Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Aufsätze Florian Eckert - Wie soll man osteuropäische Parteigruppierungen einteilen? MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang<br />
Wie soll man osteuropäische<br />
Parteigruppierungen einteilen?<br />
Eine Modifikation des Links-Mitte-<br />
Rechts-Schemas aus der Vergleichenden<br />
Staatstätigkeitsforschung und<br />
die Dilemmata der Privatisierungspolitik.<br />
Florian Eckert, M.A. *<br />
1. Problem und Fragestellung<br />
Parties are the children of revolution. 1 Die Systemwechsel<br />
in Osteuropa haben den Staatssozialismus<br />
verdrängt. An dessen Stelle sind zahlreiche<br />
konsolidierte demokratische Gesellschaften<br />
getreten. Der Parteienwettbewerb ist zu<br />
einer Schlüsselgröße für die Staatstätigkeit geworden.<br />
Jedoch kann die osteuropäische Parteienlandschaft<br />
nicht mit der westlicher Demokratien<br />
gleichgesetzt werden. Für Westeuropa hat die<br />
Vergleichende Staatstätigkeitsforschung anhand<br />
von Policy-Analysen ein Rechts-Mitte-Links-<br />
Schema zur Klassifikation parteipolitischer Entscheidungsprozesse<br />
für die Wirtschafts- und<br />
Beschäftigungspolitik ermittelt. Die „klassische<br />
Formulierung“ 2 der Parteiendifferenzhypothese<br />
geht auf Hibbs 3 zurück. Sie erlaubt die einfache<br />
* Florian Eckert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut<br />
für Deutsches und Europäisches Parteienrecht<br />
und Parteienforschung (<strong>PRuF</strong>).<br />
1 Zitiert nach: János Simon, The Change of Function of<br />
Political Parties at the Turn of Millennium, Working<br />
Papers 221, Institut de Ciències Polítiques i Socials,<br />
Barcelona 2003. Simon nimmt Bezug auf Hans<br />
Daalder, Parties, Elites and Political Development in<br />
Western Europe, in: Joseph La Palombara/Myron<br />
Weiner (Hrsg.), Political Parties and Political Development,<br />
Princeton 1966, S. 52.<br />
2 Manfred Schmidt, Theorien in der international vergleichenden<br />
Staatstätigkeit, in: Adrienne Héritier<br />
(Hrsg.), Policy-Analyse, Politische Vierteljahresschrift<br />
24, 1993, S. 371-393.<br />
3 Douglas Hibbs, Political Parties and Macroeconomic<br />
Policies, in: American Political Science Review, 71,<br />
30<br />
Annahme über die Zielsetzung der Parteien analog<br />
des Rechts-Mitte-Links-Schemas primär für<br />
die Wirtschafts- oder auch für die Wohlfahrtsstaatspolitik.<br />
Zahlreiche Kategorien zur Einteilung<br />
von Parteien wurden entwickelt. Jedoch<br />
fällt bei näherer Betrachtung auf, dass sie nicht<br />
dem Vergleich aller postkommunistischen Staaten<br />
Osteuropas standhalten. 4<br />
Wie in westlichen Demokratien so sind auch in<br />
den jungen Demokratien Osteuropas Struktur<br />
und Funktionsweise der Regierungen durch das<br />
Parteien- und Wahlsystem geprägt. Aufgrund<br />
des jahrzehntelangen Staatssozialismus und der<br />
Hegemonie einer einzigen Partei können die<br />
Staaten Osteuropas jedoch nicht auf ein<br />
etabliertes pluralistisches Parteiensystem zurückgreifen.<br />
Parteiprogrammatiken orientieren<br />
sich zwar wie im westeuropäischen Vergleich an<br />
gesellschaftlichen Konfliktlinien. Jedoch müssen<br />
hier die osteuropäischen Besonderheiten und die<br />
damit einhergehenden komplexen Transformationsbedingungen<br />
berücksichtigt werden, die<br />
sich auf die Bildung der osteuropäischen Konfliktlinien<br />
auswirken. Generell lässt sich sagen,<br />
dass der zentrale Konflikt zwischen den<br />
Anhängern des Staatssozialismus und den Reformern<br />
ausgetragen wird. 5 Als Folge der zahlreichen<br />
Parteigründungen sind in den osteuropäischen<br />
Staaten stark fragmentierte und instabile<br />
Parteiensysteme entstanden, Absplitterungen<br />
und stetige Neugründungen von Parteien sind<br />
das Resultat.<br />
Im Folgenden soll eine Modifikation des Links-<br />
Mitte-Rechts-Schemas aus der Vergleichenden<br />
Staatstätigkeitsforschung für die osteuropäischen<br />
Parteien entwickelt werden. Im Anschluss wird<br />
der Fokus auf die sich aus dem Wirtschaftsumbau<br />
der jungen Demokratien ergebenden Dilemmata<br />
der parteipolitischen Akteure im Hinblick<br />
auf die Wählerklientel gelegt.<br />
1977; S. 1467-1487.<br />
4 Wenn im Folgenden von Osteuropa gesprochen wird,<br />
so sind damit die postsozialistischen Staaten mit Ausnahme<br />
Russlands gemeint, die Mitglied des Europarats<br />
sind.<br />
5 Wolfgang Ismayr (Hrsg.), Die politischen Systeme<br />
Osteuropas, Opladen 2002.