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Aufsätze Mark Deiters - Der Fall »Kremendahl« als Lackmustest der §§ 331, 333 StGB MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang<br />
Amtsträger einen Vorteil als Gegenleistung für<br />
eine bereits vorgenommene Diensthandlung<br />
annahm 49 . Eine auch für die Praxis folgenreiche<br />
Änderung stellt demgegenüber die auf das Korruptionsbekämpfungsgesetz<br />
von 1997 zurückgehende<br />
Reform des Tatbestandes der Vorteilsannahme<br />
dar. § 331 Abs. 1 StGB lässt es seitdem<br />
ausreichen, dass der Vorteil für die<br />
Dienstausübung angenommen wird – der Bezug<br />
zu einer konkreten Diensthandlung ist nicht<br />
mehr erforderlich. Zusätzlich erfasst<br />
§ 331 Abs. 1 StGB auch für Dritte angenommene<br />
Vorteile als tatbestandsmäßig. Mit der Reform<br />
wollte der Gesetzgeber – ganz im Sinne<br />
der bereits vom Reichsgericht eingeschlagenen<br />
Richtung – Beweisschwierigkeiten bei der Feststellung<br />
des Bezugs zu einer konkreten Diensthandlung<br />
sowie dem Nachweis eigennützigen<br />
Verhaltens vorbeugen 50 . Die damit notwendig<br />
einhergehende Problematik einer zunehmenden<br />
Unschärfe dieser Tatbestände, die im Zuge des<br />
Gesetzgebungsverfahrens von Seiten der<br />
Wissenschaft kritisiert wurde 51 , hat der Gesetzgeber<br />
bewusst in Kauf genommen.<br />
Sachlich erfasst die Formulierung des § 331<br />
Abs. 1 StGB heute die Annahme eines jeden<br />
Vorteils, der im Hinblick auf die dienstliche Tätigkeit<br />
gewährt wird 52 . Zwar wird in der Rechtslehre<br />
zum Teil nach wie vor daran festgehalten,<br />
dass der Vorteil eine Gegenleistung für die<br />
Dienstausübung darstellen muss 53 , doch ist dies<br />
auf der Grundlage des geltenden Rechts in<br />
49 § 331 Abs. 1 StGB in der von 1975-1997 geltenden<br />
Fassung lautete: »Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen<br />
Dienst besonders Verpflichteter, der einen<br />
Vorteil als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen<br />
lässt oder annimmt, dass er eine Diensthandlung<br />
vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit<br />
Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe<br />
bestraft.«<br />
50 Dölling, Gutachten 61. Deutscher Juristentag, C 63;<br />
Schaupensteiner, NStZ 1996, 409 (411 f.).<br />
51 Siehe etwa Ransiek, StV 1996, 446 ff.<br />
52 Haeser, MedR 2002, 55 (58). Die Ablehnung des<br />
vermeintlich weitergehenden Gesetzesvorschlages des<br />
Bundesrates, bei dem § 331 Abs. 1 StGB jede<br />
Annahme eines Vorteils »im Zusammenhang mit der<br />
Dienstausübung« erfassen sollte (siehe Lackner/Kühl,<br />
§ 331 Rn. 10A m.w.N.), hat damit in der Sache keine<br />
wirkliche Restriktion zur Folge gehabt.<br />
53 NK-Kuhlen, § 331 Rn. 79 m.w.N.<br />
28<br />
Wahrheit ein kaum begrenzendes Kriterium.<br />
Muss der Vorteil nicht mehr in Beziehung zu<br />
einer konkretisierbaren Amtshandlung stehen,<br />
lässt sich nur sehr eingeschränkt überhaupt prüfen,<br />
ob dieser Vorteil denn eine Gegenleistung<br />
für dienstliches Verhalten darstellt, weil der<br />
hierfür nach herrschender Ansicht erforderliche<br />
Charakter des Vorteils als Äquivalent für ein<br />
dienstliches Verhalten nur in Bezug zu einer<br />
konkreten »Leistung« des Amtsträgers festgestellt<br />
werden kann 54 . Allenfalls lassen sich solche<br />
Fälle ausscheiden, in denen der Vorteil nur<br />
zur Ermöglichung künftiger Dienstausübung gewährt<br />
wird 55 . Allerdings erweist sich auch dies<br />
als schwierig, wenn der Bezugspunkt der Abgrenzung<br />
die gesamte Dienstausübung des<br />
Amtsträgers ist. Wer etwa einem Hochschullehrer<br />
private Drittmittel zur Ermöglichung künftiger<br />
Forschung gewährt, honoriert damit in aller<br />
Regelung zugleich dessen bisherige Forschung.<br />
Zugleich wird er mit der Gewährung der Drittmittel<br />
eine bestimmte, nicht notwendigerweise<br />
ihm selbst nützende Vorstellung vom Bereich<br />
der künftigen Forschung des Hochschullehrers<br />
verbinden 56 . Damit dienen solche Mittel aber –<br />
selbst bei ausschließlich altruistischer Motivation<br />
– regelmäßig nicht nur dazu, die künftige<br />
Dienstausübung zu ermöglichen 57 .<br />
Für die Strafbarkeit wegen Vorteilsgewährung<br />
gilt heute Entsprechendes. Von 1871 bis 1975<br />
54 Deshalb ist es problematisch, wenn einerseits behauptet<br />
wird, der Vorteil müsse auch auf der Grundlage<br />
des § 331 Abs. 1 StGB in der Fassung des Korruptionsbekämpfungsgesetzes<br />
von 1997 nach wie vor<br />
eine Gegenleistung der Dienstausübung darstellen,<br />
anderseits aber von einer hierauf bezogenen Lockerung<br />
der Beweisanforderungen gesprochen wird (siehe etwa<br />
NK-Kuhlen, § 331 Rn. 79 und 81 am Ende). Was nicht<br />
bewiesen werden muss, ist auch keine Voraussetzung<br />
der Strafbarkeit.<br />
55 Darauf wird die Funktion dieses Merkmales<br />
beschränkt; siehe NK-Kuhlen a.a.O.<br />
56 Vgl. dazu SK StGB-Rudolphi/Stein, § 331 Rn. 37:<br />
Sobald es zum Inhalt der Vereinbarung gehöre, dass<br />
sich der Hochschullehrer für ein bestimmtes Forschungsprojekt<br />
an Stelle eines anderen entscheide, sei<br />
die Unrechtsvereinbarung zu bejahen. Ist das nicht<br />
eigentlich schon deshalb immer zu bejahen, weil die<br />
Arbeitszeit eines jeden Menschen und also auch die<br />
des Hochschullehrers begrenzt ist?<br />
57 Anders NK-Kuhlen, § 331 Rn. 79; siehe auch Anm.<br />
14.