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Aufsätze Thilo Streit - Parteispenden MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang<br />
Parteispenden - Skandal oder zivilgesellschaftlicheBürgerbeteiligung?<br />
1<br />
Verfassungstheoretische, -rechtliche<br />
und -geschichtliche Grundlagen des<br />
Parteispenden(un)wesens<br />
Thilo Streit, LL.M. (Texas) *<br />
Parteispenden sind – nicht erst in der letzten<br />
Zeit – ins Gerede gekommen. In den letzten<br />
Jahren wurden sämtliche Bundestagsparteien<br />
mit Ausnahme der GRÜNEN von Parteispendenaffären<br />
erschüttert, allen voran die CDU und<br />
zuletzt auch die FDP.<br />
Parteispenden sind aber auch ein ganz selbstverständliches<br />
Phänomen in der Parteiendemokratie.<br />
Gut 72 Mio. Euro spendeten Bürger, Verbände<br />
und Unternehmen den Parteien allein im<br />
Jahre 2001.<br />
Warum aber, mag man sich fragen, kommt es<br />
immer wieder zu Parteispendenskandalen?<br />
Warum, so könnte man fragen, haben die Parteien<br />
nicht bereits aus der Anfang der 80er Jahre<br />
bekannt gewordenen Flick-Affäre gelernt, dass<br />
es ihnen wohler tut, sich gesetzeskonform zu<br />
verhalten? Warum kommt es überhaupt zu<br />
Parteispendenskandalen, wo man doch selten<br />
genug von Kirchenspendenskandalen oder<br />
Kleintierzüchtervereinsspendenskandalen hört? Natürlich,<br />
es kommt zur Fehlverwendung von Geldern<br />
in anderen Vereinigungen. Nichtsdestoweniger liegt<br />
die Problematik hier anders. Parteispendenskandale<br />
sind vornehmlich solche des Gebens und Nehmens<br />
von Geld, nicht aber solche des Ausgebens von<br />
1 Der Text ist die schriftliche Fassung eines am 22. Juli<br />
2004 vor dem Ambassador-Club Münster gehaltenen<br />
Vortrags.<br />
* Der Verfasser Thilo Streit ist Wiss. Mitarbeiter am Institut<br />
für Deutsches und Europäisches Parteienrecht<br />
und Parteienforschung (PRUF) an der Heinrich-Heine-<br />
Universität Düsseldorf.<br />
72<br />
Geld. Warum aber gelten für Parteispenden Sonderregeln?<br />
Um diese Fragen beantworten zu können, wird es<br />
notwendig sein, zunächst die verfassungstheoretischen<br />
und verfassungsrechtlichen Grundsätze der<br />
Parteienfinanzierung, insbesondere aber der<br />
Parteispenden zu erläutern (A.), um dann in einem<br />
historischen Abriss die Entwicklung der aktuellen<br />
Rechtslage (B.) anzuschließen und zu guter Letzt<br />
einen kleinen Ausblick (C.) zu wagen.<br />
A. Verfassungstheoretische und verfassungsrechtliche<br />
Grundlagen<br />
Wie erwähnt sind Parteispendenskandale im Gegensatz<br />
zu Skandalen anderer Vereinigungen solche<br />
des Gebens durch den Spender und des Annehmens<br />
durch die Partei. Warum nun ist es ein Problem,<br />
wenn Parteien Geld von Privatleuten, Organisationen<br />
oder Unternehmen erhalten? Dazu bedarf<br />
es eines kurzen Ausflugs in die Welt der soziologischen<br />
Systemtheorie, wie sie etwa Niklas Luhmann<br />
erdacht hat.<br />
1. Systemtheoretische Grundlagen<br />
Das folgende ist ziemlich verkürzt und<br />
vereinfacht: Nach Luhmann differenziert sich die<br />
Gesellschaft als das allumfassende System aus in<br />
verschiedene Subsysteme – etwa das Wirtschaftssystem,<br />
das Rechtssystem oder das politische<br />
System. Jedes dieser Systeme dient verschiedenen<br />
Zwecken und Funktionen: Das Wirtschaftssystem<br />
dem Gewinn und Erhalt von Wohlstand<br />
und dem Güteraustausch, das Rechtssystem<br />
der Herstellung verbindlicher Entscheidungen im<br />
Einzelfall, das politische System der Herstellung<br />
für Alle verbindlicher Entscheidungen. Dazu bedient<br />
sich jedes System verschiedener binärer Codes:<br />
Im Wirtschaftssystem geht es um das Begriffspaar<br />
Eigentum/Nichteigentum bzw. Zahlung/Nichtzahlung<br />
2 , im Rechtssystem um das Begriffspaar<br />
Recht/Unrecht 3 , im politischen System<br />
2 N. Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, 1988,<br />
S. 85 f., 188 f., 210 f.<br />
3 Vgl. N. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993,<br />
S. 215; G. Teubner, Recht als autopoietisches System,<br />
1989, S. <strong>12</strong>8.