte<br />

Fassung eines am 15. Mai 2003 in Tallinn gehaltenen<br />

Referats auf einer Tagung des Rechtskanzlers der Republik<br />

Estland dar.<br />

* Der Verfasser Thilo Streit ist Wiss. Mitarbeiter am Institut<br />

für Deutsches und Europäisches Parteienrecht<br />

und Parteienforschung (PRUF) an der Heinrich-Heine-<br />

Universität Düsseldorf.<br />

2 Die SPD stellt 16.715, CDU/CSU stellen 21.981, die<br />

GRÜNEN 2.817, die FDP 1.735, die PDS 1.544 Ratsmitglieder<br />

(Stand 1. Januar 2001). Alle Zahlen nach<br />

Deutscher Städtetag (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch<br />

deutscher Gemeinden, 2002, S. 27.<br />

Baden-Württemberg, wo die kommunalen Wählervereinigungen<br />

in den kommunalen Vertretungen<br />

die stärkste Kraft darstellen 3 .<br />

Darüber hinaus bestehen heute Dachverbände<br />

der kommunalen Wählervereinigungen auf<br />

Länderebene, die die Aktivitäten der einzelnen<br />

Vereinigungen unterstützen 4 , jedoch üblicherweise<br />

nicht für Wahlen auf Landes- oder<br />

Bundesebene antreten, wenngleich letzteres inzwischen<br />

z.T. angedacht und praktiziert wird 5 .<br />

Dies zeigt, dass die kommunalen Wählervereinigungen<br />

immer noch eine ganz erhebliche Rolle<br />

in der Kommunalpolitik spielen, wenngleich sie<br />

gegenüber der Weimarer Zeit doch an Bedeutung<br />

verloren haben 6 .<br />

In den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts<br />

gab es diverse Versuche, die kommunalen<br />

Wählervereinigungen aus dem kommunalen<br />

Willensbildungsprozess zu verdrängen bzw.<br />

deren Teilnahme zu erschweren. Auch heute<br />

stellt sich die Frage, welche Rechtsstellung diese<br />

Organisationen innehaben und inwiefern sie den<br />

politischen Parteien gleichzustellen sind.<br />

Diskriminierungen verbieten sich jedenfalls,<br />

wenn die Wählervereinigungen den Parteien<br />

gleichstehen, ja Parteien im Sinne des Grundgesetzes<br />

sind. Daher ist zunächst zu klären, inwieweit<br />

die Rathausparteien Parteien i.S.d. Art. 21<br />

GG sind (II.). In einem weiteren Schritt stellt<br />

sich die Frage, welche Rechte kommunale Wählervereinigungen<br />

nach dem Grundgesetz heute<br />

haben und wo ihr Status von dem der politischen<br />

Parteien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts<br />

differiert (III.). In einem<br />

letzten Schritt ist darauf einzugehen, inwiefern<br />

3 S. BVerfGE 99, 69 (73): Bei der Kommunalwahl<br />

1988 erreichten die freien Wähler 40,7 %, die CDU<br />

30,5 %, die SPD 18,7 %.<br />

4 Vgl. etwa. BVerfGE 99, 69 (79).<br />

5 Vgl. etwa H. H. v. Arnim, Werden kommunale Wählergemeinschaften<br />

im politischen Wettbewerb<br />

diskriminiert?, DVBl. 1999, 417 (420).<br />

6 Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1957 festgestellt,<br />

dass die politischen Parteien auch im Kommunalbereich<br />

erheblich mehr Fuß gefasst haben, als dies<br />

in Zeiten der ersten Republik der Fall war, BVerfGE 6,<br />

104 (114).<br />

79

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