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2005, Heft 12, S. 87–88 - PRuF

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MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang Sebastian Roßner - „Bis in idem“? Aufsätze<br />

Gründungsfreiheit der Parteien aus Art. 21 I 2<br />

GG 39 konkretisierend - den innerparteilichen<br />

Satzungen. Parteischiedsgerichtliches Verfahrensrecht<br />

ist daher wenigstens potentiell zu weiten<br />

Teilen parteienspezifisch.<br />

Weiterhin ist schlicht zu konstatieren, daß das<br />

Parteienrecht ein relativ junger Zweig der<br />

Rechtswissenschaft ist und für neue Rechtsgebiete<br />

der punktuelle, aus konkreten Problemlagen<br />

heraus geborene Rückgriff auf die bekannten<br />

Figuren älterer Dogmatiken zunächst kennzeichnend<br />

ist 40 . Ebenso typisch ist, daß die dadurch<br />

entstandenen Unstimmigkeiten später im<br />

Zuge der Entwicklung einer eigenen Spezialdogmatik<br />

– d.h. im Reifungsprozeß des jeweiligen<br />

Rechtsgebiets – beseitigt werden.<br />

Die Parteischiedsgerichte greifen jedenfalls teilweise,<br />

wie oben gezeigt, zur Bestimmung des<br />

Streitgegenstands in Parteiordnungsverfahren<br />

auf Art. 103 III GG zurück. Zwar wird damit<br />

eine Verfassungsnorm in Bezug genommen, für<br />

die als solche die Vermutung relativ hoher Abstraktheit<br />

und damit Allgemeinheit besteht.<br />

Art. 103 III GG betrifft jedoch bereits seinem<br />

Wortlaut nach nur das Strafrecht, wobei der Begriff<br />

eng zu verstehen ist 41 . Die Auslegung durch<br />

das BVerfG folgt weitgehend der strafprozessualen<br />

Dogmatik der Fachgerichte 42 . Im Ergebnis<br />

wird so ein Kernbestandteil strafprozessualer<br />

Spezialdogmatik in die noch nicht fertig entwickelte<br />

verfahrensrechtliche Spezialdogmatik des<br />

Parteienrechts implantiert.<br />

Prozeßrecht hat jedoch der Umsetzung des entsprechenden<br />

materiellen Rechts zu dienen.<br />

Art. 103 III GG mißt in seiner verfassungsgerichtlichen<br />

Auslegung im Rahmen der Abwägung<br />

zwischen Rechtssicherheit und materieller<br />

39 Dazu M. Morlok, in: Dreier, GG, Bd. II (1998), Art. 21<br />

Rn. 57f.<br />

40 So verweist etwa die PGO der CDU auf einzelne Vorschriften<br />

der ZPO (in §§ 15, 36 III) sowie allgemein<br />

auf die Vorschriften der VwGO und des GVG (in<br />

§ 44).<br />

41 Art. 103 III GG ist nicht auf das Disziplinarrecht, auch<br />

nicht auf das eng mit dem Strafrecht zusammenhängende<br />

Ordnungswidrigkeitenrecht anzuwenden; E.<br />

Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 III<br />

(1992) Rn. 288f.<br />

42 Siehe oben 1.).<br />

Gerechtigkeit der Rechtssicherheit besonders<br />

große Bedeutung zu. Dies mag durch die Intensität<br />

der Eingriffe mittels strafrechtlicher<br />

Sanktionen und durch die Belastungen gerechtfertigt<br />

sein, die bereits ein Strafprozeß für den<br />

Angeklagten mit sich bringt, der sich angesichts<br />

der Öffentlichkeit des Verfahrens und des<br />

ethischen Gewichts strafrechtlicher Vorwürfe<br />

der Gefahr breiter sozialer Ablehnung ausgesetzt<br />

sieht. Für ein Parteiordnungsverfahren gilt all<br />

dies jedoch nicht. Das mit einer Parteistrafe belegte<br />

Parteimitglied sieht sich normalerweise<br />

keiner breiten gesellschaftlichen Mißachtung<br />

ausgesetzt, schon deshalb nicht, weil Verfahren<br />

vor den Parteischiedsgerichten regelmäßig unter<br />

Ausschluß der Öffentlichkeit stattfinden. Es<br />

steht weiterhin nur der Verstoß gegen die in der<br />

Öffentlichkeit kontrovers beurteilte Partikularmoral<br />

einer durch die Verfolgung besonderer<br />

Ziele gekennzeichneten Gruppe in Rede: Der<br />

Verstoß gegen Grundsätze der einen Partei wird<br />

bei Anhängern der konkurrierenden Parteien oft<br />

sogar auf Beifall stoßen. Auch die sonstigen<br />

Folgen, d.h. vor allem die Sanktionen aufgrund<br />

strafrechtlicher und parteiordnungsrechtlicher<br />

Verfolgung sind regelmäßig von sehr unterschiedlichem<br />

Gewicht.<br />

Für die Gestaltung des Prozeßrechts gravierender<br />

noch als die Verschiedenheit der<br />

Folgen ist die Differenz der Ziele von Parteiordnungs-<br />

und Strafrecht: Parteiordnungsrecht dient<br />

vorrangig der Abwehr von Gefahren für die innere<br />

Ordnung der Partei, nicht aber der<br />

Vergeltung von Schuld. Dies kommt ganz deutlich<br />

darin zum Ausdruck, daß die Einleitung von<br />

Parteiordnungsverfahren nicht dem Legalitätsprinzip,<br />

sondern dem Opportunitätsprinzip gehorcht<br />

43 . Führende Parteimitglieder, die wie<br />

Oskar Lafontaine oder Helmut Kohl durch<br />

erhebliche Verstöße gegen die Grundsätze und<br />

die Ordnung der Partei - und im Falle Kohls<br />

auch durch vorsätzlichen Satzungsverstoß - ihren<br />

Parteien schweren politischen Schaden zugefügt<br />

haben, mußten gleichwohl nicht aus der<br />

Partei ausgeschlossen werden, denn dies entsprach<br />

nicht der Parteiraison. Die zuständigen<br />

43 Illustrativ hierzu die Gründe der Bundesschiedskommission<br />

der SPD im Verfahren 5/1981/P (Fn. 13).<br />

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