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MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang Florian Eckert - Wie soll man osteuropäische Parteigruppierungen einteilen? Aufsätze<br />
ersten demokratisch gewählten Regierungen<br />
Osteuropas den zweiten Aspekt der Transformationsprozesse<br />
in Angriff nehmen, den des wirtschaftlichen<br />
Umbaus. Hinsichtlich des<br />
Privatisierungprozesses waren zunächst unterschiedliche<br />
Strategien erkennbar, welche sich als<br />
Trias zwischen radikalen Reformen, gradualistischen<br />
Reformen und dem Status Quo katalogisieren<br />
lassen. Jedes der einzeln gewählten<br />
Tempi führte nicht nur unmittelbar zu Veränderungen<br />
primärer privatwirtschaftlicher<br />
Aspekte, sondern auch zu erheblichen sozialen<br />
Umwälzungen. Zu nennen sind die steigende<br />
Arbeitslosenquote, Inflation und die Verarmung<br />
breiter Teile der Bevölkerung. Gerade die<br />
Aspekte des sozialen Wandels korrelieren mit<br />
dem Modus der Privatisierungsstrategie. Während<br />
die Wahl der radikalen Reformen zunächst<br />
mit erheblichen Verarmungsprozessen verbunden<br />
war, konnten diese Prozesse durch die<br />
verlangsamte Entstaatlichung im wirtschaftlichen<br />
Bereich zunächst unterdrückt werden.<br />
Das zentrale Problemfeld ist im Zuge der<br />
Privatisierungsstrategien die damit einher gehende<br />
makroökonomische Stabilisierung und die<br />
divergierenden Konzepte zu deren Realisation.<br />
Denn die möglichen Resultate unterschiedlicher<br />
makroökonomischer Koordinierungskonzepte<br />
werden von den handelnden Akteuren unterschiedlich<br />
beurteilt. Es wird postuliert, dass im<br />
‚Politikspiel’ der Regierungen diesen nicht eine<br />
homogene Wählerschaft gegenübersteht, sondern<br />
dass die unterschiedlichen Wählergruppen<br />
auch auf unterschiedliche ökonomische<br />
Entwicklungen reagieren werden. Dabei ist zu<br />
berücksichtigen, dass die sozialen Kosten der<br />
betrieblichen Umstrukturierung und des Wirtschaftsumbaus<br />
die einzelnen Bevölkerungsgruppen<br />
unterschiedlich stark beeinträchtigten.<br />
Daraus ergibt sich das bereits näher diskutierte<br />
Bild der gesellschaftlichen Zweiteilung. Diese<br />
Dichotomie der osteuropäischen Sozialstruktur<br />
hinsichtlich des wirtschaftlichen Umbaus wirkt<br />
sich zugleich auf das Wählerverhalten und insofern<br />
auch, gemessen am Erfolg der einzelnen<br />
Parteien, auf die daraus resultierenden Dilemmata<br />
der einzelnen Parteigruppierungen aus. “Im<br />
Streben nach Vereinfachung“ 31 soll sich auf drei<br />
sozioökonomische Schichten konzentriert<br />
werden. Bislang wurde im Zuge der Modifikation<br />
des Parteigruppenansatzes für Osteuropa von<br />
zwei sich diametral gegenüber stehenden<br />
Gruppen ausgegangen, den ‚Verlierern’ und den<br />
‚Gewinnern’. In Anlehung an Scharpf 32 wird<br />
postuliert, dass die ‚Verlierer’ die Interessen der<br />
unteren Schicht vertreten, die ‚Gewinner’ jene<br />
der oberen Schicht.<br />
Neben diesen beiden spricht Scharpf noch von<br />
der mittleren Schicht. Zu ihr zählen qualifizierte<br />
Angestellte und besser ausgebildete Facharbeiter,<br />
die ihren Lebensunterhalt aus verhältnismäßig<br />
sicheren Arbeitsverhältnissen beziehen.<br />
Alterspezifische Charakteristika, wie dies für die<br />
obere bzw. untere Schicht elementar ist, sind<br />
hier nicht zu finden. Während der oberen und<br />
unteren Wählerschicht eindeutig wirtschaftspolitische<br />
Präferenzen unterstellt werden können,<br />
verhält sich die Interessenlage der mittlere<br />
Schicht ambivalent. Zwar sind ihre Arbeitsplätze<br />
sicherer als die der unteren Schicht, dennoch<br />
sind sie im Vergleich zur oberen Schicht durch<br />
Arbeitslosigkeit betroffen, da deren Ressourcen<br />
nicht so komplex sind wie jene der oberen<br />
Schicht, die durch ihr Kapital an Ausbildung<br />
und Alter auch temporäre Arbeitsplatzverluste<br />
akzeptieren kann. Im Allgemeinen ist die mittlere<br />
Schicht jedoch gerade in Osteuropa nicht<br />
stark ausgeprägt.<br />
Wenn man, wie bereits geschehen, von der<br />
Existenz zweier Parteigruppen ausgehen kann<br />
mit jeweils unterschiedlicher Klassenbasis, dann<br />
sprechen die ‚Pro Markt’-Parteien (oder Koalitionen)<br />
die obere sozioökonomische Schicht an,<br />
während die ‚Pro Staat’-Parteien (oder Koalitionen)<br />
an die untere sozioökonomische Schicht<br />
appellieren. „Jede Regierung identifiziert sich<br />
ideologisch mit den Interessen ihrer Stammwähler<br />
und favorisiert makroökonomische Strategien,<br />
die diesen dienen.“ 33 Ziel der jeweiligen<br />
Wirtschaftspolitik ist und bleibt demnach in<br />
31 Fritz Scharpf, Interaktionsformen, Opladen 2000,<br />
S. 378.<br />
32 Fritz Scharpf, Interaktionsformen, Opladen 2000.<br />
33 Fritz Scharpf, Interaktionsformen, Opladen 2000,<br />
S. 380.<br />
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