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MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang Mark Deiters - Der Fall »Kremendahl« als Lackmustest der §§ 331, 333 StGB Aufsätze<br />
kannte das Gesetz einen entsprechenden Tatbestand<br />
überhaupt nicht; auch die etwaige Teilnahme<br />
des den Vorteil Gewährenden an der<br />
Haupttat des Amtsträgers blieb nach den Grundsätzen<br />
der sogenannten notwendigen Teilnahme<br />
straflos 58 . Mit dem EGStGB von 1975 wurde die<br />
Vorteilsgewährung dann erstmals strafbares Unrecht.<br />
Dem Amtsträger musste der Vorteil<br />
allerdings als Gegenleistung dafür angeboten,<br />
versprochen oder gewährt werden, dass er eine<br />
in seinem Ermessen stehende Diensthandlungen<br />
künftig vornehme. Anders als beim Tatbestand<br />
der Vorteilsannahme in seiner ursprünglichen<br />
Fassung verlangte das Gesetz damit bei der Vorteilsgewährung<br />
auch objektiv ein synallagmatisches<br />
Bedingungsverhältnis zwischen Vorteil<br />
und Diensthandlung 59 . Im Zuge des Korruptionsbekämpfungsgesetzes<br />
von 1997 erhielten die<br />
Tatbestände der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung<br />
dann ihre gegenwärtig weitgehend 60<br />
spiegelbildliche Gestalt, weshalb auch für die<br />
Vorteilsgewährung heute faktisch ausreicht, dass<br />
der Vorteil deshalb angeboten, versprochen oder<br />
gewährt wird, weil der Empfänger Amtsträger<br />
ist.<br />
Zusammenfassend lässt sich die Entwicklung<br />
der §§ 331, 333 StGB dahingehend beschreiben:<br />
Allgemein als strafwürdig wird es empfunden,<br />
wenn einem Amtsträger ein Vorteil gewährt<br />
wird, damit dieser eine Diensthandlung vornehme.<br />
Weil der Nachweis eines solchen Sachverhaltes<br />
sich im Einzelfall aber als sehr schwierig<br />
gestalten kann, lassen es die §§ 331, 333<br />
StGB ausreichen, dass der Vorteil gewährt wird,<br />
weil der Vorteilsempfänger Amtsträger ist. Insoweit<br />
bezwecken die §§ 331 Abs. 1, 333 Abs. 1<br />
StGB entgegen dem Zweck von Tatbestandsbeschreibungen<br />
nicht die präzise Beschreibung<br />
strafwürdigen Unrechts. Sie lassen sich besser<br />
58 LK 9 -Baldus, § 333 Rn. 11.<br />
59 § 333 Abs. 1 StGB in der von 1975-1997 geltenden<br />
Fassung lautete: »Wer einem Amtsträger oder einem<br />
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten<br />
oder einem Soldaten der Bundeswehr als Gegenleistung<br />
dafür, dass er eine in seinem Ermessen stehende<br />
Diensthandlung künftig vornehme, einen Vorteil anbietet,<br />
verspricht oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe<br />
bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.«<br />
60 Dazu SK StGB-Rudolphi/Stein, § 333 Rn. 1 f., <strong>12</strong>.<br />
als Ermächtigungsnormen verstehen, die es<br />
Staatsanwaltschaft und Gerichten erlauben, nach<br />
eigenen Wertungen gegen strafwürdige Korruption<br />
vorzugehen. Sofern die Gerichte solche<br />
Zumutungen nicht mit dem Hinweis auf eine<br />
verfassungsrechtlich nach Art. 103 Abs. 2 GG<br />
zu beanstandende Unbestimmtheit beantworten<br />
und die jeweiligen Strafnormen dem<br />
Verfassungsgericht im Wege konkreter Normenkontrolle<br />
vorlegen – und hier hat die Erfahrung<br />
gelehrt, dass es wenig Hoffnung auf eine<br />
verfassungsrechtliche Sanktionierung solcher<br />
Gesetzgebungstechnik gibt – bleibt ihnen wenig<br />
anderes übrig, als den Bereich des Strafwürdigen<br />
selbst zu bestimmen.<br />
Genau dies hat der 3. Strafsenat getan. Dabei ist<br />
es zu begrüßen, wenn er hinsichtlich der Einwerbung<br />
von Wahlkampfspenden durch sich zur<br />
Wiederwahl stellende Wahlbeamte klarstellt,<br />
dass der Vorwurf strafwürdiger Korruption erst<br />
dann gerechtfertigt ist, wenn der Vorteil als<br />
Gegenleistung für eine künftige Diensthandlung<br />
gewährt und angenommen wird. Das Landgericht<br />
Dortmund, an den der Bundesgerichtshof<br />
den Fall »Kremendahl« nunmehr verwiesen hat,<br />
wird deshalb einen Maßstab anzulegen haben,<br />
der mit den Wertungen der §§ 331 Abs. 1, 333<br />
Abs. 1 StGB in ihrer gegenwärtigen Gestalt insoweit<br />
wenig zu tun hat, als der 3. Strafsenat<br />
nicht den bloßen Anschein von Korruption, sondern<br />
ihren Nachweis als Voraussetzung einer<br />
Verurteilung verlangt. Dass das Erlaubte dem<br />
Verbotenen bisweilen als Maske dient, ist entgegen<br />
der von 1929 stammenden Auffassung des<br />
Reichsgerichts in einem Rechtsstaat hinzunehmen,<br />
so lange es im Einzelfall nicht<br />
gelingt, den Umstand der Maskierung nachzuweisen.<br />
Anderenfalls verschwimmt die Grenze<br />
zwischen Erlaubtem und Verbotenem.<br />
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