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2005, Heft 12, S. 87–88 - PRuF

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MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang Sebastian Roßner - „Bis in idem“? Aufsätze<br />

„Bis in idem“?<br />

Zu Art. 103 III GG und einem<br />

parteiordnungsrechtlichen Streitgegenstandsbegriff<br />

Sebastian Roßner, M.A. *<br />

Die Rede des MdB Martin Hohmann zum 3. Oktober<br />

2003 erregte seinerzeit erhebliche politische<br />

Aufmerksamkeit und führte in der Folge<br />

zum Ausschluß des Redners aus Bundestagsfraktion<br />

und CDU.<br />

Das juristische Nachspiel des politischen Aufruhrs<br />

verdient Beachtung: Es zeigt sich, daß<br />

vermeintlich vertraute rechtliche Institute wie<br />

die Parteistrafe und hier besonders der Parteiausschluß<br />

nach wie vor unbekannte, jedenfalls ungelöste<br />

Probleme aufweisen. Dies wurde deutlich,<br />

als – zum ersten Mal in der Geschichte des<br />

Bundesparteigerichts der CDU – einer der Richter,<br />

Friedrich Wilhelm Siebeke, ein Sondervotum<br />

veröffentlichte. Darin wendet sich Siebeke<br />

mit beachtlichen rechtlichen Argumenten gegen<br />

einen Parteiausschluß Hohmanns.<br />

A. Zum Sachverhalt<br />

In seiner Rede versuchte Hohmann die von ihm<br />

behauptete Wahrnehmung der Deutschen als<br />

„Tätervolk“ des zwanzigsten Jahrhunderts durch<br />

eine- mißglückte - reductio ad absurdum zu entkräften<br />

indem er des längeren Untaten aufzählte,<br />

die während des zwanzigsten Jahrhunderts<br />

angeblich von Juden begangen worden seien.<br />

Mit gleicher Berechtigung wie die Deutschen –<br />

so Hohmann - könne man auch die Juden als<br />

„Tätervolk“ bezeichnen. Die Absurdität dieses<br />

Schlusses diente ihm dann als Argument dafür,<br />

auch den Deutschen den Charakter eines „Tätervolkes“<br />

abzusprechen.<br />

* Der Verfasser ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von<br />

Prof. Dr. Martin Morlok am Lehrstuhl für öffentliches<br />

Recht, Rechtssoziologie und Rechtstheorie der Heinrich-Heine-Universität<br />

Düsseldorf.<br />

Über die Rede wurde zunächst ohne besondere<br />

Aufregung in der Lokalpresse berichtet, der Text<br />

durch die lokale CDU-Gliederung im Internet<br />

veröffentlicht, dann senkte sich für einige Wochen<br />

Schweigen über die Szene. Dieses wurde<br />

jäh zerrissen, als die ARD in der „Tagesschau“<br />

berichtete, Hohmann habe die Juden als „Tätervolk“<br />

bezeichnet.<br />

Das Präsidium der CDU befaßte sich wenige<br />

Tage später mit den Vorkommnissen und erteilte<br />

Hohmann wegen des Widerspruchs seiner Äußerungen<br />

zu „Grundwerten der CDU“ eine „scharfe<br />

politische Rüge“. Die Rüge wurde Hohmann<br />

in schriftlicher Form vorgelegt und von ihm akzeptiert.<br />

Infolge des sich gleichwohl weiterhin<br />

aufbauenden politischen Druckes wurde schließlich<br />

vom hessischen CDU Landesverband ein<br />

Parteiausschlußverfahren gegen ihn angestrengt.<br />

Der zuvor vom Parteischiedsgericht des<br />

hessischen CDU-Landesverbandes ausgesprochene<br />

Parteiausschluß wurde letztlich vom<br />

Bundesparteigericht in seiner Entscheidung vom<br />

4. November 2004 bestätigt.<br />

B. Rechtliche Würdigung<br />

In dem gesamten Vorgang verbergen sich zahlreiche<br />

parteienrechtliche Detailprobleme, eines<br />

der Hauptprobleme ist jedoch die Anwendbarkeit<br />

und gegebenenfalls richtige Anwendung<br />

des Strafklageverbrauchs.<br />

In dem eingangs erwähnten Sondervotum wertet<br />

Siebeke die vom CDU-Präsidium ausgesprochene<br />

„politische Rüge“ als Erteilung einer<br />

Parteistrafe und folgert, daß gemäß dem<br />

Grundsatz ne bis in idem der spätere, mit demselben<br />

Vorwurf begründete Parteiausschluß als<br />

eine erneute Parteistrafe in derselben Sache<br />

rechtswidrig sei.<br />

Dies setzt voraus, daß Art. 103 III GG im Bereich<br />

des Parteiordnungsrechts überhaupt<br />

Geltung beanspruchen kann.<br />

I. Zur Geschichte des Grundsatzes ne bis in<br />

idem bis zur Schaffung der StPO<br />

Der Rechtsgrundsatz des ne bis in idem blickt<br />

auf eine lange geschichtliche Entwicklung zu­<br />

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