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Aufsätze Florian Eckert - Wie soll man osteuropäische Parteigruppierungen einteilen? MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang<br />
pulistische Großrumänienpartei „die eigentliche<br />
Nachfolgepartei der RKP Nicolae Ceausescus [<br />
ist]“. 25 Umgekehrt kann die aus dem kommunistischen<br />
Jugendverband hervorgegangene ‚Liberale<br />
Demokraten Sloweniens’ nicht als sozialdemokratisch<br />
eingestuft werden, sondern verfolgt<br />
als Mitglied der Liberalen Internationalen<br />
die Politik einer liberal-demokratischen Partei.<br />
Insofern ist diese Einteilung zu unscharf. Mit der<br />
gleichen Problematik muss auch Segert konfrontiert<br />
werden, indem er – wie Kitschelt – sagt,<br />
dass sich „die kommunistischen Nachfolgeparteien<br />
[...]‚sozialdemokratisiert’ haben“. 26<br />
Klingemann spricht sich für eine Dreiteilung der<br />
Parteigruppen aus. Er benennt die soziokulturellen<br />
Parteien, die neuen Programmparteien<br />
und die reformierten kommunistischen<br />
Parteien. Zu der ersten Gruppe zählt er jene, „die<br />
in ihrer Programmatik vor allem die Interessen<br />
sozio-kultureller Gemeinschaften ausdrücken.<br />
Dazu zählen die ethnischen, die konfessionellen,<br />
die nationalen oder nationalistischen und die<br />
Bauernparteien“. 27 Einwände gegen diese Terminologie<br />
richten sich in erster Linie nach einer<br />
erschwerten Zuordnung einzelner Parteien. So<br />
ist beispielsweise zu kritisieren, dass Bauernparteien<br />
unter dem Label der sozio-kulturellen<br />
Gruppen subsumiert werden. Der Begriff „soziokulturell“<br />
postuliert ein Wertesystem einzelner<br />
sozialer Gruppen. Folglich ist der Begriff zu universell,<br />
um zugleich eine sinnvolle Einteilung<br />
anzubieten. Es wird schlechterdings kaum deutlich,<br />
warum konservative oder ökologische<br />
Parteien nicht ebenfalls das Label sozio-kulturell<br />
zugewiesen bekommen. Unter den Programmparteien<br />
begreift Klingemann konservative, liberale,<br />
ökologische und sozialdemokratische<br />
Parteien. Die Differenzierung zwischen soziokulturellen<br />
und Programmparteien und die dar<br />
25 Anneli Gabanyi, Wahlschock in Rumänien: Neue Regierung<br />
weiter auf Europakurs, in: Stiftung Wissenschaft<br />
und Politik Aktuell 1/Februar 2001, S. 2 f.<br />
26 Dieter Segert (Hrsg.), Konfliktregulierung durch<br />
Parteien und politische Stabilität in Ostmitteleuropa,<br />
Frankfurt am Main 1994, S. 25.<br />
27 Dieter Klingemann, Die Entstehung wettbewerbsorientierter<br />
Parteiensysteme in Osteuropa, in: Wolfgang<br />
Zapf/Meinolf Dierkes (Hrsg.), Institutionenvergleich<br />
und Institutionendynamik, Berlin 1994, S. 18 f.<br />
34<br />
aus resultierende Zuordnung einzelner<br />
Parteiströmungen ist missverständlich. Auch sozialdemokratische<br />
Positionen von denen der ‚reformierten<br />
kommunistischen Parteien’ zu<br />
trennen entspricht – wie bereits erwähnt – nicht<br />
zwingend der osteuropäischen Realität. In<br />
einigen Staaten (Albanien, Bulgarien und Polen)<br />
sind sozialdemokratische Parteien aus den ‚reformierten<br />
kommunistischen Parteien’ hervorgegangen.<br />
4. Modifikation osteuropäischer<br />
Parteigruppen<br />
Die ausgewählten Ansätze zur Einteilung osteuropäischer<br />
Parteien in Parteigruppierungen<br />
weisen zwei Probleme auf, die es erfordern, den<br />
Parteigruppen-Ansatz für das vergleichende Interesse<br />
zu modifizieren. Denn neben der missverständlichen<br />
Terminologie wird – und das<br />
scheint im Hinblick auf die Grundlage zur Entstehung<br />
einzelner Parteien kritischer – kein Bezug<br />
auf die Konfliktlinien genommen, wenn es<br />
um die Einteilung von osteuropäischen<br />
Parteigruppen geht.<br />
Der im Folgenden gewählte Schritt verknüpft<br />
methodisch den Forschungsansatz der ‚familles<br />
spirituelles’, der Parteifamilien anhand der sozialen<br />
und auch politischen Konfliktlinie erklärt,<br />
mit der Klassifizierung der Parteien anhand ihres<br />
programmatischen Profils. Der Rückgriff auf die<br />
Programmatik ist notwendig, um die Parteien an<br />
den beiden Polen der Konfliktlinie verorten zu<br />
können. Da sich das Cleavage-Modell für alle<br />
osteuropäischen Staaten auf die Pole ‚Pro<br />
Marktwirtschaft’ und ‚Pro Planwirtschaft’, respektive<br />
‚Gewinnern’ und ‚Verlierer’,<br />
beschränkt, ist es bei der vergleichenden Untersuchung<br />
der Parteiprogramme vor diesem Hintergrund<br />
ausreichend, wenn sich hier lediglich<br />
auf die wirtschafts-politischen Aspekte konzentriert<br />
wird. „Hence a cross-national comparison<br />
of programmatic structuring must focus on<br />
parties´ salient issues.” 28 Diese sind die zentralen<br />
28 Herbert Kitschelt/Zdenka Mansfeldova/Radoslaw<br />
Markowski/Gábor Tóka, Post-Communist Party Systems;<br />
Competition, Representation, and inter-party cooperation,<br />
Cambridge 1999, S. 158.