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MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang Florian Eckert - Wie soll man osteuropäische Parteigruppierungen einteilen? Aufsätze<br />
Themen der Wirtschaftspolitik, die eine bestimmte<br />
Präferenz der Wählerklientel für die<br />
entsprechende Parteiprogrammatik ergibt. Die<br />
Programmatik der Parteien stellt im Zusammenhang<br />
mit der wirtschaftspolitischen Fragestellung<br />
ein wichtiges typologisches Kriterium<br />
dar.<br />
4.1 ‚Pro Markt’-Parteien<br />
Parteien, die programmatisch marktwirtschaftliche<br />
Aspekte betonen und die<br />
Privatisierungen sowohl als wirtschafts-politisches<br />
Mittel der Effizienzsteigerung betrachten<br />
und es zugleich als das wesentliche Instrument<br />
begreifen, um die staatssozialistische Eigentumsordnung<br />
zu verändern, werden als ‚Pro<br />
Markt’-Parteien klassifiziert. Ihre Politik beruht<br />
– als Gegenbewegung zur jahrzehntelangen<br />
Kommandowirtschaft – auf dem Rückzug des<br />
Staates aus der Wirtschaft und ist mit der Institutionalisierung<br />
von neuen Rahmenbedingungen,<br />
die den neuen privaten Sektor etablieren und den<br />
effizienten Umgang mit Ressourcen gewährleisten,<br />
verbunden. Ihre Argumentation für eine solche<br />
Politik geht damit einher, dass<br />
Privatisierungen zügig zu einer Effizienzsteigerung<br />
führen und folglich auch die Einnahmeerhöhung<br />
der öffentlichen Haushalte bewirken.<br />
Gemein ist dieser Gruppe die rasche Entstaatlichung<br />
im wirtschaftlichen Sektor. Dieser Zeitfaktor<br />
ist ebenfalls ein wesentlicher Indikator bei<br />
der Klassifizierung der einzelnen Parteien, da im<br />
Allgemeinen über das ‚Ob’ der Privatisierung in<br />
vielen Staaten Konsens erzielt wurde - im<br />
Gegensatz zum ‚Wie’ und ‚Wann’. Merkel unterteilt<br />
drei mögliche Tempi der Privatisierung:<br />
Radikale Reform, Gradualistische Reform und<br />
Status Quo. 29 Analog dazu wird postuliert, dass<br />
‚Pro Markt’-Parteien zu radikalen Reformen bereit<br />
sind und den Status Quo ablehnen. Diese<br />
Schocktherapie ist zugleich mit erheblichen sozialen<br />
Veränderungen verbunden, doch diese<br />
werden von den ‚Pro Markt’-Parteien im Interesse<br />
einer raschen Umstrukturierung des wirtschaftlichen<br />
Sektors akzeptiert. Diese Parteien<br />
29 Wolfgang Merkel, Systemtransformation, Opladen<br />
1999, S. 390.<br />
befürworten neben der Umstrukturierung der<br />
staatlichen Betriebe die Außenfinanzierung. Die<br />
programmatisch gewünschte Steigerung der inländischen<br />
und ausländischen Investitionen ist<br />
von besonderer Bedeutung, da durch sie die<br />
Modernisierung der Infrastruktur und die<br />
Beschleunigung der Unternehmensumstrukturierung<br />
gewährleistet werde. So entwickeln diese<br />
Parteien in Regierungsverantwortung investitionsfreundliche<br />
Rahmenbedingungen, liberalisieren<br />
den Außenhandel, der neben einer niedrigen<br />
Besteuerung ausländischen Kapitals auch<br />
mittels des Erwerbs von inländischen Unternehmen<br />
und Grundstücken garantiert wird.<br />
Der zweite Aspekt schließt klare Eigentumsrechte<br />
und die Entwicklung des Grundstücks-,<br />
Wohnungs- und Baumarktes mit ein. Zentral<br />
lassen sich als deren Policies die Freigabe der<br />
Preise, die Privatisierung der Betriebe, die<br />
Etablierung einer Unternehmerschaft, die Strukturierung<br />
eines Arbeitsmarktes, die makroökonomische<br />
Stabilisierung, die Modernisierung der<br />
ineffizienten Betriebs-strukturen und die<br />
Änderung der gegebenen Eigentumsordnung<br />
benennen. Diese Parteien haben ihren Ursprung<br />
meist in den Oppositionsbewegungen gegen das<br />
Kommunistische Regime und in deren Abspaltungen<br />
bzw. Neugründungen.<br />
Sie werden von den ‚Gewinnern’ der Systemtransformation<br />
gewählt. Ihre Wählerklientel<br />
rekrutiert sich aus vorwiegend jüngeren, urbanen<br />
Bevölkerungsschichten mit höherem Bildungsstand,<br />
jene, die von den raschen Privatisierungsmaßnahmen<br />
profitieren und die damit einhergehenden<br />
sozialen Veränderungen und Einschnitte<br />
leichter überwinden können.<br />
4.2 ‚Pro Staat’-Parteien<br />
Parteien, die programmatisch hingegen staatswirtschaftliche<br />
Aspekte befürworten und unterstützen,<br />
werden als ‚Pro Staat’-Parteien klassifiziert.<br />
Zwar haben meist auch diese Parteien<br />
durchaus akzeptiert, dass langfristig Umstrukturierungen<br />
im wirtschaftlichen Sektor von Nöten<br />
sind, doch sie verfolgen in der Regel zunächst<br />
die Status Quo-Wahrung, lehnen radikale Reformen<br />
ab und akzeptieren teilweise noch gradu<br />
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