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MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang Sebastian Roßner - „Bis in idem“? Aufsätze<br />
„Bis in idem“?<br />
Zu Art. 103 III GG und einem<br />
parteiordnungsrechtlichen Streitgegenstandsbegriff<br />
Sebastian Roßner, M.A. *<br />
Die Rede des MdB Martin Hohmann zum 3. Oktober<br />
2003 erregte seinerzeit erhebliche politische<br />
Aufmerksamkeit und führte in der Folge<br />
zum Ausschluß des Redners aus Bundestagsfraktion<br />
und CDU.<br />
Das juristische Nachspiel des politischen Aufruhrs<br />
verdient Beachtung: Es zeigt sich, daß<br />
vermeintlich vertraute rechtliche Institute wie<br />
die Parteistrafe und hier besonders der Parteiausschluß<br />
nach wie vor unbekannte, jedenfalls ungelöste<br />
Probleme aufweisen. Dies wurde deutlich,<br />
als – zum ersten Mal in der Geschichte des<br />
Bundesparteigerichts der CDU – einer der Richter,<br />
Friedrich Wilhelm Siebeke, ein Sondervotum<br />
veröffentlichte. Darin wendet sich Siebeke<br />
mit beachtlichen rechtlichen Argumenten gegen<br />
einen Parteiausschluß Hohmanns.<br />
A. Zum Sachverhalt<br />
In seiner Rede versuchte Hohmann die von ihm<br />
behauptete Wahrnehmung der Deutschen als<br />
„Tätervolk“ des zwanzigsten Jahrhunderts durch<br />
eine- mißglückte - reductio ad absurdum zu entkräften<br />
indem er des längeren Untaten aufzählte,<br />
die während des zwanzigsten Jahrhunderts<br />
angeblich von Juden begangen worden seien.<br />
Mit gleicher Berechtigung wie die Deutschen –<br />
so Hohmann - könne man auch die Juden als<br />
„Tätervolk“ bezeichnen. Die Absurdität dieses<br />
Schlusses diente ihm dann als Argument dafür,<br />
auch den Deutschen den Charakter eines „Tätervolkes“<br />
abzusprechen.<br />
* Der Verfasser ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von<br />
Prof. Dr. Martin Morlok am Lehrstuhl für öffentliches<br />
Recht, Rechtssoziologie und Rechtstheorie der Heinrich-Heine-Universität<br />
Düsseldorf.<br />
Über die Rede wurde zunächst ohne besondere<br />
Aufregung in der Lokalpresse berichtet, der Text<br />
durch die lokale CDU-Gliederung im Internet<br />
veröffentlicht, dann senkte sich für einige Wochen<br />
Schweigen über die Szene. Dieses wurde<br />
jäh zerrissen, als die ARD in der „Tagesschau“<br />
berichtete, Hohmann habe die Juden als „Tätervolk“<br />
bezeichnet.<br />
Das Präsidium der CDU befaßte sich wenige<br />
Tage später mit den Vorkommnissen und erteilte<br />
Hohmann wegen des Widerspruchs seiner Äußerungen<br />
zu „Grundwerten der CDU“ eine „scharfe<br />
politische Rüge“. Die Rüge wurde Hohmann<br />
in schriftlicher Form vorgelegt und von ihm akzeptiert.<br />
Infolge des sich gleichwohl weiterhin<br />
aufbauenden politischen Druckes wurde schließlich<br />
vom hessischen CDU Landesverband ein<br />
Parteiausschlußverfahren gegen ihn angestrengt.<br />
Der zuvor vom Parteischiedsgericht des<br />
hessischen CDU-Landesverbandes ausgesprochene<br />
Parteiausschluß wurde letztlich vom<br />
Bundesparteigericht in seiner Entscheidung vom<br />
4. November 2004 bestätigt.<br />
B. Rechtliche Würdigung<br />
In dem gesamten Vorgang verbergen sich zahlreiche<br />
parteienrechtliche Detailprobleme, eines<br />
der Hauptprobleme ist jedoch die Anwendbarkeit<br />
und gegebenenfalls richtige Anwendung<br />
des Strafklageverbrauchs.<br />
In dem eingangs erwähnten Sondervotum wertet<br />
Siebeke die vom CDU-Präsidium ausgesprochene<br />
„politische Rüge“ als Erteilung einer<br />
Parteistrafe und folgert, daß gemäß dem<br />
Grundsatz ne bis in idem der spätere, mit demselben<br />
Vorwurf begründete Parteiausschluß als<br />
eine erneute Parteistrafe in derselben Sache<br />
rechtswidrig sei.<br />
Dies setzt voraus, daß Art. 103 III GG im Bereich<br />
des Parteiordnungsrechts überhaupt<br />
Geltung beanspruchen kann.<br />
I. Zur Geschichte des Grundsatzes ne bis in<br />
idem bis zur Schaffung der StPO<br />
Der Rechtsgrundsatz des ne bis in idem blickt<br />
auf eine lange geschichtliche Entwicklung zu<br />
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